Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 9. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2202 19. Wahlperiode 14.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Grigorios Aggelidis, Christine Aschenberg-Dugnus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/1895 – Zukunft der deutschen Ferkelerzeugung nach dem 31. Dezember 2018 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Zum 1. Januar 2019 läuft die befristete Übergangsregelung nach § 21 Absatz 1 Satz 1 des Tierschutzgesetzes zur betäubungslosen Ferkelkastration aus. Die bisher in Deutschland verfügbaren bzw. zugelassenen Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration werfen nach Ansicht der Fragesteller jedoch nach wie vor Fragen zur Praktikabilität, zur Marktfähigkeit des betreffenden Fleisches , zur Wirtschaftlichkeit und auch zur tatsächlichen Verträglichkeit für die Tiere auf. Sollte bis Jahresende 2018 keine zufriedenstellende Lösung gefunden und zur Marktreife gebracht worden sein, droht nach Ansicht der Fragesteller angesichts der mangelnden Nachfrage für Erzeugnisse der Ebermast eine massive Verstärkung des ohnedies seit Jahren zu beobachtenden Trends der Verlagerung der Ferkelerzeugung aus Deutschland in benachbarte EU-Mitgliedstaaten wie die Niederlande, Belgien oder Dänemark (vgl. https://mobil.fleischwirtschaft.de/ wirtschaft/nachrichten/Ebermast-Handel-erzeugt-Druck-32491; www.noz.de/ deutschland-welt/wirtschaft/artikel/953617/bauern-chef-hilse-warnt-deutschlandgehen -ferkel-aus). Somit würde nicht nur ein wesentliches Glied in der Wertschöpfungskette der Schweinefleischproduktion aus Deutschland abwandern, sondern auch der einschlägige praktische Tierschutz, dessen Verbesserung eigentlich Zweck der oben genannten Gesetzesänderung war. 1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl von Betrieben der Ferkelaufzucht und Schweinemast in den 13 deutschen Flächenländern in den vergangenen 20 Jahren entwickelt (bitte jeweils für Land und Kalenderjahr angeben)? Die nachfolgende Übersicht gibt die im Rahmen der Landwirtschaftszählungen sowie der Agrarstrukturerhebungen ermittelte Anzahl der Betriebe mit Zuchtsauen und der Betriebe mit Mastschweinen für Deutschland insgesamt sowie die Flächenländer wieder. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2202 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bundesland 1999 2003 2007 2010 2016 Betriebe mit Zuchtsauen (Anzahl) Baden-Württemberg 7.451 5.384 3.935 2.865 1.552 Bayern 15.720 11.406 8.655 6.308 3.471 Brandenburg 503 427 403 282 181 Hessen 3.996 2.818 2.011 1.450 772 Mecklenburg-Vorpommern 350 319 292 207 138 Niedersachsen 12.451 8.510 5.911 4.070 2.300 Nordrhein-Westfalen 9.354 6.712 5.031 3.808 2.317 Rheinland-Pfalz 1.161 713 505 373 189 Saarland 84 60 37 30 26 Sachsen 448 390 360 287 190 Sachsen-Anhalt 416 366 305 240 159 Schleswig-Holstein 1.733 1.281 924 652 429 Thüringen 434 379 323 233 176 Deutschland insgesamt 54.130 38.777 28.706 20.815 11.907 Betriebe mit Mastschweinen1) (Anzahl) Baden-Württemberg 15.998 11.855 9.331 8.009 4.871 Bayern 33.735 21.941 17.519 16.377 9.992 Brandenburg 816 666 665 658 482 Hessen 11.419 8.976 6.608 5.282 3.200 Mecklenburg-Vorpommern 524 473 442 439 332 Niedersachsen 17.683 14.273 11.588 10.367 7.098 Nordrhein-Westfalen 14.923 12.585 10.288 9.779 7.694 Rheinland-Pfalz 2.785 1.850 1.279 1.130 639 Saarland 235 179 128 122 83 Sachsen 1.025 989 977 1.017 801 Sachsen-Anhalt 874 799 704 603 449 Schleswig-Holstein 2.174 1.799 1.563 1.691 1.114 Thüringen 1.453 1.264 1.085 841 585 Deutschland insgesamt 103.677 77.671 62.195 56.337 37.357 Anm.: Ergebnisse der Landwirtschaftszählungen 1999 und 2010 sowie der Agrarstrukturerhebungen 2003, 2007 und 2016. 1) Bis 2007 Mastschweine mit 50 kg und mehr Lebendgewicht einschl. ausgemerzter Zuchttiere; ab 2010 Mastschweine (50 kg und mehr Lebendgewicht), Jungschweine (ab 20 bis unter 50 kg Lebendgewicht), Eber und ausgemerzte Zuchtsauen. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 3, Reihe 2.1.3 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2202 2. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Ferkelimporte deutscher Schweinemastbetriebe aus dem Ausland in den vergangenen 20 Jahren entwickelt (bitte je Kalenderjahr angeben)? 3. Welche waren nach Kenntnis der Bundesregierung die wichtigsten Herkunftsländer der unter Ziffer 2 aufgeführten Importe (bitte die Fragen 2 und 3 nach Möglichkeit im Zusammenhang und in tabellarischer Form beantworten)? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die nachfolgende Übersicht gibt die Anzahl der deutschen Ferkeleinfuhren insgesamt sowie aus den wichtigsten Herkunftsländern in den Jahren 1998 bis 2017 wieder. Jahr Deutsche Ferkeleinfuhren1) (Stück) aus Insgesamt Dänemark Niederlande Belgien Polen Tschech. Republik Ungarn Luxem - burg Österreich VK 1998 1.669.804 1.068.417 510.474 9.5002) - 6.152 - -2) 28.099 19.070 1999 1.778.885 652.491 1.075.179 36.254 - - - 582 7.075 6.173 2000 2.275.605 880.831 1.236.727 155.329 - - - 401 - 1.854 2001 2.279.291 895.017 1.318.001 63.064 - - - 1.820 - 931 2002 3.008.551 1.260.476 1.738.490 3.199 - - - 705 - - 2003 3.046.621 1.434.785 1.595.295 7.809 - - - 875 7.857 - 2004 3.074.485 1.494.833 1.574.862 - - 733 - 112 2.803 - 2005 4.003.326 2.200.090 1.780.362 1.227 6.871 - - 28 1.741 - 2006 4.732.155 2.832.397 1.872.163 18.035 178 - 5.125 1.146 795 - 2007 5.024.421 3.048.893 1.964.338 1.818 - 100 2.078 2.765 1.949 14 2008 6.092.187 4.035.571 2.035.149 2.368 - - 756 2.381 2.926 - 2009 7.953.058 4.939.949 2.997.659 - - 456 - 3.604 3.464 - 2010 8.646.349 5.729.535 2.909.412 - - - 1.500 1.409 1.000 - 2011 8.389.849 5.591.129 2.774.099 18.029 - - 232 1.883 984 - 2012 9.478.858 5.691.110 3.745.648 14.087 3.938 4 - 11.820 578 22 2013 9.546.836 5.510.234 4.004.816 12.244 - - - 13.737 728 - 2014 10.534.859 6.106.904 4.369.673 23.363 - 4.551 10.794 3.877 847 - 2015 10.282.933 6.086.260 4.127.733 20.264 650 1.800 39.272 284 2.813 - 2016 11.050.279 6.274.762 4.726.005 23.477 - 9.443 9.890 612 597 - 20173) 10.251.717 5.697.205 4.507.717 17.466 12.726 8.860 4.000 1.403 953 - 1) Warennummer 0103 91 10 (Schweine, lebend, mit einem Gewicht von weniger als 50 kg). 2) 1998: Belgien/Luxemburg. 3) Vorläufig. Quelle: Statistisches Bundesamt Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2202 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Welche vorhandenen rechtlichen Beschränkungen der (betäubungslosen) Ferkelkastration oder einschlägige Gesetzesvorhaben gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in den einzelnen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und in der Schweiz (bitte in tabellarischer Form und unter Angabe des jeweiligen Inkrafttretens bzw. angestrebten Inkrafttretens beantworten)? Nach Kenntnis der Bundesregierung bestehen in Norwegen, Schweden und in der Schweiz bereits seit mehreren Jahren rechtliche Beschränkungen hinsichtlich der betäubungslosen Ferkelkastration. Zuletzt wurde in Dänemark die betäubungslose Ferkelkastration verboten. Hier gilt das Verbot ab dem 1. Januar 2019. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in einigen anderen Mitgliedstaaten zwar keine vergleichbare Rechtslage besteht, in der Praxis aber ebenfalls vollständig oder weitgehend auf die betäubungslose Ferkelkastration verzichtet wird, wie z. B. in Spanien, Portugal, im Vereinigten Königreich, in Irland, Belgien und den Niederlanden. Darüber hinaus wird auf den Bericht der Bundesregierung über den Stand der Entwicklung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration vom 15. Dezember 2016 (Bundestagsdrucksache 18/10689) sowie auf den Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zu den Folgen von Verschärfungen im Tierschutzgesetz für Nutztierproduzenten vom 18. September 2012 (Aktenzeichen WD 5 – 3000 – 128/12) verwiesen. 5. Welche Betäubungsverfahren sind nach Kenntnis der Bundesregierung in denjenigen EWR-Mitgliedstaaten und in der Schweiz zugelassen, in denen die betäubungslose Ferkelkastration bereits eingeschränkt bzw. verboten ist? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union grundsätzlich die Inhalationsanästhesie mit Isofluran, im Rahmen einer den arzneimittelrechtlichen Vorgaben entsprechenden Umwidmung durch den Tierarzt, und die Injektionsanästhesie mit Ketamin und Azaperon als Betäubungsverfahren bei der Ferkelkastration zulässig. Darüber hinaus wird seit einigen Jahren in Norwegen und Schweden die Lokalanästhesie mit Lidocain und in Dänemark ab dem 1. Januar 2018 die Lokalanästhesie mit Procain durchgeführt. Außerdem ist in den Niederlanden die Inhalationsanästhesie bei der Ferkelkastration mit CO2 zulässig. In der Schweiz werden 98 Prozent der Ferkel bei der chirurgischen Kastration mit dem dort für diese Anwendung zugelassenen Isofluran betäubt. 6. Inwiefern bestehen für die in Frage 5 genannten Verfahren nach Kenntnis der Bundesregierung in den betreffenden Staaten gesetzliche Tierarztvorbehalte oder Pflichten für Tierhaltende zum Vorhalten eines Sachkundenachweises ? Nach Kenntnis der Bundesregierung bestehen in der Schweiz, in Dänemark, den Niederlanden und in Schweden Ausnahmen hinsichtlich der gesetzlichen Tierarztvorbehalte für die Durchführung einer Betäubung bei der Ferkelkastration. In diesen Staaten ist es den Tierhaltern gestattet, nach Erlangen der Sachkunde zur Durchführung der Inhalations- bzw. Lokalanästhesie die Betäubung bei der Ferkelkastration selbst vorzunehmen. In der Regel bestehen die Kurse für Tierhalter zum Erwerb der Sachkunde zur Durchführung der Allgemeinnarkose oder Lokalanästhesie aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Üblicherweise werden in diesen Kursen die rechtlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Ferkelkastration und der Betäubung sowie der Umgang und die Anwendung mit Arzneimitteln vermittelt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2202 7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bisher, gerade mit Blick auf die Pilotversuche ausgewählter großer Fleischvermarkter, zur Nachfrage nach Fleisch aus Ebermast auf dem deutschen Markt und auf den innereuropäischen Exportmärkten (vgl. www.bwagrar.de/Markt-Management/Mueller- Fleisch-steigt-in-die-Ebermast-ein,QUlEPTQ5MzA4NTYmTUlEPTE2Mjk 0Mg.html)? Die Bereitschaft zur Schlachtung und Verarbeitung von Mastebern wird maßgeblich davon bestimmt, inwieweit der Lebensmitteleinzelhandel Eberfleisch vermarktet . Darüber hinaus gibt es zwischen den Schlachtunternehmen eine unterschiedliche Bereitschaft zur Aufnahme von Mastebern. So gibt es Unternehmen, die ihren Lieferanten eine Abnahmegarantie anbieten und andere Unternehmen, die gar keine Eber abnehmen. Im Allgemeinen ist festzustellen, dass die Preise für Eberschlachtkörper im Vergleich zu anderen Schweineschlachtkörpern über die letzten Jahre gesunken sind. 8. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass das für Schweine zulässige Narkoseverfahren mit einer Injektion von Azaperon und Ketamin aufgrund der mehrstündigen Nachschlafphase und der damit einhergehenden besonderen Gefahren für junge Ferkel (mangelnde Milchversorgung , Risiko der Erdrückung usw.) keine auf Dauer zufriedenstellende Lösung im Sinne von Tiergesundheit, Tierwohl und Wirtschaftlichkeit darstellt (vgl. www.wir-sind-tierarzt.de/2015/02/vergleich-betaeubung-ferkelkastration/)? Es wird auf den Bericht der Bundesregierung über den Stand der Entwicklung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration gemäß § 21 des Tierschutzgesetzes vom 15. Dezember 2016 auf Bundestagsdrucksache 18/10689 und auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/7891 verwiesen. 9. Welche Aussichten misst die Bundesregierung in absehbarer Zeit der Zulassung eines Arzneimittels mit dem Wirkstoff Isofluran zur Anwendung bei Schweinen bei? Die Bundesregierung geht davon aus, dass ein entsprechendes Zulassungsverfahren innerhalb eines überschaubaren Zeitraums abgeschlossen sein könnte. Ein pharmazeutisches Unternehmen hat Ende des Jahres 2017 die nationale Zulassung für das Inhalationsnarkotikum Isofluran zur Anwendung bei Schweinen beantragt. Das Committee for Medicinal Products for Veterinary Use (CVMP) der Europäischen Arzneimittelagentur hat am 15. März 2018 auf der Basis eines Bewertungsverfahrens bezüglich der Rückstandshöchstmengen (MRL) von Isofluran eine Stellungnahme verabschiedet, die die Aufnahme von Isofluran zur Anwendung bei Schweinen (Ferkel) in Tabelle 1 (zulässige Substanzen) des Anhangs der Kommissionsverordnung (EU) Nr. 37/2010 vom 22. Dezember 2009 empfiehlt. Der nächste Schritt, der bis zu sechs Monate dauern kann, ist die rechtliche Implementierung des MRL durch Änderung der genannten Verordnung durch die Europäische Kommission. Diese Zeitdauer ist von den Mitgliedstaaten der EU nicht zu beeinflussen. Die Entscheidung über den o. g. Zulassungsantrag durch das in Deutschland für die Zulassung von Tierarzneimitteln zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit kann erst erfolgen, wenn der Kommissionsbeschluss über die MRL-Bewertung von Isofluran zur Anwendung beim Schwein vorliegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2202 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die bisherigen Erfahrungswerte der Schweiz mit der Maskennarkose unter Verwendung des Mittels Isofluran mit Blick auf Tierschutz und Wirtschaftlichkeit? Der Bundesregierung liegt das Ergebnis der im Jahr 2016 in der Schweiz von den zuständigen Behörden durchgeführten Zwischenevaluation zu den Erfahrungen mit der Isoflurannarkose vor. Daraus geht hervor, dass aufgrund einer unsachgemäßen Anwendung durch den Tierhalter ca. 15 Prozent der unter Isofluran kastrierten Ferkel nur ungenügend betäubt werden. Darüber hinaus würde das zusätzliche Schmerzmittel nicht oder zu spät verabreicht. Außerdem bestünden Probleme bei der Wartung und Funktionalität der Narkosegeräte, so dass amtliche Kontrollen nicht sicherstellen können, dass die Narkose korrekt angewandt wird. Aufgrund der hohen Fehlerquellen lehnt die Tierärzteschaft in der Schweiz, die für die korrekte Anwendung des Anästhetikums verantwortlich ist, die Anwendung der Allgemeinanästhesie durch den Tierhalter ab. Nach Mitteilung der Schweizer Bundesbehörde wird davon ausgegangen, dass in der Schweiz auch mittelfristig die chirurgische Ferkelkastration mit der Inhalationsanästhesie durchgeführt wird. Aus diesem Grund sollen die erkannten Mängel behoben und die Betäubungsmethode weiterentwickelt und optimiert werden. Darüber hinaus wird auf den Bericht der Bundesregierung über den Stand der Entwicklung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration gemäß § 21 des Tierschutzgesetzes vom 15. Dezember 2016 (Bundestagsdrucksache 18/10689) verwiesen. 11. Welche rechtlichen und tatsächlichen Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung derzeit gegen die in den Niederlanden praktizierte Lösung der Ferkelkastration unter CO2-Narkose? Derzeit gibt es in Deutschland kein zugelassenes Tierarzneimittel zur Durchführung einer CO2-Narkose. Anders als in den Niederlanden dürfte eine CO2-Narkose in Deutschland zudem nur von Tierärzten durchgeführt werden (vergleiche Tierschutzgesetz § 5). Inhalationsnarkosen mit CO2 führen bei verschiedenen Tierarten zu starken Beeinträchtigungen des Herz-Kreislaufsystems sowie weiteren Nebenwirkungen einschließlich Schmerzen (Conlee et al., 2005: Carbon dioxide for euthanasia: concerns regarding pain and distress, with special reference to mice and rats. Lab. Anim. 2005 Apr. 39 (2), 137-161; Alef, M. (2010): Ferkelkastration unter CO2- Anästhesie – eine Erklärung der Association of Veterinary Anaesthetist. Veterinär Spiegel 2010, 20 (01), 42-43). Auch besitzt CO2 eine geringe therapeutische Breite (Abstand der Dosierungen, die die erwünschten bzw. toxische Wirkungen induzieren). Insgesamt wird die Inhalationsnarkose mit einem CO2/Sauerstoff-Gemisch nicht als ausreichend sichere und wirksame Narkose bei der Ferkelkastration betrachtet . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/2202 12. Wie bewertet die Bundesregierung die am Markt anhaltend geringe Akzeptanz gegenüber der Immunokastration mit Improvac und die gängigen, damit einhergehenden Vorbehalte gegenüber der Methode (z. B. hinsichtlich Lebensmittelsicherheit und Produktqualität; vgl. www.topagrar.com/news/ Schwein-News-Schwein-Improvac-besitzt-grosses-Skandal-Potenzial-47180 44.html)? Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine breite Masse der Verbraucher Fleisch von Tieren, bei denen die Immunokastration angewandt wurde, ablehnen. Die aktuelle geringe Marktakzeptanz reflektiert eine Zurückhaltung der Fachleute aus der Branche gegenüber der Immunokastration. Zudem wird auf den Bericht der Bundesregierung über den Stand der Entwicklung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration gemäß § 21 des Tierschutzgesetzes vom 15. Dezember 2016 (Bundestagsdrucksache 18/10689) verwiesen. 13. Wie positioniert sich die Bundesregierung zur sogenannten Herriedener Erklärung zahlreicher Vertreterinnen und Vertreter von Erzeuger-, Beratungsund Vermarktungsorganisationen des Schweinefleischsektors, die für die Ermöglichung einer Ferkelkastration unter Lokalanästhesie eintritt (sogenannter vierter Weg, vgl. www.ringgemeinschaft.de/news/herriedener-erklaerung. html)? 14. Welche rechtlichen und tatsächlichen Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung derzeit gegen die in Schweden praktizierte Lösung der Ferkelkastration unter Anästhesie mittels des sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin seit langem gebräuchlichen Anästhetikums Lidocain in Kombination mit einer Schmerzmittelgabe durch geschulte Tierhaltende mit einschlägigem Sachkundenachweis? 15. Welche Gesetze und Verordnungen des Bundes müssten im Einzelnen geändert werden, um, wie auch in Dänemark bereits seit 1. Januar 2018 möglich, die Ausübung von Verfahren der lokalen Betäubung durch geschulte, sachkundige Tierhaltende zu ermöglichen? Das Verfahren der Ferkelkastration unter Lokalanästhesie wird grundsätzlich als mögliche weitere Alternative, neben der Jungebermast, der Immunokastration und der Kastration unter Vollnarkose, gesehen. Voraussetzung für die Rechtskonformität der chirurgischen Ferkelkastration unter Lokalanästhesie ist ab dem 1. Januar 2019 das Erreichen einer wirksamen Schmerzausschaltung. Nach den bisher vorliegenden wissenschaftlichen Studien wird jedoch bei der Ferkelkastration mit Procain oder Lidocain keine Schmerzausschaltung erreicht, so dass das Verfahren unabhängig davon, ob ein Tierarzt oder ein Tierhalter die Lokalanästhesie durchführt, ab dem 1. Januar 2019 nicht die Vorgaben des Tierschutzgesetzes erfüllen würde. Insofern wäre eine Änderung des Tierschutzgesetzes erforderlich, mit der von der Anforderung der Schmerzausschaltung bei der chirurgischen Ferkelkastration abgerückt würde. Soll die Durchführung der Lokalanästhesie bei der Ferkelkastration wie in Schweden und Dänemark durch geschulte, sachkundige Tierhalter erfolgen, müsste zudem eine Verordnung erlassen werden, in der die Anforderungen geregelt würden, unter denen diese Personen die Lokalanästhesie durchführen dürften (zum Beispiel Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2202 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode In Bezug auf Lidocain ist zu berücksichtigen, dass es kein für die Tierart Schwein zugelassenes Tierarzneimittel mit diesem Wirkstoff gibt. Die Anwendung beim Schwein ist daher nur im Rahmen einer arzneimittelrechtlichen Umwidmung unter Einhaltung der im Arzneimittelgesetz geregelten Vorgaben zulässig. 16. Inwiefern liegen der Bundesregierung bereits Erkenntnisse über die Auswirkungen der durch bestimmte Einzelhandelsketten in Deutschland schon zum 1. Januar 2017 eingeführten, marktbasierten Restriktionen für die betäubungslose Ferkelkastration vor (vgl. www.dlg.org/5339.html)? Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor. 17. Inwieweit lassen sich etwaige Betäubungsmittelrückstände nachweisen, und welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung zum Abbauzeitraum der Betäubungsmittel vor? Die Anwendung pharmakologisch wirksamer Stoffe bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, ist nur zulässig, wenn diese Stoffe im Rahmen eines Rückstandshöchstmengenverfahrens gemäß der Verordnung (EG) Nr. 470/2009 bewertet wurden. Wenn im Rahmen dieses Verfahrens numerische Rückstandshöchstmengen festgelegt werden, muss auch eine validierte Analysemethode vorhanden sein, um Rückstände in tierischen Lebensmitteln nachweisen zu können. Das Rückstandsverhalten von Tierarzneimitteln für Lebensmittel liefernde Tiere (einschließlich etwaiger Betäubungsmittel) wird bei der Festlegung von Wartezeiten (Zeit zwischen letzter Anwendung eines Tierarzneimittels und der Gewinnung von Lebensmitteln von dem behandelten Tier) für das jeweilige Tierarzneimittel und die einzelnen Tierarten berücksichtigt. Alle Wartezeiten werden in der zum Tierarzneimittel gehörigen Fach- sowie der Gebrauchsinformation festgehalten . Bei Einhaltung der Wartezeit kann davon ausgegangen werden, dass die in Tabelle 1 der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 festgelegten Rückstandshöchstmengen pharmakologisch aktiver Stoffe in den tierischen Lebensmitteln unterschritten werden bzw. die eventuell vorhandenen Rückstände gesundheitlich unbedenklich sind. Für die im Zusammenhang mit einer bei der Ferkelkastration durchgeführten Betäubung relevanten Wirkstoffe liegen folgende Informationen vor: Azaperon: Rückstandshöchstmenge für Schweine: 100 µg/kg in allen essbaren Geweben für die Summe von Azaperon und Azaperol; für das zugelassene Tierarzneimittel ist für Schweine eine Wartezeit für essbare Gewebe von 9 Tagen festgelegt. Ketamin: Keine Rückstandshöchstmenge(n) erforderlich für alle zur Lebensmittelerzeugung genutzten Arten; für zugelassene Tierarzneimittel sind für Schweine Wartezeiten für essbare Gewebe von bis zu 3 Tagen festgelegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/2202 Isofluran: Die Aufnahme einer Rückstandshöchstmenge für Isofluran für Schweine in Tabelle 1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 steht bevor (siehe Antwort zu Frage 9). Bisher kein zugelassenes Tierarzneimittel für Schweine verfügbar. CO2: Lebensmittelzusatzstoff E 290, daher keine Rückstandshöchstmenge(n) erforderlich für zur Lebensmittelerzeugung genutzte Arten. Lidocain: Eine Rückstandsbewertung ist bisher ausschließlich für Equiden, nicht aber für Schweine erfolgt (Ergebnis in Bezug auf Equiden: Keine Rückstandshöchstmenge (n) erforderlich). Procain: Keine Rückstandshöchstmenge(n) erforderlich für alle zur Lebensmittelerzeugung genutzten Arten; mehrere zugelassene Tierarzneimittel, für essbare Gewebe von Schweinen sind präparatespezifische Wartezeiten von 0 bzw. 1 Tag festgelegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333