Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 14. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2861 19. Wahlperiode 19.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Alexander Graf Lambsdorff, Grigorios Aggelidis, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2227 – Lage der Opposition und der freien Medien in Kambodscha V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die kambodschanische Regierung geht massiv gegen die Opposition, freie Medien und NGOs im Land vor und baut autoritäre Staatsstrukturen auf. Am 16. November 2017 hat das Oberste Gericht Kambodschas die größte Oppositionspartei, die Cambodia National Rescue Party (CNRP), aufgelöst. Dies ist nicht nur ein Verbot der einzig wirksamen Oppositionspartei, sondern auch ein Bruch des Pariser Friedensabkommens von 1991 (DIE ZEIT vom 16. November 2017,„Oberstes Gericht löst größte Oppositionspartei auf“ – online abrufbar unter www. zeit.de/politik/ausland/2017-11/kambodscha-oberstes-gericht-oppositionspartei; BBC News, 16. November 2017, „Cambodia top court dissolves main opposition CNRP party“ – online abrufbar unter www.bbc.com/news/world-asia- 42006828; Herzog, S., Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, 16. November 2017, Kambodscha kehrt zum autoritären Parteistaat zurück. Oberstes Gericht löst größte Oppositionspartei des Landes auf – online abrufbar unter www.freiheit.org/kambodscha-kehrt-zum-autoritaeren-parteistaat-zurueck; Human Rights Watch (k. a.), Cambodia: Democracy Faces Death. Diplomats and Donors Need to Act if Court Dissolves Opposition Party (k. a.) – online abrufbar unter www.hrw.org/news/2017/11/15/cambodia-democracy-faces-death). Nachdem Sem Rainsy, ehemaliger Präsident der CNRP, ins Exil nach Paris floh, wurde sein Nachfolger Kem Sokha am 3. September 2017 trotz seiner parlamentarischen Immunität verhaftet und des Hochverrats beschuldigt. Im Oktober reichte das Innenministerium Klage gegen die CNRP ein. Kern der Anklage war, dass der Präsident der CNRP, Kem Sokha, gemeinsam mit „ausländischen Elementen“ die Regierung stürzen wolle. Mehr als die Hälfe der 55 Oppositionsabgeordneten der CNRP in der Nationalversammlung musste ins Ausland fliehen. Premierminister Hun Sen hat angekündigt, dass sein Vorgehen gegen die unabhängigen Medien noch nicht beendet ist. Beispielsweise wurde der „Cambodia Daily“ nach 24 Jahren unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehungen gezwungen , am 4. September 2017 zu schließen. Zahlreiche Radiostationen, die das Rückgrat der kambodschanischen freien Medien bildeten, mussten ebenfalls schließen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2861 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Für das rigide Vorgehen gegen die Medien werden hauptsächlich zwei Gründe genannt: a. Die anstehenden Nationalwahlen im Juli 2018. Zuletzt war die CNRP bei den Kommunalwahlen so erfolgreich gewesen, dass sie 486 Kommunen von 1 646 gewann, während sie 2012 nur 40 gewonnen hatte. Alles deutete daher auf einen Sieg der Opposition bei den anstehenden Wahlen hin, was Premierminister Hun Sen offenbar auch von seinen ausländischen Politikberatern auf der Basis eigener Umfragen gesagt bekommen hatte. b. Während der Einfluss Chinas in der Region steigt, haben sich die Beziehungen zu den USA massiv verschlechtert und der westliche Einfluss im Land sinkt insgesamt. Heute ist China die mit Abstand größte Quelle für Auslandsinvestitionen geworden. Deshalb gibt es Tendenzen innerhalb der kambodschanischen Regierung, weniger Rücksicht auf westliche Kritik bezüglich der Einhaltung der demokratischen und rechtstaatlichen Standards zu nehmen . 1. Hat die Bundesregierung aufgrund des in der Vorbemerkung der Fragesteller geschilderten Sachverhaltes ihre Kritik gegenüber der kambodschanischen Regierung kundgetan? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, in welcher Form hat die Bundesregierung ihre Kritik kundgetan? Wie hat die kambodschanische Regierung darauf reagiert? Die Bundesregierung hat gegenüber Regierungsvertreterinnen und -vertretern in Kambodscha und gegenüber der Botschafterin des Königreichs Kambodscha in Deutschland bilateral sowie im Rahmen der Europäischen Union mehrfach die geschilderten Entwicklungen kritisiert. Dabei hat sie insbesondere die Freilassung des CNRP-Fraktionsführers Kem Sokha, die Aufhebung der Auflösung der Oppositionspartei CNRP sowie die Wiederzulassung der von der politischen Arbeit ausgeschlossenen 118 Oppositionsparteien gefordert. Die Bundesregierung hat an der Erarbeitung und Verabschiedung der gemeinsamen Ratsschluss-folgerungen der Europäischen Union (EU) zu Kambodscha vom 26. Oktober 2017 und vom 26. Februar 2018 intensiv mitgewirkt. Darin wird die große Sorge über die Entwicklung in Kambodscha zum Ausdruck gebracht. Die Ratsschlussfolgerungen bilden die Grundlage des weiteren Vorgehens der EU sowie der Bundesregierung zu Kambodscha (siehe www.consilium.europa.eu/en/ press/press-releases/2018/02/26/cambodia-council-adopts-conclusions/). Die entsprechenden Kritikpunkte wurden von der kambodschanischen Regierung im Sinne der Publikationen des Außenministeriums „To Tell the Truth“ und „To Tell the Truth Version 2“ (www.mfaic.gov.kh/wp-content /uploads/2018 /02/4T2- Stability-12-February-2018.pdf) erwidert. 2. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Freilassung Kem Sokhas zu erwirken und der Auflösung der CNRP entgegenzuwirken? Die Bundesregierung hat sich wiederholt in Gesprächen mit der kambodschanischen Regierung für die Freilassung von Oppositionsführer Kem Sokha eingesetzt . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2861 Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, hat die Bundesregierung nach der Verhaftung von Kem Sokha den bereits vorbereiteten Abschluss eines „Memorandum of Understanding“ mit der kambodschanischen Regierung über regelmäßige politische Konsultationen und die für Ende November 2017 geplante Deutschlandreise des kambodschanischen Innenministers Sar Kheng auf unbestimmte Zeit verschoben. 3. Plant die Bundesregierung, die bestehenden Entwicklungszusammenarbeit (EZ)-Programme mit Kambodscha zu überprüfen? Inwiefern kann und will die Bundesregierung sicherstellen, dass a) keine Programme gestrichen werden, die dem ärmsten Teil der kambodschanischen Bevölkerung zu Gute kommen und b) keine EZ-Programme direkt oder indirekt die autoritäre Regierung stärken ? Die Bundesregierung führt in allen Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit Kambodscha vertiefte Konfliktanalysen durch. Über diese wird sichergestellt , dass die Entwicklungs-zusammenarbeit weiterhin den armen und vulnerablen Teilen der Bevölkerung zugutekommt und die Vorhaben konfliktsensibel ausgestaltet werden. Bei der Ausgestaltung der durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) geförderten Programme stimmt sich die Bundesregierung eng mit den anderen europäischen Gebern ab. Das Dezentralisierungsprogramm wurde einer besonders umfassenden Prüfung unterzogen, die ergeben hat, dass die laufenden Projekte auch unter den veränderten Rahmenbedingungen weder konfliktverstärkend noch diskriminierend sind. Als Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen fördert das Programm die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Gruppen und führt die Position der Ombudsperson auf Ebene der Gemeinde- und Distrikträte ein, um diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen sicherzustellen. Auch die Analyse der Projekte zur Armutsminderung im ländlichen Raum empfahl eine Fortsetzung des Engagements bei stärkerer Einbindung der Zivilgesellschaft . Die Förderung der sozialen Absicherung im Krankheitsfall ist explizit auf die arme und vulnerable Bevölkerung ausgerichtet. Zudem hat die deutsche EZ Kambodscha in der Entwicklung und Einführung eines Instruments zur Identifizierung von Armen unterstützt („IPPoor“). Nach diesem Instrument als arm identifizierte Personen erhalten kosten- und diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen . 4. Plant die Bundesregierung Visarestriktionen gegen Premierminister Hun Sen und seine Familie, und wie sollen diese umgesetzt werden? Gibt es Pläne für Bemühungen auf europäischer Ebene, um eine bessere Wirksamkeit der Restriktionen zu garantieren? Die Bundesregierung hat ab 1. Januar 2018 folgende Visarestriktionen eingeführt : Bei Visumantragstellung von Angehörigen der Familie von Ministerpräsident Hun Sen zu privaten Zwecken wird die bevorzugte Gewährung von Terminen für die Antragstellung aufgehoben. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums mit einer Gültigkeit von mindestens sechs Monaten soll die Gültigkeitsdauer auf das zulässige Mindestmaß reduziert werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2861 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Plant die Bundesregierung gemeinsam mit den europäischen und transatlantischen Partnern eine Demarche in Pnom Penh? Wenn nein, warum nicht? Der kritische Dialog der Bundesregierung mit der kambodschanischen Regierung wird eng mit den europäischen und transatlantischen Partnern abgestimmt. 6. Welche anderen Maßnahmen werden auf europäischer Ebene diskutiert? Ist hier eine gemeinsame europäische Linie erkennbar, und falls keine europäische Linie erkennbar ist, welche Schritte unternimmt die Bundesregierung , damit es eine konzertierte europäische Antwort auf die Vorfälle in Kambodscha gibt? Auf die Antwort zu Frage 1, 2. Absatz wird verwiesen. 7. Wird es, gemäß Kenntnis des Auswärtigen Amts, für die anstehenden Nationalwahlen im Juli 2018 eine europäische Wahlbeobachtungsmission geben ? Die Bundesregierung verweist hierzu auf Nr. 5 der Ratsschlussfolgerungen der Europäischen Union vom 26. Februar 2018, auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen . 8. Wie sind die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Kambodscha? a) Steht das Everything-but-arms-Abkommen zur Disposition? Das bilaterale Handelsvolumen der EU und Kambodscha lag im Jahr 2016 bei 5,197 Mrd. Euro. Davon entfielen 4,554 Mrd. Euro auf Importe der EU aus Kambodscha und Waren im Wert von 643 Mio. Euro wurden nach Kambodscha exportiert . Ein „Everything-but-Arms“-Abkommen besteht nicht. Das „Everything But Arms“-Instrument ist ein unilaterales Angebot der Europäischen Union. Pläne der Europäischen Union, dieses in Bezug auf Kambodscha zur Disposition zu stellen, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung unterstützt das von der Europäischen Union betriebene vertiefte Monitoring der Kambodscha gewährten Zollpräferenzen. Im Rahmen des „Enhanced Engagement“ plant die EU für Juni 2018 eine Monitoring-Mission nach Kambodscha. b) Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Kambodscha nach dem Bruch des Pariser Abkommens noch die Voraussetzungen für handelspolitische Vergünstigungen erfüllt? Wenn nein, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Der Bundesregierung ist keine Regelung des Pariser Friedensabkommens bekannt , wonach handelspolitische Vergünstigungen gestrichen werden sollen, wenn Regelungen des Abkommens nicht eingehalten werden. Des Weiteren liegt die Zuständigkeit für handelspolitische Maßnahmen bei der EU. Darüber hinaus wird auf die Antworten zu den Fragen 8a und 9 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2861 9. Erwägt die Bundesregierung Sanktionen gegen die kambodschanische Textilindustrie , und werden andere handelspolitische Maßnahmen erwogen? Handelspolitische Maßnahmen liegen allein in der Zuständigkeit der Europäischen Union. Es gibt derzeit Anti Dumping-Maßnahmen der EU gegen Kambodscha: – Fahrräder und Fahrradteile (mit Ursprung in China – durch aus Kambodscha versandte Einfuhren, unabhängig von der Anmeldung als Ursprungserzeugnis Kambodschas). Die Maßnahme gegen Kambodscha läuft seit dem 20. Mai 2015 (Verordnung (EU) 2015/776; Ausweitung der Verordnung (EU) 2013/502). Eine Auslaufüberprüfung ist eingeleitet. – Zitronensäure (mit Ursprung in China – durch aus Kambodscha versandte Einfuhren , unabhängig von der Anmeldung als Ursprungserzeugnis Kambodschas). Die Maßnahme gegen Kambodscha besteht seit 14. Dezember 2017 (Amtsblatt der EU L 329/4) und läuft zum 30. November 2018 aus. Auf Basis der Verordnung (EU) Nr. 978/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen wurde am 16. März 2018 eine Schutzmaßnahmenuntersuchung betreffend die Einfuhren von Indica-Reis mit Ursprung in Kambodscha und Myanmar eingeleitet (Amtsblatt der EU C 100/30). Erwägungen der Europäischen Union hinsichtlich Sanktionen oder anderer handelspolitischer Maßnahmen gegen Kambodscha über die vorstehend aufgeführten Maßnahmen hinaus sind der Bundesregierung nicht bekannt. Zum vertieften Monitoring wird zudem auf die Antwort zu Frage 8a verwiesen. 10. Wie schätzt die Bundesregierung die Handelsbeziehungen Kambodschas zu China ein? Nach den der Bundesregierung zur Verfügung stehenden Handelszahlen betrug das bilaterale Handelsvolumen zuletzt 5,165 Mrd. US-Dollar. Kambodscha importiert mehr Waren aus China, als es nach China exportiert. Die Importe lagen bei 4,556 Mrd. US-Dollar und die Exporte bei 609,5 Mio. US-Dollar. Daneben ist China auch der größte Investor (6,3 Mrd. US-Dollar Gesamtinvestitionen) in Kambodscha und stellt seine Mittel zum größten Teil für Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung, etwa Staudämme, Straßen und Brücken. Darüber hinaus tätigt China auch Investitionen im Bereich Tourismus und ist derzeit für Kambodscha sowohl wichtigster Handelspartner als auch größter Investor. 11. Wie schätzt die Bundesregierung – insbesondere vor dem Hintergrund der kambodschanisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen – die Wirkung etwaiger europäischer Sanktionen und Interventionen, insbesondere gegen die Textilindustrie, ein? Auf hypothetische Fragen antwortet die Bundesregierung grundsätzlich nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333