Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 14. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2151 19. Wahlperiode 16.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1941 – Schlussfolgerungen aus der neuen Rechtsprechung zu verdachtsunabhängigen Personenkontrollen durch die Bundespolizei V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 21. Februar 2018 traf der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg ein Grundsatzurteil in einem Berufungsverfahren zur Kontrollpraxis der Bundespolizei (Az. 1 S 1469/17). Im verhandelten Fall war ein deutscher Staatsangehöriger während einer Fahrt mit dem ICE in der 1. Klasse zwischen Baden-Baden und Offenburg im Jahr 2013 durch Beamte der Bundespolizei kontrolliert worden. Die Beamten beriefen sich dabei auf ihre Befugnis zur Durchführung verdachtsunabhängiger Kontrollen im grenznahen Raum nach § 23 Absatz 1 Nummer 3 des Bundespolizeigesetzes (BPolG, so genannte Schleierfahndung). Der in Kabul geborene Betroffene beklagte, durch die Bundespolizei aufgrund seiner Hautfarbe kontrolliert worden zu sein. Außer ihm waren in dem Abteil keine weiteren Fahrgäste kontrolliert worden. Mit seiner Klage wollte er daher auch prüfen lassen, inwieweit in der Kontrollpraxis der Bundespolizei auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes („racial profiling“) zu sehen ist (vgl. auch: www.neues-deutschland.de/ artikel/1080336.racial-profiling-teilerfolg-gegen-racial-profiling.html?pk_campaign= SocialMedia). Der VGH hat die Praxis der grenznahen Schleierfahndung auf Grundlage des § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG jedenfalls bis in das Jahr 2016 hinein als einen Verstoß gegen EU-Recht und damit als rechtswidrig bewertet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte zuvor in drei Urteilen (Rs. C-188/10 und C-189/10, Rs. C-278/12 sowie Rs. C-9/16) gefordert, dass es im nationalen Recht einen klaren Rechtsrahmen geben muss, der gewährleistet, dass polizeiliche Kontrollmaßnahmen in der Praxis nicht die gleiche Wirkung haben wie unionsrechtlich verbotene Grenzkontrollen. Dieser Rechtsrahmen müsse hinreichend konkret sein und auch Vorgaben zur Intensität, Häufigkeit und Selektivität etwaiger Kontrollen enthalten, insbesondere, wenn diese anlasslos in einer Grenzregion erfolgen (Rs. C-9/16). Weder § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG noch die 2013 geltende interne Regelung BRAS 120 (Bestimmungen zur grenzpolizeilichen Aufgabewahrnehmung – BestGrepo) boten den unionsrechtlich geforderten Rechtsrahmen, so der VGH Baden-Württemberg. Deshalb waren die Identitäts- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2151 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode kontrolle und die damit verbundene Datenübermittlung mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Die Frage, ob auch ein Verstoß gegen das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot vorlag, konnte das Gericht damit offenlassen (vgl. hierzu aber das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 21. April 2016 – 7 A 11108/14.OVG – und die Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksachen 18/9374 und 18/8037). Die Fraktion DIE LINKE. hatte die Bundesregierung bereits mehrfach mit der Rechtsprechung des EuGH und der nach ihrer Auffassung unzureichenden Rechtslage in Deutschland in Bezug auf die so genannte Schleierfahndung konfrontiert , die EU-Kommission hatte nach entsprechenden Hinweisen der Abgeordneten Ulla Jelpke eine Untersuchung und dann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet (vgl. z. B. die Bundestagsdrucksachen 17/11015 und 18/4149). Dieses Verfahren wurde inzwischen eingestellt, nachdem das Bundesministerium des Innern am 7. März 2016 einen Erlass zur Anwendung von § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG veröffentlichte . Dieser Erlass genügt nach Auffassung der Fragstellerinnen und Fragesteller aber ebenfalls nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des EuGH, da er keine effektiven Einschränkungen hinsichtlich der Häufigkeit und Intensität der anlasslosen Kontrollen in der Praxis enthält. Die Bundesregierung entgegnete dem, dass der Schengener Grenzkodex keine quantitativen Beschränkungen vorsehe und sich die Häufigkeit und Intensität der Kontrollen im Binnengrenzraum aus der jeweiligen konkreten polizeilichen Lagebeurteilung ergebe , ohne sich mit der Rechtsprechung des EuGH auseinanderzusetzen (vgl. Antwort zu Frage 13 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/9374). Dieser inhaltlichen Argumentation tritt das genannte Urteil des VGH Baden-Württemberg aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller entgegen, denn unionsrechtlich erforderlich seien Beschränkungen hinsichtlich der Häufigkeit der Kontrollen im Grenzgebiet in „Beziehung zu der Gesamtheit aller Kontrollen“ (a. a. O., Rn. 74). Mit welcher Begründung die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingestellt hat, ist nicht bekannt. Die Bundesregierung weigert sich mit Verweis auf eine Gesetzeslücke im Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EuZBBG), Auskünfte zu Vertragsverletzungsverfahren zu geben, die sich auf mögliche Mängel bei der Umsetzung von EU-Verordnungen beziehen (vgl. hierzu die Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/4149, Seite 2). 1. In welchem Umfang hat die Bundespolizei in den Jahren 2016, 2017 und im bisherigen Jahr 2018 jeweils von § 22 Absatz 1a, § 23 Absatz 1 Nummer 3 und § 44 Absatz 2 BPolG Gebrauch gemacht (bitte jeweils nach Grenzgebiet , Inland und Flughafen differenzieren)? Angaben zum Umfang der Kontrollen im Sinne der Fragestellung sind nachstehender Tabelle zu entnehmen. Im Rahmen der statistischen Erhebung erfolgt bei den Befragungen gemäß § 22 Absatz 1a des Bundespolizeigesetzes (BPolG) keine Differenzierung nach Inland bzw. Grenzgebiet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2151 Jahr Art der Grenze/Inland § 22 Abs. 1a BPolG § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG § 44 Abs. 2 BPolG 2016 Gesamt 273.893 1.475.499 359.547 Grenzgebiet -- 1.475.499 359.547 Inland 221.582 -- -- Luft 52.311 -- -- 2017 Gesamt 207.175 1.730.449 359.007 Grenzgebiet -- 1.730.449 359.007 Inland 147.677 -- -- Luft 59.498 -- -- 1. Quartal 2018 Gesamt 43.411 391.130 82.457 Grenzgebiet -- 391.130 82.457 Inland 33.296 -- -- Luft 10.115 -- -- 2. In welchen Verkehrsmitteln wurde in welchem Umfang von den oben genannten Befugnisnormen Gebrauch gemacht, und in wie vielen Fällen kam es dabei zur Feststellung unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts (bitte getrennt auflisten)? Die Erhebung durchgeführter Kontrollen beinhaltet keine Aufschlüsselung nach Verkehrsmitteln. Feststellungen unerlaubter Einreisen bzw. unerlaubten Aufenthalts in Zusammenhang mit der Durchführung von Kontrollen bzw. Befragungen fielen auf folgende Verkehrsmittel: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2151 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zeitraum Verkehrsmittel § 22 Abs. 1a BPolG § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG § 44 Abs. 2 BPolG Unerlaubte Einreisen 20 16 Zug 209 6.647 1 Bahnhof 1.139 4.566 0 Motorrad 0 1 0 PKW 34 5.302 0 Taxi 0 71 0 Kleintransporter 0 636 0 Wohnmobil 0 13 0 Bus 4 3.334 0 LKW 0 103 0 Flugzeug 1.098 26 0 Schiff 0 43 0 nicht bekannt 60 1.752 0 Gesamt 2.544 22.494 1 20 17 Zug 111 4.544 0 Bahnhof 273 3.221 0 PKW 6 3.617 0 Taxi 0 38 0 Kleintransporter 1 691 0 Bus 1 3.307 1 LKW 0 152 0 Flugzeug 999 1 4 Schiff 0 21 0 Sonstige 13 1.384 0 Gesamt 1.404 16.976 5 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2151 Zeitraum Verkehrsmittel § 22 Abs. 1a BPolG § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG § 44 Abs. 2 BPolG Unerlaubte Einreisen 1. Quartal 2018 Zug 11 1.297 0 Bahnhof 42 871 0 PKW 0 837 0 Taxi 0 4 0 Kleintransporter 0 290 0 Wohnmobil 0 1 0 Bus 0 782 0 LKW 0 59 0 Flugzeug 78 1 0 Schiff 0 13 0 Sonstige 0 238 0 Gesamt 131 4.393 0 Unerlaubter Aufenthalt 2016 Zug 135 251 0 Bahnhof 711 772 0 PKW 0 131 0 Taxi 0 11 0 Kleintransporter 0 22 0 Bus 0 251 0 LKW 0 3 0 Flugzeug 20 1 0 Schiff 0 45 0 nicht bekannt 73 319 0 Gesamt 939 1.806 0 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2151 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zeitraum Verkehrsmittel § 22 Abs. 1a BPolG § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG § 44 Abs. 2 BPolG Unerlaubter Aufenthalt 2017 Zug 89 149 0 Bahnhof 291 432 0 PKW 1 111 0 Kleintransporter 0 62 0 Bus 2 244 1 LKW 0 2 0 Flugzeug 36 0 0 Schiff 0 26 0 Sonstige 136 156 0 Gesamt 555 1.182 1 1. Quartal 2018 Zug 24 31 0 Bahnhof 76 106 0 PKW 2 34 0 Kleintransporter 0 17 0 Bus 0 87 0 LKW 0 1 0 Flugzeug 2 0 0 Schiff 0 8 0 Sonstiges 7 34 0 Gesamt 111 318 0 3. In welchem Umfang wurden in den Jahren 2016, 2017 und im bisherigen Jahr 2018 bei anlasslosen Befragungen und Kontrollen der Bundespolizei Verstöße welcher Art festgestellt (bitte die Zahl der Befragungen und Feststellungen von Straftaten oder Fahndungstreffern ins Verhältnis setzen und nach Grenzen, Inland und Flughäfen differenzieren), und wie viele Feststellungen betrafen jeweils die Tatbestände unerlaubter Aufenthalt, unerlaubte Einreise und weitere Verstöße gegen das Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz ? Die Ergebnisse durchgeführter Kontrollen gemäß § 22 Absatz 1a, § 23 Absatz 1 Nummer 3 sowie § 44 Absatz 2 des Gesetzes über die Bundespolizei (BPolG) stellen sich wie folgt dar:1 1 Bei den erfassten Straftaten handelt es sich gem. Polizeilicher Eingangsstatistik der Bundespolizei um eine deliktsbezogene Erhebung, d.h. es werden alle Straftaten gezählt, die eine Person begangen hat. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/2151 Zeitraum Delikt gem./ Feststellung Art der Grenze/Inland § 22 Abs. 1a BPolG § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG § 44 Abs. 2 BPolG 2016 Aufenthaltsgesetz Gesamt 7.175 70.162 0 Grenzgebiet -- 70.162 0 Inland 5.888 -- -- Luft 1.287 -- -- Asylgesetz Gesamt 59 34 0 Grenzgebiet -- 34 0 Inland 59 -- -- Luft 0 -- -- Waffengesetz Gesamt 48 1.290 108 Grenzgebiet -- 1.290 108 Inland 48 -- -- Luft 0 -- -- Betäubungsmittelgesetz Gesamt 435 7.323 26 Grenzgebiet -- 7.323 26 Inland 435 -- -- Luft 0 -- -- Weitere Straftaten Gesamt 1.123 10.161 16 Grenzgebiet -- 10.161 16 Inland 775 -- -- Luft 348 -- -- Fahndungstreffer Gesamt 6.603 24.726 49 Grenzgebiet -- 24.726 49 Inland 6.126 -- -- Luft 477 -- -- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2151 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zeitraum Delikt gem./ Feststellung Art der Grenze/ Inland § 22 Abs. 1a BPolG § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG § 44 Abs. 2 BPolG 2017 Aufenthaltsgesetz Gesamt 4.867 41.509 4 Grenzgebiet -- 41.509 4 Inland 3.421 -- -- Luft 1.446 -- -- Asylgesetz Gesamt 21 21 0 Grenzgebiet -- 21 0 Inland 21 -- -- Luft 0 -- -- Waffengesetz Gesamt 28 1.477 38 Grenzgebiet -- 1.477 38 Inland 28 -- -- Luft 0 -- -- Betäubungsmittelgesetz Gesamt 434 7.971 27 Grenzgebiet -- 7.971 27 Inland 434 -- -- Luft 0 -- -- Weitere Straftaten Gesamt 1.025 10.560 20 Grenzgebiet -- 10.560 20 Inland 557 -- -- Luft 468 -- -- Fahndungstreffer Gesamt 5.202 26.593 82 Grenzgebiet -- 26.593 82 Inland 4.626 -- -- Luft 576 -- -- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/2151 Zeitraum Delikt gem./ Feststellung Art der Grenze/ Inland § 22 Abs. 1a BPolG § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG § 44 Abs. 2 BPolG 1. Quartal 2018 Aufenthaltsgesetz Gesamt 615 11.058 0 Grenzgebiet -- 11.058 0 Inland 477 -- -- Luft 138 -- -- Asylgesetz Gesamt 11 2 0 Grenzgebiet -- 2 0 Inland 11 -- -- Luft 0 -- -- Waffengesetz Gesamt 6 385 0 Grenzgebiet -- 385 0 Inland 4 -- -- Luft 2 -- -- Betäubungsmittelgesetz Gesamt 83 2.022 1 Grenzgebiet -- 2.022 1 Inland 83 Luft 0 Weitere Straftaten Gesamt 95 2.888 0 Grenzgebiet -- 2.888 0 Inland 69 Luft 26 Fahndungstreffer Gesamt 1.061 6.904 11 Grenzgebiet -- 6.904 11 Inland 1.006 Luft 55 4. In welchem Zusammenhang mit dem zitierten Verfahren vor dem VGH Baden -Württemberg oder anderer verwaltungsgerichtlicher Verfahren mit Bezug zum Fragegegenstand steht die Veröffentlichung eines Erlasses zur Anwendung von § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl 2016, S. 203)? Der Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) zur Anwendung von § 23 Absatz 1 Nummer 3 Bundespolizeigesetz vom 7. März 2016 wurde in Abstimmung mit der Europäischen Kommission (EU-Kommission ) verfasst und im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl 2016, S. 203) veröffentlicht , nachdem die EU-Kommission im Jahr 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte. Dem Verfahren wurde zu Grunde gelegt, dass nach Auffassung der EU-Kommission das deutsche Recht keine hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die praktische Ausübung der Identitätsfeststellungsbefugnis nach § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG im Grenzgebiet nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen entfaltet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2151 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Mit dem Erlass des BMI wurde die Anwendung von § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG hinsichtlich der Kontrollintensität und -häufigkeit der polizeilichen Maßnahmen klargestellt. Daraufhin hat die EU-Kommission nach Veröffentlichung des vorgenannten Erlasses am 15. Februar 2017 die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens beschlossen. 5. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Kritik des VGH Baden-Württemberg, die bis zum Inkrafttreten dieses Erlasses geltende BRAS 120/BestGrepo sei „weder ihrer Form noch ihrem Inhalt nach dazu geeignet, den unionsrechtlich geforderten hinreichend genauen und detaillierten Rechtsrahmen zur Lenkung der Intensität, Häufigkeit und Selektivität der durch § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG ermöglichten Kontrollen zu gewährleisten“ (VGH Baden-Württemberg, Az. 1 S 1469/17, Rn. 46), und worin bestehen substantielle Änderungen des aktuellen Erlasses gegenüber der zuvor geltenden BestGrepo in der BRAS 120? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 6. Inwiefern hält die Bundesregierung präzisere Regelungen und Vorgaben zur Durchführung von Personenkontrollen nach §§ 22 Absatz 1a, 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG für ein geeignetes Mittel, der gezielten und damit diskriminierenden Kontrolle anhand äußerer Merkmale der Betroffenen (racial profiling u. a.) entgegenzuwirken? Die Bundesregierung sieht keinen Anlass zur Änderung der genannten Vorschriften . Zum einen ist die Bundespolizei bei der Anwendung von Befugnisnormen wie beispielsweise dem § 22 Absatz 1a BPolG (auch) an den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes (GG) gebunden. Danach darf „Niemand […] wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache , seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen“ bei der Durchführung von Befragungen oder Kontrollen benachteiligt oder bevorzugt werden (Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG). Zum anderen sind durch die bestehenden Weisungslagen hinreichende Vorgaben für eine diskriminierungsfreie Anwendung der Kontroll- und Befragungsbefugnisse durch die Bundespolizei geschaffen worden. 7. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der Kritik des Verwaltungsgerichts (VG) Dresden in seinem Urteil Az. 6 K 196/15 am Nichtvorliegen eines (grenzpolizeilichen) Lagebildes gezogen, und b) liegen als Anhaltspunkt für die Durchführung von Personenkontrollen nach § 22 Absatz 1a BPolG solche Lagebilder für inländische Zugstrecken und Fernverkehrsbahnhöfe vor, und für welche räumlichen Einheiten (Direktion, Inspektion, Revier)? Die Fragen 7 und 7b werden zusammen beantwortet. Die regionalen Bundespolizeidirektionen erstellen für den jeweils eigenen Zuständigkeitsbereich insbesondere Lagebilder bzw. phänomenbezogene Lageanalysen bis auf Ebene der Bundespolizeiinspektionen . Daneben ist die Bewertung der polizeilichen Lage als dynamischer Prozess Gegenstand der täglichen Dienstverrichtung in den örtlich zuständigen Stellen der Bundespolizei. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/2151 Vor dem Hintergrund verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Durchführung lageabhängiger Befragungen der Bundespolizei auf der Grundlage des § 22 Absatz 1a BPolG werden u. a. auf der Grundlage regionaler Erkenntnisse der zuständigen Bundespolizeibehörden regelmäßig Produkte mit Aussagen zur unerlaubten Einreise unter Nutzung des Verkehrsmittels Bahn erstellt. Die einheitliche Rechtsanwendung der Befugnisnorm des § 22 Absatz 1a BPolG wird in regelmäßigen Abständen in die Aus- und Fortbildung integriert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. a) liegen für alle deutsch-europäischen Binnengrenzabschnitte solche Lagebilder vor, die das Ermessen bei der Durchführung von Personenkontrollen nach § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG leiten können, und in welchen Abständen werden sie aktualisiert? Die Erstellung von Lagebildern für alle Grenzregionen zu den Anrainerstaaten Deutschlands basiert auf aufbereiteten polizeilichen Erkenntnissen. Lagebilder werden in Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden der Länder sowohl auf zentraler , aber auch regionaler Ebene und teilweise in Kooperation mit den Nachbarstaaten erstellt und anlassbezogen bzw. regelmäßig fortgeschrieben. Im Übrigen setzt § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG das Vorhandensein eines Lagebildes nicht voraus. 8. Welche Beschwerde- oder Gerichtsverfahren sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit im Zusammenhang mit der Durchführung von Personenkontrollen nach §§ 22 Absatz 1a, 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG anhängig , und welche Vorwürfe erheben die Beschwerdeführer bzw. Kläger dabei (bitte möglichst Aktenzeichen angeben)? Beschwerden: In den Zuständigkeitsbereichen der Bundespolizeidirektionen kam es im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 30. April 2018 zu insgesamt -28- Beschwerden im Zusammenhang mit dem Vorwurf des sog. „Racial Profiling“ bzw. der Durchführung von Personenkontrollen nach §§ 22 Absatz 1a, 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG. Im Ergebnis der geprüften Beschwerdesachverhalte, wurden seitens der Bundespolizeidirektionen -19- Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen. Gegenwärtig befinden sich aus dem benannten Zeitraum noch sieben Beschwerden in der Prüfung. Zwei Beschwerden wurden als begründet eingestuft. Die Begründetheit ergab sich in keinem der zwei Fälle aus dem Vorwurf einer „rassistischen Kontrolle“. In beiden Fällen waren die jeweiligen Kontrollen der Aufgabenwahrnehmung geschuldet und resultierten auf beobachtetem Verhalten. In beiden Fällen wurden Auftreten und Kommunikation der eingesetzten Kräfte kritisiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2151 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gerichtsverfahren: Die derzeit im Zusammenhang mit der Durchführung von Befugnissen nach § 22 Absatz 1a BPolG und § 23 Absatz 1 Nr. 3 BPolG bundesweit anhängigen 4 Gerichtsverfahren sind der nachfolgenden Auflistung zu entnehmen: Verfassungsgerichtshof (VGH) Saarland; AZ 2 A 806/17 Verfahrensgegenstand sind eine Identitätsfeststellung und ein Datenabgleich und in diesem Zusammenhang die Vereinbarkeit der §§ 22 Absatz 1a, 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG mit dem Recht der Europäischen Union und Artikel 3 Absatz 3 GG. VGH Bayern; AZ 10 B 18.483 Verfahrensgegenstand sind eine Identitätsfeststellung und ein Datenabgleich und in diesem Zusammenhang die Vereinbarkeit des § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG mit dem Recht der Europäischen Union und Artikel 3 Absatz 3 GG. Verwaltungsgericht Stuttgart; AZ 1 K 2888/18 Verfahrensgegenstand sind eine Identitätsfeststellung und ein Datenabgleich und in diesem Zusammenhang die Vereinbarkeit des § 23 Absatz 1 Nr. 3 BPolG und des Erlasses des BMI zur Anwendung von § 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG vom 7. März 2016 mit dem Recht der Europäischen Union. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen; AZ 5 A 294/16 Verfahrensgegenstand ist eine Identitätsfeststellung und in diesem Zusammenhang die Vereinbarkeit der § 23 Absatz 1 Nummer 3/ § 23 Absatz 1 Nummer 4 BPolG mit Artikel 3 GG. Ergänzend: VGH Baden-Württemberg; AZ 1 S 1468/17 Mit Urteil vom 13. Februar 2018 wurde das Gerichtsverfahren, das eine Identitätsfeststellung (§ 23 Absatz 1 Nummer 3 BPolG), einen Datenabgleich und eine Durchsuchung eines Rucksackes zum Gegenstand hatte, rechtskräftig abgeschlossen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333