Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 4. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2058 19. Wahlperiode 09.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1652 – Öffentlichkeitsfahndung nach Verdächtigen in Zusammenhang mit dem G20-Gipfel auf europäischer Ebene V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Hamburger Innensenator Andy Grote hat Anfang Februar 2018 angekündigt , die nach dem G20-Gipfel begonnene sog. Öffentlichkeitsfahndung nach vermeintlichen Straftätern im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Gipfel „auch im europäischen Ausland“ durchzuführen. Er selbst bezeichnete diese Maßnahme als „Neuland“ (vgl. Hamburger Abendblatt, 2. Februar 2018). Das Bundeskriminalamt (BKA) unterstützt nach Angaben der Bundesregierung die Hamburger Behörden in dieser Angelegenheit „beratend“ (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 26 der Abgeordneten Ulla Jelpke auf Bundestagsdrucksache 19/1241). Im Zuge der Öffentlichkeitsfahndung wurden Fotos von Verdächtigen veröffentlicht . Die Fragestellerinnen und Fragesteller sehen in dieser Maßnahme eine unverhältnismäßige Verletzung der Grundrechte der zum Teil sogar minderjährigen Betroffenen. Diese werden stigmatisiert, und angesichts der Verbreitung der Bilder und der faktischen Unmöglichkeit, sie aus dem Internet wieder zu löschen, droht eine dauerhafte Rufschädigung auch im Fall einer Einstellung der Ermittlungen oder im Fall eines rechtskräftigen Freispruchs. Zudem besteht die Gefahr, dass übereifrige, evtl. von Boulevardblättern aufgehetzte Bürgerinnen und Bürger Falschbeschuldigungen gegenüber dritten Personen erheben (z. B. aufgrund einer Verwechslung). Eine Aufarbeitung der Geschehnisse in Hamburg während des G20-Gipfels ist auch aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller dringend geboten. Dazu muss aber vor allem auch gehören, das Verhalten der Ordnungsbehörden und der Polizei kritisch zu hinterfragen, die nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller erheblich zur Eskalation beigetragen haben. Eine Stigmatisierung von Versammlungsteilnehmern hingegen lehnen sie ab. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2058 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fragesteller ausdrücklich nicht, dass das Verhalten der Ordnungsbehörden und der Polizei erheblich zur Eskalation beigetragen habe, soweit dies aufgrund einer Zuständigkeit des Bundes bewertet werden kann, zurück. 1. Wann haben sich welche Hamburger Behörden mit der Bitte um Beratung bezüglich der Fahndung nach Verdächtigen im Zusammenhang mit Straftaten , die während des G20-Gipfels begangen wurden, an das BKA gewandt? Das Landeskriminalamt (LKA) Hamburg hat am 15. Februar 2018 eine Beratungsanfrage an das Bundeskriminalamt (BKA) gestellt. 2. Welchen Beratungsbedarf haben die Hamburger Behörden dabei formuliert (bitte vollständig angeben)? Das LKA Hamburg benötigte für die dortige Staatsanwaltschaft Informationen zur Umsetzung der Öffentlichkeitsfahndungen in 15 europäischen Ländern. 3. Inwiefern hat das BKA den Hamburger Behörden tatsächlich eine Beratung angedeihen lassen, und welche Beratung wurde dabei konkret erteilt (bitte die grundlegenden Aussagen so ausführlich wie möglich wiedergeben)? Die durch das BKA gegenüber dem LKA Hamburg erfolgte Beratung wird in den Antworten der folgenden Fragen dargestellt. 4. Bezog sich der Beratungsbedarf auf die Übermittlung von Bildern Verdächtiger oder auch auf die Übermittlung von Bildern möglicher Zeuginnen oder Zeugen? Der Beratungsbedarf bezog sich auf die Umsetzung der Öffentlichkeitsfahndung nach bislang unbekannten G20-Tatverdächtigen im europäischen Ausland. 5. Wurden dem BKA Bilder gesuchter Personen vorgelegt, die an ausländische Polizeibehörden übermittelt werden sollen, und wenn ja, wie viele und von wie vielen Personen, und welcher Straftaten werden diese im Einzelnen verdächtigt ? Das LKA Hamburg hat eine sogenannte Fahndungsliste mit 24 Personen an das BKA übersandt. Diese Personen haben sich an den Ausschreitungen während des G20-Gipfels beteiligt. Ermittlungsverfahren u.a. wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruches, von Brandstiftungen, von gefährlichen Körperverletzungen u. a. wurden eingeleitet. 6. Welche Angaben wurden dem BKA im Zuge der Bitte um Beratung dazu gemacht, wie viele Bilder von wie vielen Personen übermittelt werden sollen ? Zu der Zeit der Beratungsanfrage gab das LKA Hamburg zunächst an, Bilder von ca. 20 Personen übermitteln zu wollen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2058 7. Welche Angaben wurden dem BKA im Zuge der Bitte um Beratung dazu gemacht, an welche ausländischen Polizeibehörden die Bilder übermittelt werden sollen, und inwiefern erfolgte hierzu eine Beratung durch das BKA, und wie lautete diese? Um welche ausländischen Polizeibehörden geht es dabei (bitte konkret benennen )? Die übermittelten Bilder sollten an die Staatsschutzdienststellen, aber auch Polizeidienststellen der Staaten Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien , Polen, Ungarn, Tschechien, Niederlande, Belgien, Österreich, Schweden , Dänemark, Finnland und der Schweiz übermittelt werden. Eine Beratung durch das BKA in diesem Zusammenhang erfolgte nicht. 8. Welche Angaben wurden dem BKA im Zuge der Bitte um Beratung zum konkreten Zweck der Übermittlung der Bilder an ausländische Polizeibehörden gemacht, und inwiefern erfolgte hierzu eine Beratung durch das BKA, und wie lautete diese? Mit dem Ersuchen des LKA Hamburg an das BKA am 6. April 2018 wurde mitgeteilt , dass die Übermittlung der Bilder an das europäische Ausland der Identifizierung bzw. Erlangung von Erkenntnissen zur Identifizierung der verdächtigen Personen dienen soll. 9. Welche Angaben wurden dem BKA im Zuge der Bitte um Beratung dazu gemacht, ob es sich bei den Personen, deren Bilder übermittelt werden, mutmaßlich um ausländische Staatsangehörige handelt, und wie wurde diese Vermutung ggf. unterlegt? Im Rahmen der Beratungsanfrage erfolgte keine Übermittlung von Angaben, ob es sich bei den Personen, deren Bilder übermittelt werden, mutmaßlich um ausländische Staatsangehörige handelt. 10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung, ob an den Ermittlungen der „SoKo Schwarzer Block“ beteiligte Beamtinnen und Beamte oder weitere Stellen aus dem ausgebliebenen Rücklauf auf die öffentliche Fahndung geschlossen haben, dass es sich bei den Tatverdächtigen um Tatverdächtige aus dem Ausland handeln müsse? Dazu liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. 11. Welche Angaben wurden dem BKA im Zuge der Bitte um Beratung dazu gemacht, ob die Bilder durch ausländische Polizeibehörden im Internet veröffentlicht werden sollen, und inwiefern erfolgte hierzu eine Beratung durch das BKA, und wie lautete diese? Im Zuge der Beratungsanfrage an das BKA hat das LKA Hamburg die Bitte geäußert , eine große Öffentlichkeit in Form einer Verbreitung in u.a. Printmedien, TV, Radio, Internet, Sozialen Medien (lediglich Verweis auf einen Link zu einer Polizeiinternetpräsenz) und ggf. Plakaten anzusprechen. Eine Beratung durch das BKA erfolgte hierzu nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2058 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Welche Angaben wurden dem BKA im Zuge der Bitte um Beratung dazu gemacht, ob die Personen, deren Bilder übermittelt werden, als Verdächtige oder als Zeuginnen und Zeugen geführt werden, und inwiefern erfolgte hierzu eine Beratung durch das BKA, und wie lautete diese? Nach Mitteilung des LKA Hamburg handelte es sich ausschließlich um unbekannte Tatverdächtige. Dies wurde so durch das BKA zur Kenntnis genommen. Eine Beratung durch das BKA hierzu erfolgte nicht. 13. Welche Angaben wurden dem BKA im Zuge der Bitte um Beratung dazu gemacht, ob die Bilder jener Personen, deren Bilder an ausländische Polizeibehörden übermittelt werden sollen, bereits im Zuge der Öffentlichkeitsfahndung in Deutschland veröffentlicht wurden oder bislang nicht veröffentlicht wurden, und inwiefern erfolgte hierzu eine Beratung durch das BKA, und wie lautete diese? Im Rahmen der Beratungsanfrage durch das LKA Hamburg erfolgte keine Übermittlung von Angaben, ob die entsprechenden Bilder bereits im Zuge einer Öffentlichkeitsfahndung in Deutschland veröffentlicht wurden. Eine Beratung seitens des BKA erfolgte demnach nicht. Erst im Rahmen des förmlichen Ersuchens des LKA Hamburg vom 6. April 2018 erfolgte ein Hinweis darauf, dass die in der Fahndungsliste abgebildeten Personen bereits teilweise in einer Öffentlichkeitsfahndung in der Bundesrepublik Deutschland , in Form von sogenannten Fahndungsfibeln, veröffentlicht wurden. 14. Inwiefern sind die vom BKA in die Hamburger „SoKo Schwarzer Block“ entsandten Beamtinnen und Beamten bzw. die im BKA mit der Unterstützung der „SoKo Schwarzer Block“ betrauten Beamtinnen und Beamten im Rahmen ihrer Tätigkeit dort davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die Hamburger Behörden eine „europäische Öffentlichkeitsfahndung“ planen, und inwiefern sind sie in die Auswahl der Bilder, an deren Übermittlung oder an der Formulierung entsprechender Anschreiben an ausländische Polizeibehörden involviert? Die zur Soko „Schwarzer Block“ abgeordneten BKA-Kräfte unterstehen der Leitung der Soko. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Fragen, die in der Zuständigkeit des Landes Hamburg liegen. Darüber hinaus wird auf die Antworten zu den Fragen 4 bis 8 verwiesen. 15. Welchen besonderen rechtlichen Anforderungen unterliegt nach Rechtseinschätzung der Bundesregierung die Übermittlung von Bildern Verdächtiger oder von Zeugen an ausländische Polizeibehörden? Ist hierfür oder für den Zweck der Veröffentlichung der Bilder durch die ausländische Polizeibehörde im Internet ein eigener Gerichtsbeschluss notwendig oder genügt es, wenn bereits ein Gerichtsbeschluss zur Veröffentlichung der Bilder auf der Homepage der Hamburger Polizei vorliegt? Inwiefern ist nach Rechtsauffassung der Bundesregierung ein Gerichtsbeschluss durch das zuständige ausländische Gericht erforderlich, bzw. wie ist zu verfahren, wenn das zuständige ausländische Gericht nicht ermittelt werden kann? Die nationalen Voraussetzungen einer Öffentlichkeitsfahndung nach Beschuldigten folgen aus § 131 Absatz 4 der Strafprozessordnung (StPO), die von Fahndungen nach Zeugen aus §§ 131b, 131c StPO. Die Übermittlung von Bildaufnahmen an ausländische Polizeibehörden durch das BKA richtet sich bis zum 24. Mai Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2058 2018 nach den §§ 14 und 14a des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (BKAG), ab dem 25. Mai 2018 an Behörden in Mitgliedstaaten in der EU nach § 26 BKAG-neu und in Drittstaaten nach § 27 BKAG-neu. Zu Erfordernissen für strafprozessuale Maßnahmen nach ausländischem Recht kann die Bundesregierung keine Stellung nehmen. 16. Welche weiteren rechtlichen Anforderungen sind nach Rechtsauffassung der Bundesregierung bei der Übermittlung von Bilddateien von Personen an ausländische Polizeibehörden zu berücksichtigen, etwa hinsichtlich Weiterverbreitung , Speicherfristen und Löschung? Auf die Antwort zu Frage 15 wird verwiesen. Im Übrigen gelten in Hinblick auf die Datenverarbeitung bei Datenübermittlung an Mitgliedstaaten der Europäischen Union § 14a BKAG bzw. ab dem 25. Mai 2018 § 26 BKAG-neu sowie für Datenübermittlung im internationalen Bereich § 14 BKAG bzw. ab dem 25. Mai 2018 § 27 BKAG-neu. 17. Inwiefern hat das BKA im Zuge seiner Beratungstätigkeit Kontakt mit welchen ausländischen Polizeibehörden aufgenommen, und worum ging es dabei inhaltlich? Das BKA hatte im Sachkontext im Vorfeld Kontakt mit dem deutschen Verbindungsbüro bei EUROPOL. Dabei ging es um mögliche Optionen zur Umsetzung von Öffentlichkeitsfahndungen im europäischen Ausland. 18. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung beabsichtigt, die Übermittlung der Bilder an ausländische Polizeibehörden durch das BKA als Zentralstelle vornehmen zu lassen, und wenn ja, um wie viele Bilder von wie vielen Personen geht es dabei, und welche ausländischen Polizeibehörden sollen sie zu welchem Zweck empfangen? Inwiefern werden die ausländischen Polizeibehörden die Bilder voraussichtlich veröffentlichen? Das BKA hat die Fahndungsliste des LKA Hamburg am 13. April 2018 an die durch das LKA Hamburg ausgewählten europäischen Staaten mit der Bitte um Identifizierung bzw. Mitteilung von Erkenntnissen zu den 24 abgebildeten Personen übersandt. Konkret wurden nachfolgende ausländische Dienststellen angeschrieben: Guardia Civil Counter Terrorism Unit, Spanien UCLAT, Frankreich State Security Division, Griechenland SO15 Counter Terrorism Command, Großbritannien Police Central Bureau of Investigation, Polen Terrorelhárítási Központ (Counter Terrorism Centre), Ungarn National Contact Point for Terrorism, Tschechien Counter Terrorism Unit, Niederlande Central Counter Terrorism Department, Belgien Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2058 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode BVT CT, Österreich SÄPO, Schweden Politiets Efterretningstjeneste, Dänemark Security Intelligence Service SUPO, Finnland STK fedpol, Schweiz Des Weiteren erfolgte ein Versand an den Verbindungsbeamten in Rom mit der Bitte um Weitergabe an die italienischen Behörden. 19. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung beabsichtigt, allfällige Rückmeldungen der ausländischen Polizeibehörden an das BKA (zur Weiterleitung an die Hamburger Behörden) vornehmen zu lassen? Das BKA wird Rückmeldungen der europäischen Behörden an das LKA Hamburg weiterleiten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333