Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 30. April 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1994 19. Wahlperiode 04.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, Simone Barrientos, Michel Brandt, Christine Buchholz, Anke Domscheit-Berg, Nicole Gohlke, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Cornelia Möhring, Amira Mohamed Ali, Niema Movassat, Zaklin Nastic, Thomas Nord, Martina Renner, Eva-Maria Elisabeth Schreiber, Dr. Petra Sitte, Helin Evrim Sommer, Kersten Steinke, Friedrich Straetmanns, Dr. Kirsten Tackmann, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1665 – Aktivitäten des rechten Internetnetzwerkes Reconquista Germanica V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Über das rechte Internetnetzwerk Reconquista Germanica (anfangs auch Reconquista Germania – RG) vernetzen sich rechte und rechtsextreme Online-Medienaktivisten , um mit Hilfe von Fake-Accounts und gezielter Stimmungsmache die Meinungsbildung im Netz zu manipulieren. Zur Beeinflussung des Bundestagswahlkampfes rekrutierte RG im Herbst 2017 Onlineaktivisten aus rechtsextremen Netzwerken und Parteien. Es bewarben sich nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ Mitglieder der NPD, der Partei „Der III. Weg“, der völkischen Identitären Bewegung sowie Mitglieder aus dem sogenannten Nationalen Widerstand. Ein Organigramm auf dem RG-Server führt die Identitäre Bewegung sowie die „Junge Alternative für Deutschland“ als Teil von RG auf (www.sueddeutsche.de/politik/manipulation-im-netz-wie-rechte-internet-trolleversuchten -die-bundestagswahl-zu-beeinflussen-1.3875073). RG war anfangs als Kanal im Sozialen Netzwerk „Discord“ angesiedelt, das vor allem als Plattform von Computerspielern genutzt wird. Nachdem RG zwischenzeitlich mehrfach gesperrt wurde, hat der Server gewechselt. Gegründet wurde der RG-Server vom Betreiber eines gleichnamigen Youtube-Kanals aus Bayern, der sich Nikolai Alexander nennt. RG ist in militärischen Hierarchien mit Paladinen, Generälen, Offizieren, Gefreiten und Rekruten aber auch nach dem Sprachgebrauch der Wehrmacht in Heeresgruppen organisiert. Neueinsteiger müssen eine Art Gesinnungstest ablegen und sich durch die Instanzen bewähren . RG-Mitglieder werden aufgefordert, sich möglichst viele Konten in den verschiedensten sozialen Medien anzulegen. Zu Täuschungszwecken sollten sie sich auch falsche Nutzerkonten mit ausländisch klingenden Namen zulegen, um sich als angebliche Flüchtlinge auszugeben. Im Forum „Tagesbefehle“ bekommen RG-Aktivisten gezielte Anweisungen, zumeist von Nikolai Alexander, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1994 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode wann sie zu welcher Uhrzeit als „Troll-Armee“ angreifen sollen. Die Troll-Angriffe können vom gezielten Kommentieren eines Videos über das Kapern von Hashtags bis zur Einschüchterung und Demotivation von politischen Gegnern reichen. In einer „Memewerkstatt“ werden Bilder produziert, die sich in beleidigender und verächtlich machender Weise gegen Flüchtlinge und Migranten, den Islam aber auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel richten und bei Troll- Angriffen gezielt eingesetzt werden können (www.belltower.news/artikel/wie- %E2%80%9Ereconquista-germanica%E2%80%9C-auf-discord-seine%E2%80%9 Ctroll-armee%E2%80%9D-organisiert-13345; www.sueddeutsche.de/politik/ manipulation-im-netz-wie-rechte-internet-trolle-versuchten-die-bundestagswahlzu -beeinflussen-1.3875073; www.ardmediathek.de/tv/Kontraste/Wie-rechte- Aktivisten-Social-Media-Debat/Das-Erste/Video?bcastId=431796&documentId= 50499188). Die Aktivisten agierten dabei nach einem „Handbuch für Medienguerillas“, das in der rechten Szene kursiert (https://fearlessdemocracy.org/trollfabrik-discord /). Als ausdrückliches Ziel einer ersten Kampagne vor der Bundestagswahl wurde auf dem Youtube-Kanal Reconquista Germanica angegeben, „die AfD so stark wie möglich in den Bundestag zu hieven“ (www.buzzfeed.com/karstenschmehl/ willkommen-in-der-welt-von-discordteil1?utm_term=.baD475Me9#.cn821elmJ). In den drei Wochen vor der Bundestagswahl erfolgten tägliche Attacken auf Wahlkampfvideos der CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Partei DIE LINKE. Ein Video der Partei DIE LINKE. erhielt so über Nacht eine dreistellige Zahl von Hasskommentaren und die Bewertung eines Videos der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde mit Hunderten „Dislikes“ von einer ursprünglich positiven zu einer negativen Bewertung umgedreht. Wahlkampfmanager der Parteien sahen sich gezwungen, die Kommentarfunktion ihrer Youtube-Kanäle zu schließen oder Kommentare nur nach vorangegangener Moderation freizuschalten. Während des Fernsehduells zwischen Dr. Angela Merkel und ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Martin Schulz am 3. September 2017 rangen die rechten Medien-Aktivisten um Meinungshoheit, so dass die Hashtags #verräterduell und #nichtmeinekanzlerin beim Kurznachrichtendienst Twitter im Trend lagen (www.sueddeutsche.de/politik/manipulation-imnetz -wie-rechte-internet-trolle-versuchten-die-bundestagswahl-zu-beeinflussen- 1.3875073). 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Pläne oder Versuche von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten oder rechtsextremistisch beeinflussten Gruppierungen, die öffentliche Meinung im Internet bzw. sozialen Netzwerken durch gezielte Stimmungsmache, Vernetzung und den Einsatz von Fake-Accounts zu manipulieren? Der Bundesregierung ist bekannt, dass Rechtsextremisten oder rechtsextremistisch beeinflusste Gruppierungen die öffentliche Meinung im Internet bzw. in sozialen Netzwerken durch gezielte Stimmungsmache, Vernetzung und den Einsatz von Fake-Accounts zu manipulieren versuchen. Zur Frage der Umsetzung entsprechender Absichten, insbesondere auch zum Einsatz von sogenannten Fake-News bzw. -Accounts, liegen keine Informationen vor. 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Verfasser eines „Handbuchs für Medienguerillas“ und die Verbreitung und Rolle, die dieses im Internet verfügbare Handbuch für rechtsextreme oder rechtsextrem beeinflusste Gruppierungen spielt (https://fearlessdemocracy.org/trollfabrikdiscord /)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine weiteren Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1994 3. Welche – auch nachrichtendienstlichen – Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Internetnetzwerk Reconquista Germanica (RG)? a) Seit wann besteht dieses Netzwerk? b) Wer ist der Gründer dieses Netzwerkes, und welche möglichen rechtsextremistischen Aktivitäten dieser Person sind bekannt? c) Über wie viele Mitglieder verfügt RG bzw. wie viele Personen sind RG angeschlossen, und wie viele davon betätigten sich aktiv als Online-Aktivistinnen und Aktivisten? d) Welche konkreten Kampagnen gehen nach Kenntnis der Bundesregierung auf RG zurück? e) Welche Wirksamkeit zeigte das Agieren von RG nach Kenntnis der Bundesregierung im Bundestagswahlkampf? f) Welche rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen, islamfeindlichen , sexistischen, homophoben oder sonst volksverhetzenden oder beleidigenden oder verächtlichmachenden Äußerungen oder Memes (Bilder), die auf RG zurückzuführen sind, sind der Bundesregierung bekannt? g) Welche strafbaren Handlungen oder Äußerungen im Zusammenhang mit RG oder durch führende Exponenten von RG sind der Bundesregierung bekannt? h) Wo war bzw. ist nach Kenntnissen der Bundesregierung der Server von RG angesiedelt? Die Fragen 3a bis 3h werden gemeinsam beantwortet. Das Projekt „Reconquista Germanica“ ist mangels tatsächlicher Erkenntnisse über rechtsextremistische Bestrebungen kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Der Bundesregierung liegen daher nur öffentlich zugängliche Informationen zu „Reconquista Germanica“ vor. Diese Plattform wurde im September 2017 im Rahmen des Internet-Monitorings der „Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus“ (KIA-R) festgestellt. Die Plattform soll nach Angaben des Betreibers allen „Patrioten“ die Möglichkeit einer „effektiven Vernetzung und der Bündelung von Kräften“ bieten. Bei dem Projekt „Reconquista Germanica“ handelt es sich um eine Vernetzungsund Kommunikation-Plattform, die auch von Personen des rechtsextremistischen Spektrums genutzt wird. 4. Inwieweit bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Verbindungen von RG zu Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten oder rechtsextremistisch beeinflussten Bewegungen und Parteien (bitte Art der Kontakte und die jeweiligen Bewegungen und Parteien benennen)? a) Inwieweit gibt es in RG Kontakte, Vernetzungen und gemeinsame Aktionen von Rechtsextremisten mit Mitgliedern nicht rechtsextremistischer Parteien und Gruppierungen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1994 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Identitäre Bewegung (IB), Teile der IB oder Exponentinnen und Exponenten der IB in RG eingebunden? Mitte September 2017 nahm die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) das Projekt „Reconquista Germanica“ zur Kenntnis und bewarb die Plattform. Darüber hinaus liegen keine Erkenntnisse vor, die auf eine Einbindung der IBD selbst oder einer ihrer Unterorganisationen in das Projekt „Reconquista Germanica“ hindeuten. c) Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung Mitglieder oder Funktionäre der NPD in RG eingebunden? d) Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung Mitglieder oder Funktionäre der Partei „Die Rechte“ in RG eingebunden? e) Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung Mitglieder oder Funktionäre der Partei „Der III. Weg“ in RG eingebunden? f) Welche weiteren Parteien, Gruppierungen oder Bewegungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in RG eingebunden? Die Fragen 4c bis 4f werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 5. Welche Verbindungen von RG mit ausländischen Rechtsextremisten bzw. rechtsextremistisch beeinflussten Gruppierungen im Ausland sind der Bundesregierung bekannt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 6. Welche mit RG vergleichbaren rechtsextremen oder rechtsextrem beeinflussten deutschsprachigen Netzwerke sind der Bundesregierung bekannt? a) Seit wann bestehen diese, bzw. wann und wie lange bestanden diese in der Vergangenheit? b) Wer hat diese Netzwerke initiiert, und wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfassen diese? c) Welche Wirksamkeit zeigten diese Netzwerke bislang nach außen hin? d) Welche Mitglieder, Funktionäre oder Exponentinnen und Exponenten welcher Parteien, Gruppierungen oder Bewegungen mit welchen Verbindungen zu ausländischen Rechtsextremisten bzw. rechtsextremistisch beeinflussten Gruppierungen im Ausland sind nach Kenntnis der Bundesregierung in diese dem RG ähnlichen Netzwerke jeweils eingebunden? Die Fragen 6 bis 6d werden gemeinsam beantwortet. Die Plattform „Reconquista Germanica“ wird bislang nicht als rechtsextremistisch eingestuft. Im Hinblick auf rechtsextremistisch eingestufte Internet-Portale wird auf die vom Bundesminister des Innern verbotenen Portale „Altermedia- Deutschland“ und „Thiazi-Forum“ hingewiesen. Zu den Einzelheiten wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zu „Ermittlungen gegen die neonazistischen Internetplattformen Thiazi und Altermedia“ auf Bundestagsdrucksache 18/12682 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/1994 7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung grundsätzlich aus der Existenz von rechten Netzwerken wie RG, und welche Gefahren für die demokratische Grundordnung sieht sie im Agieren solcher Netzwerke? Rechtsextremistische, internetbasierte Netzwerke und Plattformen können aufgrund ihrer allgemeinen Verfügbarkeit und Anonymität dieselben Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung wie Gruppierungen in der „Realwelt “ darstellen. Die KIA-R ermöglicht vor diesem Hintergrund seit dem Jahr 2012 einen effektiven und effizienten Austausch von Erkenntnissen und Analysen bezüglich der Internetaktivitäten extremistischer Szenen und politisch motivierter Straftäter und bündelt die fachliche und technische Expertise der beteiligten Sicherheitsbehörden des Bundes. Die KIA-R umfasst auch das Monitoring offen zugänglicher Internetseiten (zum Beispiel Homepages, Portale, Foren, Netzwerke, Profile bei sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder YouTube) im Phänomenbereich Rechtsextremismus /-terrorismus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird gemäß § 3 Absatz 1 in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Bundesverfassungsschutzgesetz dann tätig, wenn im Internet tatsächliche Anhaltspunkte für politisch bestimmte Bestrebungen erkennbar sind, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Sollten die Inhalte eine strafrechtliche Relevanz aufweisen, erfolgt die Einbindung der Polizei und Justiz. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333