Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2308 19. Wahlperiode 24.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christine Buchholz, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/2016 – Konsequenzen wegen Ermittlungen aufgrund falscher Verdächtigungen durch den Militärischen Abschirmdienst V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 15. März 2018 berichtete das ARD-Magazin „Monitor“ über den Soldaten F. C., der im September 2012 von zwei Mitarbeitern des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) an seinem damaligen Einsatzort, einer Einrichtung der Bundeswehr im französischen Straßburg, mehrere Stunden verhört worden war (www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-der-fall-florian-c-wie-geheimdiensteleben -zerstoeren-100.html). Der MAD ermittelte zu diesem Zeitpunkt gegen C. wegen des Verdachts auf Zugehörigkeit zur sogenannten salafistischen Szene mit Verbindungen zu Terroristen in Nordafrika. C. ist von diesem Sachverhalt vor oder während des Verhörs nicht in Kenntnis gesetzt worden. Ihm wurde auch nicht mitgeteilt, dass gegen ihn ermittelt wurde. Die Dienstvorgesetzten des Soldaten erfuhren vom MAD indessen vor dem Verhör von den Ermittlungen und den Verdächtigungen, die auf einer „bestätigten Information“ beruhen würden. Erst am Tag nach dem Verhör erfuhr C. von seinen Vorgesetzten von den konkreten Vorwürfen, wonach sein Fahrzeug mehrmalig vor einem bekannten „Islamistentreff “ im Saarland gesehen worden sei, dass er in „islamischer Bekleidung “ in einer Moschee gewesen sei, dass seine Handydaten Verbindungen nach Nordafrika aufgewiesen hätten. Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) bezeichnete in einer Stellungnahme auf die Eingabe beim Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages das Verhör als eine „freiwillige“ Befragung, obgleich C. nach eigenen Angaben durch seine Dienstvorgesetzte zu dem Gespräch beordert wurde, und auch die MAD-Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt erklärt haben, dass der Soldat das Gespräch hätte beenden können. Obgleich die beteiligten MAD-Mitarbeiter der vorgesetzten Kompaniechefin nach dem Gespräch mitteilten, es bestünde eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass C. nicht die eigentliche Zielperson sei, gingen die Ermittlungen noch Monate weiter. Nach Einstellung der Ermittlungen im Januar 2013 dauerte es mindestens weitere drei Monate, bis der MAD den Betroffenen davon in Kenntnis setzte. Es habe sich um eine „Verwechslung“ gehandelt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2308 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Für den Soldaten hatten die Ermittlungen und das Verhör am Dienstort schwerwiegende Folgen. Er befand sich Ende Januar 2014 für zwei Wochen im Bundeswehrkrankenhaus Ulm an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotraumatologie in stationärer Behandlung. Das wachsende Misstrauen bei Kameraden und Vorgesetzten durch die vielfachen Befragungstermine, die dem ersten Verhör folgten, hätten C. psychisch schwer belastet, so der Entlassbericht des untersuchenden Arztes. Es sei „zusehends schwerer für Kameraden geworden , aufgrund der langen Ermittlungsphase an den Anschuldigungen des MAD zu zweifeln“, heißt es im Entlassbericht. Der zuständige Facharzt diagnostizierte eine „länger andauernde depressiv-ängstliche Reaktion, die sich vermutlich aus dem Verhör“ entwickelt habe. Aus wehrpsychiatrischer Sicht sei C. für den Soldatenberuf nicht mehr geeignet. Maßnahmen der Fürsorge durch den Dienstherrn unterblieben jedoch. Die Bundeswehr verweigerte die Anerkennung eines Antrags des Soldaten auf Versorgungsansprüche wegen einer dienstlich bedingten psychischen Erkrankung in Folge einer Wehrdienstbeschädigung . Auch unterblieben andere Formen der materiellen oder ideellen Kompensation durch die Bundeswehr als Dienstherrn oder das BMVg als politisch verantwortliche Führung für das erlittene Unrecht. 1. Liegt nach Auffassung der Bundesregierung im vorliegenden Fall ein Fehlverhalten des MAD vor, und wenn ja, worin bestand es? Die Maßnahmen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) im Zusammenhang mit dem Fall des Soldaten C. wurden sowohl MAD-intern als auch durch das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) im Zuge der Fach- und Rechtsaufsicht über den MAD geprüft. Weitere Überprüfungen erfolgten anlässlich der Eingaben von C. an die Bundesministerin der Verteidigung, den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages sowie im Rahmen des Antrages auf Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung. Im Ergebnis der Prüfungen war festzustellen, dass der MAD gesetzes- und vorschriftenkonform verfahren ist. 2. Macht sich die Bundesregierung die Auffassung des Entlassberichtes des Bundeswehrkrankenhauses Ulm zu eigen, wonach die psychische Störung und die Dienstunfähigkeit des Soldaten C. in einem „wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen dem Verhör bzw. dem über Monate andauernden Ermittlungsverfahren des MAD“ stehen? Das Bundeswehrkrankenhaus Ulm hat dem Soldaten in seinem Entlassbericht empfohlen, einen Antrag auf Wehrdienstbeschädigung zu stellen. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) kam bei der Prüfung des Antrags zu dem Schluss, dass ein Anspruch auf Ausgleich nach § 85 des Soldatenversorgungsgesetzes nicht besteht. 3. Welche Konsequenzen zog oder zieht die Bundesregierung aus dem Fall? Ein Fehlverhalten von Dienststellen der Bundeswehr liegt nicht vor. Gleichwohl hat der MAD die umfassenden Prüfungen in dem vorliegenden Fall dazu genutzt, seine Verfahren kritisch zu hinterfragen. 4. Was hat das BMVg getan, um den Vorgang aufzuklären? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2308 5. Wurde die Person, mit der C. verwechselt wurde, identifiziert und Ermittlungen eingeleitet, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Dem MAD liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 6. Handelte es sich bei der Person, mit der C. verwechselt wurde, um einen Angehörigen der Bundeswehr? Dem MAD liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 7. Beruhte die Verwechslung auf einem ähnlichen Namen, einem ähnlichen Aussehen oder anderen Ähnlichkeiten, und wenn ja, welchen? Dem MAD liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 8. Welche anderen deutschen Sicherheitsbehörden waren an dem Fall beteiligt? Die verdachtsbegründenden Erkenntnisse stammten aus dem nachrichtendienstlichen Aufkommen von deutschen Verfassungsschutzbehörden und eines ausländischen Nachrichtendienstes, deren Quellen aus besonderem Schutzinteresse nicht genannt wurden. Diese Erkenntnisse waren für die Verwechslung ursächlich . Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen dem MAD nicht vor. 9. Handelte es sich bei der Quelle für die „bestätigte Information“ zu den vermeintlichen Kontakten des Soldaten C. zu sogenannten salafistischen Kreisen um einen befreundeten Geheimdienst, einen anderen deutschen Geheimdienst oder eine polizeiliche Quelle, und beruhte sie auf Aussagen von Informanten oder wurden sie durch Ermittlungen von festangestellten Beamten gewonnen? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. 10. Wann wurden die Ermittlungen gegen C. aufgenommen, wann wurden sie eingestellt? Am 19. September 2012 hat die zuständige Fachabteilung des MAD die Bearbeitung zu C. aufgenommen. Abschließende Ermittlungen erfolgten am 17. Januar 2013. Nach der persönlichen Information des C. durch den MAD wurde die Akte am 27. Mai 2013 mit dem Ergebnis „Rehabilitation“ geschlossen. 11. An welchem Tag fand das abschließende Gespräch statt, an dem C. durch den MAD von dem Ende der Ermittlungen gegen ihn informiert wurde? Der MAD hat den Disziplinarvorgesetzten des C. am 24. Januar 2013 über das Bearbeitungsergebnis informiert. C. selbst hat der MAD – nach mehrfachen erfolglosen Versuchen – am 18. April 2013 persönlich informiert. 12. In welchem Zeitraum wurde C. durch welche Behörde unter Anwendung welcher Maßnahmen observiert? Der MAD hat C. nicht observiert. Dem MAD sind auch keine Observationen anderer Behörden bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2308 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Wie viele Soldatinnen und Soldaten, die mit C. beruflich während der Ermittlungen zu tun hatten, wurden vom MAD in dem Zusammenhang wann befragt (bitte anonymisiert unter Angabe des Dienstrangs und Datums auflisten )? Das Ergebnis der Befragung des C. war in Verbindung mit den sonstigen ermittelten Informationen ausreichend, um zu einem eindeutigen Ergebnis zu gelangen . Es bestand keine Notwendigkeit, Soldatinnen und Soldaten zu befragen. 14. Ist es übliche Praxis des MAD, Verhöre oder „freiwillige“ Gespräche in den Dienststellen der zu vernehmenden Soldaten durchzuführen, und wenn ja, wie stellt der MAD sicher, dass es dabei nicht zu Vorverurteilungen gegen den Vernommenen kommt? Der MAD führt weder Verhöre noch Vernehmungen durch. Tatsächlich befragt der MAD Angehörige des Geschäftsbereichs des BMVg zur Klärung von Sachverhalten und zur Informationsgewinnung. Diese Befragungen finden in der Regel in den Dienststellen der Bundeswehr statt. Der MAD weist dabei auf die Freiwilligkeit der Befragung hin. Beabsichtigt der MAD die Befragung einer Verdachtsperson, so informiert er vorab regelmäßig den zuständigen Disziplinarvorgesetzten hierüber. Durch ein Gespräch mit dem Disziplinarvorgesetzten soll sichergestellt werden, dass es zu keiner Vorverurteilung des Betroffenen kommt. Der MAD hat unmittelbar vor der Befragung des C. mit dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten , dem Kompaniefeldwebel und dem Sicherheitsfeldwebel über die gegen C. vorliegenden Verdachtsmomente gesprochen. Der MAD hat auch C. zu Beginn der Befragung ausdrücklich auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hingewiesen . C. gab daraufhin zu erkennen, dass er an der Klärung des in Rede stehenden Sachverhalts bestmöglich mitzuwirken bereit sei. Damit trug er maßgeblich zu einer schnellen Ergebnisfindung bei. Bereits gegen Ende der Befragung wurde dem Betroffenen bedeutet, dass er bei Bestätigung seiner Angaben im Zuge weiterer Überprüfungen keine Nachteile zu erwarten habe. 15. Ist es übliche Praxis des MAD, bei Vernehmungen dem Verdächtigen nicht die Verdachtsmomente zu erläutern, die der Vernehmung zugrunde liegen, dessen Vorgesetzte aber vorab davon in Kenntnis zu setzen? Grundsätzlich werden dem Betroffenen die gegen ihn vorliegenden Verdachtsmomente mitgeteilt. So war auch C. der Anlass der Befragung mitgeteilt worden. 16. Warum dauerte es drei Monate oder länger, bis der Verdächtige von der Einstellung der Ermittlungen unterrichtet worden ist, obgleich diese Ermittlungen Ursache seiner depressiven Erkrankung waren, und liegt hier nach Einschätzung der Bundesregierung ein vermeidbares Fehlverhalten vor? C. hat nach der Befragung durch den MAD zu keinem Zeitpunkt mit einem Vorgesetzten über für ihn hieraus erwachsende Probleme gesprochen. Erstmals im Frühjahr 2014 erfuhren die (nunmehr ehemaligen) Vorgesetzten, dass sich C. wegen der Ermittlungen durch den MAD in fachärztlicher Behandlung befinde. C. selbst hat sich nie gegenüber Vorgesetzten seiner Einheit dahingehend geäußert , dass er nach der Befragung durch den MAD Sorgen und Belastung empfunden oder unter Verfolgungsängsten gelitten habe. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2308 17. Warum verweigert die Bundeswehr bzw. das BMVg dem Soldaten eine Entschädigung für das erlittene Unrecht? C. hatte im Januar 2014 erstmals einen Antrag auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung unter dem Hinweis auf die Befragungen durch den MAD gestellt . Dieser Antrag wurde bestandskräftig abgewiesen. Im April 2018 hat C. einen erneuten Antrag gestellt, der sich in Bearbeitung befindet und über den zeitnah entschieden wird. 18. Welche Maßnahmen hat die Bundeswehr getroffen oder gedenkt sie zu treffen , um als ehemaliger Dienstherr der Fürsorgepflicht nachzukommen und den entstandenen Schaden wiedergutzumachen? Auf die Antwort zu Frage 17 wird verwiesen. 19. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung einzuleiten, um die Anerkennung von Wehrdienstbeschädigungen, die infolge falscher Verdächtigungen und anderen Fehlverhaltens durch vorgesetzte Stellen im Inland oder durch den MAD verursacht werden, zu erleichtern? Aus Sicht der Bundesregierung besteht aufgrund des vorliegenden Falles kein Anlass, die bestehenden Regelungen zu ändern. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 17 verwiesen. 20. Wie viele Ermittlungsverfahren hat der MAD gegen mutmaßliche sogenannte Salafisten innerhalb der Bundeswehr seit 2011 eingeleitet (bitte nach Jahren auflisten)? Seit dem Jahr 2011 hat der MAD in über 300 islamistischen Verdachtsfällen ermittelt . Meist spielten dabei auch Bezüge zum Salafismus eine Rolle. Eine statistische Erfassung der Fälle von salafistischen Bestrebungen als Teilmenge der Fälle von islamistischen Bestrebungen findet bei der Aufnahme von nachrichtendienstlichen Operationen nicht statt. 21. Wie viele Verdachtsfälle haben sich davon bestätigt, wie viele Ermittlungen wurden ergebnislos eingestellt (bitte nach Jahren auflisten)? In 200 Verdachtsfällen konnte der Verdacht islamistischer Bestrebungen am Ende der operativen Bearbeitung ausgeräumt werden. In 24 Fällen hat sich der Verdacht bestätigt. In den übrigen Fällen war der Verdacht bis zum Ausscheiden aus der Bundeswehr weiterhin begründet. Kein Verdachtsfall wurde ergebnislos eingestellt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 20 verwiesen. 22. Wie viele Verdachtsfälle gegen mutmaßliche sogenannte Salafisten in der Bundeswehr führten seit 2011 zu welchen disziplinarischen Konsequenzen, wie viele Soldaten wurden infolge der Ermittlungen aus der Bundeswehr entlassen , wie viele Fälle wurden zur strafrechtlichen Verfolgung an welche Staatsanwaltschaft weitergeführt (bitte nach Jahr und Art der Konsequenz auflisten)? Von den 24 durch den MAD als Islamisten bewerteten Personen wurden 17 vorzeitig aus der Bundeswehr entlassen, sieben weitere wurden bis zum Ende ihrer regulären Dienstzeit als Islamisten bewertet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2308 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Scheiden Bundeswehrangehörige vor Abschluss der Ermittlungen des MAD aus dem Dienstverhältnis aus, so übermittelt der MAD die vorliegenden Informationen mit Bezug zum Islamismus an die zuständigen Verfassungsschutzbehörden. Seit dem Jahr 2011 wurde ein gerichtliches Disziplinarverfahren geführt, in welchem dem früheren Soldaten der Dienstgrad aberkannt wurde. Disziplinare Vorermittlungen wurden bzw. werden in fünf Fällen geführt. Im Geschäftsbereich des BMVg wird keine zentrale Statistik darüber geführt, wie viele Verdachtsfälle mit Bezug zum Salafismus durch die jeweils zuständigen Disziplinarvorgesetzten zur strafrechtlichen Verfolgung an welche Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 20 verwiesen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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