Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 25. April 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1922 19. Wahlperiode 27.04.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Anton Friesen und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/1612 – Islamisten aus dem Nordkaukasus V o r m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Eine erhebliche Bedrohung geht nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) von Islamisten aus dem Nordkaukasus aus (www. verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/newsletter/newsletter-archive/bfvnewsletter -archiv/bfv-newsletter-2017-04-archiv/bfv-newsletter-2017-04-thema- 10). Das BfV hat eine „mittlere dreistellige Zahl“ von islamistischen Nordkaukasiern in Deutschland festgestellt. Die Szene habe keine festen Strukturen, bestehe aus weitläufigen, zum Teil europaweiten Netzwerken und sei „nach außen weitgehend abgeschottet“. Die Radikalisierung erfolge vor allem über persönliche Kontakte, verbindende Elemente seien Religion und traditionelle Clanstrukturen . Vereinzelt gebe es „personelle Überschneidungen“ zwischen dem Islamismus und der organisierten Kriminalität (www.zeit.de/news/2017-12/10/ terrorismus-warnung-vor-kampferprobten-nordkaukasus-islamisten-10150602). Presseberichten zufolge kam es im Oktober und November 2016 in mehreren Bundesländern zu Einsätzen von Polizei und Spezialkräften. Mehrere tschetschenische Asylbewerber wurden u. a. aufgrund des Verdachtes der Terrorfinanzierung und Bildung einer kriminellen Vereinigung festgenommen (www. thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/blaulicht/detail/-/specific/GSG-9-bei- Razzia-gegen-Tschetschenen-im-Einsatz-1780265582; www.welt.de/politik/ deutschland/article159205812/Razzia-gegen-tschetschenische-Asylbewerberin -drei-Laendern.html). Der Verfassungsschutzbericht des Freistaats Thüringen führt aus, dass die Nordkaukasische Separatistenbewegung (auch Kaukasisches Emirat genannt) sich zunehmend an einer global-dschihadistischen Ideologie ausrichtet. Dies kam u. a. in Treueeiden für den Islamischen Staat zum Ausdruck (Verfassungsschutzbericht des Freistaats Thüringen 2014/2015, S. 101). Der Verfassungsschutz in Brandenburg geht zudem davon aus, dass ein Großteil der Islamisten in dem Bundesland aus Tschetschenien stammt (www.maz-online.de/ Brandenburg/Behoerden-besorgt-wegen-einreisender-Tschetschenen). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1922 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie viele Anhänger der Nordkaukasischen Separatistenbewegung (Kaukasisches Emirat) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland (bitte seit Bestehen der Organisation nach Jahresscheiben aufschlüsseln)? Die bisherige Unterstützerszene des im Jahr 2007 gegründeten Kaukasischen Emirats (KE) in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren von diesem abgewandt . Die Anhängerzahlen des KE sind stark rückläufig (2010 bis 2013 jeweils 200; 2014: 180 und 2015: 170 Anhänger) und ab dem Jahr 2016 nicht konkret benennbar. Für die Jahre 2007 bis 2009 können keine eigenen Anhängerzahlen für das KE genannt werden, sondern lediglich eine Gesamtzahl (jeweils 500) für die „Tschetschenische Republik Itschkeria“ (CRI) und die „Tschetschenische Separatistenbewegung “ (TSB). 2. Welche personellen, finanziellen oder sonstigen Überschneidungen und Netzwerke gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen der Nordkaukasischen Separatistenbewegung (Kaukasisches Emirat) und dem Islamischen Staat in Deutschland? Die nordkaukasische islamistische Szene in Deutschland ist gekennzeichnet durch eine weitgehende Abschottung nach außen. Verbindende Elemente bilden die Religion und die traditionelle Clanstruktur. Personelle Überschneidungen zwischen Netzwerken nordkaukasischer Islamisten sowie anderen Islamisten bzw. IS-Unterstützer-Netzwerken in Deutschland sind den Behörden in Einzelfällen bekannt. 3. Wie viele Islamisten, die russische Staatsangehörige sind, halten sich derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland auf? Welchen Personenzusammenschlüssen oder Vereinigungen gehören sie an? Die Zahl der Islamisten mit russischer Staatsangehörigkeit in Deutschland liegt im mittleren dreistelligen Bereich. Davon ist die überwiegende Anzahl nordkaukasischer Herkunft. Nordkaukasische islamistische Strukturen im förmlichen Sinne (Vereine, Verbände) sind der Bundesregierung nicht bekannt. Einige Akteure der nordkaukasischen islamistischen Szene in Deutschland sind dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als Anhänger des „Islamischen Staates“ bekannt geworden. 4. Wie viele russische Staatsangehörige werden von den Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland als „Gefährder“ eingestuft (bitte nach Aufenthaltsstatus aufschlüsseln)? Mit Stand 16. April 2018 zählt das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 755 Gefährder aus dem islamistischen Spektrum. Davon haben 31 Personen die russische und fünf Personen eine deutsch-russische Staatsangehörigkeit. Der Anteil russischer Staatsangehöriger unter den Gefährdern stellt mit einem Anteil von 5 Prozent keine auffallend große Gruppe dar. Anhand der Geburtsorte ist erkennbar, dass davon die meisten Personen aus der Kaukasusregion stammen. Verlässliche und aktuelle Angaben zum Aufenthaltsstatus tschetschenischer Gefährder können nur die jeweils zuständigen Ausländerbehörden machen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1922 5. Wie viele der sich in Deutschland aufhaltenden Tschetschenen sind nach Kenntnis der Bundesregierung dem islamistischen (salafistischen) Spektrum zuzuordnen (bitte jeweils den Aufenthaltsstatus angeben)? Eine exakte Aufschlüsselung russischer Staatsangehöriger nach ihrer Ethnie ist nicht möglich. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 6. Befinden sich unter den russisch-tschetschenischen Asylbewerbern nach Kenntnis der Bundesregierung Anhänger des „Kaukasischen Emirats“? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob sich unter den Asylsuchenden mit russischer Staats- und tschetschenischer Volkszugehörigkeit Anhänger des KE befinden. 7. Wie lange war bzw. ist die Verfahrensdauer im Asylverfahren bei russischtschetschenischen Asylbewerbern sowie die Anerkennungsquote seit 2010 (bitte nach Jahresscheiben aufschlüsseln)? Zeitraum Gesamtschutzquote Durchschnittliche Bearbeitungsdauer in Monaten Jahr 2010 30,8% 9,7 Jahr 2011 17,9% 8,3 Jahr 2012 16,9% 10,8 Jahr 2013 1,7% 5,2 Jahr 2014 5,7% 9,8 Jahr 2015 7,5% 11,3 Jahr 2016 4,3% 14,8 Jahr 2017 7,6% 16,2 01.01. - 31.03.2018 8,2% 18,5 Die Volkszugehörigkeit „tschetschenisch“ ist eine freiwillige, eigene Angabe der Antragstellenden. Die Bearbeitungsdauer bemisst sich von Antragstellung bis zur Entscheidung im Asylverfahren. Durch den bevorzugten Abbau länger anhängiger Verfahren verlängert sich auch die durchschnittliche Bearbeitungsdauer in der betrachteten Volkszugehörigkeit. 8. Bis wann wird voraussichtlich der Aufenthaltsstatus der Gefährder aus Tschetschenen geklärt? Eine prognostische Aussage über die Dauer bis zu Klärung des Aufenthaltsstatus dieses Personenkreises kann nicht getroffen werden, da dies von der Inanspruchnahme von Klagemöglichkeiten bei Antragsablehnungen, der Dauer der Gerichtsverfahren , der Dauer der Entscheidungen der Ausländerbehörden und weiterer Rechtsbehelfe im Einzelfall abhängt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1922 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Welche Gefährdung geht nach Ansicht der Bundesregierung von sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden tschetschenischen Islamisten aus? Erwartet die Bundesregierung eine Änderung der Sicherheitslage im Hinblick auf die kommende Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland? Die Relevanz von Personen nordkaukasischer Volkszugehörigkeit für den Phänomenbereich des religiös motivierten internationalen Terrorismus ist nicht von größerer Bedeutung als bei anderen Ethnien. Eine Änderung der Sicherheitslage im Hinblick auf die kommende Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland wird nicht erwartet. 10. Welche sonstigen sicherheitserheblichen Einschätzungen und Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den in Deutschland lebenden Tschetschenen? Islamistische Nordkaukasier – insbesondere aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien – waren, neben dem Tschetschenienkrieg, aktuell auch an den Kämpfen in Syrien und Irak maßgeblich beteiligt. Zudem werden Gruppierungen aus dem Nordkaukasus auch im Bereich der Organisierten Kriminalität festgestellt, wobei der Großteil der Tatverdächtigen tschetschenischer Herkunft ist. Tschetschenisch dominierte kriminelle Gruppierungen agieren stark abgeschottet, etwa in illegalen Clans, und treten besonders häufig bei Gewalt- und Erpressungsdelikten sowie beim illegalen Handel mit Betäubungsmitteln in Erscheinung. Ein Grund für die hohe Gewaltbereitschaft nordkaukasischer Tatverdächtiger sind die persönlichen Kampferfahrungen vieler Tatverdächtiger aus den Tschetschenienkriegen. Während Tatverdächtige aus Tschetschenien bisher vor allem für andere Gruppierungen der Organisierten Kriminalität tätig waren, drängen sie gegenwärtig in kriminelle Geschäftsfelder vor, um diese zu übernehmen. Kriminelle Tschetschenen nutzen etwa das Türsteher- und Sicherheitsgewerbe, um ihre Aktivitäten im Bereich der Schutzgelderpressung und des Rauschgifthandels zu erweitern. 11. Wie viele Tschetschenen, die sich in Deutschland aufhalten, sind nach Kenntnis der Bundesregierung Anhänger der Nordkaukasischen Separatistenbewegung (Kaukasisches Emirat) oder des Islamischen Staats bzw. sonstiger islamistischer Organisationen (bitte gemäß der Fragestellung aufschlüsseln )? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 12. Von welchen in- und ausländischen Geheimdiensten stammten die Informationen , die zu den in der Zeitung „Thüringer Allgemeine“ angeführten Einsätzen führten? Die in der Thüringer Allgemeinen (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller) angeführten Exekutivmaßnahmen beruhten ausschließlich auf polizeilichen Erkenntnissen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333