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kleineAnfragen
Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und
nukleare Sicherheit vom 14. Mai 2018 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
Deutscher Bundestag
Drucksache
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2148
19. Wahlperiode
16.05.2018
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordne
ten Marc Bernhard, Wolfgang Wiehle,
Andreas Bleck, weiterer Abgeor
dneter und der Fraktion der AfD
– Drucksache 19/1935 –
Messverfahren zur Bestimmung der NO
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-Konzentration in der Luft unserer Städte
Vorbemerkung der Fragesteller
Bei der Bestimmung der Stickstoffdioxidkonzentration in der Luft unserer
Städte beruft sich die Bundesregierung und insbesondere das Umweltbundesamt
(UBA) immer wieder auf die Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere
Luft für Europa, mit der die Messung der Stickstoffdioxid-Konzentration und die
Einhaltung des 40 μg/m
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-Grenzwertes vorgeschrieben sei (www.umweltbundesamt.
de/themen/luft/regelungen-strategien/luftreinhaltung-in-der-eu#textpart-1).
Diese EU-Richtlinie wurde jedoch nicht eins zu eins ins deutsche Recht umge-
setzt, denn in der entsprechenden Neununddreißigsten Verordnung zur Durch-
führung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV), werden Rege-
lungen im Vergleich zur EU-Richtlinie verschärft und damit eine Erhöhung der
gemessenen Stickstoffdioxid-Konzentrationen herbeigeführt. Insbesondere die
Regelung zur „Kleinräumigen Ortbestimmung der Probenahmestellen“ ist so
gefasst, dass die Messstelle anstelle von einem Winkelbereich von 270° nur
noch in einem Bereich von 180° frei stehen muss, sodass in Deutschland tat-
sächlich in einer „Straßenschlucht“, also im Bereich zwischen einer stark befah-
renen Straße und einer durchgehenden hohen Häuserfront, gemessen wird, was
gemäß der EU-Richtlinie vermieden werden soll. Somit lässt die deutsche Ver-
ordnung Messstellen zu, die von der EU-Regelung ausgeschlossen werden.
Die deutsche 39. BImSchV ermöglicht eine weitere Erhöhung der gemessenen
Stickstoffkonzentrationen, indem sie aus den „Muss“-Vorschriften der EU-Re-
gelung lediglich „Soll“-Vorgaben macht, die nicht unbedingt eingehalten wer-
den müssen. Nach der EU-Richtlinie „müssen“ Gebäude, Balkone, Bäume und
andere Hindernisse normalerweise einige Meter entfernt sein und die Probenah-
mestellen für die Luftqualität an der Baufluchtlinie „müssen“ mindestens 0,5 m
vom nächsten Gebäude entfernt sein; nach der 39. BImSchV „soll“ dies nur
noch der Fall sein. Auch damit ermöglicht die deutsche 39. BImSchV die Erfas-
sung lokaler Konzentrationsüberhöhungen durch Messstellen, die durch die EU-
Regelung ausgeschlossen sind.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.
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De facto führt die deutsche Verordnung also dazu, dass in unseren Großstädten
die Messstationen dort stehen, wo sie aufgrund der Nähe der Bebauung örtlich
überhöhte Stickstoffkonzentrationen erfassen. Die EU-Richtlinie schreibt im
Gegensatz dazu aber vor, dass die Messstellen so zu wählen sind, dass derartige
lokale Konzentrationsüberhöhungen gerade nicht erfasst werden.
Die einzuhaltenden Grenzwerte sind auf das Messverfahren abgestimmt. Würde
die EU-Richtlinie die Messung in Bereichen erlauben, in denen die Messstatio-
nen statt in einem Winkelbereich von mindestens 270° nur in einem Winkelbe-
reich von 180° frei stehen und in Bereichen, in denen aufgrund der Nähe von
Gebäudeteilen und Hindernissen lokale Konzentrationsüberhöhungen erfasst
werden, so wären höhere Grenzwerte festgelegt worden.
Darüber hinaus wurde berichtet, dass in deutschen Städten einzelne Messstatio-
nen – im Bestreben, möglichst hohe Schadstoffkonzentrationen zu erfassen –
unter Missachtung von sowohl der 39. BImSchV als auch der EU-Richtlinie
2008/50/EG zu nah an Kreuzungen positioniert wurden oder an Stellen, die
nicht für einen Straßenabschnitt von mindestens 100 m repräsentativ sind (u. a.
BILD, 30. März 2018: „Diesel-Abgase – Sind wir die Mess-Deppen der EU?“ und
OSNABRÜCKER ZEITUNG, 4. April 2018: „ Messstation falsch aufgestellt? –
Messung der Luftqualität: BOB wirft Osnabrück gezielte Manipulation vor“).
1.
Zu welchem Zweck wurden in der Neununddreißigsten Verordnung zur
Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) For-
mulierungen eingearbeitet, die von denen der Richtlinie 2008/50/EG über
Luftqualität und saubere Luft für Europa abweichen und höhere Messwerte
für die zu bestimmenden Schadstoffkonzentrationen zur Folge haben kön-
nen?
Die Grundlagen für die Beurteilung der Luftqualität sind für die Europäische Union
einheitlich in der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Ra-
tes vom 21. Mai 2008 (Luftqualitätsrichtlinie) festgelegt. Der Ort von Probenahme-
stellen, an denen Messungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vorgenom-
men werden, ist so zu wählen, dass Daten gewonnen werden über Bereiche inner-
halb von Gebieten und Ballungsräumen, in denen die höchsten Werte auftreten, de-
nen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum aus-
gesetzt sein wird, der im Vergleich zum Mittelungszeitraum der betreffenden Im-
missionsgrenzwerte signifikant ist. Die Luftqualitätsrichtlinie wurde im Jahr 2010
durch das 8. Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und die
Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutz-
gesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und nationale Emissionshöchst-
mengen – 39. BImSchV) 1:1 umgesetzt. Im Jahr 2015 wurde die Luftqualitätsricht-
linie durch die Richtlinie (EU) 2015/1480 der Kommission vom 28. August 2015
geändert, unter anderem im Hinblick auf Kriterien für die Ortsbestimmung der Pro-
benahmestellen, die präzisiert und ergänzt wurden. Diese Änderung wurde im Jahr
2016 durch die Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über Luftqualitäts-
standards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV vom 10. Oktober 2016
ebenfalls 1:1 umgesetzt. Die in der Frage aufgestellte These ist daher unzutreffend.
2.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass diese Ab-
weichungen dazu geführt haben, dass in unseren Großstädten Messstationen
an Stellen stehen, wo sie Stickstoffkonzentrationen erfassen, die aufgrund
der von der EU-Richtlinie 2008/50/EG abweichenden Vorgaben der deut-
schen 39. BImSchV lokal überhöht sind und damit nicht den Regelungen der
EU-Richtlinie 2008/50/EG entsprechen?
Nein. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.
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3.
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um zu verhindern,
dass durch derart unzulässig verschärfte Messmethoden Fahrverbote einge-
führt werden, die gemäß der EU-Richtlinie nicht zu rechtfertigen sind?
Auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen.
4.
Ist es nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen zutreffend,
dass in deutschen Städten einzelne Messstationen unter Missachtung von so-
wohl der 39. BImSchV als auch der EU-Richtlinie 2008/50/EG zu nah an
Kreuzungen positioniert wurden oder an Stellen, die nicht für einen Straßen-
abschnitt von mindestens 100 m repräsentativ sind?
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Ortswahl von Probenahmestellen
seitens der zuständigen Behörden der Länder sachgerecht entsprechend den Re-
gelungen der 39. BImSchV und damit der Luftqualitätsrichtlinie erfolgt. Auf die
Antwort zu Frage 1 wird ergänzend verwiesen.
5.
Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um zu verhindern,
dass aufgrund der Messwerte von Messstellen, die in deutschen Städten unter
Missachtung der 39. BImSchV und der EU-Richtlinie 2008/50/EG an Stellen
aufgestellt wurden oder werden, an denen sie lokal überhöhte Schadstoff-
Konzentrationen erfassen (also z. B. zu nah an Kreuzungen oder an Stellen,
die nicht für mindestens einen Straßenabschnitt von 100 m repräsentativ
sind), Fahrverbote eingerichtet werden, die aufgrund der ihnen zugrunde ge-
legten fehlerhaft zu hoch gemessenen Schadstoffkonzentrationen nicht
rechtmäßig sind?
Für den Vollzug des Immissionsschutzrechts, zu dem auch die Überwachung der
Luftqualität zählt, sind die Behörden der Länder zuständig. Dem Bund stehen
keine Weisungsrechte zu. Auf die Antwort zu Frage 4 wird ergänzend verwiesen.
Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.
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