Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 15. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2195 19. Wahlperiode 17.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1669 – Regulierung des Milchmarkts V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die drei Milchpreiskrisen allein in den vergangenen zehn Jahren mit vielen Betriebsaufgaben haben nach Ansicht der Fragesteller erhebliche Defizite am Milchmarkt gezeigt. Weder das damalige Milchquoten-System noch seine vollständige Abschaffung haben aus Sicht der Fragesteller eine nachfrageorientierte Mengenregulierung vermocht, sondern strukturelle Defizite als Problem sogar so verstärkt, dass sich in zyklischen Abständen Preiskrisen entwickeln. Deren Wirkung wird durch zeitgleich einsetzende Kostensteigerungen z. B. durch explodierende Bodenkauf- und Bodenpachtpreise noch verstärkt. Während die Risiken der Produktion, einschließlich der Kostenrisiken, einseitig bei den Erzeugerbetrieben liegen, nutzen Molkerei- und Handelskonzerne aus Sicht der Fragesteller ihre Marktübermacht zur Maximierung ihrer Gewinne auf Kosten von Mensch und Natur. Milchviehhaltende Betriebe müssen nach Ansicht der Fragesteller bisher einseitig die Folgen dieser EU-weiten Deregulierung und des Preiswettbewerbs auf dem Weltagrarmarkt tragen. In Deutschland hat sich seit 2000 die Zahl der Milchviehbetriebe halbiert (2000: 139 000 und 2016: 71 300, vgl. www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Agrarpolitik/ 1_EU-Marktregelungen/_Texte/Fragen_und_Antworten_Milch_2016.html). Während von November 2015 bis November 2017 die Zahl der Milchviehhaltungen von 73 255 auf 65 782 zurückgegangen ist, hat sich der Tierbestand laut Statistischem Bundesamt im selben Zeitraum nur geringfügig von rund 4,3 Millionen auf rund 4,2 Millionen Milchkühe reduziert. Die Bundesregierung hat wiederholt im Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung (zuletzt am 28. Februar 2018) bestätigt, dass es im Zuge der Marktbereinigung zu einer Konzentration der Milchviehbestände in weniger Betrieben gekommen sei und dies insgesamt als Strategie zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gelobt. Auf die bisher letzte Preiskrise 2015/2016 mit Erzeugerpreisen von unter 20 Cent pro Liter Milch hat die Bundesregierung mit einer Reihe kurzfristiger Hilfsmaßnahmen reagiert: Neben der Liquiditätshilfe durch die gemeinsam von EU und Bund finanzierten Hilfspakete wurden die staatliche Intervention angehoben , die Gewinnglättung von zwei auf drei Jahre ausgeweitet (Agrarmarkt- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2195 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode strukturgesetz) und der Bundeszuschuss für die landwirtschaftliche Unfallversicherung erhöht. Außerdem wurden erste Schritte zur „Modernisierung der Lieferbeziehungen “ sowie zur Förderung der Selbstorganisation der Branche eingeleitet . Im Jahr 2018 entwickeln sich noch vor dem saisonalen Anstieg der Milchliefermenge die aktuellen Milchauszahlungspreise tendenziell rückläufig und die milchverarbeitende Industrie hat bereits weiter fallende Auszahlungspreise angekündigt (vgl. www.elite-magazin.de/news/Milchmarkt-kommt-2018-wiederunter -Druck-8972128.html). Die öffentlichen Lagerbestände sind aktuell so hoch, dass die Option staatlicher Interventionen kaum noch zur Verfügung steht, die das Problem ohnehin nur bedingt zeitlich verschieben können (vgl. „Schmal ruft Hogan zum Abbau der Magermilchpulverbestände auf, AgraEurope vom 13. April 2018). 1. Liegen der Bundesregierung Analysen zur Wirkung der kurzfristigen Maßnahmen im Rahmen der bisher letzten Milchpreiskrise – alle gesetzlichen Änderungen sowie die gewährten Finanzmittel – vor? Wenn ja, wer hat diese Evaluierungen jeweils vorgenommen, wie wurden sie finanziert, zu welchem Ergebnis kommen sie, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Wenn nein, warum nicht, und zu wann wird sie hierzu einen Bericht vorlegen ? Das Thünen-Institut hat im Jahr 2017 eine Evaluierung über die in Deutschland erfolgte Umsetzung der beiden Maßnahmen des zweiten EU-Hilfspakets aus dem Jahr 2016, also des EU-Milchmengenverringerungsprogramms und der Milchsonderbeihilfe , durchgeführt. Der Endbericht des Thünen-Instituts liegt vor und ist auf der Internetseite des Thünen-Instituts als Thünen Working Paper veröffentlicht . Die Finanzierung der Evaluierung erfolgte aus den dem Thünen-Institut zur Verfügung stehenden Mitteln. Aus Sicht der Bundesregierung können freiwillige mengenbegrenzende Maßnahmen im Krisenfall durchaus sinnvoll sein. Bei aller berechtigten Kritik des Thünen -Instituts an der Ausgestaltung und dem späten Start der beiden EU-Hilfsmaßnahmen dürften diese Programme ein Faktor gewesen sein, der in 2016 zur Stabilisierung der Situation auf dem Milchmarkt zumindest beigetragen hat. 2. Wie viele Milchviehbetriebe haben in Deutschland welche Hilfsmaßnahmen in Anspruch genommen, und welche Kenntnis hat die Bundesregierung hinsichtlich der Betriebsstruktur der Antragstellerinnen und Antragsteller? Die Tiersonderbeihilfe im Rahmen des ersten EU-Hilfspaketes wurde von 7 369 Milchviehbetrieben in Anspruch genommen. Eine Beihilfe im Rahmen des EU-Milchmengenverringerungsprogramms haben 9 301 Milcherzeuger erhalten. Eine Beihilfe im Rahmen der Milchsonderbeihilfe haben 18 153 Milcherzeuger erhalten. Die Möglichkeit der Gewährung von Ausfallbürgschaften für Liquiditätssicherungsdarlehen der Landwirtschaftlichen Rentenbank wurde von einem Betrieb wahrgenommen. Angaben über die Betriebsstruktur der Antragstellerinnen und Antragssteller wurden bei der Abwicklung der Fördermaßnahmen nicht erfragt und liegen daher nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2195 3. Welche Maßnahmen würden in erneuten Preiskrisen erwogen, neu aufzulegen bzw. fortzuführen, und mit welcher Begründung? Welche würden warum verworfen? Grundsätzlich stehen das Sicherheitsnetz (Öffentliche Intervention und Private Lagerhaltung) und die Möglichkeit der Durchführung von Krisenmaßnahmen in außergewöhnlichen Marktsituationen im Rahmen der Gemeinsamen Marktorganisation weiterhin zur Verfügung. Deren Anwendung erfolgt im Rahmen der Bedingungen der Gemeinsamen Marktorganisation. 4. Wie evaluiert die Bundesregierung die Ergebnisse der mehrfachen Treffen (Milchstrukturgespräche, Milchgipfel) unter Leitung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, und welche konkreten Schlussfolgerungen haben sich aus diesen Branchengesprächen ergeben? Der unter Leitung des BMEL durchgeführte Branchendialog hat der Adressierung von Problemen und dem Austausch von Informationen sowie Erwartungen gedient . Im Rahmen des Branchendialogs hat BMEL als Ergebnis der bis dahin geführten Gespräche seinen Milchbericht 2017 präsentiert, in dem aus Sicht des BMEL die Handlungsfelder für eine Verbesserung der Situation im Milchsektor benannt werden. Frau Bundesministerin Klöckner wird den Branchendialog mit der Milchwirtschaft fortsetzen und u. a. die im Milchbericht 2017 formulierten Handlungsfelder weiterhin auf die Agenda der Gespräche mit der Milchwirtschaft setzen. 5. Welche Sicherungsmechanismen in der Lieferkette sollten aus Sicht der Bundesregierung eingeführt werden? Die Europäische Kommission hat Anfang April den Vorschlag einer Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette vorgelegt. Die Initiative der Europäischen Kommission zur Stärkung der Landwirtschaft wird begrüßt. Aus deutscher Sicht ist es wichtig, dass bestehende Rechtssysteme der Mitgliedstaaten berücksichtigt und durch einen neuen Rechtsrahmen – nur wo nötig – ergänzt werden . Zusätzliche Bürokratie muss vermieden werden. Der Vorschlag der Europäischen Kommission wird derzeit durch die Ressorts geprüft . 6. Welche konkreten Vorstellungen verbindet die Bundesregierung mit der „Modernisierung der Lieferbeziehungen“, wie es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD heißt? Mit der Reform der EU-Milchmarktordnung haben sich die Rahmenbedingungen für die Akteure auf dem Milchmarkt geändert. Die Milchmärkte sind durch stärkere Preisvolatilitäten gekennzeichnet. Um Phasen niedriger Milchpreise besser bewältigen zu können, ist vor allem auch die Molkereiwirtschaft gefordert, a) das Risikomanagement zugunsten der Milcherzeuger weiter auszubauen, b) die Milcherzeugung noch stärker als bisher an einer Qualitätsführerschaft und c) an der Aufnahmefähigkeit des Marktes auszurichten sowie d) die Preissignale des Marktes schneller an die Milcherzeuger weiter zu geben. Dies muss auch in einer Preisdifferenzierung bei der Bezahlung der Milchanlieferungsmengen seinen Niederschlag finden. Daher hat sich das BMEL für eine Modernisierung der Lieferbeziehungen ausgesprochen, wobei eine entsprechende Anpassung der Lieferbedingungen grundsätzlich Aufgabe der Wirtschaft ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2195 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag zur Einführung von Festoder Mindestpreismodellen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Grundsätzlich liegt die Wahl der Preismodelle im Ermessen der Vertragspartner bzw. in Genossenschaften der Beschlussfassung der Genossenschaftsmitglieder. Die Einführung von Festpreismodellen (Festlegung einer Beziehung zwischen einer bestimmten Liefermenge und dem Preis für diese Liefermenge) kann dazu beitragen, die in der Antwort zu Frage 6 angeführten Ziele umsetzen bzw. zu realisieren . 8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem den Fragestellern bekannt gewordenen Vorschlag des Deutschen Milchkontors (DMK) für eine Sektorstrategie, und welche Effekte erwartet die Bundesregierung? Die Herausforderungen, vor denen die Milchbranche steht (z. B. Preisvolatilität, gesellschaftliche Anforderungen, Brexit) erfordern eine enge und schlagkräftige Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette Milch. Der Milchbericht 2017 benennt eine Brancheninitiative als ein ausdrückliches Handlungsfeld. Die Initiative des DMK wird daher grundsätzlich zu begrüßen. Von den Akteuren ist dabei allerdings auf die Einhaltung kartellrechtlicher Vorgaben zu achten. 9. Welche europäischen Lösungsvorschläge zur kurz- und langfristigen Mengenregulierung finden die Unterstützung der Bundesregierung (bitte begründen )? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Im Übrigen lehnt die Bundesregierung zwingende Maßnahmen im Sinne von Bonus-Malus-Regelungen oder als verbindliche EU-weite entschädigungslose Mengenreduzierung für alle Milcherzeuger ab. Denn dazu müssten vom Staat quotenähnliche Systeme mit entsprechenden Verwaltungs- und Kontrollregelungen sowie Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung der Vorgaben aufgebaut werden. Auch wäre die Frage zu beantworten, wann eine Krise auf dem Milchmarkt vorliegt, die die entsprechenden Maßnahmen auslöst und rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund ist mit derartigen Modellen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Rückkehr zu einem permanenten Quotensystem verbunden. 10. Warum hält die Bundesregierung ihre Unterstützung für eine nachfrageorientierte Mengenregulierung auf dem Weinmarkt einerseits und eine Ablehnung einer entsprechenden Mengenregulierung auf dem Milchmarkt andererseits für einen konsistenten Politikansatz? Die unterschiedlichen Gegebenheiten in den beiden Sektoren können durchaus unterschiedliche marktpolitische Schlussfolgerungen begründen. Die Entscheidung zur Reform der EU-Milchmarktordnung wurde Ende der 1990er Jahre vor dem Hintergrund sich stark wandelnder Rahmenbedingungen getroffen. Zu den entscheidenden Rahmenbedingungen gehörten insbesondere die Umsetzung der Verpflichtungen aus der WTO-Uruguay-Runde (Abbau von Exporterstattungen, des Außenschutzes und der internen Stützung) sowie der Beitrittsprozess der mittel - und osteuropäischen Staaten. Unter diesen Bedingungen war und ist die Fortführung bzw. Wiedereinführung einer Quotenregelung langfristig keine realistische Option für den Milchmarkt. Denn die Rahmenbedingungen bestehen bis heute fort. Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2195 Auf dem Weinmarkt schreitet die Deregulierung ebenfalls voran. So wurden bereits mit der Weinmarktreform von 2008 die Interventionsmaßnahmen auf dem Binnenmarkt und die Exporterstattungen für Wein abgeschafft. 2015 lief das Neuanpflanzungsverbot aus, an dessen Stelle eine Regelung getreten ist, die analog zur Auslaufphase der Milchquotenregelung einen marktverträglichen Zuwachs sicherstellen soll. Langfristiges Ziel ist auch hier der Übergang in einen weitgehend liberalisierten Markt. 11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Vorschlägen für ein europaweit ablieferbares Milchkontingent bzw. welche Aspekte finden die Unterstützung der Bundesregierung (www.agrarheute.com/markt/ milch/milch-hilft-amiko-gegen-preiskrisen-540487)? Die nur in knappen Stichworten vorliegenden Vorschläge werfen eine Reihe von grundsätzlichen Fragen auf, die an der Funktionsfähigkeit des Konzeptes als „selbstverantwortliche Lösung der Wirtschaft“ zweifeln lassen. Mit Blick auf die Antworten zu den Fragen 9 und 10 werden die Vorschläge nicht unterstützt. 12. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Wirksamkeit der in Frankreich politisch initiierten Branchenvereinbarung über einen Milchauszahlungspreis von 34 Cent pro kg vor, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Die Festlegung von Preisen ist Branchenverbänden grundsätzlich nicht erlaubt. 13. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung gegen die Festlegung von Mindestpreisen für Milch, bzw. unter welchen Bedingungen wäre das eine Handlungsoption ? Durch die Möglichkeit der Intervention mit festgelegten Interventionspreisen für Butter und Magermilchpulver leitet sich indirekt ein Preis für Rohmilch auf einem unteren Niveau ab. Die Intervention ist insofern ein Sicherheitsnetz, das die Schwankungen des Rohmilchpreises nach unten begrenzt. Die Historie der Milchmarktordnung zeigt eindrücklich, dass dann, wenn Interventionspreise oberhalb der am Markt sich bildenden Gleichgewichtspreise festgesetzt werden, es zu strukturellen Überschusssituationen kommt. In der Vergangenheit ist diese Überproduktion – um den Milchpreis auf dem angestrebten Niveau halten zu können – mittels Subventionen auf dem Binnen- und Weltmarkt abgesetzt worden. 1984 wurde zusätzlich noch eine staatliche Mengenregulierung eingeführt. Unter den heute gegebenen Rahmenbedingungen sind solche Ansätze keine realistische Option mehr (siehe Antwort zu Frage 10). 14. Welche Überlegungen gibt es aus Sicht der Bundesregierung zu zukünftigen Regelungen der Andienungspflicht, und wie beurteilt die Bundesregierung diese? Regelungen zur Andienungspflicht bei anerkannten Erzeugerorganisationen und deren Vereinigungen ergeben sich aus dem Agrarmarktstrukturrecht. Eine Änderung dieser Regelungen ist nicht vorgesehen. Die Andienungspflicht im Rahmen genossenschaftlicher Milchlieferbeziehungen ergibt sich in der Regel aus den genossenschaftlichen Lieferordnungen. Diese können von den Genossenschaftsmitgliedern geändert werden und unterliegen nicht der staatlichen Einflussnahme. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2195 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung angesichts staatlicher Preisbindungen bei Büchern, Taxitarifen oder Medikamenten gegen eine Mindestpreisregelung für Grundnahrungsmittel (bitte ausführlich begründen)? Die Bundesregierung sieht die Preisbildung bei Grundnahrungsmitteln am besten durch den Marktmechanismus gewährleistet. Vor- und Nachteile staatlich gesetzter Höchst- und Mindestpreise sind in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ausgiebig diskutiert. 16. Welche konkreten Kontrollen des Verkaufsverbots unter Einstandspreis bei Lebensmitteln wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren mit welchem Ergebnis durchgeführt, und welche Konsequenzen folgen daraus? Das Bundeskartellamt hat in der Vergangenheit verschiedene Verfahren wegen des Angebots von Lebensmitteln und anderen Waren unter Einstandspreis geführt . Im Bereich Lebensmittel ist die letzte Entscheidung im Jahr 2007 gegen das EDEKA-Tochterunternehmen Netto Marken-Discount ergangen, das im Dezember 2006 und im Januar und Februar 2007 verschiedene Milchprodukte unter den jeweiligen Einstandspreisen angeboten hatte. In den letzten 10 Jahren ergingen in diesem Bereich keine weiteren Verfügungen. Die Anwendung der Vorschrift war durch die sog. Rossmann-Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. November 2009 erschwert worden, die den Handelsunternehmen erheblichen Spielraum bei der Umlegung von Vergünstigungen (Werbekostenzuschüsse , Boni usw.) auf den Einkaufspreis einzelner Produkte gewährte. Hierauf hat der Gesetzgeber mit der 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Jahr 2017 reagiert, indem gesetzlich klargestellt wurde, dass derartige Vergünstigungen gleichmäßig auf das vom jeweiligen Hersteller bezogene Sortiment umzulegen sind, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist (§ 20 Absatz 3 Satz 3 GWB). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Bundeskartellamt Hinweisen und Beschwerden über einen möglichen Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis fortlaufend nachgeht. In vielen Fällen liegt ein niedriger Abgabepreis jedoch nicht unter dem Einkaufspreis, weil dieser ebenfalls sehr niedrig war. Dies kann – wie im Fall der Milchpreise in den Jahren 2015/2016 – an einem Überangebot auf dem vorgelagerten Markt liegen. Auch kann die Nachfragemacht der großen Lebensmitteleinzelhändler diesen erlauben, zu sehr günstigen Konditionen einzukaufen . 17. Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung zur Stärkung von Erzeugerorganisationen , und welche kartellrechtlichen Änderungen wären hierfür nach Kenntnis der Bundesregierung notwendig (bitte gesetzliche Grundlage und zu ändernde Artikel bzw. Paragraphen benennen)? Auf europäischer Ebene wurde für bestimmte Tätigkeiten anerkannte Erzeugerorganisationen bereits zum 1. Januar 2018 eine ausdrückliche Befreiung vom Kartellrecht geschaffen (siehe Artikel 152 Absatz 1a der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über die Gemeinsame Marktorganisation). Es ist zunächst abzuwarten , wie sich diese Vorschrift in der Praxis bewährt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/2195 18. Welche konkreten Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus dem Sachstandspapier Milch-Lieferbedingungen des Bundeskartellamts vom 13. März 2017 (www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/ Berichte/Sachstand_Milch.html;jsessionid=1B160EA72032142FAFD6A3 DFA073A16B.1_cid362?nn=3591568) gezogen, und welche konkreten Umsetzungspläne liegen vor? Das Bundeskartellamt hatte in seinem Sachstandsbericht insbesondere die langen Kündigungsfristen kritisiert und die Festlegung der Preise vor der Lieferung sowie die Vereinbarung fester Liefermengen für sinnvoll erachtet. Diese Anregungen zur Ausgestaltung zukunftsfähiger Lieferbeziehungen werden von der Bundesregierung grundsätzlich begrüßt. Die Diskussion über die Ausgestaltung der Lieferbeziehungen ist allerdings in erster Linie von den betroffenen Unternehmen zu führen, da diese Fragen die Vertragsfreiheit und die mitgliedschaftrechtliche Verfassung von Genossenschaften betreffen. Hier haben sich die betroffenen Unternehmen bislang insbesondere mit den Kündigungsfristen befasst. Der Artikel 148 der Verordnung über eine Gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung (EU) Nr. 1308/2013) gibt der Bundesregierung einen gewissen gesetzgeberischen Spielraum zur Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Milcherzeugern (Festlegung einer Preis-Mengen-Relation). Ein staatlicher Eingriff kommt für die Bundesregierung allerdings nur als ultima ratio in Betracht. Zunächst bleibt abzuwarten, ob und wie die Milchbranche ihre Lieferbeziehungen neu ausrichtet. 19. Wie bewertet die Bundesregierung die Risiko- und Gewinnverteilung bei der Milchproduktion entlang der Wertschöpfungskette (Erzeugerinnen und Erzeuger , Molkereibetriebe, weiterverarbeitendes Gewerbe, Lebensmitteleinzelhandel ), und welche konkreten Ziele sind mit welchen Maßnahmen zur Verbesserung der Position der Erzeugerinnen und Erzeuger geplant? Die Risiko- und Gewinnverteilung bei der Milchproduktion entlang der Wertschöpfungskette ist grundsätzlich das Ergebnis der marktwirtschaftlichen Entwicklungen und Strukturen, die sich im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen entwickelt haben. Zum entsprechenden ordnungsrechtlichen Rahmen gehören beispielsweise das Kartellrecht und das Agrarorganisationenrecht. Darüber hinaus sind die Maßnahmen zur Förderung von Agrarorganisationen im Bereich der zweiten Säule der Agrarpolitik zu nennen. Diese Rechtsbereiche unterliegen der stetigen Prüfung und werden bei Bedarf angepasst. Zur Stärkung der Landwirtschaft in der Lebensmittelversorgungskette hat die Europäischen Kommission am 12. April 2018 einen Richtlinienvorschlag über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette vorgelegt (siehe Antwort zu Frage 5). 20. Wie will die Bundesregierung das Instrument der Intervention angesichts aktueller hoher Bestände von mehr als 370 000 Tonnen Magermilchpulver einsetzen , und wie wird mit den vorhandenen Interventionsbeständen umgegangen (siehe http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id= 181090)? Grundsätzlich hält die Bundesregierung das Instrument der Intervention für weiterhin sinnvoll. Die Bundesregierung unterstützt die Verkaufsbemühung der Europäischen Kommission, die darauf ausgerichtet sind, eine Marktstörung zu vermeiden . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2195 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 21. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der seit Dezember 2017 verstärkte Verkauf von zuvor im Rahmen der Intervention aufgekauftem Magermilchpulver zu fallenden Marktpreisen geführt hat, der u. a. auch zur Insolvenz der Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft BMG beigetragen hat (siehe www.maz-online.de/Brandenburg/BMG-Pleite-Milch-Bauern-in- Brandenburg-haben-keinen-Abhehmer)? Die Einschätzung zum dargestellten Zusammenhang zwischen dem Verkauf von Magermilchpulver aus der öffentlichen Lagerhaltung und der Insolvenz der Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft (BMG) wird nicht geteilt. Das Geschäftsmodell der BMG als Rohmilchhändler stand nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verwertungsmöglichkeiten von Magermilchpulver als einem von einer großen Zahl an Milcherzeugnissen. 22. Welche Instrumente gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung, um die Milchanlieferungen, die durch die Insolvenz der Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft BMG keinen Abnehmer finden (www.agrarheute.com/wochenblatt/ maerkte/milch/bmg-insolvenz-geht-543738), zu vermitteln, und wie können Milchproduzentinnen und Milchproduzenten sich absichern für ähnliche Fälle? Die BMG-Insolvenz hat einen lang bekannten grundlegenden Aspekt der Rohmilcherzeugung und -vermarktung noch einmal deutlich werden lassen. Rohmilch fällt jeden Tag an, sie ist verderblich und ohne Verarbeitung auf Erzeugerebene nicht lagerfähig. Milcherzeuger sind deshalb auf stabile Lieferbeziehungen und ein Andienungsrecht angewiesen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob dieses Andienungsrecht im Rahmen einer genossenschaftlichen Lieferordnung oder einer langfristigen, mit ausreichender Kündigungsfrist ausgestatteten vertraglichen Lieferbeziehung gewährleistet wird. Nach Kenntnis der Bundesregierung haben alle ehemaligen Lieferanten der BMG einen Abnehmer gefunden. Auch wenn dies zum Teil nur vorübergehende Lieferverhältnisse sind, haben Abnehmer und Milcherzeuger damit Zeit gewonnen, sich um neue stabile Lieferverhältnisse zu bemühen. Die Aushandlung der entsprechenden Lieferbedingungen ist Sache der Wirtschaftsbeteiligten. 23. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Risiko massiver Marktstörungen im Fall von Insolvenzen zumindest regional entstandener Monopole infolge massiver Konzentrationsprozesse auf der Verarbeitungs - und der Handelsstufe? Ein Insolvenzrisiko ist wirtschaftlichem und unternehmerischem Handeln in einer Marktwirtschaft immanent. Das Risiko liegt grundsätzlich bei den tätigen Unternehmen . Dem Entstehen wettbewerbsschädlicher Strukturen und der Gefahr einer marktbeherrschenden Stellung von Unternehmen wirkt insbesondere das Kartellrecht entgegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/2195 24. Welche konkreten Maßnahmen sieht die Bundesregierung zur weiteren Markterschließung vor, wie sie von Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens gefordert wurde (www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/ milchkrise-gute-chancen-fuer-staatliche-eingriffe-542058), und wie begründet sie ihre Annahme, dass damit die einheimischen Erzeugerbetriebe stabilisiert werden könnten? In der Milchkrise hat sich gezeigt, dass sich die Volatilität der Milchauszahlungspreise nach unten abschwächt, je höher die Wertschöpfungstiefe der Molkereiprodukte (z. B. Produkte mit klarem Zusatznutzen für den Verbraucher) ist oder je besser es gelingt, sich über eine regionale Vermarktungsstrategie vom Weltmarkt abzusetzen. In diesem Sinne bedeutet Markterschließung, dass die Wirtschaft die Erzeugung von Milcherzeugnissen in stärkerem Maße als bisher auf eine Qualitätsführerschaft ausrichten sollte. Markterschließung bedeutet aber auch die Pflege und Erschließung von kaufkräftigen Drittlandsmärkten. Hierauf ist die europäische Milchwirtschaft als Nettoexporteur angewiesen. Mehr Wertschöpfung bei der Vermarktung von Milcherzeugnissen bedeutet letztendlich auch eine Stabilisierung für die Erzeugerebene. 25. Sind bereits Exportdelegationen mit der deutschen Milchwirtschaft geplant? Wenn ja, welche Unternehmen werden in welche Länder reisen, und aus welchen Mitteln werden solche Initiativen finanziert? Nein. Die deutsche Milchwirtschaft hat nach Aufforderung für 2018 und 2019 keinen Unterstützungsbedarf aus dem Agrarexportförderprogramm des BMEL für derartige Exportaktivitäten gemeldet. 26. Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung zur Eindämmung von Billigangeboten von Lebensmitteln und von Billigpreis-Kampagnen des Lebensmitteleinzelhandels wie beispielsweise zuletzt von ALDI im Februar 2018 (siehe www.wuv.de/marketing/ooh_kampagne_aldi_laesst_emojis_ sprechen)? Sehr günstige Angebote sind als Teil der marktwirtschaftlichen Ordnung und als wettbewerbliches Mittel grundsätzlich erlaubt und können den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugutekommen, die sich so zu bezahlbaren Preisen mit Grundnahrungsmitteln versorgen können. Verboten ist allerdings der Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis durch Unternehmen mit überlegener Marktmacht . Ein solches Verhalten kann vom Bundeskartellamt mit Abstellungsverfügungen und ggf. mit Bußgeldern sanktioniert werden. Auf die Antwort zu Frage 16 wird hingewiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333