Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 4. Dezember 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/180 19. Wahlperiode 06.12.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/75 – Diskussionen auf Ebene der Europäischen Union zu rechtsstaatlichen Problemen bei Fahndungsersuchen via Interpol V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Über die internationale Polizeiorganisation Interpol können verschiedene Fahndungsersuchen zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung versandt werden, darunter sogenannte „Diffusions“ und „Notices“ (Bundestagsdrucksache 18/13652, Antwort zu Frage 1). Sie werden weltweit verbreitet, in Deutschland stehen die enthaltenen Informationen innerhalb der Bundesverwaltung dem Bundeskriminalamt (BKA), der Bundespolizei sowie dem Zollkriminalamt zur Verfügung (Bundestagsdrucksache 18/13652, Frage 3). Das deutsche Interpol-Büro befindet sich beim BKA. Wie jedes nationale Interpol-Büro muss das BKA vor der Übermittlung von „Diffusions“ sicherstellen, dass das eigene Fahndungsersuchen im Einklang mit den Interpol-Richtlinien, insbesondere mit Artikel 2 und 3 der Interpol-Statuten, steht (Bundestagsdrucksache 18/13652, Antwort zu Frage 11). Das Generalsekretariat von Interpol (IPSG) unterzieht internationale Fahndungsersuchen generell einer Prüfung auf etwaige Verstöße gegen die Regularien , insbesondere Artikel 3 der Interpol-Statuten (Bundestagsdrucksache 18/11375, Frage 17). Artikel 3 untersagt Interpol jegliche Betätigung oder Mitwirkung in Fragen oder Angelegenheiten politischen, militärischen, religiösen oder ,,rassischen“ Charakters (Statuten und allgemeine Bestimmungen der IKPO-Interpol, Artikel 3). Außer den ,,Diffusions" und ,,Notices“ können die Interpol-Mitgliedstaaten die Kanäle auch nutzen, um bilateral gezielte Ersuchen zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung an andere nationale Interpol-Büros zu stellen. Weil das Interpol-Generalsekretariat nicht eingebunden ist, werden die Ersuchen dort nicht rechtlich geprüft (Bundestagsdrucksache 18/13652, Frage 11). Im Fall des türkischen Schriftstellers Doğan Akhanlı hatte die Türkei bereits im November 2013 ein Festnahmeersuchen („Red Notice“) wegen angeblicher Beteiligung an einem Raubmord über Interpol verteilt und an alle Interpol-Mitgliedstaaten übermitteln lassen. Im Sommer war Doğan Akhanlı im Spanienurlaub festgenommen worden. Nach internationalen Berichten und Protesten hat Interpol den Suchauftrag nach dem Schriftsteller gelöscht („Interpol löscht Fahndungsmeldung nach Doğan Akhanlı“, www.sueddeutsche.de vom 25. August 2017). Mehrere EU-Mitgliedstaaten nahmen daraufhin am 22. September Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/180 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2017 an einem Expertentreffen zu einem informellen und vertraulichen Austausch über die rechtsstaatliche Problematik politisch motivierter türkischer Interpol -Fahndungsersuchen teil (Schriftliche Frage 37 des Abgeordneten Dr. Diether Dehm auf Bundestagsdrucksache 18/13696 vom 16. Oktober 2017). Auch hinsichtlich anderer „Drittstaaten“ haben die Beteiligten Abstimmungsbedarf artikuliert. Die Europäische Kommission wurde gebeten, hierzu einen Workshop zu „politisch motivierten Fahndungsersuchen“ abzuhalten. Lediglich bezüglich des Putschversuches vom 15. Juli 2016 hat das IPSG das Interpol- Büro in Ankara angewiesen, Fahndungsersuchen in diesem Zusammenhang zu unterlassen (Bundestagsdrucksache 18/11375, Frage 17). Entsprechende Sachfahndungen nach türkischen Reisedokumenten wurden aus den Interpol-Systemen gelöscht. Zuletzt wurden in der Ukraine zwei Journalisten aufgrund eines türkischen Fahndungsersuchens via Interpol verhaftet (http://gleft.de/1WB). Betroffen sind der aserbeidschanische Journalist Fikret Huseynli, der im Exil in den Niederlanden lebt, und der usbekische Journalist Narzullo Akhunzhonov. Im Sommer 2017 war bereits der türkische Staatsangehörige Kemal K., der politisches Asyl in Deutschland erhielt, in der Ukraine verhaftet worden. Bernd Fabritius, der Berichterstatter zu Interpol bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates , erinnert deshalb an die Resolution 2161 (2017) des Europarates, die den Missbrauch Interpols zu politischer Verfolgung anprangert und Verbesserungen fordert (http://gleft.de/1WB). Ab dem 11. März 2017 gilt ein neues Statut für Interpols Datenkontrollkommission (www.cilip.de/2017/02/01/neuausrichtung-von-interpol). Bislang berät sie das Generalsekretariat über Anfragen zu Auskunftsersuchen, Akteneinsicht oder die Korrektur oder Löschung gespeicherter Daten. Die Zahl der Mitglieder der Kommission wird nun von fünf auf sieben erhöht. Sie können jetzt selbst über Individualbeschwerden von Petenten entscheiden, ohne diese dem Generalsekretariat vorzulegen. Für die Bearbeitung der Anträge gibt es nun festgelegte Fristen. Widersprüche gegen Entscheidungen der Datenkontrollkommission werden von ihr selbst geprüft. Dass Interpol zu politischen Zwecken missbraucht wird, ist aus Sicht der Fragesteller ein Geburtsfehler der sogenannten Buntecken. Die gravierenden Mängel der Interpol-Schutzmechanismen müssen deshalb verbessert werden. Betroffene erfahren oft erst von einem Eintrag, wenn sie in einem anderen Land festgenommen werden. Die unbequeme Untersuchungshaft bis zum Nachweis eines Artikel-3-Verstoßes muss ihnen erspart werden. Mehr Personal für die Artikel-3-Prüfungen wird das Problem aus Sicht der Fragesteller allein nicht lösen, denn wie im Fall von Doğan Akhanlı oder zuletzt der Ukraine können Betroffenen gefälschte Beweise untergeschoben werden, um sie wegen vermeintlich unpolitischer Straftaten verfolgen zu lassen. Die Datenkontrollkommission muss deshalb möglichst unabhängig werden. Die vielen gefundenen Verstöße der Türkei sollten auch politische Konsequenzen haben, indem sich beispielsweise das Auswärtige Amt einschaltet. Die deutsche Botschaft muss deshalb nach Auffassung der Fragesteller bei der türkischen Regierung in jedem Einzelfall Protest einlegen. 1. Auf welche Weise könnten die Interpol-Schutzmechanismen aus Sicht der Bundesregierung weiter verbessert werden? Aus Sicht der Bundesregierung sind die aktuellen Schutz- und Prüfmechanismen in Bezug auf die Interpol-Fahndungsinstrumente im Interpol-Generalsekretariat (IPSG) bereits als effektiv zu bewerten. Ihre Verbesserung stellt ein fortlaufendes Diskussionsthema der verschiedenen Interpol- Gremien (z. B. Generalversammlung der IKPO-Interpol, Europäische Regionalkonferenz der IKPO-Interpol, Interpol European Committee) dar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/180 Eine Verbesserung der Interpol-Schutzmechanismen könnte z. B. erreicht werden , wenn die für die Prüfung von Interpol-Fahndungsinstrumenten zuständige Einheit im Generalsekretariat weitere personelle oder finanzielle Unterstützung, auch aus den Interpol-Mitgliedsländern, erhalten würde. Auch die Beachtung der in der Resolution des Europarats 2161 (2017) vom 26. April 2017 an die im Europarat vertretenen Interpol-Mitgliedsländer gerichteten Empfehlungen durch möglichst viele Interpol-Mitgliedsländer würde zu einer Verbesserung führen, insbesondere wenn alle Interpol-Mitgliedstaaten über ihre nationalen Interpol- Büros das Generalsekretariat verstärkt – wie in Artikel 80 Absatz 1 Buchstabe c) der Interpol Regeln über die Datenverarbeitung vorgesehen – im Einzelfall über Zweifel an der Einhaltung der Statuten informieren würden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 2. Inwiefern haben Interpol oder die Bundesregierung Überlegungen angestellt, ob die Datenkontrollkommission bei Interpol unabhängig organisiert werden könnte? Die Aufgaben und Befugnisse sowie die Zusammensetzung und Funktionsweise der Commission for the Control of Interpol’s Files (CCF) sind insbesondere in den Artikeln 36 und 37 der Statuten der IKPO-Interpol sowie näher in dem am 11. März 2017 in Kraft getretenen CCF-Statut geregelt. Gemäß Artikel 36 der Statuten der IKPO-Interpol handelt es sich bei der CCF um eine unabhängige Einheit („independent body“). Das CCF-Statut beschreibt in Artikel 4 generell die Unabhängigkeit der CCF bei der Ausübung ihrer Funktion. Ergänzend sind in Artikel 11 und 12 des CCF-Statuts weitere und umfassende Details zur Unabhängigkeit sowie zur Unparteilichkeit der Mitglieder dieser Kommission geregelt. Darüber hinaus sind weitere Vorgaben zu diesen Aspekten in der Geschäftsordnung der CCF (Operating Rules of the CCF) enthalten. Aus Sicht der Bundesregierung liegt aufgrund dieser – über die Interpol-Homepage (www.interpol.int) einsehbaren – Bestimmungen eine unabhängige Organisation der CCF vor. 3. Welche politischen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den gehäuften Artikel-3-Verstößen durch die Türkei? Die Bundesregierung setzt sich für eine bestmögliche Beachtung der Interpol- Satzung ein. So steht die Bundesregierung insbesondere mit ihren Partnern in der Europäischen Union im Gespräch, um eine bessere Kommunikation von satzungswidrigen Fahndungsersuchen untereinander und im Verhältnis zum Interpol -Generalsekretariat sicherzustellen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 4. Welche EU-Mitgliedstaaten nahmen am 22. September 2017 an einem Expertentreffen zu einem informellen und vertraulichen Austausch über die rechtsstaatliche Problematik politisch motivierter türkischer Interpol-Fahndungsersuchen teil (vgl. Schriftliche Frage 37 des Abgeordneten Dr. Diether Dehm auf Bundestagsdrucksache 18/13696 vom 16. Oktober 2017)? An dem Treffen nahmen neben der Bundesrepublik Deutschland die EU-Mitgliedstaaten Belgien, Estland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich teil. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/180 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode a) Hinsichtlich welcher „anderen Drittstaaten“ haben die Beteiligten weiteren Abstimmungsbedarf artikuliert? Konkrete Drittstaaten wurden nicht benannt. b) Auf welche Weise wurde auf Bitte Deutschlands und Schwedens „auf hochrangiger Ebene unter den EU-Mitgliedstaaten“ eine Diskussion zum Umgang mit Interpol-Fahndungen aus Drittstaaten und über die weitere Verbesserung bereits existierender Interpol-Schutzmechanismen angestoßen , und wo wird diese Diskussion geführt? Der Bundesminister des Auswärtigen und seine schwedische Amtskollegin Margot Wallström hatten sich mit einem gemeinsamen Schreiben vom 6. September 2017 mit der Bitte an die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außenund Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, gewandt, eine Diskussion mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union über das Thema zu initiieren. Auf Bitte der Botschafter der Bundesrepublik Deutschlands und Schwedens im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee der Europäischen Union (PSK) war das Thema daraufhin Gegenstand einer gemeinsamen Sitzung des PSK und des Ständigen Ausschusses für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI) am 26. September 2017 in Brüssel. In der Folge wurde die Fragestellung bei der Sitzung der leitenden Beamten der Europäischen Union für Justiz und Inneres mit Interpol am 20. November 2017 in Brüssel behandelt. In diesem Rahmen sicherte Interpol den weiteren Austausch über das Thema zu. Hierüber wurde das PSK am 21. November 2017 unterrichtet. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich gemeinsam mit Schweden dafür eingesetzt, das Thema in den folgenden Wochen aktiv weiterzuverfolgen. c) Wann will die Europäische Kommission hierzu einen Workshop zu „politisch motivierten Fahndungsersuchen“ abhalten, und wer nahm bzw. wer nimmt nach gegenwärtigem Stand daran teil (vgl. Schriftliche Frage 37 des Abgeordneten Dr. Diether Dehm auf Bundestagsdrucksache 18/13696 vom 16. Oktober 2017)? Die Europäische Kommission wurde in der gemeinsamen Sitzung des PSK und des COSI gebeten, einen Workshop zur Erarbeitung eines gemeinsamen Vorgehens der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei politisch motivierten Fahndungsersuchen unter Einbeziehung von Interpol zu initiieren. Ein Termin wurde von der Europäischen Kommission noch nicht mitgeteilt. Es wird im Übrigen auf die Antwort zu Frage 4b verwiesen. d) Auf welche Weise hat sich die Bundesregierung gegenüber der Ukraine für die Freilassung von zwei Journalisten eingesetzt, die nach einem türkischen Interpol-Fahndungsersuchen festgenommen wurden (http://gleft. de/1WB)? Die Bundesregierung sieht bislang keine Veranlassung, in den genannten Fällen gegenüber der ukrainischen Regierung zu intervenieren, zumal ein Bezug zur Bundesrepublik Deutschland nicht ersichtlich ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/180 5. Wie viele „Diffusions“ und „Notices“ hat das Interpol-Generalsekretariat nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 via Interpol von der Türkei wegen eines Artikel-3-Verstoßes ausgesondert? Das Interpol-Generalsekretariat hat in diesem Zeitraum zu acht Fahndungsersuchen der türkischen Behörden einen Verstoß gegen die IKPO-Statuten (u .a. Verstoß gegen Artikel 3) mitgeteilt. 6. Wie viele Sachfahndungen nach türkischen Reisedokumenten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 aus den Interpol-Systemen gelöscht (Bundestagsdrucksache 18/11375, Antwort zu Frage 17)? Der Bundesregierung liegen keine Informationen über die Anzahl der Sachfahndungen nach türkischen Reisedokumenten vor, welche nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 von Interpol aus seinen Systemen gelöscht worden sind. 7. Wie viele „Diffusions“ und „Notices“ aus der Türkei hat das deutsche Interpol -Nationalbüro seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 erhalten (bitte nach den einzelnen Buntecken darstellen)? Das BKA hat in diesem Zeitraum 569 Fahndungsersuchen der türkischen Behörden erhalten, davon 530 zur Festnahme (sog. Red Notices/Diffusions) und 39 zur Aufenthaltsermittlung (sog. Blue Notices/Diffusions). a) In wie vielen Fällen hat die Türkei in dem besagten Zeitraum die Interpol- Kanäle genutzt, um bilateral Ersuchen zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung an das deutsche nationale Interpol-Büro zu stellen? Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik. Der Bundesregierung sind zu insgesamt 22 Personen Vorgänge bekannt, in denen die Türkei justizielle Auslieferungsunterlagen vorab übermittelt bzw. die Übermittlung auf dem diplomatischen Geschäftsweg angekündigt hat. b) Wie viele dieser „Diffusions“ und „Notices“ sowie bilateralen Ersuchen aus der Türkei wurden nach einer deutschen Prüfung wegen eines Artikel- 3-Verstoßes ausgesondert? Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik. c) In welchen dieser einzelnen Fälle hat sich das Auswärtige Amt eingeschaltet oder die deutsche Botschaft bei der türkischen Regierung Protest eingelegt? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/180 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Bei welchen weiteren Behörden, außer den spanischen Behörden, hat die Bundesregierung nach der Verhaftung aufgrund türkischer Fahndungsersuchen seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 „ihre Besorgnis über eine mögliche Auslieferung“ an die Türkei ausgedrückt (Bundestagsdrucksache 18/13652, Antwort zu Frage 15)? Außer gegenüber den spanischen Behörden setzt sich die Bundesregierung gegenüber der Ukraine für einen deutsch-türkischen Staatsangehörigen ein und unterstützt seine Bemühungen um eine rasche Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland. 9. Inwiefern kann die Datenkontrollkommission bei Interpol nach Kenntnis der Bundesregierung auch auf eigene Initiative tätig werden, um einen Artikel- 3-Verstoß zu prüfen? Gemäß Artikel 6 des CCF-Statuts besteht die Kommission aus zwei Kammern mit unterschiedlichen Aufgabengebieten: - Die sog. Supervisory and Advisory Chamber nimmt die Aufsichtsfunktion in Bezug auf das IPSG betreffend die regelkonforme Verarbeitung personenbezogener Daten in den Interpol-Informationssystemen sowie eine entsprechende Beratungsfunktion (z. B. zur Verbesserung der IT-Sicherheit) gegenüber dem IPSG wahr. - Die Requests Chamber ist ausschließlich für die Bearbeitung von konkreten Petentenanfragen und Beschwerden in Zusammenarbeit mit der Informationsverarbeitung im IPSG zuständig. Auf Basis von Artikel 26 des CCF-Statuts sowie Punkt 23 der CCF-Geschäftsordnung hat die sog. Supervisory and Advisory Chamber die Befugnis, erforderliche Prüfungen in den Informationssystemen des IPSG vorzunehmen und bei festgestellten Verstößen gegen die Regelungen für die Interpol-Informationsverarbeitung (z. B. sog. Artikel 3-Verstoß) verbindliche Entscheidungen zur Abhilfe zu treffen. Die Supervisory and Advisory Chamber wird in dieser Funktion initiativ und grundsätzlich unabhängig von einem Petentenersuchen bzw. einer vorliegenden Beschwerde tätig. 10. Wie viele „Diffusions“ und „Notices“ aus der Ukraine hat das Interpol-Generalsekretariat nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2014 wegen eines Artikel-3-Verstoßes ausgesondert? Das Interpol-Generalsekretariat hat in diesem Zeitraum zu 16 Fahndungsersuchen der ukrainischen Behörden einen Verstoß gegen die IKPO-Statuten (u. a. Verstoß gegen Artikel 3) mitgeteilt. 11. Wie viele „Diffusions“ und „Notices“ hat das deutsche Interpol-Nationalbüro seit 2014 via Interpol von der Ukraine erhalten (bitte nach den einzelnen Buntecken darstellen)? Das BKA hat in diesem Zeitraum 2 056 Fahndungsersuchen der ukrainischen Behörden erhalten, davon 1 569 zur Festnahme (sog. Red Notices/Diffusions) und 487 zur Aufenthaltsermittlung (sog. Blue Notices/Diffusions). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/180 12. Wie viele dieser „Diffusions“ und „Notices“ sowie bilateralen Ersuchen aus der Ukraine wurden nach einer deutschen Prüfung wegen eines Artikel-3- Verstoßes ausgesondert? Die Bundesregierung führt hierzu keine Statistik. 13. Auf welche Weise hat sich die Bundesregierung gegenüber der Ukraine wegen der Festnahme zweier Journalisten sowie des türkischen Staatsangehörigen Kemal K., der politisches Asyl in Deutschland erhielt, aufgrund eines türkischen Fahndungsersuchens via Interpol verhalten? Auf die Antworten zu den Fragen 4d und 8 wird verwiesen. 14. Wie will die Bundesregierung die Resolution 2161 (2017) des Europarates umsetzen, die den Missbrauch Interpols zu politischer Verfolgung anprangert und Verbesserungen fordert, und welche Maßnahmen hält sie dazu für geeignet („Wie Interpol vor Despoten geschützt werden kann“, www. tagesspiegel.de vom 26. August 2017)? Mit der am 26. April 2017 im Plenum verabschiedeten Resolution 2161 (2017) unterstützt der Europarat die im Interpol-Rahmen bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Schutz- und Prüfmechanismen. Hierzu gehört unter anderem die am 11. März 2017 in Kraft getretene Reform der sog. Commission for the Control of Files (CCF). Darüber hinaus enthält die Resolution 2161 (2017) verschiedene Optimierungsempfehlungen, die sich an das Interpol-Generalsekretariat (IPSG) richten. Soweit die Resolution 2161 (2017) in Punkt 9.1 bis 9.4 Empfehlungen an die im Europarat vertretenen Interpol-Mitgliedsländer richtet, hält die Bundesregierung diese für geeignet, die Schutz-und Prüfmechanismen in Bezug auf Interpol-Fahndungsinstrumente zu verbessern und berücksichtigt diese soweit möglich. Das betrifft die Übermittlung ausführlicher Informationen an das IPSG bei der Nutzung von Interpol-Festnahmeersuchen (Punkt 9.1), die Mitteilung von relevanten Informationen , etwa die Gewährung von politischem Asyl, zu Personen, die mit Interpol-Festnahmeersuchen gesucht werden (Punkt 9.2), die Nichtumsetzung von Interpol-Festnahmeersuchen, an denen ernste Zweifel bestehen (Punkt 9.3) sowie die Unterstützung der Umsetzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Schutz- und Prüfmechanismen bei Interpol (Punkt 9.4). 15. Inwiefern hegt die Bundesregierung nach der Einschätzung des Weltwirtschaftsforums (WEF), das den spanischen Staat hinsichtlich der Unabhängigkeit seiner Justiz (,,6 Judicial independence“) weltweit nur auf Platz 58 sieht, Diskussionsbedarf, da sich die Europäische Union aus Sicht der Fragesteller auch als Rechts- und Wertegemeinschaft versteht und deshalb eine unabhängige Justiz besonders wichtig sein sollte (http://gleft.de/1XF)? Die Bundesregierung arbeitet mit Spanien in vielen Bereichen eng und vertrauensvoll zusammen, auch in Rechts- und Justizfragen. Sie hat keinen Anlass, an Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz in Spanien zu zweifeln. Es obliegt nicht der Bundesregierung, die im „Global Competitiveness Index 2017- 2018“ vorgenommene Einordnung Spaniens zu kommentieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/180 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Welche Fahndungs- oder Festnahmeersuchen betreffend den katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont sind der Bundesregierung nach dem 14. November 2017 bekannt geworden (bitte hierzu die Kanäle der Übermittlung entsprechender Ersuchen und das Datum des Eingangs nennen)? Der Bundesregierung sind nach dem 14. November 2017 keine Fahndungs- oder Festnahmeersuchen betreffend den katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont bekannt geworden. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 10 des Abgeordneten Andrej Hunko vom 6. November 2017 auf Bundestagsdrucksache 19/72 verwiesen. a) Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung geprüft, ob die Vorwürfe gegen Carles Puigdemont (Rebellion, Ungehorsam im Amt sowie Zweckentfremdung öffentlicher Mittel) als politische Delikte einzustufen sind, die von dem Straftatenkatalog des europäischen Haftbefehls ausgenommen sind und auch im Falle einer Ausschreibung via Interpol die Statuten der internationalen Polizeiorganisation verletzen würden? b) Welche Bundesministerien und Behörden haben die Prüfungen vorgenommen ? c) Sofern die Bundesregierung keine solche Prüfung veranlasste, welche Gründe führt sie hierzu an? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 16a bis 16c gemeinsam beantwortet . Das Bundesamt für Justiz, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz haben geprüft, ob es sich bei den in dem Europäischen Haftbefehl vom 3. November 2017 gegen den ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont Casamajo aufgeführten Delikten um politische Straftaten handelt. Das Ergebnis dieser Prüfung kann wegen des laufenden Fahndungsverkehrs sowie mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen nicht mitgeteilt werden. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen , tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter den konkret berechtigten Geheimhaltungsinteressen eines laufenden Fahndungsersuchens zurück, zumal dadurch mittelbar eine Bewertung der noch ausstehenden abschließenden Entscheidung der belgischen Justiz erfolgen würde. Das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab und hat damit ebenfalls Verfassungsrang. 17. Wie viele Ersuchen im Rahmen eines europäischen Haftbefehls hat die Bundesregierung in den Jahren 2016 und 2017 auf eine Nichtübereinstimmung mit dem Straftatenkatalog prüfen lassen, und wie verhält sich diese Zahl zu den gesamten Ersuchen? 18. Wie viele Ersuchen wurden nach einer Prüfung abgelehnt, und welche Länder betraf dies vorwiegend? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 17 und 18 gemeinsam beantwortet . Für die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit und der Anwendbarkeit des Straftatenkatalogs nach Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl sind die Oberlandesgerichte im Rahmen des Zulässigkeitsverfahrens zuständig. Eine Ablehnung der Überstellung auf Grund des Europäischen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/180 Haftbefehls ist nach Artikel 4 Nummer 1 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl möglich, wenn keine Katalogstraftat vorliegt und die beiderseitige Strafbarkeit nicht festgestellt werden kann. Im Jahr 2016 wurde keine Ablehnung auf diese Gründe gestützt. Die Statistik für 2017 wird erst Anfang des Jahres 2018 erstellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333