Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. Dezember 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/190 19. Wahlperiode 08.12.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Anke Domscheit-Berg, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/107 – Einsatz von Akzenterkennungssoftware durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im März 2017 berichtete „Die Welt“ von Plänen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), in Zukunft Sprachproben von Asylantragstellenden aufzunehmen und mittels einer speziellen Software einer automatischen Dialektanalyse zu unterziehen (www.welt.de, „Software soll Dialekt von Asylbewerbern untersuchen“, 17. März 2017). Die ersten Tests dazu sollten noch im März 2017 beginnen, mit einem routinemäßigen Einsatz sei nicht vor 2018 zu rechnen (www.zeit.de, „Dialektsoftware soll Herkunft von Asylbewerbern erkennen“, 17. März 2017). Nach Informationen von „ZEIT ONLINE“ ginge es zunächst um eine Machbarkeitsstudie ohne Realdaten (www.zeit.de, „Software, die an der Realität scheitern muss“, 17. März 2017). Im Juli 2017 informierte das BAMF darüber, dass im Rahmen eines Modellprojekts in Bamberg verschiedene technische Assistenzsysteme für die Identitätsprüfung erprobt würden, darunter auch eine Software für Akzenterkennung, die anhand einer zweiminütigen Sprachprobe Rückschlüsse auf die Herkunftsregion des Sprechers oder der Sprecherin zulassen solle (www.bamf.de, Aktuelle Meldungen, „Moderne Technik im Asylverfahren“, 26. Juli 2017). Die erprobten Systeme würden laut Presseberichten von August 2017 an innerhalb einiger Monate bundesweit eingeführt werden (www.welt.de, „Neue Software soll Flüchtlinge eindeutig identifizieren “, Videobeitrag, 25. Juli 2017). Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ von Oktober 2016 werden Sprachanalysen im Rahmen von Asylverfahren durch das BAMF seit 1998 durchgeführt, wozu jährlich 400 bis 700 Gutachten in Auftrag gegeben werden (www.sueddeutsche.de, „Die Grenzen der Sprache“, 7. Oktober 2016). Als Grundlage dienen aufgezeichnete Interviews von ca. 30 Minuten Dauer. Die Zuverlässigkeit derartiger Analysen ist umstritten; mit welcher Genauigkeit ein automatisches Verfahren eine solche Einordnung nach derzeitigem Stand der Technik durchführen kann, ist unklar. Eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 2016 beschreibt ein Softwareverfahren zur Identifizierung arabischer Dialekte mit einer Zuverlässigkeit von 60 Prozent (Ali et al., Automatic Dialect Detection in Arabic Broadcast Speech, arXiv:1509.06928v2 [cs.CL]). Auch eine erfolgreiche Dialekt- bzw. Akzentidentifikation kann nur Hinweise auf die Drucksache 19/190 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode tatsächliche Herkunft geben, da Sprach- und Dialektgrenzen nicht eindeutig mit Landesgrenzen korrespondieren; und auch Herkunft und Staatsbürgerschaft können auseinanderfallen. Im Rahmen einer solchen Analyse werden Daten verarbeitet, die zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten („rassische und ethnische Herkunft “) nach Artikel 9 der ab 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gehören. Eine Verarbeitung solcher Daten ist nach DSGVO nur in Ausnahmen erlaubt; eine ausschließlich auf automatisierte Verarbeitung dieser Daten beruhende Entscheidung mit rechtlicher Wirkung für Betroffene wäre nach Artikel 22 DSGVO insbesondere untersagt, sofern keine Rechtsgrundlage besteht, die „spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht“. Laut Presseinformationen des BAMF wird „der Umgang mit den Daten [...] gegenüber den Antragstellenden transparent dargelegt“ und „die Ergebnisse werden den Antragstellenden vorgelegt, um die Befunde gemeinsam besprechen zu können“. Zudem soll es sich lediglich um eine „unterstützende Zusatzinformation “ für die Entscheidung handeln (www.bamf.de, Presseinformation „Integriertes Identitätsmanagement – Assistenzsysteme“ vom 25. Juli 2017). Auch wenn das Ergebnis einer solchen algorithmischen Analyse nur als ein Faktor in eine Entscheidung eingeht, birgt sie nach Auffassung der Fragesteller ein erhebliches Risiko einer Ungleichbehandlung mit diskriminierendem Charakter, etwa für Sprecherinnen und Sprecher von Minderheitensprachen, Menschen mit Migrationserfahrungen aus anderen Sprach- oder Dialekträumen oder (je nach Größe und Zusammensetzung der Datenbasis) Menschen bestimmten Geschlechts , Alters oder sozialen Umfelds. 1. Welche Softwareverfahren zur automatisierten Akzent- bzw. Dialekterkennung verwendet bzw. testet das BAMF zurzeit oder hat dies in der Vergangenheit getan? Das im BAMF genutzte Verfahren ist eine auf Anforderungen des BAMF hin angepasste und weiterentwickelte Sprachbiometrie-Software, welche Sprachen und Dialekte anhand von hinterlegten Sprachmodellen analysiert und zuordnet. Ein solches System ist weltweit nicht verfügbar, weshalb das BAMF in Zusammenarbeit mit einem Hersteller eine erste Version eines sprachbiometrischen Assistenzsystems konzipiert hat. 2. Welcher darüber hinausgehende zukünftige Einsatz ist für diese Software geplant und innerhalb welchen Zeitplans? Die Software befindet sich aktuell in einer erweiterten Pilotierung in den Ankunftszentren und Außenstellen des BAMF. Bei weiterhin positivem Votum des Verfahrens ist die Überführung in den flächendeckenden Wirkbetrieb für den 1. April 2018 geplant. Ein dezidierter Zeitplan kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgezeigt werden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/190 3. Für welche Sprachen bzw. Dialekte steht dem BAMF eine solche Software zur Verfügung, und für welche weiteren ist zukünftig ein Einsatz geplant? Derzeit wird Arabisch in den Dialekten Ägyptisch, Irakisch, Levantinisch und Golf-Arabisch abgedeckt. Darüber hinaus ist der sukzessive Aus- und Aufbau des zugrundeliegenden Sprachmodells um weitere Sprachen in Konzeption, namentlich wird derzeit der Ausbau um die Sprachmodelle Arabisch-Maghrebisch und Kurdisch geprüft. Der Aus- und Aufbau wird anhand von Notwendigkeit und Priorisierung geplant. Diesbezügliche Planungen sind für das erste Quartal 2018 avisiert . 4. In welchem Umfang wurde diese Software getestet, und ist dieser Test inzwischen abgeschlossen? Die Software wurde im Rahmen einer Machbarkeitsstudie im Zeitraum April bis Juli 2017 in einem Ankunftszentrum des BAMF getestet. Diese Tests sind abgeschlossen , die erweiterte Pilotierung ist seit dem 1. September 2017 initiiert. 5. Von wem, nach welchen Kriterien, und mit welchem Ergebnis wurde diese Software getestet? Im Rahmen der o. g. Machbarkeitsstudie im Ankunftszentrum Bamberg wurde die Reife und Qualität eines solchen Verfahrens getestet. Dabei wurden die Machbarkeit der Umsetzung und der notwendige Entwicklungsbedarf im Aus- und Aufbau der zugrundeliegenden Sprachmodelle nachgewiesen. Die Testung durch das BAMF erfolgte auf Basis von funktionalen, fachlichen und technischen Evaluationskriterien . 6. Welche algorithmischen Prinzipien liegen dieser Software zu Grunde? a) Basiert diese Software insbesondere auf einer Form maschinellen Lernens , und wenn ja, welcher, und auf Grundlage wie gearteter und nach welchen Kriterien ausgewählter bzw. erzeugter Trainingsdaten? Die Software basiert auf keinen Grundlagen des maschinellen Lernens. b) Inwieweit ist die Funktionsweise des zu Grunde liegenden Algorithmus dokumentiert, und inwieweit ist diese Dokumentation öffentlich zugänglich ? Die Funktionsweise des zugrunde liegenden Algorithmus wurde dokumentiert. Die entsprechenden Informationen zur Funktionsweise unterliegen der internen Verwendung. c) Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Eignung des angewandten algorithmischen Verfahrens sind der Bundesregierung bekannt? Zur automatisierten Erkennung liegen nach Kenntnis der Bundesregierung noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Drucksache 19/190 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Von wem wurde diese Software entwickelt? Die Kompetenzen zur Entwicklung sowie des Aus- und Aufbaus von Sprachmodellen wurde durch einen externen Dienstleister (führender Hersteller für Sprachsoftware ) bereitgestellt. Die Testung, Evaluation und Qualitätssicherung erfolgt seitens des BAMF. 8. Wurde diese Software eigens für den Einsatz beim BAMF entwickelt? a) Wenn ja, wann, und wie wurde der Auftrag zur Entwicklung vergeben, und welche Anforderungen lagen dem zugrunde? b) Wenn ja, steht der Quelltext dieser Software frei zur Verfügung (und wenn nicht, wieso nicht)? c) Wenn nicht, in welcher Form fand die Vergabe statt? d) Wenn nicht, wurde diese Software oder eine andere Version davon bereits an anderer Stelle eingesetzt, und mit welchen der Bundesregierung bekannten Resultaten? Die Fragen 8 bis 8d werden zusammen beantwortet. Der Auftrag wurde am 12. April 2017 vergeben; es erfolgte ein Abruf aus einem bestehenden Rahmenvertrag. Eine Ausschreibung fand daher nicht statt. Die zu erbringende Leistung war die Erkennung des Herkunftslandes anhand der Sprache sowie die Integration der Erfassung der Sprachbiometrie in den aktuellen Registrierungsprozess . Die Grundfunktionalitäten einer solchen Software sind auf dem Markt verfügbar und verfügen über eine hohe technische Reife (z. B. Verifikation der Identität mittels stimmbiometrischer Identifikation). Auf Basis des vorhandenen technischen Korpus wurde die Funktionalität der sprachbiometrischen Sprach- und Dialekterkennung ergänzt. Die Anforderungen wurden durch die maßgeblichen Fachreferate des BAMF definiert. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass diese Software oder eine andere Variante über die Anwendung im BAMF hinaus eingesetzt wird. 9. Wann und in welchem Rahmen fiel der Beschluss zum Einsatz einer solchen Software, über welchen Zeitraum lief die Beschaffung bzw. Entwicklung, und ab wann wurde sie in welchem Umfang eingesetzt? Der Beschluss zur Umsetzung der Entwicklung wurde durch den Beauftragten für Flüchtlingsmanagement (BFM) im ersten Quartal 2017 getroffen. Die Entwicklung ist, wie bereits dargestellt, fortlaufend, da zugrundeliegende und zur Analyse notwendige Sprachmodelle fortlaufend weiterentwickelt und ausgebaut werden. Nach festgestellter technischer Machbarkeit wurde die Entscheidung zum Einsatz der Anwendung in Form der in der Antwort zu Frage 2 ausgeführten erweiterten Pilotierung getroffen. 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Fehlerquote dieser Software ? Die Fehlerquote liegt derzeit bei ca. 20 Prozent. Von einer weiteren Optimierung im Laufe des Jahres 2018 ist auszugehen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/190 11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den derzeitigen Stand der Wissenschaft zur automatisierten Akzent- bzw. Dialekterkennung? a) Welche Arbeiten und Forschungsprojekte sind der Bundesregierung in diesem Bereich bekannt? Die Fragen 11 und 11a werden zusammen beantwortet. Das BAMF befand und befindet sich im Austausch mit verschiedenen Institutionen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Erkenntnisse dieser – auch solche die in Form von Forschung und Veröffentlichungen verfügbar waren bzw. sind – wurden dem BAMF zur Verfügung gestellt. b) Inwieweit fließen bzw. flossen Erkenntnisse daraus in die Entwicklung und den Einsatz dieser Software ein? Erkenntnisse werden durch das BAMF geprüft und bei Relevanz für die Weiterentwicklung des genutzten Systems angewandt. Maßgeblich – so auch die vorherrschende Meinung der Wissenschaft – ist die Quantität an qualitativ hochwertigen Sprachproben als Grundlage für das zugrundeliegende Sprachmodell. Dies entspricht den Bestrebungen des BAMF beim Aus- und Aufbau des Sprachmodells . c) Inwieweit und in welcher Form arbeitet die Bundesregierung in diesem Bereich mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen? Eine wissenschaftliche Begleitung ist in Planung für das Jahr 2018. Neben technologischen Fragenstellungen sollten hier auch weiterführende sprachwissenschaftliche Aspekte vertiefend betrachtet und untersucht werden. 12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Einsatz von Verfahren zur automatisierten Akzent- bzw. Dialekterkennung in anderen Ländern bzw. durch andere Behörden und damit gemachte Erfahrungen? Der Bundesregierung sind keine vergleichbaren Verfahren in anderen Ländern bekannt. Dies zeigte sich auch im Austausch des BAMF mit anderen europäischen Asylbehörden. 13. Auf welchen rechtlichen Grundlagen erfolgt der Einsatz dieser Software? Grundlage für den Einsatz der Software ist § 16 Absatz 1 Satz 3 ff. des Asylgesetzes (AsylG). a) Welche Anforderungen an die eingesetzte Software ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung daraus? Die Software kommt nur außerhalb der förmlichen Anhörung zum Einsatz und dient dem Erhalt eines ergänzenden Beitrags bzw. Indizes zur Verifikation des Herkunftsstaates oder der Herkunftsregion des Antragstellers. Drucksache 19/190 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass es sich beim Einsatz dieser Software um eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Artikel 9 DSGVO handelt, und wenn ja, welche(r) der dort aufgeführten Erlaubnistatbestände ist bzw. sind einschlägig? Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ergibt sich aus Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe g der Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679). c) Sehen diese rechtlichen Grundlagen aus Sicht der Bundesregierung spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Personen vor, und wenn ja, welche? Wie in der Antwort zu Frage 13a bereits ausgeführt, kommt die Software nur außerhalb der förmlichen Anhörung zum Einsatz, § 16 Absatz 1 Satz 3 AsylG. Die Erhebung darf nur erfolgen, wenn der Ausländer vorher darüber in Kenntnis gesetzt wurde, § 16 Absatz 1 Satz 4 AsylG. Die Sprachaufzeichnungen werden beim BAMF aufbewahrt, § 16 Absatz 1 Satz 5 AsylG. 14. In welcher Form werden bezogen auf diese Software der Umgang mit den Daten gegenüber den Antragstellenden transparent dargelegt, die Ergebnisse den Antragstellenden vorgelegt und die Befunde gemeinsam besprochen? Der Antragsteller wird vor Erhebung der Sprechprobe über den Ablauf und über den Sinn und Zweck der Maßnahme informiert. Dies umfasst die Information darüber, dass das Ergebnis der Sprechprobe (Report) zur Akte genommen wird. Falls die Ergebnisse im Widerspruch zu den Angaben des Antragstellers stehen, wird in der Anhörung darauf eingegangen. a) In welcher Form liegen insbesondere die Ergebnisse dieser Software vor, welche Informationen sind darin enthalten, und wie werden sie nachvollziehbar aufbereitet? Der Report wird im PDF-Format erstellt. Dieser enthält Angaben zur Wahrscheinlichkeit der Sprach- bzw. Dialekterkennung in Prozent sowie Aufnahme- Details hinsichtlich Aufnahme- und Sprachdauer. b) In welcher Form wird den Antragstellenden insbesondere die algorithmische Funktionsweise dieser Software dargelegt? Es erfolgt keine Darlegung zur algorithmischen Funktionsweise. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/190 15. Existieren für die Mitarbeiter des BAMF Qualifikationsmaßnahmen zum Umgang mit dieser Software, und wenn ja, welcher Art, in welchem Umfang , inwieweit ist die Teilnahme daran verpflichtend, und wie werden diese in Anspruch genommen? Die technischen Assistenzsysteme für die Identitätsprüfung im Asylverfahren befinden sich in einer erweiterten Pilotierungsphase. Das Referat Aus- und Fortbildung des BAMF begleitet den Rollout der Assistenzsysteme mit entsprechenden Schulungsangeboten. Es wurden bereits Mitarbeiter/innen in den Außenstellen des Bundesamtes als Multiplikatoren ausgebildet, die den Umgang mit den Systemen am Arbeitsplatz vermitteln können. Außerdem wurden die Inhalte in die regulären und verpflichtenden Schulungen für neue Mitarbeiter/innen im Asylverfahrenssekretariat aufgenommen. Um die darüber hinausgehenden Schulungsbedarfe zu decken, wird ein zusätzliches eintägiges Seminar zu den Assistenzsystemen bereitgestellt. 16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Zuverlässigkeit der bislang eingesetzten Gutachten zur Sprachanalyse, sowohl für sich genommen als auch im Vergleich zur automatisierten Erkennung? Zur automatisierten Erkennung liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Von den im Jahr 2017 in Auftrag gegebenen 292 Gutachten haben 160 die durch den Entscheider vermutete Herkunft bestätigen können. 17. Wie erklärt sich der Umstand, dass die zur Akzent- bzw. Dialekterkennung im BAMF eingesetzte Software Sprachproben einer Länge von zwei Minuten analysiert, während die Gutachten zur Sprachanalyse auf Aufzeichnungen von ca. 30 Minuten Länge basieren? Die Sprach- und Textanalysen (STA) zur Verifikation der Herkunft eines Asylantragstellers werden vom BAMF bereits seit Langem bei sprachwissenschaftlichen Gutachtern in Auftrag gegeben. Die auf dieser Basis erstellten Analysen zeichnen sich durch den gutachterlichen Charakter mit Beweiskraft aus. Eine IT-gestützte, automatisierte sprachbiometrische Analyse stellt eine unabhängige , objektive und skalierbare Methode dar, die angegebene Herkunft grundsätzlich zu überprüfen. Mit dem Einsatz eines sprachbiometrischen Assistenzsystems kann mit einfachen Mitteln eine Erstanalyse der Sprache der Antragsteller vorgenommen werden. Unterschiede in der Aufnahmelänge erklären sich dadurch, dass bei einer Sprachprobe , die durch das Softwaretool ausgewertet werden soll, der Antragsteller allein zu hören ist. Eine zweiminütige Aufzeichnung ist daher ausreichend, um die Herkunft eingrenzen zu können. Bei den Aufzeichnungen von 30 Minuten Länge handelt es sich um Gesprächsprotokolle, bei denen oft mehrere Personen sprechen (Antragsteller, Entscheider, Dolmetscher). In diesen Fällen kann es vorkommen, dass der Antragsteller nicht im erforderlichen Rahmen allein zu hören ist, was eine Auswertung erschwert und besondere gutachterliche Qualitäten voraussetzt. Drucksache 19/190 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 18. Findet die Analyse der Sprachproben vollautomatisiert durch diese Software statt, oder sind menschliche Interventionen bzw. Interpretationen Teil des Prozesses, und wenn ja, in welcher Form? Die Analyse erfolgt automatisiert. Die so gewonnenen Informationen zur regionalen Zuordnung von Sprache bzw. Dialekt dienen als unterstützende Hinweise /Indizien im Asylverfahren, im speziellen im Rahmen der Anhörung. Die menschliche Intervention ist somit jederzeit gegeben, genauso wie die Widerlegungsmöglichkeit des Ergebnisses durch den Antragsteller. Die Entscheidung über die Relevanz der generierten Informationen für den Asylantrag verbleibt in der Hand des zuständigen Entscheiders. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 19a verwiesen. 19. Welche Rolle spielt das Ergebnis der Analyse durch diese Software im Entscheidungsprozess des BAMF? Das Ergebnis der Analyse ist ein Indikator für die Glaubhaftmachung der angegebenen Herkunft des Antragstellers. a) Welche weiteren Informationen gehen mit welchem Gewicht in die Entscheidung ein, ob Angaben zur Herkunft Glauben geschenkt wird? Wesentlich ist der nachvollziehbare und stimmige Vortrag anlässlich der Anhörung . Unter Umständen treten Informationen aus Bezugsakten hinzu. Maßgeblich ist die Gesamtschau sämtlicher im Einzelfall vorliegender Informationen. b) In wie vielen Fällen wurde diese Software bereits eingesetzt, in wie vielen davon kam sie zu einem mit den Angaben des oder der Antragstellenden nicht zu vereinbarendem Ergebnis, und wie oft wurde in jenen Fällen der Antrag abschlägig beschieden? Was haben in diesen Fällen gerichtliche Überprüfungen der behördlichen Entscheidung erbracht? Seit der erweiterten Pilotierung der Anwendung zur Sprachbiometrie wurden vom 4. September bis 24. November 2017 3 681 Sprechproben von Antragstellern aus arabischen Ländern abgegeben. Erhebungen zum Abgleich der Sprechprobenergebnisse mit den Angaben der Antragstellenden und zur Anzahl der insoweit abschlägig beschiedenen Fälle sind nicht erfolgt. Gerichtliche Überprüfungen der behördlichen Entscheidung sind in diesen Fällen nicht bekannt. c) Wird die Software in jedem Antragsverfahren (oder einer zufälligen Auswahl davon) verwendet, für das sie aufgrund ihrer sprachräumlichen Abdeckung geeignet ist, oder nur in Fällen mit bestimmten Indikationen, und wenn ja, welchen? Die Software findet nur in Fällen mit bestimmten Indikationen Anwendung. Voraussetzung ist, dass die vorgegebene Herkunft nicht belegt oder glaubhaft gemacht werden konnte und zudem das 14. Lebensjahr bereits vollendet wurde. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/190 d) Wird das Ergebnis dieser Software im Entscheidungsprozess gleichwertig mit dem Ergebnis eines Gutachtens zur Sprachanalyse behandelt? Die Software wird ergänzend eingesetzt, siehe hierzu auch Antwort zu Frage 13a. Dem Ergebnis eines Sprachgutachtens wird mehr Gewicht beigemessen als dem Ergebnis der Software. e) Wird in jedem Fall, in dem diese Software zu einem mit den Angaben des oder der Antragstellenden nicht zu vereinbarendem Ergebnis kommt, auch ein Gutachten zur Sprachanalyse in Auftrag gegeben? Nein. f) In wie vielen Fällen kam diese Software zum Einsatz, in denen auch ein Gutachten zur Sprachanalyse in Auftrag gegeben wurde, und wie oft stimmte sie mit dessen Ergebnis überein bzw. wich davon ab? Eine diesbezügliche Erhebung ist nicht erfolgt. 20. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die relative Zuverlässigkeit dieser Software bei der Analyse von Sprachproben von Menschen verschiedenen Geschlechts, Alters oder verschiedener Soziolekte, und welche Maßnahmen wurden bzw. werden ergriffen, um unbeabsichtigte diskriminierende Effekte bezüglich dieser oder anderer Kategorien zu vermeiden? Das zur Analyse verwendete Sprachmodell beruht auf Daten, welche aus Aufnahmen von Sprechern verschiedenen Geschlechts und Alters beruhen. Effekte einer möglichen, unbeabsichtigten Diskriminierung sind in der Machbarkeitsstudie sowie der erweiterten Pilotierung nicht festzustellen gewesen. 21. Sind zukünftig Weiterentwicklungen oder weitere Einsatzgebiete für diese Software geplant, und wenn ja, welche? Grundsätzlich müssen die Ergebnisse der erweiterten Pilotierung abgewartet werden . Vergleiche im Übrigen die Antworten zu den Fragen 2 und 3. Darüber hinaus sind weitere Einsatzgebiete derzeit nicht geplant. 22. Findet eine Evaluation des Einsatzes dieser Software statt, oder ist eine solche zukünftig geplant, und wenn ja, in welcher Form? Die seit dem 1. September 2017 gestartete erweiterte Pilotierung wird begleitet. Die Überprüfung der Ergebnisse erfolgte auf Basis von funktionalen, fachlichen und technischen Evaluationskriterien. Die Evaluationsergebnisse werden voraussichtlich im zweiten Quartal 2018 vorliegen. 23. In welchem Verhältnis steht der Einsatz dieser Software zur seit kurzem zulässigen Auswertung von Datenträgern von Asylsuchenden zur Klärung der Identität bzw. Herkunft? Beide Instrumente werden derzeit bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen unabhängig voneinander eingesetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333