Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2062 19. Wahlperiode 09.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Clemens Hocker, Nicole Bauer, Carina Konrad, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/1793 – Umsatzsteuerrechtliche Pauschalierung landwirtschaftlicher Betriebe V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Da die Umsatzsteuer-Pauschalierung in Deutschland nicht nur für landwirtschaftliche Kleinbetriebe, sondern für alle Betriebsgrößen möglich ist, forderte die EU-Kommission Deutschland per 8. März 2018 auf, seine Vorschriften für Landwirte mit der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Umsatzsteuersystem in Einklang zu bringen (http:// europa.eu/rapid/press-release_MEMO-18-1444_de.htm). Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, Abhilfe zu schaffen, andernfalls droht die Einleitung eines formalen Vertragsverletzungsverfahrens. 1. Wie viele landwirtschaftliche Betriebe gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland, die das Pauschalierungsmodell anwenden? Wie hoch ist der Anteil der Betriebe an der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe? Nach den veröffentlichten Daten der Agrarstrukturerhebung (Gewinnermittlung und Umsatzbesteuerung) des Statistischen Bundesamtes gab es 2016 rund 275 Tsd. landwirtschaftliche Betriebe, von denen rund 181 Tsd. – also rund 66 Prozent – die Umsatzsteuerpauschalierung angewendet haben. 2. Wie viele forstwirtschaftliche Betriebe gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland, die das Pauschalierungsmodell nutzen? Wie hoch ist der Anteil der Betriebe an der Gesamtzahl der forstwirtschaftlichen Betriebe? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2062 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Wie hoch beziffert die Bundesregierung den durch die Sonderregelung vermiedenen bürokratischen Aufwand a) auf Seiten der land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebe und b) auf Seiten der öffentlichen Verwaltung? Der Bundesregierung liegen keine Informationen zu dem durch die Pauschalierung ersparten Erfüllungsaufwand vor. Sie weist in der WebSKM-Datenbank des Statistischen Bundesamts nur den für die betroffenen Unternehmen tatsächlich entstehenden, nicht aber den im Vergleich zu anderen Regelungen eingesparten Erfüllungsaufwand aus. Hinsichtlich des vermiedenen Erfüllungsaufwands auf Seiten der Steuerverwaltungen der Länder liegen der Bundesregierung ebenfalls keine Informationen vor. 4. Wie definiert die Bundesregierung verwaltungstechnische Schwierigkeiten, auf deren Basis die pauschale Mehrwertsteuerregelung für Landwirte nach der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) für Landwirte angewendet werden kann? Sieht die Bundesregierung die Mehrwertsteuersystemrichtlinie in der bisherigen Regelung des § 24 des Umsatzsteuergesetzes als EU-konform umgesetzt ? Für die Definition der „verwaltungstechnischen Schwierigkeiten“ ist die Rechtsprechung des EuGH zu beachten. Danach ist maßgeblich, inwieweit die landwirtschaftlichen Erzeuger „faktisch in der Lage wären, die Verwaltungskosten im Zusammenhang mit den sich aus der Anwendung der normalen oder der vereinfachten Regelung ergebenden Aufgaben zu tragen“ (vgl. Urteil vom 12. Oktober 2016, Nigl, C-340/15, EU:C:2016:764, Rn. 44). Auf die Rechtsform eines landund forstwirtschaftlichen Betriebes kommt es dabei nicht an (siehe auch BMF- Schreiben vom 1. Dezember 2009 (BStBl I 2009, Seite 1611)). Die Pauschalregelung des § 24 UStG geht auf das Jahr 1968 zurück. Die deutsche Rechtslage gründet auf Artikel 295 ff. der Richtlinie 2006/EG und ist aus Sicht der Bundesregierung EU-rechtskonform. Diese Auffassung wird die Bundesregierung gegenüber der KOM vertreten. 5. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die fiskalischen Auswirkungen durch die pauschale Mehrwertsteuerregelung für Landwirte insgesamt? Durch Festlegung des Prozentsatzes soll erreicht werden, dass die Pauschalierung grundsätzlich weder zu Minder- noch zu Mehreinnahmen führt. 6. Schließt sich die Bundesregierung der Auffassung der EU-Kommission an, dass der Durchschnittssteuersatz in der Landwirtschaft falsch berechnet worden sei und dies zu Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt führe (http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-18-1444_de.htm)? Falls ja, wie hoch wäre der nach Auffassung der Bundesregierung korrekt ermittelte Durchschnittssteuersatz, und welches Verfahren nutzt die Bundesregierung zur Bestimmung der Pauschalausgleichs-Prozentsätze für Pauschallandwirte ? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2062 7. Teilt die Bundesregierung die erneute Kritik des Bundesrechnungshofes an der Berechnung des Bundesministeriums der Finanzen zur Ermittlung der Vorsteuersteuerbelastung von Pauschallandwirten, wonach die Vorsteuerbelastung als zu hoch angesetzt wird (www.bundesrechnungshof.de/de/ veroeffentlichungen/bemerkungen-jahresberichte/jahresberichte/2015/teiliii -einzelplanbezogene-entwicklung-und-pruefungsergebnisse/allgemeinefinanzverwaltung /langfassungen/2015-bemerkungen-nr-81-ungerechtfertigtevorteile -fuer-landwirte-bei-der-umsatzsteuer-vermeiden-pdf)? Die Fragen 6 und 7 werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung hat angesichts der von der Kommission angesprochenen Kritik des deutschen Bundesrechnungshofes die Methode zur Berechnung der Vorsteuerbelastung der Pauschallandwirte überprüft und erachtet sie nach wie vor als rechtskonform. 8. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die fiskalischen Auswirkungen durch Anwendung eines Durchschnittssatzes für Pauschallandwirte in Höhe von 9,3 Prozent, wie ihn der Bundesrechnungshof errechnet hat? Rein rechnerisch würde die Absenkung des Durchschnittssatzes auf 9,3 Prozent zu Umsatzsteuermehreinnahmen im unteren dreistelligen Millionenbereich führen . Allerdings dürften Anpassungsreaktionen der Unternehmen dazu führen, dass diese Mehreinnahmen nur teilweise realisiert werden könnten, da landwirtschaftliche Betriebe, die derzeit die Pauschalierung nutzen, dann einen Anreiz hätten, zur Regelbesteuerung zu wechseln. 9. Wird die Bundesregierung an einer umsatzsteuerrechtlichen Sonderregelung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe festhalten? Falls, ja, anhand welcher Merkmale wird die Bundesregierung sogenannte Kleinbetriebe, für die eine weitere Anwendung der Sonderregelung denkbar wäre, definieren? Sind für diese Kriterien bereits Benchmarks festgelegt worden, um Betriebsgrößen zu klassifizieren? Gibt es Absichten, die Klassifizierung auch für zukünftige Fragestellungen, insbesondere in Bezug auf die Gemeinsame Agrarpolitik, anzuwenden? Die Bundesregierung plant keine Änderungen an der umsatzsteuerlichen Sonderregelung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Sie sieht daher keine Veranlassung , Merkmale für „Kleinbetriebe“ zu definieren oder Kriterien für eine Klassifizierung nach Betriebsgrößen festzulegen. 10. Ist der Bundesregierung bekannt, ob in anderen EU-Mitgliedsländern vergleichbare umsatzsteuerrechtliche Pauschalierungsmodelle Anwendung finden (falls ja, bitte die Länder nach Umsatzsteuerhöhe, Berechnungsmodell und Branchengültigkeit auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine ins Einzelne gehenden Erkenntnisse über die umsatzsteuerlichen Pauschalierungsmodelle in anderen EU-Mitgliedstaaten vor, die eine Beurteilung der Vergleichbarkeit mit der deutschen Regelung erlauben würden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2062 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Ist der Bundesregierung bekannt, ob von dem eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren auch die forstwirtschaftlichen Erzeuger, die eine pauschale Umsatzsteuer von 5,5 Prozent verrechnen können, betroffen sind? In dem Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2017/4121 rügt die Europäische Kommission die Umsatzsteuer-Pauschalierung für landwirtschaftliche Erzeuger in Deutschland im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den unionsrechtlichen Vorgaben nach der Richtlinie 2006/112/EG. Da der Begriff „landwirtschaftliche Erzeuger “ im Sinne der Richtlinie 2006/112/EG auch die forstwirtschaftlichen Betriebe umfasst, sind von dem eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren auch die forstwirtschaftlichen Erzeuger betroffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333