Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2772 19. Wahlperiode 15.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Sven-Christian Kindler, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/2210 – Gesellschaftliche Verantwortung der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Deutsche Post AG ist in den vergangenen Jahren mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Dabei ging es um Kettenbefristungen, Abrufkräfte, die Gründung der 49 Regionalgesellschaften der DHL Delivery GmbH und um die Missachtung des gesetzlichen Mindestlohns bei osteuropäischen Subunternehmen. Zuletzt hatte die Konzernspitze die Niederlassungsleitungen angewiesen, bei der Entfristung von Arbeitsverträgen einen vertraulichen Kriterienkatalog zu berücksichtigen. Voraussetzung für eine Festanstellung ist demnach beispielsweise eine zweijährige sachgrundlose Befristung und eine maximale Zahl an Krankheitstagen (vgl. Bild am Sonntag, 6. Mai 2018). Diese Geschäftspraxis der Deutschen Post AG hat für mediale Aufmerksamkeit gesorgt, woraufhin der Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz in der Sendung „Anne Will“ Konsequenzen ankündigte. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb daraufhin am 7. Mai 2018: „Scholz aber will die Praxis nicht länger hinnehmen und dazu den Einfluss des Bundes als größter Aktionär der Post nutzen. ‚Diejenigen, die für uns im Aufsichtsrat sitzen, haben sich vorgenommen, darauf zu reagieren‘, kündigte er am Sonntagabend im Fernsehen an. Er nehme die Praxis der Post nicht hin; sie sei ‚nicht in Ordnung‘.“ Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte die Bundesregierung in den vergangenen Jahren mehrfach aufgefordert, sich im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG für gute Arbeits- und Entlohnungsbedingungen einzusetzen. Bisher hat die Bundesregierung dies jedoch stets abgelehnt. „Die Verantwortlichkeit für die Beschäftigten unterhalb der Vorstandsebene liegt danach ausschließlich beim Unternehmen und unterfällt nicht dem staatlichen Verantwortungsbereich der Bundesregierung“ (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 65 der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke auf Bundestagsdrucksache 18/4642). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2772 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Bund hält noch rund 20,6 Prozent der Anteile an der Deutschen Post AG (alle Aktien des Bundes werden von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gehalten ). Die übrigen 79,4 Prozent der Aktien werden von privaten Investoren gehalten . Der Bund hat als Anteilseigner privatrechtlich organisierter Unternehmen, wie der Deutschen Post AG, selbstverständlich auch die sozialen Interessen der Beschäftigten der Beteiligungsunternehmen im Blick. Dabei geht der Bund davon aus, dass auch den Beteiligungsunternehmen an einer sozial gerechten Personalpolitik des Unternehmens gelegen ist. Die Gestaltung von Beschäftigungsbedingungen mit Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene obliegt nach dem Aktiengesetz dem Vorstand. Eine Befassung des Aufsichtsrats, z. B. zur Festlegung von Kriterien bei der Entfristung von Beschäftigungsverhältnissen , muss nicht stattfinden. Angelegenheiten von mehrheitlich in Privateigentum stehenden Unternehmen fallen nicht in den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Bundesregierung . Der Bund hat an der Deutschen Post AG nur eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von 20,6 Prozent. Bund oder KfW können keine Sonderrechte zu Lasten der übrigen Aktionäre beanspruchen oder die eigenverantwortliche Unternehmensleitung durch den Vorstand in Frage stellen. 1. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG die Stimmenmehrheit haben, und wird sie diese nutzen , um bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu erreichen? Wenn nein, warum nicht? 2. Wie bewertet die Bundesregierung ganz grundsätzlich, dass bei der Deutschen Post AG solch ein vertraulicher Kriterienkatalog bei der Entfristung von Arbeitsverhältnissen berücksichtigt werden soll? 3. Wie bewertet die Bundesregierung, dass die Deutsche Post AG Beschäftigte nur dann unbefristet übernimmt, wenn sie a) zwei Jahre sachgrundlos befristet waren, b) in dieser Zeit nicht häufiger als sechsmal krank waren bzw. maximal 20 Krankheitstage hatten, c) höchstens zwei Unfälle mit Zustellfahrzeugen verschuldet haben und d) die vorgegebenen Tourzeiten in drei Monaten um höchstens 30 Stunden überschritten haben, und werden die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG dafür sorgen, dass diese vier Kriterien zukünftig bei der Entfristung von Arbeitsverträgen nicht mehr angewandt werden? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 1 bis 3 werden im Zusammenhang beantwortet. Der Aufsichtsrat der nicht dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung unterfallenden Deutschen Post AG ist paritätisch mitbestimmt (10 Arbeitnehmervertreter bei insgesamt 20 Mitgliedern). Der Staatssekretär des Bundesministeri- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2772 ums der Finanzen, Werner Gatzer, und der Vorstandsvorsitzende der KfW, Dr. Günther Bräunig, wurden von der Hauptversammlung der Deutschen Post AG als Vertreter der Anteilseignerseite gewählt. Sämtliche Mitglieder von Aufsichtsräten – auch solche, die auf Vorschlag des Bundes gewählt werden – nehmen ihr Mandat persönlich wahr. Bei ihrer Tätigkeit handeln die Mitglieder des Aufsichtsrats eigenständig und eigenverantwortlich im Interesse der Gesellschaft (§ 111 Absatz 6 des Aktiengesetzes). Dies hat zur Folge, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht zu einer bestimmten Entscheidung verpflichtet werden kann 1. Absprachen oder Verträge, mit denen sich Aufsichtsratsmitglieder binden, ihre Stimme nach Vorgabe einer anderen Stelle (z. B. Vorstand , Großaktionär, Gewerkschaft) gegen das Interesse der Gesellschaft abzugeben , wären rechtlich unwirksam. Die Personalpolitik der Deutschen Post AG, insbesondere die Gestaltung von Beschäftigungsbedingungen mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist Aufgabe des Unternehmensvorstands. Im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe hat der Aufsichtsrat grundsätzlich die Pflicht sich mit der Thematik zu befassen, soweit Anhaltspunkte für Verstöße gegen geltendes Recht vorliegen oder ein Reputationsschaden für das Unternehmen entstehen könnte. Der Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat hat sich des Themas angenommen und bereits Gespräche mit dem Vorstand der Deutschen Post AG hierzu geführt. Darüber hinaus hat er darum gebeten, das Thema in der nächsten Aufsichtsratssitzung der Deutschen Post AG zu behandeln. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung handelt es sich bei den in der Frage genannten Kriterien bei der Deutschen Post AG um Eckpunkte. Die Entscheidung über eine Entfristung ist eine Individualentscheidung, bei der vom Unternehmen die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden. Die Entscheidung über die Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis wird auf Grundlage einer Gesamtabwägung getroffen. Der Bund nimmt im Rahmen der Beteiligungsführung seine Informations- und Beteiligungsrechte in vollem Maße wahr. Darüber hinaus darf die Bundesregierung zu Sachverhalten des operativen Geschäfts von Unternehmen, deren Anteile sich mehrheitlich in Privatbesitz befinden , keine Bewertung abgeben, wenn die Anteile, wie hier die Aktien der Deutschen Post AG, zum Handel an der Börse zugelassen sind. Die Klärung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern betreffend einzelne Arbeitsverhältnisse bleibt der Gerichtsbarkeit vorbehalten. 4. Was wären aus Sicht der Bundesregierung geeignete Alternativen für Kriterien , die sicherstellen, dass die Gesamtsituation von Beschäftigten angemessen berücksichtigt wird? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 1 OLG Köln vom 4. Mai 1987 – 2 W G 27/87, MDR 1987, 847f. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2772 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass die Deutsche Post AG die sachgrundlose Befristung entgegen der Intention des Gesetzes als verlängerte Probezeit nutzt, und werden sich die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat dafür einsetzen, dass stattdessen eine Probezeit von bis zu sechs Monaten zur Regel wird? Wenn nein, warum nicht? 6. Werden sich die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat dafür einsetzen , dass die Geschäftspraxis von jahrelangen Kettenbefristungen bei der Deutschen Post AG beendet wird? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 5 und 6 werden im Zusammenhang beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe hat der Aufsichtsrat grundsätzlich die Pflicht sich mit der Thematik zu befassen, soweit Anhaltspunkte für Verstöße gegen geltendes Recht vorliegen oder ein Reputationsschaden für das Unternehmen entstehen könnte. 7. Werden sich die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat dafür einsetzen , dass die Deutsche Post AG zukünftig auf Arbeit auf Abruf verzichtet, da diese Beschäftigungsform den Abrufkräften kein geregeltes Einkommen sowie kaum Planungssicherheit ermöglicht? Wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 8. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass die Beschäftigten in den DHL Delivery GmbHs nach Speditions- und Logistiktarif bezahlt werden, während die übrigen Beschäftigten nach dem Haustarifvertrag der Deutschen Post AG bezahlt werden und somit für die gleiche Arbeit einen höheren Lohn erhalten, und werden sich die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat dafür einsetzen, dass alle Beschäftigten wieder einheitlich nach dem Haustarifvertrag der Deutschen Post AG entlohnt werden? Wenn nein, warum nicht? Die Verantwortung für die Personalpolitik einschließlich tarifpolitischer Entscheidungen , wie der Abschluss eines Haustarifvertrages oder der Beitritt zu einem Arbeitgeberverband, obliegt dem Unternehmensvorstand. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2772 9. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass die Deutsche Post AG Aufträge an osteuropäische Subunternehmen vergibt, die dann in Deutschland Pakete und Briefe ausfahren (vgl. Süddeutsche Zeitung, 11. November 2017), obwohl bekannt ist, dass diese Subunternehmen häufig nicht den gesetzlichen Mindestlohn bezahlen, und werden sich die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat dafür einsetzen, dass die Deutsche Post AG diese Geschäftspraxis beendet? Wenn nein, warum nicht? Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von im Ausland ansässigen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt, sind die Vorgaben des Mindestlohngesetzes entsprechend zu beachten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333