Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 16. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2205 19. Wahlperiode 16.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1960 – Entzug der Staatsbürgerschaft bei terroristischer Betätigung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Regierungskoalition will Deutschen, die eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, die deutsche Staatsangehörigkeit nehmen, „wenn ihnen die konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer Terrormiliz im Ausland nachgewiesen werden kann“ (vgl. Zeile 6047 ff. des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD). Damit wird ein Vorhaben wieder aufgegriffen, das die Bundesregierung bereits während der 18. Legislaturperiode aufgenommen, aber nicht zu Ende verfolgt hat. Das Vorhaben wird im politischen Raum meist mit Blick auf den sog. Islamischen Staat (IS) begründet. Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller begegnet die beabsichtigte Ausbürgerung terroristischer Kämpfer aber sowohl verfassungs- und völkerrechtlichen als auch praktischen Bedenken. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben bereits im Jahr 2015 ausgeführt, ein Verlusttatbestand im Staatsangehörigkeitsgesetz sei verfassungs- und völkerrechtlich zweifelhaft (WD 3 – 3000 – 190/15 und WD 2 – 3000 – 138/15). Der bisher schon geregelte Verlustgrund des Kriegsdienstes in einer ausländischen Streitkraft könne nicht auf die Beteiligung an terroristischen Aktivitäten im Ausland ausgedehnt werden. Denn die Voraussetzung für den Verlust sei nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die Abwendung vom eigenen Staatsverband zugunsten eines anderen Staates. Eine Regelung, die darauf abzielt, gleichsam illoyales Verhalten von Staatsbürgern (hier in Form der Unterstützung von Terrormilizen, die in fundamentalem Widerspruch zu den Werten des Grundgesetzes stehen) mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit zu ahnden, halten die Wissenschaftlichen Dienste aber für verfassungsrechtlich zweifelhaft. Ähnlich argumentieren sie in Hinblick auf völkerrechtliche Regelungen: Hier sei zunächst der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, „um eine Ausbürgerung aufgrund ‚Fehlverhaltens‘ nicht als willkürlich erscheinen zu lassen. Allein die Verurteilung wegen schwerer (einschlägiger) Straftaten wird in diesem Zusammenhang als konkretisierender Anknüpfungspunkt ebenso wenig ausreichen wie die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei“ (WD 2 – 3000 – 138/15). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2205 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Fraglich ist aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller zudem, ob die beabsichtigte Maßnahme tatsächlich eine geeignete Form der Terrorismusbekämpfung ist. In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Gefährder in Deutschland“ auf Bundestagsrucksache 18/11369 hat die Bundesregierung im März 2017 angegeben, in Bezug auf über 910 deutsche Islamisten , die Richtung Syrien/Irak gereist seien, lägen nur bei etwa einem Drittel Erkenntnisse vor, „dass sie an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt waren oder hierfür eine Ausbildung absolviert“ haben. Die Frage, wie viele sich tatsächlich an Kampfhandlungen beteiligt haben (worauf die Formulierung im Koalitionsvertrag abzielt), hat die Bundesregierung nicht beantwortet. Die Fragestellerinnen und Fragesteller schließen daraus, dass es ein erhebliches Nachweisproblem gibt. Zudem müsste der Begriff „Terrormiliz“ noch definiert werden. Von den demzufolge weniger als 300 Personen, denen die konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen nachgewiesen werden kann, dürfte zudem nur ein sehr geringer Teil neben der deutschen noch eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen , von denen wiederum ein Teil im Kampfgebiet ums Leben gekommen sein dürfte oder angesichts des Risikos der Strafverfolgung gar nicht vorhat, zurück nach Deutschland zu kommen. Sollten im Ausland aufhältige Personen ausgebürgert werden, ergäbe sich zudem das Problem, dass sie womöglich nicht mehr vom jeweiligen Drittstaat nach Deutschland ausgeliefert werden könnten, und Deutschland auf diese Weise selbst deren Strafverfolgung verhindert oder jedenfalls erschwert. Auch die Wissenschaftlichen Dienste warnen vor einer derartigen „Privilegierung von deutschen IS-Kämpfern ohne Doppelstaatsangehörigkeit im Kontext einer effektiven Terrorismusbekämpfung […]. Denn nur die ausschließliche deutsche Staatsangehörigkeit ermöglicht die Rückkehr nach Deutschland – und könnte ein Anreiz sein, eine doppelte Staatsangehörigkeit im Vorfeld abzulegen .“ Die Fragestellerinnen und Fragesteller teilen diese Kritik. Die Staatsangehörigkeit kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob ihr Inhaber sich gesetzeskonform verhält. Verstöße gegen die Rechtsordnung sind strafrechtlich zu ahnden , aber nicht mit dem Entzug der Staatsangehörigkeit. Dies muss gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte gelten, wo es immer wieder dazu kam, dass Staatsangehörige, die aus Sicht der Herrschenden – tatsächlich oder nur vorgeblich – gegen die geltenden Normen und Werte verstoßen haben, ausgebürgert wurden. 1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit Beginn des Syrien-/Irak-Konfliktes im Jahr 2011 aus Deutschland zur Unterstützung des Islamischen Staates (IS) oder anderer terroristischer Organisationen in Richtung Syrien/Irak gereist (bitte angeben, um welche Vereinigungen bzw. Phänomenbereiche bzw. pro- oder Anti-IS-Kräfte es sich handelt)? Es liegen derzeit Erkenntnisse zu mehr als 1 000 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des sog. Islamischen Staates (IS) und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger, teilweise strafbarer Weise zu unterstützen. Welchen konkreten Vereinigungen sich die Kämpfer angeschlossen haben, ist aufgrund der unübersichtlichen Lage vor Ort nicht abschließend bekannt. Unter anderem handelt es sich um den sogenannten Islamischen Staat, Jabhat al-Nusra, Junud al-Sham, Hai´at Tahrir al-Sham (HTS), Harakat Ahrar al-Sham al-Islamiya und kurdische Milizen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2205 Für den Phänomenbereich Ausländerextremismus wurden seit Beginn der Erfassung im Jahr 2013 bis heute insgesamt 243 Personen festgestellt, bei denen nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorliegen, dass diese zum Zwecke der Unterstützung der PKK oder der PYD bzw. einer der von diesen Gruppierungen unterhaltenen bewaffneten Einheiten nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind. 2. Wie viele dieser Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung tatsächlich in irgendeiner Form Unterstützungsleistungen für eine terroristische Organisation geleistet (bitte möglichst angeben, für welche Organisation genau , ob es sich um eine Vereinigung für oder gegen den IS handelte)? Im Rahmen des beim Bundeskriminalamt bearbeiteten Strukturverfahrens zum Komplex Syrien/Irak sind 35 Verurteilungen von Rückkehrern zu verzeichnen. In diesen Fällen hat die deutsche Gerichtsbarkeit festgestellt, dass tatsächlich eine Unterstützungshandlung für eine terroristische Organisation geleistet wurde bzw. jemand Mitglied in einer terroristischen Vereinigung gewesen ist (§§ 129 a, b StGB). Aufgeschlüsselt handelt es sich dabei um die Organisationen sogenannter Islamischer Staat (16 Verurteilungen), Junud al-Sham (7), Jabhat al-Nusra (5), Jaish al-Muhajirin wa-l-Ansar (5) und Ahrar al-Sham (2). Eine klare Positionierung dieser Gruppen lässt sich nicht zweifelsfrei und in allen personellen Einzelfällen definieren. Einzig bei der Jaish al-Muhajirin wa-l-Ansar ließ sich (vor der Auflösung) eine größere Kooperation mit dem IS feststellen. Nach Informationen der Bundesregierung ergeben sich zu etwa einem Drittel der Personen Anhaltspunkte, dass diese in irgendeiner Form Unterstützungsleistungen für eine terroristische Organisation geleistet haben. Der Bundesregierung liegen in der Regel keine gerichtsverwertbaren Erkenntnisse darüber vor, ob, inwieweit und mit welchem Tatbeitrag sich die ausgereisten Personen im Kampfgebiet strafbar gemacht haben, da eine entsprechende Beweiserhebung aktuell nur sehr eingeschränkt möglich ist. Es kann vorkommen, dass sich anfangs vorliegende Anhaltspunkte zu einer islamistisch motivierten Reise ins Ausland im Nachhinein als untauglich bzw. unrichtig erweisen. Für den Phänomenbereich Ausländerextremismus gilt es zu beachten, dass in den meisten Fällen nicht eingeschätzt werden kann, ob diese Personen tatsächlich an Kampfhandlungen teilgenommen haben oder ob diese zumindest eine entsprechende Ausbildung an Schusswaffen oder militärischen Großgeräten erhalten haben . Ferner kann in der Regel nicht beurteilt werden, ob sich diese Personen dem Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat angeschlossen haben oder anderen phänomenbereichsbezogenen Kampfzielen, wie z. B. den Guerillaeinheiten der PKK im Kampf gegen die Türkei. In Deutschland rekrutierte Personen werden erst vor Ort in den Kampfgebieten ihrer jeweiligen Bestimmung zugeteilt. 3. Wie viele der gereisten Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung eine Ausbildung an Schusswaffen oder militärischem Großgerät erhalten (bitte angeben, um welche Organisationen bzw. pro- oder Anti-IS-Kräfte es sich handelt)? Als Ergebnis der kontinuierlichen Aus- und Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden aktuell zu über 100 Personen Anhaltspunkte vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben könnten. Um welche konkreten Vereinigungen es sich handelt, ist nicht abschließend bekannt. Es handelt sich sowohl um pro- wie auch Anti-IS-Kräfte. Es liegen im Übrigen keine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2205 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode statistischen Angaben darüber vor, wie viele der ausgereisten Personen eine Ausbildung an Schusswaffen oder militärischem Großgerät erhalten haben. Auf die Antwort zu Frage 2 wird hingewiesen. 4. Wie viele der gereisten Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung bewaffnet an Kampfhandlungen auf Seiten des Islamischen Staates oder einer anderen terroristischen Organisation teilgenommen (bitte möglichst die Zahl der Personen und die jeweilige terroristische Organisation nennen)? Als Ergebnis der kontinuierlichen Aus- und Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden aktuell zu über 100 Personen Anhaltspunkte vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben könnten. Eine zahlenmäßige Zuordnung zu einzelnen Gruppierungen ist nicht möglich. Bei den Gruppierungen handelt es sich u. a. um den sogenannten Islamischen Staat, Jabhat al-Nusra, Junud al-Sham, Hai´at Tahrir al-Sham (HTS), Harakat Ahrar al- Sham al-Islamiya und kurdische Milizen. Auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 wird hingewiesen. Eine abschließende Gesamtzahl der Personen, die bewaffnet an Kampfhandlungen im vorgenannten Sinne teilgenommen haben, liegt der Bundesregierung nicht vor. 5. Wie viele jener Personen, die zum Zweck der Unterstützung terroristischer Organisationen nach Syrien bzw. in den Irak gereist sind, sind dort ums Leben gekommen? Wie viele jener Personen, die bewaffnet an Kampfhandlungen teilgenommen haben, sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Syrien bzw. im Irak ums Leben gekommen? Für den Phänomenbereich Islamismus liegen derzeit Hinweise vor, wonach etwa 170 Personen bei Kampfhandlungen oder unter anderen Umständen in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind. Für den Phänomenbereich Ausländerextremismus liegen derzeit nachrichtendienstliche Erkenntnisse vor, wonach seit 2013 von dem o. g. Personenkreis 20 Personen vor Ort ums Leben gekommen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2205 6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Frage, wie viele a) gereiste Personen, b) Personen, die (nicht-kämpferische) Unterstützungsleistungen für terroristische Organisationen erbracht haben, und c) Personen, die bewaffnet an Kampfhandlungen terroristischer Organisationen teilgenommen haben und noch am Leben sind jeweils die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen (hier bitte angeben, um welche anderen Staatsangehörigkeiten es sich handelt, und ob es sich jeweils um die erste oder zweite Staatsangehörigkeit handelt)? Es liegen derzeit Erkenntnisse zu mehr als 1 000 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des Islamischen Staates und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger, teilweise strafbarer Weise zu unterstützen. Der Bundesregierung liegen in der Regel jedoch keine gerichtsverwertbaren Erkenntnisse darüber vor, ob, inwieweit und mit welchem Tatbeitrag sich die ausgereisten Personen im Kampfgebiet strafbar gemacht haben , da eine entsprechende Beweiserhebung aktuell nur sehr eingeschränkt möglich ist. Mangels Ermittelbarkeit ist es der Bundesregierung folglich nicht möglich , zu differenzieren, welche Personen (nicht-kämpferische) Unterstützungsleistungen oder bewaffnete Kampfhandlungen vorgenommen haben. Nicht in allen der vorgenannten 1 000 Fälle liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen tatsächlich in Syrien/Irak aufhalten oder aufgehalten haben. Mehr als die Hälfte der aus Deutschland ausgereisten Personen aus dem Phänomenbereich Islamismus besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine abschließende Gesamtzahl der Personen liegt der Bundesregierung nicht vor. In einer „Analyse der Radikalisierungshintergründe und -verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind“ (Stand 4. Oktober 2016) haben das Bundeskriminalamt (BKA), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Hessische Informationsund Kompetenzzentrum gegen Extremismus (HKE) die zum damaligen Untersuchungszeitpunkt bekannten 784 Ausreisefälle untersucht (abrufbar unter www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Publikationsreihen/ Forschungsergebnisse/2016AnalyseRadikalisierungsgruendeSyrienIrakAusreisende. html). Demnach besaßen mehr als ein Drittel (35 Prozent) der Ausreisefälle ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft und 27 Prozent besaßen zusätzlich zur deutschen noch eine weitere Staatsbürgerschaft. Die größten Doppelstaatlergruppen waren Deutsch-Türken (21 Prozent), Deutsch-Marokkaner (17 Prozent), Deutsch-Tunesier (13 Prozent), Deutsch-Afghanen (11 Prozent) und Deutsch-Syrer (7 Prozent). Die größte Gruppe von ausgereisten Personen ohne deutschen Pass stellten türkische Staatsbürger(14 Prozent), gefolgt von russischen (4 Prozent ), syrischen (3 Prozent), marokkanischen (2 Prozent) und afghanischen (2 Prozent) Staatsbürgern dar. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Anteile in der Zwischenzeit nicht wesentlich geändert haben. Von den 243 ausgereisten Personen aus dem Phänomenbereich Ausländerextremismus sind etwa 65 Prozent deutsche Staatsangehörige. Ob und wie viele dieser Personen noch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen, ist nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2205 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Wie viele jener Personen, die sich aktiv an Kampfhandlungen terroristischer Organisationen im Irak und in Syrien beteiligt haben und neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen und noch am Leben sind, halten sich derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland auf? Wie viele von diesen sind in Untersuchungs- oder Strafhaft, und gegen wie viele von ihnen laufen Ermittlungs- oder Strafverfahren? Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof führt gegen insgesamt neun Personen, die neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen und sich in Deutschland aufhalten, Strafverfahren, weil sie sich aktiv an Kampfhandlungen terroristischer Organisationen im Irak und Syrien beteiligt haben. Der Begriff des Strafverfahrens in diesem Sinne umfasst dabei als Oberbegriff Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und Strafvollstreckungsverfahren . Gegen eine dieser Personen wird Strafhaft vollstreckt; in Untersuchungshaft befindet sich niemand. 8. Will die Bundesregierung den geplanten Verlusttatbestand bzgl. der deutschen Staatsangehörigkeit wie im Koalitionsvertrag vorgesehen auf die „konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer Terrormiliz“ im Ausland beschränken? Wenn ja, a) wie definiert sie den Begriff „Terrormiliz“, und welche Terrormilizen gibt es ihrer Auffassung nach derzeit (bitte vollständig auflisten), b) wie definiert sie den Begriff „Kampfhandlungen“, und sind hiermit auch terroristische Anschläge oder Kriegsverbrechen gegenüber Zivilisten oder Gefangenen gemeint, c) ist mit der Beteiligung an Kampfhandlungen die Beteiligung als Kämpfer gemeint oder auch eine unbewaffnete Unterstützungs- oder Vorbereitungsleistung , beispielsweise als Sanitäter, Pionier, Kundschafter, Koch, Logistiker, Funker, Mechaniker, Medienarbeiter usw., d) ist mit der Beteiligung an Kampfhandlungen bereits das Tragen einer Schusswaffe zum Selbstschutz durch nicht zu den kämpfenden Einheiten gehörende zivile Angehörige terroristischer Vereinigungen im Kriegsgebiet zu verstehen, e) wie will sie jeweils die Bestätigung über eine solche Beteiligung an Kampfhandlungen erlangen, und inwieweit reichen dafür beispielsweise über soziale Netzwerke verbreitete Bilder einer Person mit einer Schusswaffe in der Hand aus, und f) zielt die Definition darauf, dass die Kampfhandlungen „im Ausland“ stattfinden bzw. stattgefunden haben, oder lediglich darauf, dass die Terrormiliz ihren Schwerpunkt im Ausland hat? Wenn nein, welche Regelung strebt sie dann an (hier bitte auch ggf. Definitionen der relevanten Begriffe anführen)? 9. Will die Bundesregierung bei der Verlustregelung unterscheiden zwischen Personen, bei denen die deutsche Staatsangehörigkeit die erste oder zweite ist, und wenn ja, warum? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/2205 10. Hat die Bundesregierung bereits Rechtsgutachten zur geplanten Verlustregelung eingeholt oder beabsichtigt sie dies noch, und wenn ja, welche Angaben kann sie zu ihren Fragestellungen und den Ausführungen der Gutachten machen ? 11. Welche rechtlichen Probleme sind aus Sicht der Bundesregierung hinsichtlich der geplanten Verlustregelung zu lösen, und welche Vorstellungen hat sie davon, wie sie diese lösen will (bitte möglichst konkret ausführen)? 12. Will die Bundesregierung den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit von einem rechtskräftigen Urteil eines deutschen – oder auch eines ausländischen – Gerichtes abhängig machen, aus dem die Erfüllung der in der Verlustregelung genannten Kriterien hervorgeht, und wenn nein, warum nicht, und auf welcher Grundlage und anhand welcher Kriterien soll dann die Entscheidung über den Verlust erfolgen? 13. Welche völkerrechtlichen Bestimmungen erlauben aus Sicht der Bundesregierung die geplante Verlustregelung, und wie beurteilt sie das Argument, das Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit spiegele die Skepsis gegenüber wertungsabhängigen Verlusttatbeständen, und eine Verurteilung wegen schwerer Straftaten reiche für den Verlust der Staatsangehörigkeit nicht aus? 14. Inwiefern steht aus Sicht der Bundesregierung die von ihr geplante Verlustregelung in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (bitte ggf. einschlägige Urteile bzw. Passagen nennen)? 15. Inwiefern ist aus Sicht der Bundesregierung die Beteiligung an Kampfhandlungen mit einer ausländischen nichtstaatlichen Miliz vergleichbar mit der Beteiligung an Kampfhandlungen einer ausländischen staatlichen Streitkraft (bitte begründen)? 16. Wie beurteilt die Bundesregierung das Argument, die bisherige Verfassungsrechtsprechung knüpfe die Verlustgründe zwingend an die Mehrstaatigkeit und an die Lösung der mit der Mehrstaatigkeit verbundenen Loyalitätskonflikte ? Die Fragen 8 bis 16 werden gemeinsam beantwortet. In der Bundesregierung ist noch keine Meinungsbildung über die Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarten Einfügung eines neuen Verlusttatbestandes in das Staatsangehörigkeitsgesetz erfolgt. Die Bundesregierung wird im Rahmen der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung sowie europarechtliche und völkerrechtliche Vorgaben berücksichtigen. Die Bundesregierung hat kein Rechtsgutachten zur geplanten Verlustregelung eingeholt. Sie beabsichtigt gegenwärtig auch nicht, dies zu tun. Im Übrigen nimmt die Bundesregierung zu abstrakten Rechtsfragen keine Stellung . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333