Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 5. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2680 19. Wahlperiode 12.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Reinhard Houben, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 192680 – Langfristige Konjunkturprognose der Bundesregierung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“, veröffentlicht am 31. März 2018, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum von mindestens 2 Prozent für mindestens 15 Jahre in Aussicht gestellt. Voraussetzung sei eine Erneuerung der Marktwirtschaft beispielsweise durch Bürokratieabbau, Erhöhung der Wohneigentumsquote, Ausbau der Ganztagskinderbetreuung oder verlässlichere gesetzliche Rahmenbedingungen. Im Zentrum seiner Überlegungen steht eine geplante Charta der sozialen Marktwirtschaft, mit der sich politische Parteien zu einem Haushalt ohne Neuverschuldung, den Verzicht auf Steuererhöhungen verpflichten sollen. Außerdem soll die Summe der Abgaben für die Sozialversicherungen 40 Prozent des Bruttoarbeitslohns nicht übersteigen. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Den einzigartigen wirtschaftlichen Erfolg der Nachkriegszeit verdanken die Menschen in Deutschland vor allem der Sozialen Marktwirtschaft. Sie ist das Modell einer freiheitlich verfassten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Soziale Marktwirtschaft ist im Kern eine Wettbewerbsordnung und das Pendant zur rechtsstaatlichen Demokratie. So wie Demokratie für die Bürger erst freiheitsstiftend wird durch verbindliche rechtsstaatliche Normen, so wird die Marktwirtschaft erst durch ordnungspolitische Regeln und Institutionen zur freiheitsgewährenden Wirtschaftsordnung. Neben der wettbewerblichen Ordnung des Marktes ist die soziale Teilhabe an den Früchten der Marktwirtschaft, insbesondere durch Gewährleistung von Chancengleichheit, prägendes Element, um dem Leitbild „Wohlstand für Alle“ zu folgen. Insbesondere die Verlässlichkeit der staatlichen Rahmenbedingungen ist seit den Zeiten von Ludwig Erhard ein elementares Grundprinzip für eine erfolgreiche Zukunft. Deshalb hat Bundesminister Altmaier in der Regierungserklärung vom Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2680 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 22. März 2018 einen Konsens im Sinne einer Charta der Sozialen Marktwirtschaft angeboten. Dieses Angebot hat er in dem Spiegel-Interview vom 30. März 2018 konkretisiert. 1. Auf Basis welcher volkswirtschaftlicher Prognosen und Daten hält Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eine langfristige Konjunkturentwicklung von mindestens 2 Prozent für realistisch? Die erste Aussage im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bezieht sich auf die aktuelle konjunkturelle Lage und somit den Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in den nächsten Jahren. Gemäß der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung wird die deutsche Wirtschaft in diesem und im kommenden Jahr einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von preisbereinigt über 2 Prozent erreichen . Der zweite Teil der Aussage indes ist eine konditionierte politische Zielsetzung, die sich auf den mittel- bis langfristigen Wachstumspfad und damit auf das Wachstum des Produktionspotenzials bezieht. Die Schätzungen zum Produktionspotenzial liegen aktuell ebenfalls bei knapp 2 Prozent. Auch in den nächsten 15 bis 20 Jahren sind hohe Wachstumsraten möglich, Voraussetzung dafür ist allerdings die Erneuerung der Marktwirtschaft durch die von Bundesminister Altmaier genannten Eckpunkte, die sich positiv auf das Wachstum des Produktionspotenzials auswirken. 2. Ist der Bundesregierung historisch eine derart lange Phase wirtschaftlichen Wachstums in Industrieländern bekannt? Wenn ja, wann und wo? Für die OECD Staaten gab es in folgenden Phasen Aufschwünge, welche mindestens 23 Jahre andauerten. Als Aufschwung wird hierzu eine Phase definiert, in der es durchgängig zu positiven jährlichen Änderungsraten des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts kam. Die Liste ist nicht abschließend und basiert auf den Daten der jährlichen OECD-Statistiken zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen . Land Zeitraum des Aufschwungs Australien 1991-2017 Frankreich 1951-1974 Israel 1971-2001 Luxemburg 1982-2007 Niederlande 1983-2008 Österreich 1970-2008 Polen 1992-2017 Schweden 1951-1976 Südkorea 1954-1979 Vereinigtes Königreich 1951-1973 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2680 3. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, die Prognose des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier bei der Kalkulation der langfristigen Finanzplanung des Bundes zu berücksichtigen? Welche zusätzlichen Steuermehreinnahmen erwartet die Bundesregierung? Basis für die entsprechend den gesetzlichen Grundlagen fünfjährige Finanzplanung des Bundes sind die Ergebnisse des "Arbeitskreises Steuerschätzungen". Gemäß dessen Geschäftsordnung sind die Eckwerte der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Projektionen der Bundesregierung Grundlage für die jeweiligen Schätzungen. 4. Wie erklärt sich die signifikante Differenz der Wachstumsprognose des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier zur mittelfristigen Konjunkturprognose der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 19. April 2018 (Frühjahrsgutachten ), die bis 2022 ein jahresdurchschnittliches preisbereinigtes Wachstum von 1,5 Prozent erwartet? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erwartet in der Frühjahrsprojektion 2018 für den entsprechenden Zeitraum eine ähnliche durchschnittliche Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts von real 1,4 Prozent. Demgegenüber liegt das geschätzte Potenzialwachstum deutlich über diesem Wert (1,9 Prozent im Jahr 2018, im Durchschnitt der Jahre 2020 bis 2022 rund 1,7 Prozent). 5. Wie schätzt die Bundesregierung das Risiko einer Überhitzung der Konjunktur in den kommenden Jahren und ihre Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum ein, vor dem Hintergrund, dass sich die Anzeichen für eine Überhitzung der Konjunktur in Deutschland mehren und sich die Kapazitätsauslastung laut Frühjahrsgutachten dem Stand vor der Wirtschafts- und Finanzkrise ab dem Jahr 2007 annähert? Der Bundesregierung ist keine wissenschaftlich etablierte Definition von „konjunktureller Überhitzung“ bekannt. Das Risiko eines starken Einbruchs der inländischen Nachfrage oder von stark beschleunigten Preissteigerungen aufgrund von Angebotsengpässen wird für die Gesamtwirtschaft als gering eingeschätzt. 6. Inwieweit wird sich aus Sicht der Bundesregierung die Erwartung der Bundesbank in ihrem Monatsbericht April 2017 „Demografischer Wandel, Zuwanderung und das Produktionspotenzial der deutschen Wirtschaft“, dass eine mittelfristige Abnahme des Potenzialwachstums bis 2025 auf ca. 0,9 Prozent stattfindet, auf das Wirtschaftswachstum in Deutschland auswirken ? Die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung umfasst den Zeitraum bis zum Jahr 2022. Auch hier nimmt der Beitrag des Faktors Arbeit zum Zuwachs des Produktionspotenzials leicht ab. Grundsätzlich sind Unterschiede in den Schätzungen des Potenzialwachstums durch unterschiedliche methodische Ansätze möglich. Die Bundesregierung ist im Rahmen der Schuldenregel gesetzlich an das von der EU entwickelte Schätzverfahren gebunden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2680 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um das von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier für die kommenden mindestens 15 Jahre erwartete Wachstum von mindestens 2 Prozent jährlich gegen externe Effekte abzusichern, beispielsweise Veränderungen von Leitzinssätzen, Inflation, Handelsstreitigkeiten oder Rohstoffpreisschwankungen? Aufgrund der starken Einbindung der deutschen Ökonomie in die Weltwirtschaft ist keine völlige Abkopplung von äußeren Einflüssen möglich. Die Bundesregierung verfolgt eine nachhaltige wachstums- und beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, das langfristige Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft zu erhöhen und damit auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks zu erhöhen. Dazu sind zahlreiche Maßnahmen vorgesehen, wie etwa die Stärkung von F&E-Ausgaben, der weitere Ausbau der Digitalisierung, Investitionen in Bildung und die Sicherung des Fachkräfteangebots sowie Maßnahmen zur Unterstützung des Strukturwandels und der regionalen Entwicklung. Auch mit ihrem Einsatz für einen freien Außenhandel fördert die Bundesregierung Wachstum und Wohlstand. Des Weiteren sind Entlastungen bei Steuern und Sozialabgaben geplant, die zusätzliche Investitions- und Beschäftigungsanreize setzen werden. Dabei wird die Politik der soliden Haushalte ohne Neuverschuldung fortgesetzt und die öffentliche Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung unter die 60-Prozent-Marke zurückgeführt. Dies stärkt zusätzlich das Vertrauen von Investoren und Konsumenten in verlässliche Rahmenbedingungen und die Handlungsfähigkeit der Wirtschafts- und Finanzpolitik. 8. Wann plant die Bundesregierung, den Parteien CDU, CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP die im Interview vorgeschlagene „Charta der sozialen Marktwirtschaft“ vorzulegen? Welche Vorgespräche hat die Bundesregierung hierzu bereits mit den Parteien geführt? Für welche Dauer soll die Charta abgeschlossen werden? Die Vorbereitungen laufen, alle notwendigen Gespräche werden geführt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333