Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 19. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2886 19. Wahlperiode 20.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Reichardt, Mariana Iris Harder-Kühnel, Frank Pasemann, weiterer abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2506 – Demographiefeste und verfassungskonforme Umgestaltung des Gesamtsystems der sozialen Sicherung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Deutschland hat ein demographisches Problem, nämlich die Alterung der Gesellschaft und permanente Schrumpfung der jungen und mittleren Jahrgangsgruppen (www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/04/PD15_ 153_12421.html). Hauptursache ist die seit Jahrzehnten zu niedrige Geburtenrate von derzeit 1,59 Kindern pro Frau in Bezug auf die Gesamtfruchtbarkeitsrate von 2,1 Geburten pro Frau als natürliche Reproduktionsrate (Eurostat: http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Population_statistics_ at_regional_level/de). Die demographische Krise ist unauflöslich mit den Verwerfungen der sozialen Sicherungssysteme (gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung) verschränkt. Eine bloße Reform der sozialen Sicherungssysteme ohne flankierende Erhöhung der Geburtenrate löst das Problem der Vergreisung der Gesellschaft nicht. Der seit langem beschrittene Weg, die im Inland nicht bzw. zu wenig Geborenen durch im Ausland geborene Bevölkerungsgruppen aus fremden Kulturen kompensieren zu wollen, zeitigt gewaltige Folgeprobleme in Form einer schwindenden Kohäsionskraft der Gesellschaft. Andererseits sind aus Migrationsprozessen positive demographische Effekte einer Verjüngung erst bei einer Größenordnung zu erwarten, welche selbst die Zuwanderung des Jahres 2015 in den Schatten stellt. Die Bevölkerungswissenschaft nennt die Zahl von 188 Millionen jungen Zuwanderern bis zum Jahr 2050, bezogen auf 2001 als prognostisches Ausgangsjahr und damit also deutlich mehr als 3 Millionen Zuwanderer p. a. über Jahrzehnte hinweg (Herwig Birg, zit. n. BVerfG v. 3. April 2001, 1 BvR 1629/94, Rz. 65 a. E.). Die sozio-demographischen Gefahren und Unzulänglichkeiten einer solchen nach Auffassung der Fragesteller pseudo-kompensatorischen Einwanderungspolitik für Deutschland werden freilich nicht breit und unvoreingenommen diskutiert . Demgegenüber erbringen insbesondere deutsche und gut integrierte nicht deutsche Eltern finanzielle Aufwendungen und Erziehungsleistungen zugunsten der nachwachsenden Generationen als Träger des Drei-Generationen- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2886 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode vertrages („generative Leistungen“), ohne dabei die erwähnten negativen kulturellen Folgewirkungen auszulösen. Das Bundesverfassungsgericht fordert einen „Beitragsabstand“ bei den Beitragszahlungen der Menschen mit und ohne Kinder durch Reformen des gesamten sozialen Sicherungssystems (vgl. BVerfGE 103, 242 ff.). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g : Die Bundesregierung teilt die der Kleinen Anfrage zugrunde gelegten Prämissen nicht. Modellrechnungen wie die von den Fragestellern zitierte Projektion einer langfristig stabilen Altersstruktur der Bevölkerung stellen keine realistische Entwicklung dar und sind auch keine Zielvorgabe der Bundesregierung. Eine in der Vorbemerkung der Fragesteller unterstellte Einwanderungspolitik im Sinne einer Aufrechnung von Geburtenzahlen und Zuwanderung mit dem Ziel einer Kompensation findet nicht statt. Weiterhin ist die Interpretation der Fragesteller, das Bundesverfassungsgericht fordere die Herstellung eines so genannten Beitragsabstands im gesamten System der sozialen Sicherung, nicht zutreffend. Die Bundesregierung hat bereits in der 15. Wahlperiode mögliche Auswirkungen des zitierten Bundesverfassungsgerichtsurteils (BVerfGE 103, 242 ff.) auf die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche Krankenversicherung und die gesetzliche Unfallversicherung sorgfältig geprüft (vgl. Bundestagsdrucksache 15/4375). Nach dem Ergebnis dieser Prüfung ist die in der sozialen Pflegeversicherung für erforderlich gehaltene beitragsrechtliche Differenzierung zwischen kindererziehenden und kinderlosen Pflichtbeitragszahlern nicht auf andere Zweige der Sozialversicherung zu übertragen. In diesem Prüfergebnis spiegelt sich auch der dem Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zugebilligte große Spielraum wider, wie die Betreuungs -und Erziehungsleistung von beitragspflichtigen Versicherten mit Kindern zu berücksichtigen ist. Die Bundesregierung erkennt keinen Anlass, von diesem Prüfungsergebnis abzuweichen. 1. Wie gewichtet die Bundesregierung die für den Fortbestand der Gesellschaft und der sozialen Sicherungssysteme erbrachten doppelten Leistungen von Familien mit Kindern in Form von (zusätzlichen) Erziehungsleistungen im Verhältnis zu den rein monetären Beiträgen Kinderloser? 2. Strebt die Bundesregierung den vom Bundesverfassungsgericht geforderten „Beitragsabstand“ bei den Beitragszahlungen der Menschen mit und ohne Kinder auch bei der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung an? Antwort auf die Fragen 1 und 2: Grundsätzlich wird auf die Schlussfolgerungen der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 15/4375 verwiesen. Aus Sicht der Bundesregierung besteht in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Notwendigkeit, über die dort schon verankerten beitrags- und leistungsrechtlichen Regelungen zugunsten von Familien mit Kindern hinausgehend neue Regelungen zu treffen. Insbesondere die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Jugendlichen sowie Ehepartnern ohne eigenes Einkommen entlastet Familien in ganz erheblichem Umfang. Darüber hinaus werden von der gesetzlichen Krankenversicherung viele familienpolitische Leistungen erbracht (u. a. Leistungen bei Schwangerschaft, Mutterschaft, Vorsorge und Rehabilitation für Mütter und Väter, Krankengeld bei Erkrankung des Kindes). Ferner sind Kinder von Zuzahlungen ausgenommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2886 Für die gesetzliche Rentenversicherung hat das Bundessozialgericht wiederholt entschieden , dass die der Beitragsbemessung zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen der Rentenversicherung nicht gegen das Grundgesetz verstoßen (vgl. zuletzt das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Juli 2017, Az.: B 12 KR 14/15 R). Wichtig ist aber zu betonen, dass mit der Entscheidung keineswegs den Familien die notwendige und richtige Unterstützung versagt wird. Es bleibt der richtige Weg, im Rentenrecht im Rahmen der Leistungsgewährung die Erziehungsleistung zu honorieren. 3. Strebt die Bundesregierung eine für den Fortbestand der Bindungskräfte unserer deutschen Gesellschaft und der sozialen Sicherungssysteme ausreichende Höhe der Geburtenrate an? Wenn ja, mit welchen Mitteln? Wenn nein, aus welchen Gründen nicht? Nein. Ziel der Bundesregierung ist es, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und Menschen mit Kinderwunsch eine Familiengründung und -erweiterung zu erleichtern . Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Partner und eine gut ausgebaute Kinderbetreuung sind – und das zeigen internationale Vergleiche – die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass Paare sich für Kinder entscheiden und ein Familienleben gelingen kann. Eine einzelne Maßnahme, die die Geburtenrate im Alleingang erhöht, gibt es nicht. Besonders wichtig sind gut aufeinander abgestimmte Maßnahmen. Deutschland setzt in der Familienpolitik daher auf eine enge Verknüpfung von finanziellen, infrastrukturbezogenen und zeitpolitischen Maßnahmen. So bilden das Elterngeld mit den Partnermonaten, das neue Elterngeld Plus und der Partnerschaftsbonus , der qualitative und quantitative Ausbau der Kinderbetreuung, der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr des Kindes sowie das Engagement – gemeinsam mit der Wirtschaft – für flexiblere Arbeitszeiten wichtige Rahmenbedingungen, damit sich Paare ihre Kinderwünsche erfüllen können und die nötige Unterstützung erhalten. 4. Beabsichtigt die Bundesregierung, die aus Sicht der Fragesteller seit Jahrzehnten betriebene Politik fortzusetzen, mit Zuwanderungen, die im Inland fehlenden Geburten ersetzen zu wollen? Nimmt die Bundesregierung die Auswirkungen der Tatsache in Kauf, dass die Geburtenrate der Zugewanderten höher ist als die der Deutschen, mit der Folge, dass die Zahl der Deutschen wegen ihrer Sterbeüberschüsse sinkt, die Zahl der Zugewanderten hingegen im Grad ihrer Geburtenüberschüsse steigt? Es gibt eine solche Politik nicht. Die aktuelle Zuwanderung wird die Alterung der Bevölkerung nicht wesentlich verlangsamen. Der Alterungsprozess der Bevölkerung ist ein langfristiges demografisches Phänomen. Bei Migranten aus Herkunftsländern mit einer höheren Geburtenrate nähert sich diese in der zweiten und dritten Migrantengeneration an die der Deutschen an. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333