Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 8. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2093 19. Wahlperiode 11.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Helin Evrim Sommer, Gökay Akbulut, Michel Brandt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1579 – Aktuelle humanitäre und soziale Lage der Bevölkerung in Afrin unter der türkischen Besatzung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der NATO-Bündnispartner Türkei hat am 20. Januar 2018 im Rahmen der Militäroperation „Olivenzweig“ den mehrheitlich kurdisch besiedelten Selbstverwaltungskanton Afrin in Nordsyrien angegriffen. Nach Ansicht der Fragesteller führt die Türkei einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die kurdische Bevölkerung in der Region, die zum Staatsgebiet der Arabischen Republik Syrien gehört. Unter dem Deckmantel der Antiterrorbekämpfung sollen mutmaßlich die dort bestehenden demokratischen Selbstverwaltungsstrukturen zerschlagen und die ethno-demografische Zusammensetzung der Bevölkerung verändert werden (vgl. www.welt.de/politik/ausland/plus174575922/Tuerkische- Offensive-Erdogans-Kolonialisierungs-Plan-fuer-Syrien.html, abgerufen am 23. März 2018). Die türkischen Streitkräfte agieren gemeinsam mit regimefeindlichen syrischen Oppositionsmilizen, die sich unter dem Dach der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) zusammengeschlossen haben. Bei den FSA-Gruppen handelt es sich jedoch längst nicht mehr um „moderate“ Rebellen gegen das Regime von Baschar al-Assad, sondern um militante Kämpfer aus dem radikalen islamistischen bzw. dem pro-türkischen nationalistischen Spektrum (vgl. www.zeit.de/politik/ausland/2018-03/afrin-freie-syrische-armee-tuerkeiopposition , abgerufen am 23. März 2018). Nach Ansicht der Fragesteller exportiert der NATO-Partner Türkei den islamistischen Terror in eine Region, die zuvor von den Verheerungen des Syrienkriegs weitgehend verschont geblieben ist und in der hunderttausende Binnenvertriebene eine sichere Zuflucht gefunden haben. Unter dem Einsatz von Leopard-II-Kampfpanzern aus deutscher Produktion, die von Deutschland dem NATO-Partner Türkei im Zeitraum von 2006 bis 2011 geliefert wurden, haben die türkischen Streitkräfte und ihre FSA-Verbündeten zwischenzeitlich große Teile Afrins militärisch eingenommen, darunter die gleichnamige Regionalhauptstadt (vgl. https://syriancivilwarmap.com/, abgerufen am 23. März 2018). Ein von der Abgeordneten Helin Evrim Sommer bei den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages in Auftrag gegebenes Gutachten hat bestätigt, dass die von Deutschland an die Türkei geliefer- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2093 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ten Waffensysteme als Beihilfehandlung zum völkerrechtlichen Delikt betrachtet werden können, sofern die Bundesregierung Kenntnis von der völkerrechtswidrigen Handlung besäße und falls die Handlung völkerrechtswidrig wäre, wenn sie diese selbst beginge (vgl. Gutachten des WD 2-3000-010/18, S. 5). Nach Berichten deutscher Medien ziehen zur Zeit islamistische FSA-Milizionäre im Schutze deutscher Kampfpanzer plündernd und marodierend durch Afrin, rauben Wohnungen und Geschäfte aus, führen Massenvertreibungen durch und bedrohen die Zivilbevölkerung mit massiver Gewaltanwendung, insbesondere auch Frauen und Kinder (vgl. www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkeierobert -afrin-mit-deutschen-panzern-gegen-kurden-a-1198807.html, www.zeit. de/news/2018-03/20/syrien-dramatische-humanitaere-lage-in-afrin-und-ost-ghuta- 180319-99-553262, abgerufen am 23. März 2018). Aktuell befinden sich rund 250 000 Menschen als Binnenvertriebene auf der Flucht. Nach den Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF benötigen rund 100 000 Menschen aus Afrin dringend humanitäre Hilfe, die Hälfte davon Kinder . Laut den Aussagen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sei der Zugang für internationale unabhängige Hilfsorganisationen nach Afrin bislang eingeschränkt, ebenso wie der türkische Rote Halbmond mit der kurdischen Bevölkerung praktisch nicht zusammenarbeite (vgl. www.zeit.de/news/2018-03/20/ syrien-dramatische-humanitaere-lage-in-afrin-und-ost-ghuta-180319-99-553262, abgerufen am 23. März 2018). Angesichts dessen stellt sich die Frage nach den Staatenpflichten der Türkei, die diese aus Sicht der Fragesteller als militärische De-Facto-Besatzungsmacht nach dem humanitären Kriegsvölkerrecht, insbesondere zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten, trägt. Ebenso ist nach Ansicht der Fragesteller zu klären , welche Konsequenzen die Bundesregierung aus der aktuellen türkischen Militärintervention zieht und welchen Beitrag zur humanitären Hilfe sie leisten will, um die Not und das Leid der Menschen in Afrin zu mildern. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Beantwortung der Fragen 12, 14 und 22 kann aus Gründen des Staatswohls nicht offen erfolgen. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags besonders schutzwürdig. Ebenso schutzbedürftig sind Einzelheiten zu der nachrichtendienstlichen Erkenntnislage. Ihre Veröffentlichung könnte in diesem besonderen Einzelfall zu einer wesentlichen Schwächung der den deutschen Nachrichtendiensten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für die Auftragserfüllung der Nachrichtendienste des Bundes erhebliche Nachteile zur Folge haben. Die Veröffentlichung von Einzelheiten kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Die Antworten zu den genannten Fragen sind daher als Verschlusssache (VS) gemäß der VSA mit dem VS-Grad „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.* 1. Wie viele Zivilistinnen und Zivilisten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang im Rahmen der türkisch geführten Militäroperation „Olivenzweig “ getötet oder verwundet? Der Bundesregierung liegen dazu keine über die Presseberichterstattung hinausgehenden Erkenntnisse vor. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2093 2. Wie viele Angehörige der bewaffneten kurdischen „Volksverteidigungseinheiten YPG“ (Yekîneyên Parastina Gel) – einschließlich der „Frauenverteidigungseinheiten YPJ“ (Yekîneyên Parastina Jin) – wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang im Rahmen der türkisch geführten Militäroperation „Olivenzweig“ getötet oder verwundet? Nach Angaben des türkischen Generalstabs vom 28. April wurden seit Beginn der Operation „Olivenzweig“ 4 305 Kämpfer getötet, verletzt oder gefangen genommen . Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. 3. Wie viele Angehörige der türkischen Streitkräfte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang im Rahmen der türkisch geführten Militäroperation „Olivenzweig“ getötet oder verwundet? Nach Angaben des türkischen Generalstabs wurden im Rahmen der Militäroperation „Olivenzweig“ bislang 53 Angehörige der türkischen Streitkräfte getötet und 232 verletzt. 4. Wie viele Angehörige der mit den türkischen Streitkräften militärisch verbündeten FSA-Milizen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang im Rahmen der türkisch geführten Militäroperation „Olivenzweig“ getötet oder verwundet? Nach türkischen Angaben wurden bis zu 437 Kämpfer der „Freien Syrischen Armee “ (FSA) getötet. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Art und Umfang von Verletzungen des humanitären Kriegsvölkerrechts durch die bewaffneten Konfliktparteien während der Kämpfe in Afrin (bitte erläutern)? Der Bundesregierung sind Berichte über mögliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen in Afrin bekannt, eigene gesicherte Erkenntnisse hierzu liegen ihr nicht vor. Die Bundesregierung hat ihre Sorge darüber deutlich zum Ausdruck gebracht und alle Konfliktparteien zur Mäßigung und zur Achtung der völkerrechtlichen Normen aufgefordert. a) In welchem Umfang wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Exekutionen von Zivilpersonen in der Region Afrin durch bewaffnete Angehörige der türkisch geführten Militäroperation „Olivenzweig“ durchgeführt? b) In welchem Umfang wurden nach Kenntnis der Bundesregierung sexuelle Gewalt und/oder andere Formen schwerer körperlicher bzw. seelischer Misshandlung gegenüber Zivilistinnen und Zivilisten in der Region Afrin durch bewaffnete Angehörige der türkisch geführten Militäroperation „Olivenzweig“ verübt? Zu den Fragen 5a und 5b liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 6. In welchem Umfang wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang Exekutionen von festgenommenen Kombattantinnen und Kombattanten durchgeführt? Der Bundesregierung liegen dazu keine eigenen Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2093 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Welche Rechtsauffassung vertritt die Bundesregierung zu den Fragen, ob Exekutionen von festgenommenen Kombattantinnen und Kombattanten Kriegsverbrechen darstellen, und ob sich die bei den Kämpfen in Afrin festgenommenen Kombattantinnen und Kombattanten auf einen Status als Kriegsgefangene berufen können, für deren Behandlung das Genfer Abkommen III vom 12. August 1949 die Rechtsgrundlage darstellt (bitte erläutern)? Die Bundesregierung verweist auf Artikel 8 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (Strafbarkeit als Kriegsverbrechen gemäß Artikel 8 Absatz 2 lit a) i) und c) i)). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 8. Wie viele Kombattantinnen und Kombattanten befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Haft, und wie sehen die humanitären Haftbedingungen aus? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 9. Wie viele Zivilistinnen und Zivilisten sind nach Kenntnis der Bundesregierung bislang vor den Kämpfen in Afrin wohin geflohen, und in welchem Umfang haben die türkischen Streitkräfte und die mit ihnen verbündeten FSA-Milizen nach Kenntnis der Bundesregierung bislang Vertreibungen der in der Region Afrin ansässigen, mehrheitlich kurdischen Zivilbevölkerung durchgeführt (bitte erläutern)? Nach Angaben des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) haben rund 137 000 Binnenflüchtlinge Afrin verlassen (Stand: 24. April 2018). Von ihnen halten sich etwa 90 000 bis 100 000 Personen in Tal Refaat auf, etwa 20 000 in Nubul und ca. 10 000 Personen in Zahra. Zu möglichen Vertreibungen durch die türkischen Streitkräfte und mit ihnen verbündete FSA-Milizen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob bzw. in welchem Umfang und mit welchen Maßnahmen die türkischen Streitkräfte bzw. die mit ihnen verbündeten FSA-Milizen die vor den Kämpfen in Afrin geflüchteten Menschen derzeit aktiv daran hindern, in ihre früheren Wohnorte zurückzukehren (vgl. www.syriahr.com/en/?p=88168, abgerufen am 29. März 2018)? Nach Angaben der Vereinten Nationen verhindern derzeit verschiedene Konfliktparteien , dass die Menschen, die sich in den unter der Antwort zu Frage 9 genannten Orten aufhalten, entweder zurück nach Afrin gehen oder nach Aleppo-Stadt weiterziehen können. Alle Hauptverkehrswege von und nach Afrin sind nach Auskunft der Vereinten Nationen momentan blockiert. 11. In welchem Ausmaß haben nach Kenntnis der Bundesregierung die türkischen Streitkräfte bzw. die mit ihnen verbündeten FSA-Milizen im Rahmen ihrer militärischen Offensive zentrale Infrastruktureinrichtungen (Wasserund Stromversorgung, Gesundheitszentren, Schulen etc.) zerstört oder erheblich beschädigt (bitte erläutern)? Nach Angaben des Nothilfekoordinators der Vereinten Nationen („United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs“ – OCHA) ist der Grad der Zerstörung ziviler Infrastruktur eher gering. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2093 12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Plünderungen und Zerstörungen von Wohnunterkünften und Gewerbeeinrichtungen der ortsansässigen Bevölkerung durch die Angehörigen der FSA-Milizen, und in welchem Umfang sind nach Kenntnis der Bundesregierung auch Angehörige der türkischen Streitkräfte daran beteiligt gewesen (vgl.www.spiegel.de/politik/ ausland/tuerkei-erobert-afrin-mit-deutschen-panzern-gegen-kurden-a-11988 07.html, abgerufen am 23. März 2018)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über etwaige ethnozidale Maßnahmen in den von den türkischen Streitkräften bzw. den mit ihnen verbündeten FSA-Milizen besetzten Gebieten in Afrin, wie etwa die Auslöschung des kulturellen und architektonischen Erbes der kurdischen Bevölkerung bzw. von anderen autochthonen Bevölkerungsgruppen in der Region (vgl. www.tagesspiegel.de/kultur/angriff-auf-hethiter-tempel-in-syrien-dreitausendjahre -geschichte-pulverisiert/20918462.html), um diese Bevölkerungsgruppen ihrer kulturellen Identität zu berauben (bitte erläutern)? Die Bundesregierung hat von entsprechenden Berichten Kenntnis, über eigene Erkenntnisse verfügt sie nicht. 14. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Funktionsfähigkeit der zivilen Verwaltungsstrukturen in den von den türkischen Streitkräften bzw. den mit ihnen verbündeten FSA-Milizen besetzten Gebieten in Afrin, und in welchem Umfang wurden die bislang in Afrin bestehenden politischen Selbstverwaltungsstrukturen durch die Besatzungskräfte bereits verändert bzw. ersetzt (bitte erläutern)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Umgang und etwaige Repressionen der türkischen Streitkräfte und der mit ihnen verbündeten FSA-Milizen gegen Funktionäre und Anhänger der Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekitîya Demokrat/PYD) in den von ihnen besetzten Gebieten in Afrin (bitte erläutern)? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 16. Wie viele Menschen in den von den türkischen Streitkräften und den FSA- Milizen besetzten Gebieten in Afrin sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, und in welchem Umfang wird die Zivilbevölkerung bislang durch wen mit Nahrungsmitteln versorgt? Da die humanitären Bedarfserhebungen der Vereinten Nationen in Afrin noch nicht abgeschlossen sind, hat die Bundesregierung derzeit keine Erkenntnisse darüber , wie viele der schätzungsweise 50 000 bis 70 000 in Afrin verbliebenen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Die Vereinten Nationen haben im Rahmen der grenzüberschreitenden Hilfe aus der Türkei zwischen dem 2. und 4. April 2018 Nahrungsmittelhilfe für rund 20 000 Personen nach Afrin geliefert, deren Verteilung über lokale Hilfsorganisationen erfolgte. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2093 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 17. Wie ist es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit um die Trinkwasserversorgung der Zivilbevölkerung in den von den türkischen Streitkräften und den FSA-Milizen besetzten Gebieten in Afrin bestellt, und in welchem aktuellen Zustand befindet sich die Infrastruktur zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung? Nach Angaben der Vereinten Nationen haben die türkischen Behörden die Basisinfrastruktur an dem für die Wasserversorgung der Stadt Afrin maßgeblichen Damm rehabilitiert, so dass ein Teil der Bevölkerung in der Region wieder direkten Zugang zu fließendem Wasser hat. Wegen weiterer notwendiger Reparaturmaßnahmen werden mit der Trinkwasserversorgung noch nicht alle Menschen erreicht. 18. Wie viele Menschen in den von den türkischen Streitkräften und den FSA- Milizen besetzten Gebieten in Afrin haben nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit keine bewohnbaren Wohnunterkünfte? Bei der derzeit durchgeführten humanitären Bedarfserhebung der Vereinten Nationen im Bezirk Afrin wird auch der Bedarf an Unterkünften erfasst. Der Grad der Zerstörung privaten Wohnraums soll im Bezirk von Ort zu Ort variieren, genaue Angaben liegen der Bundesregierung nicht vor. 19. Wie ist es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit um die medizinische Notfall- und Grundversorgung der Zivilbevölkerung in den von den türkischen Streitkräften und den FSA-Milizen besetzten Gebieten in Afrin bestellt , und wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der tatsächliche Bedarf in diesem Bereich? 20. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die aktuelle Gefahr des Ausbruchs von Seuchen in Afrin, welche Kapazitäten zur stationären, operativen und therapeutischen Behandlung von schweren chronischen Krankheiten wie Tumorerkrankungen, HIV/AIDS, Hepatitis, Tuberkulose und anderen schweren Infektionskrankheiten, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes , Herz- Kreislauferkrankungen sowie zur Durchführung von Dialysen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in den von den türkischen Streitkräften und den FSA-Milizen besetzten Gebieten in Afrin noch vorhanden , und wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der tatsächliche Bedarf in diesen Bereichen? Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet. Insgesamt soll der Zugang zu Basisgesundheitsversorgung und der Zugang zur medizinischen Versorgung übertragbarer und nicht übertragbarer sowie chronischer Erkrankungen für die schätzungsweise 50 000 bis 70 000 in Afrin verbliebenen Menschen derzeit eingeschränkt sein. Ein Teil der Gesundheitseinrichtungen soll geschlossen, zahlreiche medizinische Fachkräfte sollen aus Afrin in die angrenzenden Regionen geflohen seien. Nach Angaben einer in Afrin tätigen Nichtregierungsorganisation (NRO) sind in der Region Afrin drei NRO-betriebene Basisgesundheitseinrichtungen in Betrieb sowie vier NRO-betriebene mobile Kliniken, die unter anderem reproduktive Gesundheitsdienste einschließlich Entbindungen, sowie Dialyse und Operationen vornehmen. Die Vereinten Nationen haben im Rahmen der grenzüberschreitenden Hilfe aus der Türkei zwischen dem 2. und 4. April 2018 medizinische Hilfsgüter für 6 490 Personen nach Afrin geliefert (vgl. Antwort zu Frage 16). Bis zum 24. April konnten über grenzüberschreitende Hilfslieferungen rund 20 000 Menschen in Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/2093 Afrin mit Nahrungsmitteln und Gesundheitsleistungen erreicht werden. Aktuell erheben die Vereinten Nationen den weiteren humanitären Bedarf, auch im Gesundheitsbereich . In Afrin tätige Hilfsorganisationen im Gesundheitsbereich werden weiterhin von den Vereinten Nationen grenzüberschreitend bei der Bereitstellung mobiler Gesundheitsdienste unterstützt, um den dringendsten Bedarf zu decken. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Gefahr des Ausbruchs von Seuchen vor. 21. Welche internationalen unabhängigen Hilfsorganisationen haben nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit einen humanitären Zugang in die von den türkischen Streitkräften und den FSA-Milizen besetzten Gebiete in Afrin , um die Zivilbevölkerung medizinisch bzw. medikamentös zu versorgen, und wie viele Hilfebedürftige konnten damit bislang erreicht werden? Internationale humanitäre Hilfsorganisationen haben momentan keinen eigenen humanitären Zugang in die von den türkischen Streitkräften und der FSA besetzten Gebiete in Afrin. In begrenztem Umfang können humanitäre Hilfsmaßnahmen über lokale Partnerorganisationen umgesetzt werden. Bislang wurde sechs syrischen NRO der Zugang zu den Gebieten, die unter Kontrolle der türkischen Armee und verbündeter FSA-Einheiten stehen, gestattet. Mittels dieser lokalen Partner versuchen die VN die humanitären Bedarfe in Afrin möglichst genau zu ermitteln. 22. In welchem Umfang wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Zivilbevölkerung in den von den türkischen Streitkräften und den FSA-Milizen besetzten Gebieten in Afrin bislang durch den türkischen Roten Halbmond humanitär versorgt, welche Rolle spielt hierbei nach Kenntnis der Bundesregierung eine kurdische Bevölkerungszugehörigkeit der Hilfebedürftigen und in welchem Ausmaß wurde bislang humanitäre Hilfe ggf. auch verweigert (vgl. www.zeit.de/news/2018-03/20/syrien-dramatische-humanitaere-lage-inafrin -und-ost-ghuta-180319-99-553262, abgerufen am 23. März 2018, bitte erläutern)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 23. Wie viele Menschen sind nach Kenntnis der Bundesregierung bislang aus Afrin in Gebiete unter Kontrolle des syrischen Regimes geflohen, und in welchem Umfang leisten die syrischen Behörden bzw. staatliche Organisationen dort humanitäre Hilfe für die Binnenvertriebenen aus Afrin? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind bislang rund 30 000 Menschen in Gebiete unter Kontrolle des syrischen Regimes geflohen (etwa 20 000 nach Nubul, circa 10 000 nach Zahra). Nach Kenntnis der Bundesregierung leisten die Vereinten Nationen gemeinsam mit dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond (SARC) über ihr Lager in Aleppo sowie humanitäre Nichtregierungsorganisationen humanitäre Hilfe für die Binnenvertriebenen aus Afrin. Über direkte Hilfe von Seiten des syrischen Regimes bzw. syrischer Behörden liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2093 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 24. In welchem Umfang hat die Bundesregierung bislang die Zivilbevölkerung in Afrin mit humanitärer Hilfe unterstützt bzw. beabsichtigt sie, diese künftig – ggf. auch im Rahmen des „Whole of Syria“-Ansatzes (vgl. Antwort zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 18/12276) – zu unterstützen (bitte erläutern )? Die humanitäre Hilfe der Bundesregierung in Syrien erfolgt auf Grundlage der humanitären Prinzipien und wird auf der Basis des von humanitären Hilfsorganisationen ermittelten humanitären Bedarfs geleistet. Humanitäre Maßnahmen in Afrin werden von der Bundesregierung momentan auch durch die umfangreiche Förderung der landesweiten humanitären Programme der Vereinten Nationen und des von den Vereinten Nationen koordinierten humanitären Gemeinschaftsfonds in der Türkei ermöglicht. Im Rahmen des „Whole of Syria“-Ansatzes fördert die Bundesregierung in allen Teilen Syriens Hilfsmaßnahmen, in denen für Hilfsorganisationen Zugang besteht . 25. Welche Position vertritt die Bundesregierung zu der Frage, ob mit dem Einmarsch der türkischen Streitkräfte in Afrin die Türkei auch eine Verantwortung zur Einhaltung des humanitären Kriegsvölkerrechts, insbesondere zum Schutz der Zivilbevölkerung, trägt, und ist die Türkei nach Ansicht der Bundesregierung aus völkerrechtlicher Perspektive eine Besatzungsmacht in Afrin /Nordsyrien (bitte erläutern)? Parteien eines bewaffneten Konflikts sind an das humanitäre Völkerrecht gebunden . Dies umfasst die Regeln zum Schutz der Zivilbevölkerung und, soweit einschlägig , die Regeln des Besatzungsrechts. Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen . 26. Welche einschlägigen Bestimmungen des humanitären Kriegsvölkerrechts sind nach Kenntnis der Bundesregierung von der Türkei als mutmaßlicher Besatzungsmacht einzuhalten, in welchem Umfang kommt die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung ihrer diesbezüglichen Verantwortung derzeit nach, und was hat die Bundesregierung ggf. bislang unternommen, um den NATO-Partner Türkei zur Einhaltung seiner Verpflichtungen nach dem humanitären Kriegsvölkerrecht aufzufordern (bitte erläutern)? Auf die Antworten zu den Fragen 5, 25 und 27 wird verwiesen. 27. Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für die bilateralen Beziehungen zur Türkei und für mögliche weitere Waffen- und Rüstungsexporte Deutschlands an den NATO-Partner Türkei aus der von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 21. März 2018 getroffenen folgenden Aussage: „Bei allen berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert, wo Tausende und Abertausende von Zivilisten verfolgt sind, zu Tode kommen oder flüchten müssen. Auch das verurteilen wir auf das Schärfste“ (Plenarprotokoll 19/22, S. 33, bitte erläutern)? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Darüber hinaus wird auf die Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/1492, auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/1494 und auf die Schriftliche Frage 2 der Abgeordneten Agnieszka Brugger auf Bundestagsdrucksache 19/605 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/2093 Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik . Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die rechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG), des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) sowie die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000, der „Gemeinsame Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“ und der Vertrag über den Waffenhandel („Arms Trade Treaty“). Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen. Dies gilt auch für die Türkei. Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 65 des Abgeordneten Onid Nouripour auf Bundestagsdrucksache 19/1241, sowie auf die Schriftliche Frage 57 des Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu auf Bundestagsdrucksache 19/1979 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333