Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. April 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1868 19. Wahlperiode 25.04.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Markus Kurth, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/1429 – Externe Run-offs bei Lebensversicherern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Aufgrund der schlechten Geschäftsentwicklung bzw. eines negativen Ausblicks haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Lebensversicherungsunternehmen einen externen Run-off beschlossen oder zumindest angedacht. Bei einem solchen Run-off werden die Lebensversicherungsbestände an ein Abwicklungsunternehmen verkauft. In der Öffentlichkeit wurde das Thema insbesondere durch die Ankündigung mehrerer großer Versicherer im Jahr 2017, ihre Bestände möglicherweise zu verkaufen, diskutiert (www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ergound -generali-trennen-sich-von-vertraegen-was-besitzern-von-lebensversicherungenblueht /20397998.html). Die angebotenen Bestände treffen laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf milliardenschweres und großes Interesse insbesondere bei außereuropäischen Investoren (BaFinJournal Februar 2018 S. 13). Laut einer Umfrage werten mehr als die Hälfte der Versicherungsnehmer einen Verkauf als Vertrauensbruch (http://versicherungswirtschaftheute .de/politik-regulierung/kunden-missfallen-run-offs/). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Es wird davon ausgegangen, dass sich der in den Fragen verwendete Begriff des externen Run-offs auf die Übertragung von auslaufenden Versicherungsbeständen auf einen anderen Lebensversicherer, der kein Neugeschäft betreibt, und auf den Erwerb von Lebensversicherungsunternehmen ohne Neugeschäft bezieht. 1. Wie viele konkrete Anfragen zu externen Run-offs hat die BaFin bisher erhalten , und wie viele Verträge waren davon betroffen (bitte je Jahr ausweisen ? Auf die Antwort zu den Fragen 1a bis 1e wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1868 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode a) Wie viele externen Run-offs hat die BaFin bisher genehmigt (bitte je Jahr ausweisen)? Bislang gab es fünf externe Run-offs durch Erwerb und einen externen Run-off durch Bestandsübertragung. Die Fallzahlen pro Jahr sind wie folgt: Jahr 2014 2015 2016 2017 Anzahl 2 1 0 3 b) Wie viele Verträge mit welcher Gesamtversicherungssumme und welchen bisher eingezahlten Beiträgen waren von einem externen Run-off betroffen (bitte je Jahr ausweisen)? Die Anzahl der Verträge und ihre Gesamtversicherungssumme sind in der folgenden Tabelle angegeben. Die Summe der bisher eingezahlten Beiträge liegt der BaFin nicht vor. Jahr 2014 2015 2016 2017 Anzahl der Verträge (Tsd.) 733,6 351,6 0 513,2 Versicherungssumme (Mrd. Euro) 35,7 10,0 0 15,6 c) In welcher Form wurden die genehmigten Run-offs vollzogen? Auf die Antwort zu Frage 1a wird verwiesen. d) Wie viele Run-offs wurden untersagt (ggf. aus welchen Gründen), und wie viele Verträge waren davon betroffen (bitte je Jahr ausweisen)? Es wurde kein Run-off untersagt. In zwei Fällen aus den Jahren 2011 und 2013 haben Investoren ihre Erwerbsanzeigen bei der BaFin im laufenden Verfahren zurückgezogen; betroffen waren jeweils rund 350 000 Versicherungsverträge. e) Wie viele externen Run-offs werden aktuell von der BaFin geprüft, und wie viele Verträge mit welcher Gesamtversicherungssumme und welchen bisher eingezahlten Beiträgen wären bei einem Verkauf davon betroffen? Derzeit läuft bei der BaFin kein Verfahren im Zusammenhang mit einem externen Run-off. 2. In wie vielen Fällen und in welcher Form musste die aufnehmende Gesellschaft aufgrund der Anforderungen durch die BaFin deutlich nachbessern (ausgenommen Nachbesserungen bei der Kapitalsituation)? 3. In welchem Umfang hat die BaFin von den bisherigen Erwerbergesellschaften eine höhere Kapitalausstattung eingefordert? Bei wie vielen der bisherigen externen Run-offs gab es höhere Kapitalanforderungen , und wie hoch sind diese Zusatzanforderungen jeweils genau? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. In drei Fällen hat die BaFin zusätzliche Anforderungen gestellt, die insbesondere einen finanziellen Beitrag des Investors oder der Muttergesellschaft des Lebensversicherers beinhalteten. In zwei Fällen hat die BaFin verlangt, eine Kapitalaus- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1868 stattung oberhalb von 100 Prozent sicherzustellen. In einem Fall hat sie zur Absicherung des Kostenrisikos von der Muttergesellschaft des Lebensversicherers eine Verpflichtungserklärung eingefordert. 4. In welchem Umfang und in wie vielen Fällen wurde die Höhe der Rückstellungen im Zuge einer Veräußerung an eine Run-off-Gesellschaft durch die geänderte Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen angehoben ? Die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen unter Solvabilität II erfolgt grundsätzlich unter der Annahme einer fortgeführten Geschäftstätigkeit des Unternehmens (going-concern). Es werden ausschließlich die bestehenden Versicherungsverträge einbezogen; mögliche Auswirkungen des künftigen Neugeschäfts sind aber zu berücksichtigen, soweit die Neugeschäftserwartung realistisch ist. Wird kein Neugeschäft mehr betrieben – dies schließt alle Fälle eines externen Run-offs ein –, ist die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen entsprechend anzupassen. Die BaFin achtet darauf, dass die Unternehmen die geänderte Situation angemessen bei der Berechnung der Rückstellungen berücksichtigen. Dabei fließen Faktoren wie die voraussichtliche Bestandsentwicklung , die zukünftige Kostensituation und Managementregeln in der Unternehmenssteuerung ein. Die Faktoren können sich erhöhend oder mindernd auf die Rückstellungen auswirken. Eine generelle Aussage, wie sich die Faktoren insgesamt auf die Höhe der Rückstellungen auswirken, ist nicht möglich. Ein Vergleich mit den Rückstellungen vor dem Run-off ermöglicht keine Rückschlüsse, weil sich in der Zwischenzeit regelmäßig auch andere berechnungsrelevante Faktoren wie z. . Marktdaten geändert haben. 5. Welche Annahmen hat die BaFin bei der Neuberechnung der Rückstellungen bezüglich der Entwicklung des Versichertenbestandes getroffen, da sich laut BaFin die Kostensituation eines Unternehmens in einem auslaufenden Bestand verschlechtern wird (BaFinJournal Februar 2018 S. 16)? Geht die BaFin davon aus, dass die Gesellschaften immer wieder neue Bestände erwerben, oder rechnet sie mit einem Szenario, in dem keine neuen Bestände erworben werden? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Es werden ausschließlich die bestehenden Versicherungsverträge in die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen einbezogen. Mögliche Auswirkungen aufgrund eines künftigen Erwerbs von Beständen dürfen nicht berücksichtigt werden, weil realistische Prognosen zum Erwerb nicht möglich sind. 6. Welche Maßnahmen sehen Run-off-Gesellschaften vor bzw. schreibt die Aufsicht vor, damit sichergestellt ist, dass bei auslaufenden Beständen sich die verschlechternde Kostensituation nicht zu Lasten der ohne auslaufende Bestände prognostizierten Überschussbeteiligung geht? Bevor die Run-off-Gesellschaft einen auslaufenden Bestand übernehmen darf, prüft die BaFin insbesondere, ob und welche Auswirkungen sich auf die Überschussbeteiligung der Versicherten ergeben, und stellt ggf. Auflagen, damit sich der Wert der Überschussbeteiligung nicht mindert. Maßstab ist der Wert der Überschussbeteiligung vor der Übernahme des Bestandes. Dieser Wert muss die Tatsache berücksichtigen, ob bereits vor dem externen Run-off regelmäßig kein oder kaum noch Neugeschäft betrieben wurde, also bereits ein auslaufender Bestand vorlag. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1868 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Zusammenhang mit dem Wert der Überschussbeteiligung vor und nach der Übernahme durch die Run-off-Gesellschaft ist darüber hinaus zu beachten, dass die Kostensituation der Run-off-Gesellschaft ggf. günstiger ist als die Kostensituation des Lebensversicherers, der den Bestand abgibt. Run-off-Gesellschaften sind auf eine effiziente Bestandsverwaltung mit entsprechend niedrigeren Kosten ausgerichtet und müssen keine Vertriebskosten decken. 7. Gibt es Run-Off-Gesellschaften, bei denen die BaFin bei der Berechnung der Rückstellung akzeptiert hat, dass die Gesellschaften immer wieder neue Bestände akquirieren müssen? a) Wenn ja, bei wie vielen, und in welchem Umfang? b) Wenn Frage 5 mit „ja“ beantwortet wurde, hat sich die BaFin eine realistische Szenariorechnung vorlegen lassen, bei der keine neuen Bestände akquiriert werden können und das erworbene Portfolio und die Run-off- Gesellschaft also ersatzlos abgewickelt werden müssen? Wenn ja, in welchem Umfang hätte die Deckungsrückstellung in einem solchen Szenario höher ausfallen müssen? Bei der Berechnung der Rückstellung darf die etwaige Akquise neuer Bestände nicht berücksichtigt werden. Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 8. Wie prüft die BaFin ein effektives Risikomanagement bei dem aufnehmenden Unternehmen? Für das aufnehmende Unternehmen gelten die gleichen gesetzlichen Vorschriften wie für alle anderen Versicherer. Die BaFin hat die Anforderungen an ein effektives Risikomanagement durch das Rundschreiben 2/2017 (VA) präzisiert. Die Versicherer berichten der BaFin regelmäßig über ihr Risikomanagement, so dass die BaFin sich ein Bild von dessen Wirksamkeit machen kann. Darüber hinaus prüft die BaFin das Risikomanagement auch vor Ort bei den Unternehmen. 9. Wie prüft die BaFin eine angemessene Verwaltung der Verträge, insbesondere beim Kundenservice? In welchem Turnus und wie intensiv werden auch noch nach den Übertragungen Prüfungen durchgeführt? Die von der BaFin beaufsichtigten Versicherungsunternehmen werden in der Regel nach einem festgelegten Prüfungsturnus unter Berücksichtigung des Risikoprofils des jeweiligen Unternehmens Routineprüfungen unterzogen. Gegenstand dieser Prüfungen sind u. a. die Bestandsverwaltung und Leistungsbearbeitung . Darüber hinaus können im Falle unvorhergesehener Ereignisse (z. B. sprunghafter Anstieg der Beschwerden) kurzfristige Aufsichtsbesuche oder Anlassprüfungen erfolgen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1868 10. Inwieweit könnten aufnehmende Gesellschaften über Verrechnungspreise beim Outsourcing von Dienstleistungen die Beteiligung der Versicherten an Kostenüberschüssen aushebeln? Wie prüft die BaFin ggf. diese Möglichkeit, da eine Prüfung auf Marktüblichkeit der Preise angesichts eines heterogenen Marktes schwer durchführbar erscheint? Die Frage der Angemessenheit konzerninterner Verrechnungen ist nicht auf Versicherungsunternehmen im Run-Off beschränkt. Hier gelten für alle Versicherungsunternehmen die gleichen Anforderungen. Die Einhaltung dieses Prinzips wird durch die BaFin im Rahmen der laufenden Aufsicht überwacht. Darüber hinaus ist es auch Aufgabe der Wirtschaftsprüfer, konzerninterne Dienstleistungsbeziehungen zu prüfen. 11. Können Investoren nicht mehrere Holdinggesellschaften gründen oder die Gesellschaften weiterverkaufen, sodass das von der BaFin angegebene Reputationsinteresse (BaFinJournal Februar 2018 S. 13/14) für die einzelnen Gesellschaften nicht mehr von Relevanz ist? Das Interesse der Investoren ist u. a. darauf gerichtet, durch den Aufkauf von Beständen Skaleneffekte im Rahmen einer standardisierten, kostengünstigen Verwaltung zu erzielen. Diese Skaleneffekte sollen durch den Erwerb weiterer Bestände erhalten und gestärkt werden, wofür die gute Reputation von maßgeblicher Bedeutung ist. Aus der bisherigen Praxis ergeben sich insofern keine gegenteiligen Erkenntnisse. 12. Gibt es zwischen den neu gegründeten Holdinggesellschaften und den Eigentümern dieser Gesellschaften Gewinnabführungsverträge? Wenn ja, in welchem Umfang (Anzahl der Verträge und Volumen der abgeführten und abzuführenden Gewinne)? Wären diese Zahlungen auch ohne Vertrag trotz des Gewinnausschüttungsverbots nach § 139 Absatz 2 Satz 3 des Versicherungsaufsichtsgesetzes möglich (bitte ggf. ausweisen, welche Zahlungen möglich wären und welche nicht, falls ein Einzelausweis nicht möglich ist, dann bitte in Form einer Zusammenfassung )? Hierzu liegen der BaFin keine Informationen vor. 13. Wie lange schätzt die Bundesregierung, dass die Bestände durchschnittlich noch auf den IT-Systemen des ehemaligen Versicherers fortgeführt werden, da die Bestände erst in die neue Umgebung integriert werden müssen? Der Bundesregierung liegen keine Schätzungen über die durchschnittliche Dauer von IT-Anpassungsprozessen in den Unternehmen vor. 14. Welche potenziellen Nachteile sieht die Bundesregierung bei einem externen Run-off? Ein externer Run-off bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Das Hauptziel der Aufsicht ist der Schutz der Versicherten. Die BaFin prüft diese Anforderung in jedem Einzelfall umfassend und eingehend. Sie legt dabei einen strengen Maßstab an. Zu den Aspekten, die die BaFin im Falle der Übernahme eines Versicherungsbestandes prüft, gehören u. a. mögliche Kredit- und Marktrisiken. Eine Genehmigung wird nur erteilt, wenn die Belange der Versicherten gewahrt und die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1868 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass durch externe Run-offs das Vertrauen in die Altersvorsorge durch private Unternehmen weiter sinkt (wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht)? 16. Will die Bundesregierung zu externen Run-offs neue Vorgaben machen? Wenn ja, welche, und welchen Zeitplan hat die Bundesregierung? Die Fragen 15 und 16 werden zusammen beantwortet. Das bestehende aufsichtsrechtliche Instrumentarium für den Umgang mit externen Run-offs hat sich bewährt. Die Bundesregierung wird das Thema Run-off weiter eng verfolgen. Auch im externen Run-off müssen die jeweiligen Lebensversicherer die Verpflichtungen aus den Verträgen erfüllen und unterliegen der Aufsicht. Gesetzgeber und Aufsicht geben wesentliche Leitplanken für die private Altersvorsorge vor. Unternehmen sind gut beraten, bei allen unternehmerischen Entscheidungen mögliche Reputationsrisiken im Blick zu behalten. 17. Plant die Bundesregierung, die Ansprüche der Versicherten im Fall eines Run-offs zu stärken, indem lange Nachhaftungsfristen für den ursprünglichen Vertragspartner des Versicherten eingeführt werden? Auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 wird verwiesen. Die Aufsicht prüft den externen Run-off im Einzelfall und macht ihre Zustimmung ggf. von zusätzlichen Anforderungen abhängig. 18. Hängt das Agieren der Bundesregierung auch davon ab, ob große Versicherer externe Run-offs (weiterhin) durchführen wollen? Hängt das Agieren der Bundesregierung auch davon ab, ob die Versicherungsbranche eine Selbstverpflichtung eingeht, keine Run-offs mehr durchzuführen ? Auf die Antworten zu den Fragen 14 bis 17 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333