Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 14. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2150 19. Wahlperiode 16.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tabea Rößner, Dr. Konstantin von Notz, Dieter Janecek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/1944 – Big Data, Scoring und Datenhandel von Parteiaffinitäten der Bundesbürger durch die Deutsche Post Direkt GmbH V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ende März 2018 wurde bekannt, dass die Deutsche Post Direkt GmbH, eine 100-prozentige Tochterfirma der Deutschen Post AG, einzelnen Parteien vor der Bundestagswahl 2017 straßenbezogene Informationen und Daten über die Parteiaffinität von bundesdeutschen Haushalten (für die einmalige Verwendung) verkauft hat. CDU und FDP haben bestätigt, entsprechende Daten und Informationen für den Haustürwahlkampf (CDU) bzw. personalisierte Wahlwerbung (FDP) genutzt zu haben (www.spiegel.de/politik/deutschland/deutschepost -verteidigt-datengeschaefte-a-1200831.html). Das Unternehmen soll für ca. 20 Millionen Häuser mit rund 34 Millionen Haushalten in Deutschland über mehr als 1 Milliarde Einzeldaten verfügen. Es verarbeitet personenbezogene Informationen und Daten im Rahmen der Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes und gibt diese nur anonymisiert weiter (siehe Quelle DER SPIEGEL zuvor). Aus den Daten berechnet die Deutsche Post Direkt GmbH Wahrscheinlichkeitswerte für eine bestimmte Parteiaffinität und Nichtwählerneigung und hat diesbezüglich laut einer internen Werbebroschüre Daten zu 85 Prozent aller Haushalte (https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/39010/umfrage/bestand-der-einfamilienhaeuser-in-deutschland-seit-2000/) in Deutschland im Angebot. Die Informationen betreffen unter anderem Angaben zu Alter, Bildung, Geschlecht, Kaufkraft, Bankverhältnissen, Familienstruktur , Wohnumfeld und Pkw-Besitz (www.bild.de/politik/inland/deutschepost /erkaufte-sich-die-post-ein-datenschutz-siegel-55321292.bild.html). Für besondere Angebote an politische Parteien arbeitet die Deutsche Post Direkt GmbH mit dem Meinungsforschungsinstitut dimap und dem posteigenen Siegfried Vögele Institut für Direktmarketing zusammen (vgl. www.deutsche post.de/content/dam/dpag/images/W_w/Briefwahl/dp_wahlen_broschuere_1120 16.pdf, S. 11), die Daten würden anonymisiert. Online abrufbaren Informationen der Deutsche Post AG zufolge wird die Lokalisierung von potentiellen Wählerinnen und Wählern von Parteien dahingehend ermöglicht, dass statistische Wahrscheinlichkeiten für Parteiaffinitäten und Nichtwählerwahrschein- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2150 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode lichkeit auf Gebäudeebene vorliegen. Aus nicht öffentlich verfügbaren Broschüren soll hervorgehen, es seien damit Aussagen zur Parteiaffinität für einzelne Gebäude mit mindestens sechs Haushalten möglich, für jedes Gebäude in einem Wahlkreis würde für jede Partei ein spezifischer Chancenwert ermittelt (Zahl zwischen 1 und 100), vgl. www.bild.de/bild-plus/geld/wirtschaft/ deutsche-post/so-verhoekert-die-post-kundendaten-an-cdu-und-fdp-55260090, view=conversionToLogin.bild.html. Für die Analysen werden weitere mikrogeografische Merkmale wie z. B. die Information junge Singles, Familie und/oder Alter kombiniert. Zusammen mit der kleinteiligen Lokalisierungsmöglichkeit auf Gebäudeebene kann bei derartigen Datenkombinationen nach Ansicht der Fragestellenden nicht verhindert werden, dass diese Analysen letztendlich personenbeziehbare Informationen enthalten. Derzeit werden alle Bürgerinnen und Bürger auch mit einer Adresse in Deutschland automatisch in den Post-Direkt-Datenbanken gespeichert, es sei denn, sie widersprechen der Weitergabe ihrer Daten für Werbezwecke ausdrücklich. Zudem kauft die Deutsche Post Direkt GmbH statistische Daten von Behörden, wie dem Statistischen Bundesamt, Einwohnermeldeämtern oder dem Kraftfahrt -Bundesamt, die in ihre Datenanalysen und den Datenhandel mit einfließen . Die Big-Data-Analyse von Daten zur Generierung letztlich personenbeziehbarer Informationen durch Data Mining und Scoring unterfällt in Deutschland , ebenso wie die personenbezogene Wahlwerbung auf der Grundlage solcher Informationen, dem Schutz verfassungsrechtlicher Vorgaben sowie den Bestimmungen der Datenschutzgesetze. Auch die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze des Grundgesetzes und dessen Leitbild eines offenen und freien Meinungskampfes bilden den maßgeblichen Rahmen dieses Vorganges. Die zuständige Aufsichtsbehörde, die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, prüft derzeit den Adresshandel der Deutsche Post Direkt GmbH mit den Parteien CDU und FDP während des Bundestagswahlkampfs 2017. Die sich für überhaupt nicht zuständig erachtende Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Bundesdatenschutzbeauftragte ) äußerte sich gegenüber den Medien dahingehend, dass aufgrund der Kombinierbarkeit Rückschlüsse auf einzelne Haushalte gezogen werden könnten (www.golem.de/news/datenschutz-adressverkauf-der-post-ancdu -und-fdp-wird-geprueft-1804-133651-all.html). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung unterliegt den Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), insbesondere dessen § 28 Absatz 3 bis 4 und § 29 Absatz 1 und 2, und ab dem 25. Mai 2018 den Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679). Anonymisierte Daten im Sinne des § 1 Absatz 6 BDSG unterliegen hingegen nicht dem Datenschutzrecht (vgl. auch Artikel 4 Nummer 1 und Erwägungsgrund 26 a.E. der Datenschutz-Grundverordnung). Die Einhaltung des Datenschutzrechts wird durch die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder überwacht. Diesen stehen hierzu weit reichende Ermittlungsbefugnisse zu (vgl. nach geltendem Recht § 38 Absatz 3 und 4 BDSG sowie Artikel 58 Datenschutz-Grundverordnung i. V. m. § 38 Absatz 4 und 5 BDSG 2018 ab dem 25. Mai 2018). Bei der Sachverhaltsermittlung und der Anwendung des Datenschutzrechts auf konkrete Datenverarbeitungen verantwortlicher Stellen agieren die Aufsichtsbehörden in völliger Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2150 In einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem ein Unternehmen Daten auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes verarbeitet, ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung , konkrete Datenverarbeitungsvorgänge eines einzelnen Unternehmens auf Datenschutzkonformität zu prüfen oder auf der Grundlage von Presseberichten zu bewerten. Dies vorangestellt beantwortet die Bundesregierung die Fragen der Fragesteller wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche Informationen und Daten, an wen, zu welchem Zweck und in welchem Umfang die Deutsche Post Direkt GmbH in den vergangenen Wahlen (Bundestags- oder Landtagswahlen) seit ihrem Bestehen weitergegeben hat (bitte einzeln aufschlüsseln )? Nach Erkenntnissen der Bundesregierung hat die Deutsche Post Direkt GmbH politischen Parteien im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2017 visualisierte Informationen über „Partei-Affinitäten“ bezogen auf „Häuserzellen“ bzw. „Straßenabschnitte“ zur Verfügung gestellt. Daneben wurden zugekaufte oder aus öffentlichen Quellen stammende Adressdaten Lettershops zur Durchführung von Werbemailings zur Verfügung gestellt. 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche anderen Unternehmen als die Deutsche Post Direkt GmbH, welche Kundendaten zu welchem Zweck und in welchem Umfang in den vergangenen Wahlen (Bundestags - oder Landtagswahlen) gesammelt und an wen weitergegeben haben (bitte einzeln aufschlüsseln)? 3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche Informationen und Daten zu Parteiaffinitäten und Nichtwählerwahrscheinlichkeit an wen und zu welchem Zweck die Deutsche Post Direkt GmbH darüber hinaus noch verkauft bzw. vermietet hat? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor. 4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass die von den Parteien nach den Meldegesetzen im Rahmen von Wahlverfahren zulässig erlangten Adressdaten mit den von Unternehmen wie der Deutsche Post Direkt GmbH erworbenen Daten zusammengeführt wurden oder werden, um diese möglicherweise für personengenaue Ansprachen zu verwenden? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor. Zur Information über Wahlauskünfte an politische Parteien nach § 50 Absatz 1 Bundesmeldegesetz dürfen durch die Meldebehörden nur Auskünfte über Namen, Doktorgrad und Anschriften über Gruppen von Wahlberechtigten erteilt werden, für deren Zusammensetzung das Lebensalter der betroffenen Personen bestimmend ist. Für Gruppenauskünfte zu Wahlen ist daher die Bildung von Altersgruppen die einzige zulässige Gruppenbildung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2150 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche Behörden, seit wann und an welche Unternehmen zu wahlbezogenen Zwecken Kundendaten verkaufen, und welche genauen Einkünfte wurden aus diesem Datenhandel generiert? 6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche Behörden in ihrem Zuständigkeitsbereich seit wann und an welche Direktmarketingunternehmen , Auskunfteien, Adresshändler usw. zu welchem über die Frage 5 (wahlbezogen) hinausgehenden Zweck welche Arten von Daten verkaufen, und welche genauen Einkünfte wurden bei diesen Stellen aus diesem Datenhandel generiert? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor. 7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, wonach Aussagen zur „Parteiaffinität von Gebäuden“ schon dann als anonym gelten sollen, wenn in diesem Gebäude mindestens 6,6 Haushalte vorhanden sind, und wenn nein, warum nicht? Gemäß § 1 Absatz 6 BDSG ist das Anonymisieren „das Verändern personenbezogener Daten derart, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können“. Eine vergleichbare Aussage zur Abgrenzung personenbezogener und anonymer Daten trifft auch Erwägungsgrund 26 Datenschutz -Grundverordnung. Ob ein Datum anonym ist, beurteilt sich daher maßgeblich nach den individuellen Erkenntnismöglichkeiten und dem bestehenden und aktivierbaren Zusatzwissen einer Institution. Ob ein Datum personenbezogen oder anonymisiert ist, ist daher regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, bei der auch die Verhältnismäßigkeit des Aufwandes, einen Personenbezug herzustellen, individuell zu betrachten ist. Aus der Perspektive der Bundesregierung handelt es sich bei gebäudebezogenen Wahrscheinlichkeitswerten zu der Parteiaffinität der Bewohner, wenn in diesem Gebäude mindestens 6,6 Haushalte vorhanden sind, um eine nicht-personenbezogene Aussage über das potentielle Wahlverhalten einer aus mindestens sechs Personen bestehenden Personengruppe. 8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, wonach die angebliche Anonymität der betroffenen Bundesbürger spätestens dann als aufgehoben gelten muss, wenn die Daten ankaufende Stelle damit persönliche und personengenaue Ansprachen und/oder Mailings bzw. Briefwurfsendungen vornimmt, und wenn ja, was folgt für sie daraus datenschutzrechtlich, und wenn nein, warum nicht? Der in der Vorbemerkung der Fragesteller angeführten Berichterstattung (www.spiegel.de/politik/deutschland/deutsche-post-verteidigt-datengeschaefte-a- 1200831.html; www.golem.de/news/datenschutz-adressverkauf-der-post-an-cduund -fdp-wird-geprueft-1804-133651-all.html) ist zu entnehmen, dass sowohl aus Sicht der Deutschen Post als auch der Auftraggeber im Rahmen der in Auftrag gegebenen Massenpostsendung ausschließlich anonymisierte Daten verwendet wurden und insbesondere keine (personenbezogenen) Daten durch die Deutsche Post Direkt GmbH an die Auftraggeber übermittelt wurden. Die Bundesregierung hat keine Veranlassung, dies in Frage zu stellen, noch ist sie hierfür zuständig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2150 Die Bundesregierung weist auf das durch die Landesbeauftragte für Datenschutz Nordrhein-Westfalen angekündigte Prüfverfahren gegenüber der Deutsche Post Direkt GmbH hin. 9. Teilt die Bundesregierung die Rechtsauffassung, wonach eine Rechtsgrundlage für die konkret erfolgten Datenübermittlungen durch die Deutsche Post Direkt GmbH an Parteien zu Wahlkampfzwecken fraglich sein könnte, und wenn nein, mit welcher Begründung wird die Datenübermittlung in diesem Fall auf welche Rechtsgrundlage gestützt? Im Falle anonymisierter Daten ist eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für die Übermittlung nicht erforderlich. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung , die Rechtskonformität der Datenverarbeitungsprozesse eines Unternehmens zu bewerten, insbesondere auf ungesicherter Tatsachengrundlage. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung sowie das durch die Landesbeauftragte für Datenschutz Nordrhein-Westfalen angekündigte Prüfverfahren wird verwiesen . 10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, wonach Wahrscheinlichkeitswerte zu Parteiaffinitäten und möglicher Nichtwählerneigung im Falle ihres Personenbezuges zu den besonders geschützten sensitiven personenbezogenen Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes sowie der EU-Datenschutzverordnung zählen, und wenn ja, was folgt ihrer Auffassung nach dann daraus, und wenn nein, warum nicht? Angaben über politische Meinungen zählen nach § 3 Absatz 9 BDSG i. V. m. Artikel 8 der RL 95/46/EG und ab dem 25. Mai 2018 nach Artikel 9 Absatz 1 Datenschutz -Grundverordnung zu den besonderen Arten bzw. Kategorien personenbezogener Daten. Die Bundesregierung hält es bei Unterstellung eines Personenbezugs für nicht ausgeschlossen, Wahrscheinlichkeitswerte insbesondere zu Parteiaffinitäten unter den Schutzbereich dieser Normen zu subsumieren, da die Identifikation mit den politischen Inhalten einer Partei Rückschlüsse auf die politische Meinung einer Einzelperson zulassen können. Besondere Arten bzw. Kategorien personenbezogener Daten unterliegen nach dem Recht der EU grundsätzlich einem Verarbeitungsverbot, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand vorliegt. 11. Geht die Bundesregierung von gegenwärtig ausreichenden gesetzlichen Garantien zum Schutz der Betroffenen vor Big-Data- und Scoring-Auswertungen mit dem Zweck einer politischen Ansprache und Verwendung dieser Auswertungen zur Beeinflussung des Stimmverhaltens aus, und wenn nein, wie gedenkt sie, diesen Schutz in Zukunft herzustellen? Die Bundesregierung hat keine Veranlassung, den durch die Datenschutz-Grundverordnung ab dem 25. Mai 2018 gewährleisteten Schutz der Betroffenen vor Big Data- und Scoring Auswertungen mit dem Zweck einer politischen Ansprache und Verwendung dieser Auswertungen zur Beeinflussung des Stimmverhaltens als nicht ausreichend zu erachten. Die Bundesregierung verweist zudem darauf, dass die Datenschutz-Grundverordnung den Mitgliedstaaten im nicht-öffentlichen Bereich nur geringe Gestaltungsspielräume belässt. Weitergehende Fragen, die über das Datenschutzrecht hinausgehen, beabsichtigt die Bundesregierung durch die Datenethikkommission in dieser Legislaturperiode aufgreifen zu lassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2150 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Ab welcher Schwelle könnte durch die genannten Verfahren der Verhaltensprognose nach Auffassung der Bundesregierung das verfassungsrechtlich verbürgte Wahlgeheimnis berührt sein? Nach Auffassung der Bundesregierung sind statistische Wahrscheinlichkeitswerte über Parteiaffinitäten einer Personengruppe nicht vom Schutzbereich des Wahlgeheimnisses erfasst, da sie keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Wahlentscheidung zulassen. Wann Big Data- und Scoring Auswertungen den Grundsatz der geheimen Wahl berühren, ist im Übrigen eine Frage des Einzelfalls. 13. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es vor dem Hintergrund, dass allein durch die Menge der vorliegenden Einzelangaben und die zielgenaue Geopotenzial-Analyse, bei dem das Gebiet eingeschränkt werden kann, trotz Anonymisierung der Daten wiederum Rückschlüsse etwa auf die Parteiaffinität von Einzelhaushalten möglich sind und daher ein gesetzlicher Handlungsbedarf vorliegt, um den Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, und wenn nein, warum nicht? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 7 und 11 verwiesen. 14. Schließt die Bundesregierung sich der Bewertung der Bundesdatenschutzbeauftragten an, dass aufgrund der Kombinierbarkeit Rückschlüsse auf einzelne Haushalte gezogen werden können, und wenn nein, warum nicht? In dem in der Vorbemerkung der Fragesteller angeführten Artikel wird die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wie folgt zitiert: „Daten, die individuell vermeintlich anonym sind, können durch eine Verknüpfung mit anderen ebenfalls harmlos wirkenden Daten plötzlich doch wieder Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen“ (www.golem.de/news/datenschutzadressverkauf -der-post-an-cdu-und-fdp-wird-geprueft-1804-133651-all.html). Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Sie verweist ergänzend auf die Antwort zu Frage 7. 15. Ist nach Auffassung der Bundesregierung aufgrund der möglichen Rückschlüsse gegen das Datenschutzrecht verstoßen worden? Die Bundesregierung verweist auf ihre Vorbemerkung und auf die Antwort zu Frage 9. Es wird ergänzend auf die Einlassung der Deutschen Post verwiesen, dass der Landesbeauftragten für Datenschutz Nordrhein-Westfalen das Geschäftsmodell bekannt war, „ohne dass es Beanstandungen gegeben hätte“ (www.spiegel.de/politik/deutschland/deutsche-post-verkauft-daten-an-parteienillegal -ist-das-nicht-a-1201057.html) sowie darauf, dass das Geschäftsmodell gemeinhin als mit dem Datenschutzrecht vereinbar angesehen wird (www.spiegel. de/politik/deutschland/deutsche-post-verkauft-daten-an-parteien-illegal-ist-dasnicht -a-1201057.html; www.bild.de/politik/inland/deutsche-post/erkaufte-sich-diepost -ein-datenschutz-siegel-55321292.bild.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/2150 16. Wie bewertet die Bundesregierung die Angaben, dass Informationen von durchschnittlich 6,6 Haushalten bei 20 Millionen Wohngebäuden weitergegeben wurden, wenn von diesen Wohngebäuden im Jahr 2016 allein 15,7 Millionen Einfamilienhäuser (mit ein bis zwei Wohnungen, siehe dazu: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/39010/umfrage/bestandder -einfamilienhaeuser-in-deutschland-seit-2000/) waren? Der Bundesregierung ist der Aggregierungsgrad der von der Deutsche Post Direkt GmbH angebotenen Daten nicht bekannt. Die von den Fragestellern angeführten Presseberichte sind widersprüchlich, da der Aggregierungsgrad einerseits angegeben wird als „straßengenau für Gebäude mit durchschnittlich 6,6 Haushalten“ (www.bild.de/politik/inland/deutsche-post/erkaufte-sich-die-post-ein-datenschutzsiegel -55321292.bild.html), andererseits hingegen als Aussagen „für einzelne Gebäude mit mindestens sechs Haushalten“ (www.golem.de/news/datenschutzadressverkauf -der-post-an-cdu-und-fdp-wird-geprueft-1804-133651-all.html). Den von den Fragestellern angeführten Presseberichten ist zudem lediglich zu entnehmen, dass der Deutsche Post Direkt GmbH angeblich Einzelinformationen zu 20 Millionen Häusern mit rund 34 Millionen Haushalten in Deutschland vorliegen . Die Bundesregierung kann den Berichten hingegen nicht entnehmen, dass diese Daten sämtlich in die Wahrscheinlichkeitsprognose eingeflossen und – wie von den Fragestellern ausgeführt – weitergeben wurden. 17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit laut ihrer Stellungnahme (www.spiegel.de/politik/deutschland/deutsche-post-verkauft-daten-an-parteienillegal -ist-das-nicht-a-1201057.html), dass es hinsichtlich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten eine starke und effektive Aufsicht und eine vollständige Transparenz des Verfahrens benötigt, und sieht sie diese Voraussetzungen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger gegenwärtig mit Blick auf die Angebote der Deutsche Post AG/Deutsche Post Direkt GmbH als erfüllt an? Die Bundesregierung sieht die Aussage der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit spätestens durch die am 25. Mai 2018 anwendbare Datenschutz-Grundverordnung als erfüllt an. Die Datenschutz-Grundverordnung stärkt die Befugnisse und Effektivität der Aufsichtsbehörden, insbesondere durch die in Artikel 83 eröffneten Möglichkeiten zur Verhängung von Geldbußen bis zu 20 Millionen Euro oder 4 Prozent des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes im Falle von Verstößen. Zudem erweitert die Datenschutz -Grundverordnung die Transparenz der Datenverarbeitung durch umfangreiche Informationspflichten der Verantwortlichen und Auskunftsrechte der betroffenen Personen in Artikel 13 bis 15 Datenschutz-Grundverordnung. Diese Regelungen gelten auch für Angebote der Deutschen Post AG und der Deutsche Post Direkt GmbH, wenn und soweit personenbezogene Daten verarbeitet werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2150 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 18. Lassen sich die besonderen Datenspeicherungs- und Datenverarbeitungspraktiken für an politische Parteien gerichtete Angebote der Deutsche Post Direkt GmbH aus Sicht der Bundesregierung mit der Rolle des Bundes als Miteigentümerin der Deutschen Post AG vereinbaren? Die Bundesregierung gibt zur Geschäftstätigkeit von -nicht mehrheitlich in der Hand des Bundes befindlichen- privaten Unternehmen keine Auskünfte oder Stellungnahmen ab. Der Bund hält mittelbar über die Kreditanstalt für Wiederaufbau 20,6 Prozent der Aktien der Deutsche Post AG. Einflussnahmen des Bundes auf operative Entscheidungen des Unternehmens, gestützt auf diese staatliche Aktienbeteiligung , sind nicht möglich. Die Deutsche Post AG ist ein börsennotiertes Unternehmen, das seine Entscheidungen nach unternehmerischen Kriterien und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen trifft. 19. Sieht die Bundesregierung bei gezielter Wahlwerbung die Gefahr der Beeinflussung von demokratischen Wahlen und damit eine Gefährdung von Artikel 38 des Grundgesetzes (bitte begründen), und wenn ja, was will sie dagegen tun? Die freie politische Willensbildung des Volkes bei und im Vorfeld von Wahlen ist unabdingbare Voraussetzung demokratischer Legitimation. Die Einflussnahme auf die Willensbildung des Wahlberechtigten durch die politischen Parteien als gesellschaftliche Kräfte ist notwendiger Bestandteil des politischen Meinungskampfes . Wann die Grenze zur unzulässigen Wahlbeeinflussung überschritten wird, ist eine Frage des Einzelfalls. 20. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich die die Deutsche Post Direkt GmbH beratende Firma Adcert Privacy Audit GmbH eine „unabhängige Instanz“ zur Prüfung der Einhaltung des Datenschutzrechts nennen kann, vor dem Hintergrund dass der Geschäftsführer der Firma (Stefan Drewes) mit seiner Zweit-Firma DPA Drewes Privacy Advice GmbH die Deutsche Post Direkt GmbH gleichzeitig auch bei Datenschutzfragen berät (www.bild.de/ politik/inland/deutsche-post/erkaufte-sich-die-post-ein-datenschutz-siegel- 55321292.bild.html)? Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Unabhängigkeit eines von der Deutsche Post Direkt GmbH konsultierten Unternehmens zur Zertifizierung und Beratung in datenschutzrechtlichen Fragen zu beurteilen. 21. Wie schätzt die Bundesregierung die Aussagekraft solcher wie unter anderem von der Firma Adcert Privacy Audit GmbH an die Deutsche Post Direkt GmbH ausgestellten „Datenschutz-Siegel“ für Verbraucherinnen und Verbraucher ein? Auf die Antwort zu Frage 20 wird verwiesen. 22. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf zur Gewährleistung und unabhängigen Kontrolle von Datenschutzsiegeln, und wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung erachtet die in Artikel 42 und 43 Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Mechanismen zur Gewährleistung und unabhängigen Kontrolle von Datenschutzsiegeln als hinreichend. Sie verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die in Artikel 43 Absatz 2 Datenschutz-Grundverordnung niedergelegten Anforderungen an die Zertifizierungsstellen im Rahmen des Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/2150 Akkreditierungsprozesses und den in Artikel 43 Absatz 7 Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Widerruf der Akkreditierung durch die zuständige Aufsichtsbehörde . 23. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr von Manipulationsversuchen politischer Willensbildung mit Blick auf den Kauf und Verkauf kleinteiliger zielgruppenspezifischer Datensätze, wie von der Deutschen Post Direkt GmbH praktiziert, ein? 24. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob die Analysemöglichkeiten speziell zur Nichtwählerneigung der Bevölkerung in Deutschland gezielt für Demotivationskampagnen genutzt wurden, und ist sie der Auffassung , dass diesbezüglich Präventionsmaßnahmen getroffen werden müssen? Die Fragen 23 und 24 werden zusammen beantwortet. Der Bundesregierung liegen weder belastbare Erkenntnisse vor, ob und wie durch den Kauf und Verkauf kleinteiliger zielgruppenspezifischer Datensätze entsprechend der Praxis der Deutsche Post Direkt GmbH die politische Willensbildung manipuliert werden kann, noch liegen ihr Erkenntnisse vor, ob die Analysemöglichkeiten speziell zur Nichtwählerneigung der Bevölkerung in Deutschland gezielt für Demotivationskampagnen genutzt wurden. Die Bundesregierung verfolgt den Ansatz, unterschiedliche zielgruppenspezifische Formate der politischen Bildung anzubieten, um Bürgerinnen und Bürger zur politischen und gesellschaftlichen Teilhabe, auch gerade im Kontext von Wahlen, zu befähigen. So wurden mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 beispielsweise Erst- und Zweitwähler mittels der von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) mit YouTubern durchgeführten Videoreihe „#ersteWahl2017“ über ihr Wahlrecht informiert und für die möglichen Folgen des Nicht-Wählens sensibilisiert. 25. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass vor dem Hintergrund fehlender rechtlicher Vorgaben für die auf Algorithmen gestützte Analyse und Nutzung von Wählerdaten und der Intransparenz der Gewichtung der eingeflossenen Kriterien, Dienstleister und Parteien, die diese Prozesse nutzen, zur Transparenz verpflichtet werden müssen, um die Betroffenen vor einer Manipulation oder Diskriminierung bei Big-Data-Analysen und der Verletzung von Wahlrechtsgrundsätzen (insbesondere Transparenz bei Wahlwerbung) zu schützen, und wenn ja, wie gedenkt sie dieses sicherzustellen, und wenn nein, warum nicht? Die Ausgestaltung des Wahlrechts und des Parteienrechts wird nach der Staatspraxis vom Deutschen Bundestag selbst wahrgenommen. Die Bundesregierung bringt in diesem Bereich üblicherweise keine eigenen Initiativen ein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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