Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 15. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2875 19. Wahlperiode 19.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petr Bystron, Jörn König, René Springer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2466 – Beschaffung und Verwendung des Giftstoffes Nowitschok durch den Bundesnachrichtendienst V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 16. Mai 2018 berichteten „DIE ZEIT“ und der Rechercheverbund aus „NDR“, „WDR“ und „Süddeutsche Zeitung“, dass die heute vorliegenden Erkenntnisse über den chemischen Kampfstoff Nowitschok „auf eine bis heute geheim gehaltene Operation des Bundesnachrichtendienstes“ zurückgehen. Ein „Informant des Dienstes“ habe demnach „in den Neunzigerjahren eine Probe des Stoffs“ beschafft. In diese Operation sei auch die Bundeswehr involviert gewesen (Quelle: www.zeit.de/politik/ausland/2018-05/geheimdienst-nowitschokbnd -nervengift-russland). Weiter heißt es in der Zeitung „DIE ZEIT“: „Mit Wissen von Kanzleramt und Bundesverteidigungsministerium wurde die Probe deshalb in einem Labor in Schweden analysiert, nur die Formel wurde an den BND und das Vereidigungsministerium übermittelt. Was aus der Probe wurde, ist unklar, die schwedische Regierung erklärte auf Anfrage, sie könne den Vorgang in der Kürze der Zeit nicht aufklären.“ Der Giftstoff Nowitschok soll im März 2018 im britischen Salisbury eingesetzt worden sein, um den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter zu vergiften. Für den C-Waffen-Angriff machte der Bundesminister des Auswärtigen Heiko Maas die russische Regierung verantwortlich. Begründet wurde die Anschuldigung auch damit, dass nur Russland über den in der ehemaligen Sowjetunion entwickelten Stoff verfügen würde. Das aber stimmt laut Medienberichten nicht: „Spätestens seit diesem Zeitpunkt, laut den Artikeln in den späten Neunzigerjahren, verfügten also nicht nur Deutschland, sondern auch die USA, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Kanada über die Zusammensetzung und eine Probe des neuen Kampfstoffs . Möglicherweise stellten sie ihn sogar selber in kleinen Mengen her und tüftelten an Schutzmaßnahmen für die eigenen Truppen im Fall einer Konfrontation mit Russland.“ (Quelle: www.spiegel.de/politik/deutschland/nervengiftnowitschok -bnd-beschaffte-probe-in-den-neunzigerjahren-a-1208117.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2875 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Gegenstand der Fragen 1, 2, 6 und 7 sind solche Informationen, die in besonders hohem Maße das Staatswohl berühren und daher selbst in eingestufter Form nicht beantwortet werden können. Das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wird durch gleichfalls Verfassungsrecht genießende schutzwürdige Interessen wie das Staatswohl begrenzt. Eine Offenlegung der angefragten Informationen in diesem konkreten Einzelfall birgt die Gefahr, dass Einzelheiten zur konkreten Methodik, zu spezifischen Fähigkeiten , zur Leitungsfähigkeit und zum Kenntnisstand des Bundesnachrichtendienstes und von ausländischen Partnerdiensten bekannt würden. Infolgedessen könnten sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure Rückschlüsse auf spezifische Vorgehensweisen und Fähigkeiten des Bundesnachrichtendienstes sowie von ausländischen Partnerdiensten gewinnen. Würden in der Konsequenz eines Vertrauensverlustes insbesondere Informationen von ausländischen Stellen entfallen oder wesentlich zurückgehen, entstünden signifikante Informationslücken mit negativen Folgewirkungen für die Genauigkeit der Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf den Schutz deutscher Interessen. Dies würde folgenschwere Einschränkungen der Informationsgewinnung bedeuten, womit letztlich der gesetzliche Auftrag des Bundesnachrichtendienstes – die Sammlung und Auswertung von Informationen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind (§ 1 Absatz 2 BNDG) – nicht mehr erfüllt werden könnte. Die Gewinnung von auslandsbezogenen Informationen ist für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes jedoch unerlässlich. Eine Offenlegung der angefragten Informationen zu Frage 7 birgt in diesem konkreten Einzelfall überdies die Gefahr, dass Einzelheiten über schutzwürdige Interessen unseres Staates sowie die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Bundeswehr bekannt würden. Im Hinblick auf die mögliche Gefährdung des Schutzes der deutschen Bevölkerung, im Allgemeinen – und der Angehörigen der Bundeswehr im Besonderen – die bei Bekanntwerden von Einzelheiten aufgrund der einzigartigen physikalisch- chemischen und biologischen Eigenschaften der erwähnten Substanzen gegeben wären, hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann. Eine VS-Einstufung und Hinterlegung der angefragten Informationen in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages würde ihrer erheblichen Brisanz im Hinblick auf die Bedeutung für die Aufgabenerfüllung und Funktionsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes und der Bundeswehr nicht ausreichend Rechnung tragen. Die angefragten Inhalte beschreiben die Fähigkeiten und Arbeitsweisen sowie die Kenntnisstände des Bundesnachrichtendienstes und der Bundeswehr so detailliert, dass eine Bekanntgabe auch gegenüber einem begrenzten Kreis von Empfängern ihrem Schutzbedürfnis nicht Rechnung tragen kann. Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass die erbetenen Informationen derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen berühren, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht wesentlich überwiegt. Insofern muss ausnahmsweise das Fragerecht der Abgeordneten gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2875 1. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es die von den Medien beschriebene Operation des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur Beschaffung des Kampfstoffes Nowitschok gegeben hat? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über diese Operation vor? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 3. Welchen Geheimhaltungsfristen unterliegen die Informationen des BND zum Thema Nowitschok und der Operation des BND? Die VS-Einstufung sämtlicher Verschlusssachen des Bundesnachrichtendienstes mit dem Geheimhaltungsgrad VS-VERTRAULICH oder höher wird spätestens nach 60 Jahren aufgehoben, sofern auf der Verschlusssachen keine kürzere Frist bestimmt ist. Diese Frist kann in besonderen Ausnahmefällen mit Zustimmung des Bundeskanzleramtes über 60 Jahre hinaus verlängert werden. 4. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wie die Journalisten von „DIE ZEIT“, „Süddeutsche Zeitung“, „NDR“ und „WDR“ an die Informationen des BND gelangen konnten? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 5. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass während dieser Operation eine Probe des Giftstoffes Nowitschok in den Besitz des BND überging? Die Beantwortung der Frage kann aus Staatswohlgründen nicht in offener Form erfolgen. Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen erhalten, die im Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik des Bundesnachrichtendienstes und insbesondere seinen Aufklärungsfähigkeiten und Analysemethoden stehen. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen des Bundesnachrichtendienstes sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrages aus § 1 Absatz 2 BNDG besonders schutzwürdig. Sie dienen der Aufrechterhaltung der Effektivität nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung durch den Einsatz spezifischer Fähigkeiten und damit dem Staatswohl. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten betreffend solcher Fähigkeiten würde zu einer wesentlichen Schwächung der den Nachrichtendiensten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für die Auftragserfüllung des Bundesnachrichtendienstes erhebliche Nachteile zur Folge haben . Sie kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Insofern könnte die Offenlegung die Sicherheit Deutschlands gebärden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem VS-Grad „VS – Geheim“ eingestuft.* * Das Bundeskanzleramt hat die Antwort als „VS – Geheim“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2875 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Welches Ziel verfolgte der BND mit der Beschaffung der Probe? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Giftstoff Nowitschok gewonnen? Die Bundeswehr befasst sich im Rahmen ihres verfassungsrechtlichen Auftrages und der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages und in Übereinstimmung mit internationalen Verträgen, wie u. a. dem Chemiewaffenübereinkommen , mit der Abwehr von und dem Schutz vor chemischen, biologischen , radiologischen und nuklearen Kampfstoffen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 8. Welche konkreten Beweise liegen der Bundesregierung mittlerweile für eine Verwicklung der russischen Regierung in den Anschlag vor? 9. Ist die Bundesregierung weiterhin überzeugt, dass die Verantwortung für den Angriff auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in England bei der russischen Regierung zu suchen ist? Die Fragen 8 und 9 werden zusammen beantwortet: Die britische Regierung hat der Bundesregierung detailliert dargelegt, weshalb die Verantwortung Russlands sehr wahrscheinlich ist und es keine andere plausible Alternative gibt. Dieser Schluss hat weiterhin Bestand und basiert sowohl auf der Analyse der Proben als auch auf weiteren Erkenntnissen. Die Bundesregierung stimmt mit dieser Einschätzung der britischen Regierung überein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333