Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 16. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2222 19. Wahlperiode 18.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Michel Brandt, Christine Buchholz, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1976 – Einsatz der Bundespolizei gegen Bahnreisende in Wörth im Zusammenhang mit einer Demonstration in Kandel V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 7. April 2018 griff die Bundespolizei bei einem Einsatz in den Schienenverkehr ein und hinderte die Regionalbahn 51 aus Karlsruhe kommend im Bahnhof Wörth an der Weiterfahrt nach Kandel. Bundesbeamte, die mit einem Großaufgebot auf dem Bahnhofsgelände versammelt waren, verlangten ohne nähere Begründung Zugang zu einem voll besetzen Waggon, obwohl in anderen Teilen des Zuges ausreichend Platz war. Das Vorgehen der Bundespolizei führte dazu, dass der Zug nicht weiterfahren konnte. Nach etwa einer halben Stunde wurde der voll besetzte Zugteil von der Bundespolizei gestürmt. Nach schriftlichen Augenzeugenberichten sowie Audio- und Filmaufnahmen, die dem Abgeordneten Michel Brandt vorliegen, sind die Bundesbeamten dabei ohne erkennbaren Anlass brutal vorgegangen, haben in die Menge geschlagen, ohne dass offensichtlich ein Anlass zur Selbstverteidigung vorlag, und zogen unterschiedslos Fahrgäste aus dem Zug. Anschließend wurden die meisten Mitfahrenden im Zug festgehalten. Das Ein- oder Aussteigen war nicht mehr möglich. Angeblich soll es Widerstandshandlungen gegen die Polizei gegeben haben. Nach Aussagen von Fahrgästen gab es jedoch nur eine Abwehr gegen das gewaltsame Vorgehen der Bundesbeamten. Die Fahrgäste wurden über längere Zeit im Zug festgehalten. Anschließend wurden sie abgeführt erkennungsdienstlich behandelt, teilweise durchsucht und durften dann gehen . Nach Einschätzung der Fragesteller zielte die Aktion der Bundespolizei offensichtlich auf die große Gruppe der Mitreisenden ab, die an der Anti-Nazi-Demo in Kandel teilnehmen wollten. Das gewaltsame Vorgehen der Bundesbeamten legt nahe, dass ein Anlass erzeugt werden sollte, um den Zug an der Weiterfahrt zu hindern und Fahrgäste daran zu hindern, ihr verfassungsgemäßes Recht auf Versammlungsfreiheit wahrzunehmen. Rund 150 Menschen wurden durch das stundenlange festhalten der Bundespolizei an der Ausübung des Demonstrationsrechts in Kandel gehindert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2222 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Was waren jeweils der konkrete Anlass und Auftrag der Bundespolizei, die am 7. April 2018 in a) Wörth, b) Kandel und c) Karlsruhe anwesend waren? Die Fragen 1a bis 1c werden gemeinsam beantwortet. Im Zusammenhang mit dem tödlichen Messerangriff durch einen afghanischen Staatsangehörigen am 28. Dezember 2017 in Kandel wurden am 7. April 2018 in Kandel mehrere Versammlungen angemeldet. Anlässlich der Ereignisse erfolgte die An- und Abreise der Versammlungsteilnehmer auch unter Nutzung verschiedener Reiseverbindungen des Schienenpersonennahverkehrs . Der Auftrag der Bundespolizei umfasste im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenwahrnehmung nach § 3 des Bundespolizeigesetzes u. a. die Überwachung des schienengebundenen Reiseverkehrs, um Gefahren für die Nutzer der Bahn, die Bahnanlagen sowie den Betrieb der Bahn abzuwehren, Straftaten zu verhindern bzw. zu unterbinden und eine störungsfreie An- und Abreise der Versammlungsteilnehmer zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurden Einsatzkräfte der Bundespolizei auf den Bahnhöfen in Wörth, Karlsruhe und Kandel eingesetzt. 2. Wie viele Bundesbeamte waren am 7. April 2018 bis zur Abfahrt des Zuges um 12:33 Uhr in Karlsruhe im Einsatz? Insgesamt waren 35 Einsatzkräfte der Bundespolizei zu diesem Zeitpunkt im Hauptbahnhof Karlsruhe eingesetzt. 3. Wie viele Bundesbeamte waren am 7. April 2018 in Kandel im Einsatz? Am 7. April 2018 waren insgesamt 110 Einsatzkräfte der Bundespolizei in Kandel im Einsatz. 4. Wie viele Bundesbeamte waren um 12:50 Uhr am Bahnhof in Wörth im Einsatz , und wie viele wurden von wo und aus welchem Grund bis zum Ende der Polizeiaktion hinzugezogen? Am Bahnhof Wörth waren um 12:50 Uhr insgesamt 20 Einsatzkräfte der Bundespolizei eingesetzt. Gegen 12:20 Uhr erreichte die in Wörth bereitgestellten Einsatzkräfte der Bundespolizei die Information, dass sich am Bahnhof Karlsruhe ein Übergriff der Veranstaltungsteilnehmer auf Angehörige einer Studentenverbindung ereignet. Die Einsatzkräfte der Bundespolizei in Karlsruhe wurden dabei von ca. 70 Personen bei der Sachverhaltsaufnahme/-klärung bzw. an der Durchführung polizeilicher Maßnahmen gehindert. Die Tatverdächtigen nutzten anschließend die Regionalbahn 5, Abfahrt um 12:33 Uhr, von Karlsruhe nach Kandel. Um weitere Störungen zu unterbinden, sollte eine Begleitung der Regionalbahn 5 mit Einsatzkräften der Bundespolizei vom Bahnhof in Wörth zum Bahnhof in Kandel erfolgen. Die in der Regionalbahn 5 befindlichen gewalttätigen Reisenden aus Karlsruhe behinderten jedoch den Zustieg der Einsatzkräfte in die Wagen der Regionalbahn, indem sie sich an den Armen unterhakten und den Zustieg an den Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2222 Türen blockierten. Den Weisungen der Einsatzkräfte, die Türbereiche frei zu geben , kamen die gewalttätigen Reisenden ebenso wenig nach wie den dann ausgesprochenen Platzverweisen. Aufgrund dieser Ereignisse wurden 42 Einsatzkräfte der Bundespolizei aus Kandel zur Unterstützung der Maßnahmen in Wörth eingesetzt . 5. Was war nach Kenntnis der Bundesregierung die Aufgabe des Helikopters, der bereits bei Ankunft des Zuges in Wörth über dem Bahnhof kreiste, und welchen Bezug hatte er für den Einsatz der Bundespolizei? Der Polizeihubschrauber der Bundespolizei wurde zur Überwachung des schienengebundenen Reiseverkehrs und der stationären Objekte auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes eingesetzt. In Folge der Ereignisse am Bahnhof Wörth wurde der Auftrag um die Dokumentation der Ereignisse am Bahnhof Wörth erweitert. 6. Von wie vielen Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung am Bahnhof Wörth Personendaten erfasst und/oder zur Erkennung Fotos gemacht ? Die Bundespolizei stellte am Bahnhof Wörth auf strafprozessualer Grundlage die Identitäten von insgesamt 56 Personen fest. 7. Wie viele Personen und über welchen Zeitraum wurden nach Kenntnis der Bundesregierung am Bahnhof Wörth in Gewahrsam genommen? Die Bundespolizei hat keine Personen am Bahnhof in Wörth präventiv in Gewahrsam genommen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 8. Wie viele Personen, die in Gewahrsam genommen oder über längere Zeit festgehalten wurden, waren nach Kenntnis der Bundesregierung minderjährig , und in welcher Weise und wann wurden deren Eltern benachrichtigt bzw. hinzugezogen? Die Bundespolizei hat anlässlich des Einsatzanlasses keine minderjährigen Personen in Gewahrsam genommen bzw. festgehalten. 9. Wie viele Platzverweise wurden nach Kenntnis der Bundesregierung ausgesprochen , und auf welcher Rechtsgrundlage waren diese mit der Auflage verbunden , zurück nach Karlsruhe zu reisen? Im Rahmen der Einsatzbewältigung hat die Bundespolizei gegen insgesamt 16 Personen Platzverweise gemäß § 38 des Bundespolizeigesetzes für die Bahnhöfe Wörth und Kandel ausgesprochen. Zusätzlich erteilte die Landespolizei Rheinland-Pfalz nach Kenntnis der Bundesregierung diesen 16 polizeipflichtigen Personen ein Betretungsverbot für die Stadt Kandel. 10. Aus welchem Anlass hielten sich so viele Bundespolizisten auf dem Bahnsteig in Wörth auf, und warum wollten diese den Zug besteigen? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 4 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2222 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Aus welchen konkreten Gründen wurden die Fahrgäste im Zug festgehalten, und wie wurde eine Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens belegt? Ein Festhalten zum Zwecke der Identitätsfeststellungen nach § 163b Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO) erfolgte ausschließlich bei den Fahrgästen, die die Maßnahmen der Bundespolizei gewalttätig zu verhindern versuchten. Die übrigen ca. 60 Fahrgäste verließen ungestört die Wagen der Regionalbahn 5. 12. Wie begründet die Bundespolizei die körperliche Gewalt gegen die Fahrgäste im Zug? Die gewalttätigen Fahrgäste versuchten den Zustieg der Polizeikräfte durch Faust- und Ellenbogenschläge sowie Fußtritte zu verhindern. Auf Grund der Behinderung der polizeilichen Maßnahmen durch die gewalttätigen Personen war es erforderlich, unmittelbaren Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt anzuwenden, um den Zustieg in den Zug zu erreichen und die Identitätsfeststellung durchzusetzen. 13. Welche Straftaten konnten gegenüber den Fahrgästen belegt werden, und durch wie viele Personen wurden belegte Straftaten begangen? Die Bundespolizei hat im Zusammenhang mit dem Einsatzanlass gegen 16 Beschuldigte Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung eingeleitet. 14. Gegen wie viele Personen und aus welchem Grund wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet? Es wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 15. Wie viele und welche Straftaten wurden am Bahnhof in Karlsruhe ermittelt? Die Bundespolizei hat im Zusammenhang mit dem Einsatz ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des räuberischen Diebstahls gemäß § 252 des Strafgesetzbuches (StGB) eingeleitet. 16. Wie viele Personen wurden insgesamt an der Weiterfahrt mit dem Zug gehindert ? Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 17. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Zugfahrgäste kollektiv festgehalten wurden, obwohl nach Aussagen der Bundespolizei nur einzelne festgestellte Straftaten aufgenommen werden sollten? Die Darstellung in der Fragestellung, Zugfahrgäste seien kollektiv festgehalten worden, trifft nicht zu. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2222 18. Durch welchen Anlass ist der Eingriff in den Schienenverkehr durch Bundespolizisten ein gerechtfertigtes Mittel, um Menschen pauschal an der Teilnahme einer genehmigten Kundgebung zu hindern? Die Bundespolizei hat gemäß § 3 des Bundespolizeigesetzes die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder beim Betrieb der Bahn entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen. Sofern Personen mit der Bahn zu einer Versammlung anreisen, ist dabei der Schutzbereich des Artikels 8 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) zu berücksichtigen. Werden durch die anreisenden Versammlungsteilnehmer Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen, kann die Bundespolizei die zur Abwehr und Verfolgung erforderlichen Maßnahmen ergreifen . 19. Warum hat die Bundespolizei nicht sichergesellt, dass unbeteiligte Fahrgäste , die an der Anti-Nazi-Demo in Kandel teilnehmen wollten, ungehindert zur Versammlung gelangen konnten? 20. Wie will die Bundesregierung künftig sicherstellen, dass Menschen nicht ohne konkreten nachgewiesenen Grund an der Ausübung der Versammlungsfreiheit gehindert werden, indem sie unterschiedslos festgehalten werden ? Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antworten zu den Fragen 4, 11 und 18 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333