Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 17. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2339 19. Wahlperiode 22.05.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Sören Pellmann, Susanne Ferschl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/1972 – Probleme bei der Gewährung des Rechtsanspruchs auf Arbeitsassistenzleistungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Rechtsanspruch von Menschen mit Behinderungen auf Leistungen für eine Arbeitsassistenz besteht seit dem Jahr 2000. In den vergangenen Jahren haben die Integrationsämter (IA) ihre Praxis bezüglich der Prüfung und Bearbeitung von Anträgen auf Gewährung von Leistungen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe für eine notwendige Arbeitsassistenz geändert. Der für die Leistungen zugrunde gelegte wöchentliche Assistenzbedarf wird oft ohne persönliches Gespräch pauschal gekürzt. Zuletzt waren die Probleme mit dem Bremer Integrationsamt in den Medien (www.kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/37580/Inklusion-offen bar-weiterhin-(k)ein-Ziel-für-alle.htm). In Bremen wurden einer Leistungsberechtigten die im Neunten Buch Sozialgesetzbuch verankerte Leistungsausführung im Persönlichen Budget verweigert sowie auch die Auszahlung ihrer eigenen, bereits im November vergangenen Jahres beschiedenen Leistung und die Kostenübernahme von Teilen gesetzlicher Sozialversicherungskosten, die zwangsläufig bei der Anstellung von Assistenzkräften anfallen. Aber auch in anderen Bundesländern gibt es erhebliche Probleme. Betroffene berichten von viel zu langen Bearbeitungszeiten der Anträge auf Gewährung dieses Rechtsanspruches, pauschale Kürzungen des Bedarfes, oft wechselnde Zuständigkeiten für die Sachbearbeitung. Bereits eingereichte Unterlagen werden mehrfach eingefordert. Auch wird kritisiert, dass Arbeitsassistenz und persönliche Assistenz nicht vernünftig kombiniert werden können. In der persönlichen Assistenz zahlt das Sozialamt nicht bedarfsgerecht, was sich negativ auf den Arbeitsbereich auswirken soll. Die IA begründen dies mit finanziellen Notwendigkeiten – Kosten müssten eingespart werden – und mit Personalmangel. Aber die IA berufen sich auch auf eine Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen vom April 2014. Dort ist zu finden: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2339 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode „Im Vordergrund der Arbeitsassistenz bleibt der Erhalt der selbständigen Arbeitsausführung . Unter Berücksichtigung der behinderungsbedingten Einschränkung ist eine Organisation der Arbeitsabläufe durch den schwerbehinderten Menschen zu erwarten, die Zeiten der eigenständigen Arbeitserledigung ohne Arbeitsassistenz beinhaltet, soweit dies möglich ist. Bei einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden sollte daher in der Regel ein Unterstützungsbedarf von bis zu höchstens 4 Stunden ausreichend sein. Ein darüberhinausgehender Unterstützungsbedarf muss besonders begründet werden. Bei einer geringeren täglichen Arbeitszeit gilt dies entsprechend.“ V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Aus der Vorbemerkung der Fragesteller könnte der Eindruck gewonnen werden, es gebe bei der Bewilligung von Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen durch die Integrationsämter der Länder bundesweit erhebliche Probleme, verbunden mit willkürlichen Kürzungen. Diese Einschätzung teilt die Bundesregierung nicht. Unter Arbeitsassistenz versteht man die über gelegentliche Handreichungen hinausgehende , regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitsausführung durch eine Unterstützungskraft. Maßgeblich ist dabei, dass es sich lediglich um die Unterstützung der Arbeit handelt und der schwerbehinderte Mensch selbst in der Lage ist, den inhaltlich prägenden Kernbereich der geschuldeten Aufgaben selbständig zu erledigen. Beispiele für eine Arbeitsassistenz sind etwa die Vorlesekraft für einen blinden Menschen, Gebärdensprachdolmetscher oder Assistenten für körperlich eingeschränkte Menschen. Auf Arbeitsassistenz besteht ein Anspruch (§ 185 Absatz 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX). Die anderen Leistungen der Integrationsämter zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben sind in der Regel Ermessensleistungen, die die Integrationsämter im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel aus der Ausgleichsabgabe bewilligen können. „Anspruch“ bedeutet in diesem Zusammenhang , dass dann, wenn die Mittel nicht ausreichen, die Arbeitsassistenz im Zweifel Vorrang vor anderen Leistungen hat. Aber auch bei Anspruchsleistungen ist es Aufgabe der Integrationsämter zu prüfen, ob und inwieweit die vom Gesetzgeber festgelegten Voraussetzungen der beantragten Leistung vorliegen. Bei der Arbeitsassistenz ist deshalb, wie sich aus § 185 Absatz 5 SGB IX ergibt, insbesondere deren Notwendigkeit zu prüfen. Die gemeinsame Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) hat für diese Prüfung rechtlich unverbindliche Hinweise gegeben. Schwerbehinderte Menschen können Entscheidungen der Integrationsämter, mit denen sie nicht einverstanden sind, gerichtlich überprüfen lassen. In einigen Fällen ist dies geschehen. In diesen Fällen wurde die Praxis der Bewilligung bzw. Nichtbewilligung von Arbeitsassistenten von den Gerichten teilweise kritisiert (vgl. die Antwort zu den Fragen Nr. 9 und Nr. 10). Die BIH überprüft deshalb derzeit ihre Empfehlung. Davon unabhängig geht die Bundesregierung davon aus, dass die Auslegungen der Gesetze, wie sie die dazu berufenen Gerichte vornehmen, bereits jetzt in die Entscheidungspraxis der zuständigen Landesbehörden eingehen. Auch wenn es in einzelnen Fällen zu einer gerichtlichen Korrektur der Bewilligung kam, ist festzustellen, dass die Arbeitsassistenz auch aus der Sicht der Integrationsämter ein wichtiges Instrument zur verbesserten Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben ist. Das zeigt sich unter anderem darin, dass sowohl die Fallzahlen als auch die dafür aufgewandten Mittel in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen sind (vgl. die Antworten zu den Fragen 1 und 3). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2339 1. Wie viele Menschen mit Behinderungen haben nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren Leistungen für eine Arbeitsassistenz beantragt, und wie viele Anträge wurden gewährt und abgelehnt (bitte bundesweit und nach Bundesländern sowie pro Jahr und insgesamt aufschlüsseln )? Die Fallzahlen zur Bewilligung von Anträgen zur Kostenübernahme einer notwendigen Arbeitsassistenz sind in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen und haben sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt. Einzelheiten enthält die Anlage 1. Zur Gesamtzahl der gestellten, abgelehnten oder zurückgezogenen Anträge liegen der Bundesregierung keine Daten vor. 2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Betrag, der den Integrationsämtern aus Mitteln der Ausgleichsabgabe in den vergangenen zehn Jahren jährlich zur Verfügung stand (bitte pro Jahr, nach Bundesländern und bundesweit insgesamt aufschlüsseln)? Diese Daten ergeben sich aus der Anlage 2. 3. Welche Mittel wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von diesem Gesamtbetrag von den Integrationsämtern in den vergangenen zehn Jahren für Arbeitsassistenzleistungen und welche Mittel für andere Fördermaßnahmen verwendet (bitte pro Jahr, nach Bundesländern und bundesweit insgesamt darstellen)? Entsprechend dem stetigen Aufwachsen der Fallzahlen (vgl. Antwort zu Frage 1) sind auch die für die Arbeitsassistenz aufgewandten Mittel in den letzten 10 Jahren stetig gestiegen. Einzelheiten enthält die Anlage 3. 4. Inwieweit haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Integrationsämter in den vergangenen zehn Jahren den ihnen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Betrag völlig ausgeschöpft oder wurde dieser Betrag nicht vollständig ausgegeben (bitte nach Bundesländern, bundesweit insgesamt und pro Jahr darstellen)? 5. Für welche Form der Arbeitsassistenz (Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher , Kommunikationsassistenz, Mobilitätsassistenz etc.) werden nach Kenntnis der Bundesregierung wie viele finanziellen Mittel des für Arbeitsassistenz insgesamt verausgabten Betrages verwendet (bitte für die vergangenen zehn Jahre und nach Formen aufschlüsseln)? 6. Wie wurden die Honorar- beziehungsweise Stundensätze nach Kenntnis der Bundesregierung für Arbeitsassistenzkräfte (Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher , Kommunikationsassistenz, Mobilitätsassistenz, Einfache Assistenzleistungen ) in den vergangenen zehn Jahren gestaltet (bitte nach Formen der Kommunikationshilfen und nach Bundesländern aufschlüsseln)? 7. Welche Behinderungsarten weisen nach Kenntnis der Bundesregierung die Leistungsberechtigten auf, die Arbeitsassistenzleistungen erhalten (bitte für die vergangenen zehn Jahre und nach Behinderungsarten aufschlüsseln)? Die Fragen 4 bis 7 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2339 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen (Stand: April 2014)? Die Empfehlung richtet sich nicht an die Bundesregierung, sondern an die für Arbeitsassistenz zuständigen Landesbehörden. Dass die BIH eine Empfehlung zur Arbeitsassistenz erarbeitet hat, ist aus Sicht der Bundesregierung nicht zu kritisieren . 9. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, falls Integrationsämter pauschal den Arbeitsassistenzbedarf kürzen und nicht bedarfsgerecht gewähren? 10. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, falls Menschen mit Behinderungen , die Arbeitsassistenzleistungen erhalten, von den Integrationsämtern in die Arbeitgeberrolle gedrängt würden, obwohl zuvor die Arbeitsassistenz problemlos über einen Dienstleister oder über den Arbeitgeber des Leistungsberechtigten organisiert wurde? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Die Fragen betreffen die konkrete Umsetzung der Regelungen des SGB IX durch die Integrationsämter der Länder und werden wegen dieses sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Arbeitsassistenz war jüngst Gegenstand mehrerer Gerichtsentscheidungen. So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung dem Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für eine daneben ausgeübte weitere Erwerbstätigkeit nicht entgegenstehe (Urteil vom 23. Januar 2018, BVerwG 5 C 9.16). Bei einer selbständigen Tätigkeit steht der Bewilligung einer notwendigen Arbeitsassistenz nicht entgegen, dass nur geringe Einkünfte erzielt werden (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Oktober 2017, OVG 6 B 86.15). Das Verwaltungsgericht Dresden hat entschieden, dass das gesetzliche Wunsch- und Wahlrecht grundsätzlich dahingehend ausgeübt werden darf, das Dienstleistungsmodell zu wählen (Beschluss vom 17. Februar 2017, 1 L 179/17). Die Bundesregierung geht davon aus, dass die zuständigen Landesbehörden die für ihr Verwaltungshandeln maßgebliche Rechtsprechung beachten und sieht insoweit keinen Handlungsbedarf. 11. Warum passen nach Kenntnis der Bundesregierung die Integrationsämter die Honorarsätze der Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher gemäß dem JVEG (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ) nicht an? Die Kostenerstattung der Tätigkeit von Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetschern ist, abhängig vom Anlass ihrer Inanspruchnahme, unterschiedlich geregelt. Das JVEG kommt als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Honorarkosten nicht in jedem Fall zur Anwendung. Nach aktueller Rechtsprechung ist Bezugspunkt für die Verweisungen auf das JVEG die Ausführung von Sozialleistungen und nicht die Sozialleistung selbst (Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Mai 2016 – 7 A 10583/15.OVG). Daraus folgt, dass das JVEG nur zur Anwendung kommt, wenn die Gebärdensprachdolmetscherleistung bei der Ausführung von Sozialleistungen erbracht wird. In diesem Fall werden Gehörlose und hörbehinderte Menschen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2339 genauso gestellt wie im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dies ist zum Beispiel in der Kommunikation mit Sozialleistungsträgern bei der Beantragung von Leistungen der Fall. Stellt hingegen die Gebärdensprachdolmetscherleistung selbst die bewilligte Sozialleistung dar, wie z. B. im Fall der Erstattung der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz, richtet sich die Vergütung nicht nach dem JVEG. In diesen Fällen wird von jedem Integrationsamt eigenständig geregelt, welche Honorarsätze bezahlt werden. 12. In welcher Weise stehen nach Auffassung der Bundesregierung die Empfehlungen der BIH und die Praktiken der Integrationsämter im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention und mit den Abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen? In seinen Abschließenden Bemerkungen zur ersten Staatenprüfung Deutschlands zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) hat der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Deutschland u. a. empfohlen, durch entsprechende Vorschriften wirksam einen inklusiven, mit dem Übereinkommen in Einklang stehenden Arbeitsmarkt zu schaffen. Damit knüpft er an Artikel 27 UN-BRK an, wonach die Vertrags-staaten das Recht behinderter Menschen auf Arbeit und Beschäftigung anerkennen. Insbesondere beinhaltet es das Recht der Betroffenen, ihren Lebensunterhalt in einem offenen, inklusiven sowie zugänglichen Arbeitsmarkt und -umfeld durch Arbeit zu verdienen. Die Vertragsstaaten sichern und fördern dieses Recht durch geeignete Schritte. Der Artikel konkretisiert in einem umfangreichen Katalog in Artikel 27 Absatz 1 Satz 2 Buchstaben a) bis k) UN-BRK arbeitsspezifische Maßnahmen. Auch wenn die Arbeitsassistenz in dem Katalog nicht ausdrücklich aufgeführt ist, wird auch sie grundsätzlich vom Recht auf einen inklusiven Arbeitsmarkt miterfasst. So sollen die Vertragsstaaten sicherstellen, dass angemessene Vorkehrungen am Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderungen getroffen werden (Artikel 27 Absatz 1 i). Angemessene Vorkehrungen (reasonable accommodation) sind nach Artikel 2 Absatz 4 UN-BRK notwendige und geeignete Anpassungen, die keine unverhältnismäßigen oder unbilligen Belastungen darstellen und die bei Erfordernis vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können. Ein Vorenthalten angemessener Vorkehrungen stellt gemäß Artikel 5 Absatz 3 i. V. m. Absatz 2 UN-BRK eine Diskriminierung dar. Allerdings wird dieser Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz und damit das Recht auf angemessene Vorkehrungen i. S. d. UN-BRK auch nach den Schilderungen der Fragesteller durch das Verhalten der genannten Behörden der Länder nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Vielmehr geht es nicht um das „Ob“, sondern das „Wie“ der Leistungserbringung. Insoweit ist dann zu berücksichtigen, dass das Recht auf Arbeit und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen aus Artikel 27 UN-BRK zum Kreis der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen (WSK- )Rechte zählt. Das Recht auf Arbeit und Beschäftigung unterliegt als WSK-Recht daher dem Progressionsvorbehalt des Artikels 4 Absatz 2 UN-BRK, wonach die Vertragsstaaten der UN-BRK diese Rechte nach und nach im Rahmen der verfügbaren Mittel umzusetzen haben. Damit unterliegt die Umsetzung von Artikel 27 UN-BRK grundsätzlich dem (sozial-)rechtlichen Gestaltungsspielraum. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2339 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. In welcher Weise hat die Bundesregierung sich mit den Ländern in dieser Angelegenheit ausgetauscht? Welche Gespräche fanden statt, und welche Ergebnisse wurden vereinbart? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist regelmäßiger Gast im Arbeitsausschuss Schwerbehindertenrecht der BIH. Bei der letzten Sitzung dieses Ausschusses am 22./23. März 2018 wurde auch die Entwicklung der Rechtsprechung zur Arbeitsassistenz diskutiert. Die BIH hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion und Rechtsprechung die BIH- Empfehlung Arbeitsassistenz einer kritischen Überprüfung unterzieht. 14. Inwiefern erwägt die Bundesregierung, gesetzliche Veränderungen anzustoßen und herbeizuführen, um umgehend die Praxis der Integrationsämter zu ändern und eine bedarfsgerechte Gewährung von Arbeitsassistenz zu garantieren und damit den verbindlichen Rechtsanspruch durchzusetzen? Auf die Antwort zu den Fragen 9 und 10 und die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 15. Wird die Bundesregierung eine steuerfinanzierte Arbeitsassistenz in Erwägung ziehen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wann, und wie wird dies umgesetzt? Für eine Änderung der Finanzierungsgrundlage besteht aus Sicht der Bundesregierung keine Veranlassung. Mit einer Finanzierung der Arbeitsassistenz aus Steuermitteln wären keine Vorteile für die Leistungsberechtigten verbunden. 16. Sind der Bundesregierung Schnittstellenprobleme bei gleichzeitigem Bezug von Leistungen für ein persönliches Budget und Arbeitsassistenzleistungen bekannt, die geeignet sind, Menschen mit Behinderungen zu diskriminieren und ihre Selbstbestimmungsrechte einzuschränken, und wenn ja, welche Änderungen im Sinne der Betroffenen sind hier geplant? Schnittstellenprobleme, die geeignet sind, Menschen mit Behinderungen zu diskriminieren und ihre Selbstbestimmungsrechte einzuschränken, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Grundsätzlich sind persönliche Budgets auf der Grundlage der nach Kapitel 4 des ersten Teils des SGB IX getroffenen Feststellungen so zu bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. In Kapitel 4 wird für alle Rehabilitationsträger verbindlich das neue Teilhabeplanverfahren in § 19 SGB IX vorgegeben, sofern Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind. Der leistende Rehabilitationsträger ist dafür verantwortlich, dass die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen hinsichtlich Ziel, Art und Umfang funktionsbezogen und schriftlich so zusammengestellt werden, dass sie nahtlos ineinandergreifen . Auch die Integrationsämter sind an der Durchführung zu beteiligen bzw. können ein Teilhabeplanverfahren anstelle des leistenden Rehabilitationsträgers durchführen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/2339 17. Erkennt die Bundesregierung eine Notwendigkeit, auch für betriebliche, schulische und überbetriebliche Ausbildung eine Assistenz zu garantieren? Wenn nein, warum? Wenn ja, was wird sie hier unternehmen? Assistenzleistungen bei Ausbildung fallen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter § 49 SGB IX (BVerwG 5C 24/11 vom 10. Januar 2013 zu Kommunikationshilfen und BSG B 11 AL 8/12 R vom 04. Juni 2013 zu Gebärdensprachdolmetschern ). Vor diesem Hintergrund wird kein Handlungsbedarf gesehen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2339 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Anlage 1 Arbeitsassistenz Förderfälle 2008 – 2017 (Quelle: BIH-Statistik) 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Baden-Württemberg 164 180 208 204 231 253 274 303 397 397 Bayern 173 170 168 213 229 247 281 292 282 341 Berlin 168 198 227 242 251 244 420 326 579 479 Brandenburg 34 32 46 32 43 37 37 97 91 90 Bremen 26 29 48 33 58 64 77 76 65 71 Hamburg 329 342 324 310 315 265 279 278 455 507 Hessen 208 289 322 322 280 309 321 328 309 310 Mecklenburg-Vorpommern 25 27 31 31 43 37 42 42 55 55 Niedersachsen 86 98 102 89 69 99 99 108 131 152 NRW – Rheinland 199 251 254 274 319 342 344 286 388 365 NRW – Westfalen-Lippe 160 174 195 237 248 278 314 320 336 360 Rheinland-Pfalz 70 73 55 59 52 52 52 65 70 67 Saarland 10 0 0 12 15 12 12 12 16 10 Sachsen 123 96 169 152 167 210 203 261 249 245 Sachsen-Anhalt 59 58 59 67 60 61 77 81 104 79 Schleswig-Holstein 59 54 49 74 64 71 71 70 98 113 Thüringen 30 33 26 30 30 41 46 60 48 49 Insgesamt 1.923 2.104 2.283 2.381 2.474 2.622 2.949 3.005 3.673 3.690 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/2339 Anlage 2 Den Integrationsämtern zur Verfügung stehende Mittel aus der Ausgleichsabgabe in EURO 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 20171 Baden - Württem - berg 47.974.682,48 54.769.871,66 49.582.359,23 50.055.881,06 50.705.840,54 54.958.446,77 57.115.251,20 57.315.970,51 58.599.507,04 71.492.587,43 Bayern 53.787.815,36 62.402.561,90 57.051.521,96 58.214.796,06 60.117.558,08 65.929.117,30 68.517.158,00 69.523.591,93 71.595.670,83 90.551.453,98 Berlin 16.498.021,25 18.831.799,82 17.551.627,86 17.782.511,12 17.751.375,49 19.736.797,09 20.265.404,35 20.603.490,01 21.099.146,01 27.991.198,26 Branden - burg 10.444.861,62 12.208.610,79 10.896.894,65 10.965.422,21 11.216.267,62 12.145.827,06 12.261.171,18 12.275.003,52 12.545.668,30 11.287.080,21 Bremen 3.477.094,09 3.956.322,06 3.491.888,06 3.528.548,54 3.653.851,69 3.995.919,88 4.064.402,68 4.025.175,31 4.158.011,69 6.376.149,33 Hamburg 8.584.742,17 9.779.121,99 8.886.536,57 8.797.991,67 9.083.212,78 10.047.263,13 10.282.620,69 10.546.653,69 10.770.254,61 24.491.338,01 Hessen 30.238.479,06 35.265.759,63 32.384.616,60 32.028.339,99 32.939.128,32 35.802.524,49 36.957.862,19 37.064.577,67 37.977.207,23 43.849.214,54 Mecklen - burg- Vorpom - mern 7.382.178,64 8.335.996,74 7.457.467,63 7.538.127,53 7.770.832,80 8.451.781,31 8.703.330,94 8.724.203,45 8.896.154,50 5.404.592,77 Nieder - sachsen 32.664.972,13 37.158.149,99 33.395.074,44 33.667.102,02 34.441.732,66 37.612.896,99 37.974.215,23 39.075.085,47 40.132.560,98 44.731.515,90 NRW – Rheinland 44.092.701,31 50.393.756,58 45.486.698,67 46.587.801,45 47.884.337,89 52.598.917,97 54.017.039,72 54.994.261,56 56.778.723,04 69.072.765,19 NRW – Westfalen - Lippe 39.145.906,04 44.215.846,14 39.839.536,41 40.133.199,63 41.010.710,40 44.449.998,83 45.596.421,49 45.742.053,99 46.702.412,84 42.934.593,60 Rheinland - Pfalz 16.159.833,87 18.332.536,28 16.443.637,85 16.339.608,53 16.876.528,53 18.249.459,99 18.805.419,98 19.119.858,45 19.628.287,39 18.190.222,64 Saarland 4.621.274,20 5.262.296,57 4.673.075,12 4.667.927,40 4.639.370,51 4.979.390,44 5.179.126,55 5.203.565,31 5.317.993,15 4.619.021,45 Sachsen 17.191.667,89 19.595.374,15 17.626.432,65 18.030.847,88 18.376.390,01 19.946.677,21 20.538.586,64 20.753.860,66 21.087.530,09 20.879.809,46 Sachsen - Anhalt 9.469.845,89 10.632.026,75 9.528.870,53 9.535.181,08 9.419.275,09 10.150.648,96 10.635.510,29 10.097.565,88 10.202.557,89 13.096.899,78 Schles wig- Holstein 11.238.363,27 12.887.689,83 11.462.459,49 11.577.804,56 12.178.132,09 13.294.265,74 13.781.172,67 13.859.642,54 14.191.680,37 12.584.420,66 Thüringen 9.864.752,50 11.140.711,31 10.192.454,74 10.231.368,81 10.361.425,16 11.302.856,98 11.546.974,63 11.512.332,23 11.599.935,49 8.604.196,52 Insgesamt 362.837.191,7 9 415.168.432,1 8 375.951.152,4 5 379.682.459,5 5 388.425.969,6 7 423.652.790,1 2 436.241.668,4 2 440.436.892,1 9 451.283.301,4 6 516.157.059,7 3 1 Für 2017 ohne Berücksichtigung des noch durchzuführenden finanziellen Ausgleichs zwischen den Integrationsämtern gemäß § 160 Absatz 6 SGB IX Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2339 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Arbeitsassistenz: Ausgaben Anlage 3 (Quelle: BIH-Statistik) 2008 2009 2010 Förderung an schwerbehinderte Menschen insgesamt davon Arbeitsassistenz Förderung an schwerbehinderte Menschen insgesamt davon Arbeitsassistenz Förderung an schwerbehinderte Menschen insgesamt davon Arbeitsassistenz in Euro in Euro in % in Euro in Euro in % in Euro in Euro in % Baden- Württemberg 1.914.385,27 898.987,97 47 2.538.174,35 1.047.985,56 41 3.044.218,55 1.204.942,51 40 Bayern 2.570.280,90 928.820,88 36 2.198.243,46 1.068.871,09 49 2.545.474,04 1.158.027,83 45 Berlin 1.615.493,11 1.064.678,46 66 2.075.970,00 1.303.319,00 63 2.201.359,00 1.596.948,00 73 Brandenburg 620.590,53 483.149,71 78 713.331,14 494.622,22 69 806.157,92 562.266,75 70 Bremen 270.180,38 111.901,01 41 280.036,00 169.571,00 61 309.038,35 174.330,46 56 Hamburg 1.874.061,84 1.554.933,74 83 1.812.865,99 1.547.301,69 85 2.379.378,93 1.881.145,35 79 Hessen 3.253.031,68 1.544.166,26 47 3.919.189,53 2.377.325,84 61 4.301.713,70 2.607.221,80 61 Mecklenburg- Vorpommern 302.031,57 168.877,89 56 331.838,46 144.902,63 44 326.764,43 201.843,84 62 Niedersachsen 1.322.350,68 765.003,14 58 1.611.093,58 848.961,54 53 1.707.921,41 867.287,73 51 NRW - Rheinland 3.954.069,50 1.382.684,64 35 4.694.469,43 1.778.634,20 38 5.754.200,09 2.147.292,14 37 NRW - Westfalen- Lippe 2.914.788,57 998.331,85 34 3.207.225,04 1.114.176,22 35 3.203.675,76 1.143.757,53 36 Rheinland- Pfalz 572.427,13 346.249,93 60 483.506,40 301.010,89 62 636.830,89 411.135,19 65 Saarland 116.374,23 52.399,09 45 76.180,00 0,00 0 44.895,73 0,00 0 Sachsen 1.401.451,03 864.170,26 62 1.703.125,74 963.216,64 57 1.728.692,36 1.053.188,15 61 Sachsen- Anhalt 901.074,79 667.848,93 74 784.016,69 400.725,91 51 701.393,88 534.644,46 76 Schleswig- Holstein 614.375,55 213.216,15 35 411.633,46 237.170,92 58 808.049,78 400.256,11 50 Thüringen 803.353,28 264.652,53 33 458.725,43 243.544,33 53 450.556,60 210.655,87 47 Insgesamt 25.020.320,04 12.310.072,44 49 27.299.624,70 14.041.339,68 51 30.950.321,42 16.154.943,72 52 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333