Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 31. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2532 19. Wahlperiode 01.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Keuter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2187 – Kinder- und Vielehen in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2016 lebten in Deutschland 1 475 verheiratete ausländische Jugendliche unter 18 Jahren. Unter 14 Jahren waren hiervon 361 Kinder, 120 waren 14 oder 15 Jahre alt (www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/kinderehe-kabinett-cducsu -spd-gesetzentwurf-heiko-maas). Am 22. Juli 2017 trat das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen in Kraft. Hiernach sind gemäß § 1303 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Ehen von Personen unter 16 Jahren, auch die, die im Ausland geschlossen worden sind, nichtig. Eheschließungen, bei denen eine Person zwischen 16 und 18 Jahre alt gewesen ist, sollen gerichtlich annulliert werden können. Nach einer neuen Weisung der Bundesagentur für Arbeit (www.bild.de/politik/inland/hartz-4/keineanerkennung -von-kinder-und-viel-ehen-55375666.bild.html) dürfen die Jobcenter Kinderehen sowie Zweit-, Dritt- und Viertfrauen aus Vielehen von Muslimen nicht mehr bei Hartz IV anerkennen. Die Jobcenter sind darüber hinaus angehalten, bei Ehen Minderjähriger das Alter genau zu beachten, da Ehen mit einem Partner unter 16 Jahren von Beginn an kraft Gesetzes unwirksam sind und aus diesem Grund auch keine „Partnerschaft“ im Sinne des SGB II vorliegt. 1. Auf welcher Rechtsgrundlage können Ausländer nach Ansicht der Bundesregierung ihre Zweit-, Dritt- und Viertfrau nach Deutschland nachholen bzw. haben diese in der Vergangenheit nachgeholt (vgl. Bundestagsdrucksache 19/1574)? Es gibt keine Rechtsgrundlage für den Nachzug einer weiteren Ehefrau eines Ausländers zu diesem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland, wenn der Ausländer bereits gemeinsam mit einer Ehefrau im Bundesgebiet lebt (§ 30 Absatz 4 AufenthG). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2532 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wird der Familiennachzug bezüglich der Zweit-, Dritt oder Viertfrau mit Kindern mit der Statusangabe „alleinerziehende Mütter“ versehen? Zum Familiennachzug eines weiteren Ehegatten wird zunächst auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Im Übrigen wird eine Statusangabe „alleinerziehende Mütter “ im Ausländerzentralregister (AZR) nicht erfasst. Erfasst werden: ohne Angabe ledig verheiratet verwitwet geschieden unbekannt Lebenspartnerschaft Lebenspartnerschaft aufgehoben Lebenspartner verstorben. 3. In wie vielen Fällen wurde die Anerkennung einer im Ausland geschlossenen Mehrehe nach Kenntnis der Bundesregierung wegen eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public (Artikel 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch) versagt? Über die in Fachpublikationen veröffentlichten oder erwähnten Entscheidungen hinaus liegen der Bundesregierung hierzu keine statistischen Angaben vor. 4. Mit welchen finanziellen Ent- bzw. Belastungen des Staates ist zu rechnen, wenn die Zweit-, Dritt-, oder Viertfrau künftig bei Harzt-IV-Bezug als eigenständige Bedarfsgemeinschaft geführt wird? In Bezug auf sog. Vielehen liegt keine neue Weisungslage der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor. Vielmehr überführt die BA aktuell bereits bestehende Regelungen der Fachlichen Weisung „Bearbeitung von Anträgen auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (sog. Loseblattsammlung)“ in die Fachlichen Weisungen (FW), die einzelne Paragraphen (z. B. § 7 SGB II) oder Paragraphengruppen (§§ 11-11b SGB II) betreffen. Bereits in der vorangegangenen Version der Loseblattsammlung sind Ausführungen zu Vielehen (Kapitel 6.1 Leistungsberechtigte ) enthalten. Die Jobcenter, die in der Rechtsform einer gemeinsamen Einrichtung betrieben werden, haben die sog. Zweitfrauen etc. in der Regel eigenen Bedarfsgemeinschaften zugeordnet. Insoweit wären keine Kostenveränderungen zu erwarten. Die zugelassenen kommunalen Träger unterliegen nicht der Aufsicht des Bundes, so dass für diesen Bereich keine Aussagen getroffen werden können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2532 5. Wie viele Kinderehen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland registriert (bitte nach Ehen mit Kindern unter 14 Jahren, unter 16 Jahren und unter 18 Jahren aufschlüsseln)? Zum Stichtag 30. April 2018 waren im AZR 299 in Deutschland lebende minderjährige ausländische Personen mit dem Familienstand „verheiratet“ gespeichert. Angaben nach Altersgruppen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: nach Altersgruppen Anzahl Gesamt 299 davon unter 14 Jahren 0 unter 16 Jahren 1 unter 18 Jahren 298 Über Zahlen zu den derzeit in Deutschland lebenden verheirateten Minderjährigen mit deutscher Staatsangehörigkeit liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 6. Welche Maßnahmen werden nach Kenntnis der Bundesregierung von den Verwaltungsbehörden, wie z. B. der Bundesagentur für Arbeit, ergriffen, um das genaue Alter der „Eheleute“ festzustellen? Die Verwaltungsbehörden bearbeiten die ihnen vorliegenden Fälle in erster Linie auf Grundlage der ihnen vorgelegten Unterlagen. Daraus ist im allgemeinen Identität , Alter und Personenstand der Antragsteller erkennbar. In Zweifelsfällen oder wenn die vorgelegten Unterlagen keinen überzeugenden Beleg für das Alter bieten , kommt ein Adoleszenzgutachten in Betracht. Speziell die Jobcenter prüfen bei der erstmaligen Antragstellung die Identität der antragstellenden Person. Eine Identitätsprüfung der evtl. anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist aufgrund der Vertretungsregelung des § 38 SGB II grundsätzlich nicht notwendig . Die persönliche Prüfung der Identität (inkl. Abgleich des Gesichts mit dem Lichtbild) erfolgt daher nur bei der Antragstellerin oder dem Antragsteller. Insbesondere ist für die Antragstellung die persönliche Vorsprache aller im Antrag genannten Personen nicht notwendig. Die Prüfung ist anhand geeigneter Nachweise (soweit vorhanden Aufenthaltstitel, Ankunftsnachweis, Reiseausweis, Ersatzdokument oder andere mit Lichtbild versehene amtliche Bescheinigung) vorzunehmen . Sollte ein Identitätsnachweis kein Lichtbild enthalten, ist auf den Antragsunterlagen zu vermerken, welcher Nachweis der Identitätsprüfung zugrunde lag. Kann die antragstellende Person einen entsprechenden Identitätsnachweis mit Lichtbild nicht vorlegen, ist sie aufzufordern, dies nachzuholen. Eine Identitätsprüfung der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft kann bei Zweifeln ebenfalls durch Vorlage geeigneter Ausweispapiere und die Aufforderung zum persönlichen Erscheinen erfolgen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2532 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. In wie vielen Fällen wurde die Nichtigkeit der Ehe bereits festgestellt? 8. Wie viele Eheaufhebungsverfahren sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen bei den Familiengerichten anhängig? 9. Wie viele Anträge auf Aufhebung der Ehe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bereits gemäß § 1316 Absatz 1 BGB durch die zuständigen Verwaltungsbehörden gestellt? Die Fragen 7 bis 9 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 10. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Nichtanerkennung der Kinderoder Vielehe für die betroffenen Frauen? Die Konsequenzen einer „Nichtanerkennung“ einer Kinder- bzw. Vielehe hängen vom Einzelfall ab, und zwar insbesondere davon, ob die betroffene Ehe unwirksam , also eine Nichtehe, oder nur aufhebbar ist. Aus einer Nichtehe können keine ehelichen Rechte und Pflichten hergeleitet werden. Die Folgen der Aufhebung der Ehe nach § 1318 BGB entsprechen im Wesentlichen den Rechtsfolgen der Scheidung. 11. Wie reagieren die Behörden, wie z. B. das Jugendamt, nach Kenntnis der Bundesregierung, wenn sie von Kinderehen Kenntnis erlangen? 12. Findet nach Kenntnis der Bundesregierung z. B. eine Inobhutnahme des betroffenen Kindes durch das Jugendamt statt? Die Fragen 11 und 12 werden gemeinsam beantwortet: Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher, der nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten nach Deutschland einreist, ist grundsätzlich als unbegleitet zu betrachten, auch dann, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden vom Jugendamt (vorläufig) in Obhut genommen nach § 42a Absatz 1 bzw. § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB VIII. In den Fällen, in denen sich die Erziehungsberechtigten der verheirateten ausländischen Minderjährigen in Deutschland aufhalten, ist das Jugendamt immer, wenn ihm gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt werden, gemäß § 8a Absatz 1 Satz 1 SGB VIII verpflichtet, das Gefährdungsrisiko einzuschätzen und die zur Abwendung der Gefährdung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. So hat es im Falle des Vorliegens einer dringenden Gefahr für das Wohl eines Kindes oder Jugendlichen gemäß § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB VIII das Kind oder den Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen. 13. Wenn nein, wie schützt der deutsche Staat diese Kinder vor sexuellem Missbrauch ? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 11 und 12 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333