Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 31. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2493 19. Wahlperiode 05.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Protschka, Dr. Anton Friesen und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2214 – Umsetzung des Völkerrechts für die deutschsprachige Bevölkerung der böhmischen Länder V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Rechtsvorgänger der Tschechischen Republik führte nach Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen Mai 1945 und Dezember 1946 eine ethnische Säuberung durch, nämlich die Vertreibung seiner deutschsprachigen Bevölkerung. Im Zuge der Vertreibung von diesen 3 Millionen Menschen starben 241 000 Menschen , die übrigen wurden über die vier Besatzungszonen in Deutschland, Österreich und andere Länder verstreut (stellv. für viele Quellen: Odsun – Die Vertreibung der Sudetendeutschen, Band 2: Von der Errichtung des 'Protektorats Böhmen und Mähren' im März 1939 bis zum offiziellen Abschluss der Vertreibung Ende 1946, Sudetendeutsches Archiv, München 2010; www.egererlandtag .de/Geschichte/Vertreibung.htm). Zahlreiche Völkerrechtler bezeichnen die Vertreibung als Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Felix Ermacora – Die sudetendeutschen Fragen, München 1992; Alfred M. de Zayas – Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen, Frankfurt/M, Berlin 1996; Prof. Blumenwitz – Heimatrecht , Volksgruppenrecht und Eigentum – Die rechtliche Situation der sudetendeutschen Volksgruppe, Mitteilungsblatt der Sudetendeutschen Landsmannschaft Nummer 9/1998, Seite 233-251; www.sudeten.de/cms/?Historie: Haltung_der_UNO:UNO-Menschenrechtskommission_bekennt_sich_zum_ Recht_auf_die_Heimat#A). Die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechoslowakische Sozialistische Republik erklärten im Prager Vertrag von 1973 (Bundesgesetzblatt 1974 II, S. 990-993, www.documentArchiv.de/brd/cssr1973.html) das Münchener Abkommen vom 29. September 1938 für nichtig. Die Rechte der aus der Tschechoslowakei vertriebenen deutschsprachigen Bevölkerung, nämlich auf Rückkehr in ihre Heimat, Staatsbürgerschaft und Eigentum, wurden in dem Prager Vertrag ausgeklammert. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs regelten weder der Vertrag vom 27. Februar 1992 zwischen Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit noch die deutsch-tschechische Erklärung vom 21. Januar 1997 die Rechte Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2493 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode der vertriebenen deutschsprachigen Bevölkerung der früheren Tschechoslowakei . Vielmehr wurde 1997 von den Regierungen beider Staaten (Dr. Helmut Kohl/Václav Klaus), abgesehen von einem tschechischen Bedauern über das zugefügte Leid und Unrecht, erklärt, ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen zu belasten (www. bundestag.de/parlament/geschichte/gastredner/havel/havel2/244732). Die durch das Völkerrecht geschützten Rechte der deutschsprachigen Bevölkerung der ehemaligen Tschechoslowakei sind nach Auffassung der Fragesteller (aber nicht nur dieser) bis heute ausgeklammert worden. Der frühere Präsident der Tschechoslowakei Václav Havel hingegen unterbreitete 1991 im Beisein seines Außenministers Karl von Schwarzenberg dem deutschen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl ein Angebot zur Wiedergutmachung der ethnischen Säuberung, nämlich das Rückkehrrecht in die Heimat, die Staatsbürgerschaft und eine Koupon-Entschädigung (Karl von Schwarzenberg, Die Biographie , Ueberreuter, S. 182 ff). Damals lehnte der ehemalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl das Angebot ab. Das politische Klima wie die Sicht auf die Vorgänge hat sich nach Auffassung der Fragesteller erfreulicherweise gewandelt. So bezeichnen jüngst Minister der tschechischen Regierung die Vertriebenen als ihre Landsleute (beispielsweise Daniel Herman, ehemaliger Minister für Kultur der Regierung Sobotka). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Mit der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 haben die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechische Republik ihre Verpflichtung und Verantwortung bekräftigt, „die deutsch-tschechischen Beziehungen im Geiste guter Nachbarschaft und Partnerschaft weiter zu entwickeln und damit zur Gestaltung des zusammenwachsenden Europa beizutragen“. In Bezug auf die Vergangenheit treffen beide Länder folgende Aussage: „Beide Seiten stimmen darin überein, dass das begangene Unrecht der Vergangenheit angehört und werden daher ihre Beziehungen auf die Zukunft ausrichten“. Seit der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 haben Deutschland und Tschechien eine Politik der Versöhnung, der Zusammenarbeit und des Dialogs verfolgt. So wurde im Jahr 2015 der Strategische Dialog mit Tschechien ins Leben gerufen, der eine breit angelegte Kooperation beider Regierungen zu zentralen politischen Fragestellungen umfasst. Diese enge Zusammenarbeit zwischen den Regierungen hat sich auch positiv auf die Anliegen der deutschsprachigen Vertriebenen ausgewirkt. So nahmen am Sudetendeutschen Tag in Augsburg (19. bis 20. Mai 2018) erstmalig die Botschafter beider Länder teil. Die Bundesregierung ist der Fortsetzung ihrer bisherigen Politik der Aussöhnung und Zusammenarbeit mit Tschechien weiterhin verpflichtet. 1. Wird die Bundesregierung den Vorschlag Václav Havels von 1991, den Heimatvertriebenen aus den böhmischen Ländern die Staatsbürgerschaft (wieder ) zu geben, ein Rückkehrrecht zu gewähren und eine eigentumsbezogene Koupon-Entschädigung zu leisten, aufgreifen und unterstützen? Dieser Vorschlag wird aktuell zwischen der deutschen und der tschechischen Regierung nicht diskutiert. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2493 2. Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um die tschechische Regierung zu einem Verzicht auf die nach wie vor diskriminierenden und aus Sicht der oben genannten Völkerrechtler völkerrechtswidrigen Beneš-Dekrete und des Straffreistellungsgesetzes zu bewegen? Die Bundesregierung vertraut insoweit auf einen auf Verständigung und Versöhnung zielenden Dialog mit der tschechischen Regierung. 3. Wird die Bundesregierung die tschechische Regierung insofern unterstützen, indem sie die Daten des Lastenausgleichsarchivs betreffend der Vertriebenen in digitalisierter Form zur Verfügung stellt? Die Bundesregierung plant keine solchen Schritte. 4. Wird die Bundesregierung die Nachkommen der Heimatvertriebenen unterstützen , die eine tschechische Staatsbürgerschaft wünschen und sich in der Tschechischen Republik niederlassen wollen? Die Bundesregierung erwägt keine solchen Schritte. Die Regelungen zum Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit unterfallen der nationalen Souveränität der Tschechischen Republik. Im Übrigen gilt in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger. 5. Wird die Bundesregierung eine schnelle Bahnverbindung (z. B. ICE Sprinter ) zwischen München-Flughafen-Regensburg-Pilsen-Prag in die vorrangige Bau- und Finanzierungsplanung aufnehmen? Die Bewertung der noch offenen Vorhaben des Potenziellen Bedarfs im neuen Bedarfsplan für die Bundesschienenwege ist noch nicht vollständig abgeschlossen , da umfangreiche – z. B. umwelt-/ bautechnische, fahrplankonstruktive und eisenbahnbetriebliche – Untersuchungen erforderlich sind. Sofern die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen ist, steigen die Projekte gemäß Festlegung des Deutschen Bundestages im Bedarfsplan in den Vordringlichen Bedarf auf. Der Deutsche Bundestag wird nach Abschluss der Untersuchungen über die Ergebnisse unterrichtet . Nach den bislang vorliegenden Gutachten wird das Projekt Ausbaustrecke (ABS) Nürnberg/Regensburg-Furth im Wald – Grenze D/CZ aus dem Potenziellen Bedarf des Bundesschienenwegeausbaugesetzes vom Dezember 2016 aufgrund positiver gesamtwirtschaftlicher Bewertung in den Vordringlichen Bedarf aufsteigen . In der vorläufigen gesamtwirtschaftlichen Bewertung konnte die Wirtschaftlichkeit der ABS Nürnberg – Schwandorf / München – Regensburg – Furth im Wald – Grenze D/CZ nur unter Zugrundelegung eines reduzierten Ausbaus in Form einer reinen Elektrifizierung der Strecke (ohne Maßnahmen zur weitergehenden Kapazitätssteigerung) nachgewiesen werden. Ein weitergehender Ausbau könnte keine gesamtwirtschaftliche Rentabilität erzielen. Nur das optimierte Bundesverkehrswege -Projekt erreicht ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis und steigt damit in den Vordringlichen Bedarf des Bundesschienenwegeausbaugesetzes auf. Durch die Elektrifizierung zwischen Regensburg und Pilsen reduziert sich bereits in diesem Planfall die Fahrzeit zwischen München und Prag von heute 5 Stunden und 39 Minuten auf unter viereinhalb Stunden. Für den Ausbau der Strecke Nürnberg – Schwandorf/München – Regensburg – Furth im Wald – Prag bedarf es einer zusätzlichen deutsch-tschechischen Ressortvereinbarung . Das Ergebnis der Bewertung beruht maßgeblich darauf, dass erhebliche Ausbaumaßnahmen auf tschechischer Seite bis Pilsen erfolgt sind. Die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2493 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gespräche hierzu können nach dem gefestigten Nachweis der Wirtschaftlichkeit aufgenommen werden. Sobald die Voraussetzungen gegeben sind, könnten dann die Planungen aufgenommen werden. Der Bund hat die erforderlichen Instrumente , um die Planung der Bedarfsplanvorhaben zu gewährleisten. 6. Wird die Bundesregierung die tschechische Regierung und die Bundesländer unterstützen, die Tschechische Republik am öffentlich-rechtlichen Europäischen Fernseh-Kulturkanal (ARTE) unter Einbeziehung der Heimatvertriebenen und ihrer Nachkommen zu beteiligen? Der Bundesregierung sind keine Bestrebungen bekannt, die Tschechische Republik am deutsch-französischen Sender ARTE unter Einbeziehung der Heimatvertriebenen und ihrer Nachkommen zu beteiligen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333