Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. Mai 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2554 19. Wahlperiode 06.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sven Lehmann, Monika Lazar, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/2103 – Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur „Dritten Option“ beim Geschlechtseintrag V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit Beschluss vom 10. Oktober 2017 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden , dass die Regelungen des deutschen Personenstandsgesetzes (PStG) mit den grundgesetzlichen Anforderungen insoweit nicht vereinbar sind, als dass § 22 Absatz 3 PStG neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen (BVerfG, 1 BvR 2019/16. Quelle: www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/ Entscheidungen/DE/2017/10/rs20171010_1bvr201916.html). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes – GG) schütze auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Darüber hinaus verstoße das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot (Artikel 3 Absatz 3 GG), soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als „männlich“ oder „weiblich“ ausgeschlossen wird. Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht eindeutig „weiblich“ oder „männlich“ ist, sind damit diskriminiert und in ihren Persönlichkeitsrechten eingeschränkt. Denn sie werden verpflichtet, sich in ein binäres System einzuordnen, das ihrem eigenen Identitätsempfinden nicht entspricht oder erleben eine Negierung ihrer Persönlichkeit durch einen fehlenden Geschlechtseintrag. Dies gefährdet spezifisch die Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit in ihrer geschlechtlichen Identität. In der Beschlussbegründung betont das Gericht, dass die beschwerdeführende Person nach eigenem Empfinden ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich hat. Die Verwehrung der personenstandsrechtlichen Anerkennung der geschlechtlichen Identität gefährde darum bereits für sich genommen die selbstbestimmte Entwicklung. Damit folgt das Gericht einem geschlechtlichen Konzept , das auf Selbstbestimmung basiert und das Individuum mit seinem eigenem , vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten, Geschlechtsempfinden ins Zentrum rückt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2554 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Ergebnis wurde der Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2018 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen. Dabei steht er laut Gerichtsbeschluss vor folgenden Alternativen: er könne entweder auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichten, oder aber stattdessen für die betroffenen Personen die Möglichkeit schaffen, eine weitere positive Bezeichnung eines Geschlechts zu wählen, das nicht männlich oder weiblich sei. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g : Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in der zitierten Entscheidung die Unvereinbarkeit des § 21 Absatz 1 Nummer 3 i. V. m. § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes (PStG) mit dem in Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) normierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG geregelten Diskriminierungsverbot festgestellt . Die die Regierung tragenden Parteien haben sich im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode dazu bekannt, geschlechtliche Vielfalt zu respektieren. Alle Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können – mit gleichen Rechten und Pflichten. Diesen Vorgaben fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet. Gleichzeitig sind die zeitlichen Vorgaben des BVerfG zu beachten. 1. Plant die Bundesregierung, einen Vorschlag für die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu erarbeiten? Wenn ja, wann ist mit einer Vorlage seitens der Bundesregierung zu rechnen ? Wenn nein, wird innerhalb der Bundesministerien an einer Reform des Personenstandsrechts gearbeitet? Wenn ja, wann ist mit einer Vorlage zu rechnen? 2. Wurde der Streit innerhalb der Bundesregierung, über den die Presse berichtet hat (www.spiegel.de/politik/deutschland/bundesregierung-uneins-ueberdrittes -geschlecht-a-1186176.html), inzwischen beigelegt? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 3. Hat die Bundesregierung nach der Verkündung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts Kontakt mit zivilgesellschaftlichen Organisationen diesbezüglich aufgenommen (bitte die Organisationen auflisten)? Wenn nein, plant sie dies zu tun? 4. Welche vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Option bevorzugt die Bundesregierung; den Verzicht auf einen Geschlechtseintrag oder die Einführung einer weiteren positiven Bezeichnung eines Geschlechts, das nicht männlich oder weiblich ist? Welche Gründe sprechen nach Ansicht der Bundesregierung für die präferierte Variante? 5. Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung, im Rahmen der Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts das Personenstandsgesetz umfassend zu reformieren und das wissenschaftlich nicht mehr zeitgemäße Transsexuellengesetz abzuschaffen? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2554 6. Welche Auswirkungen hat der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus Sicht der Bundesregierung auf das Transsexuellengesetz und die selbst bestimmte Geschlechtsidentität von Trans-Personen? Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 6 zusammen beantwortet. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bereitet ein Gesetz zur Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 – vor. Die Ressortabstimmung ist noch nicht abgeschlossen. Umfang und Inhalt der beabsichtigten Regelungen werden noch diskutiert. Die Beteiligung der Verbände und Länder ist nach Abschluss der Ressortabstimmung vorgesehen. Eine Einbeziehung des Transsexuellengesetzes ist ebenfalls derzeit Gegenstand der Diskussion innerhalb der Bundesregierung. Die vom BVerfG in der Entscheidung gesetzte Frist (31. Dezember 2018) wird nach aktueller Planung eingehalten . 7. Wie steht die Bundesregierung zum vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebenen Gutachten „Geschlechtervielfalt im Recht. Status quo und Entwicklung von Regelungsmodellen zur Anerkennung und zum Schutz von Geschlechtervielfalt“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte? Plant sie, einen Gesetzentwurf auf Grundlage dieses Gutachtens vorzulegen? Wenn nein, warum nicht? Das im Rahmen der Arbeit der interministeriellen Arbeitsgruppe „Intersexualität /Transsexualität“ vorgelegte Gutachten wird von der Bundesregierung in die Diskussion einbezogen. 8. Besteht die im September 2014 eingesetzte interministeriale Arbeitsgruppe „Intersexualität/Transsexualität“ noch fort? Wenn ja, wie ist sie in den Prozess der Erarbeitung der Neuregelung im Personenstandsgesetz involviert? Wenn nein, plant die Bundesregierung, die Arbeitsgruppe wieder einzusetzen ? Die interministerielle Arbeitsgruppe „Intersexualität/Transsexualität“ hat am Ende der 18. Legislaturperiode die Arbeit beendet. Eine Wiederaufnahme ist nicht geplant. 9. Wie bewertet die Bundesregierung die Regelungen, die eine Änderung des Geschlechtseintrages für transsexuelle Personen ohne ein Begutachtungsverfahren ermöglichen, welche in Argentinien, Malta, Dänemark, Norwegen und Irland eingeführt wurden? Die Bundesregierung nimmt keine Bewertung der Regelungen anderer souveräner Staaten vor, zumal diese Regelungen inhaltlich voneinander abweichen. 10. Welche Probleme sind der Bundesregierung bekannt, die nach der Abschaffung der Gutachtenpflicht in diesen Ländern eingetreten sind? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333