Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 20. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2931 19. Wahlperiode 21.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Keuter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2543 – Besetzung von Bundesrichterstellen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bundesrichterstellen werden in Deutschland nicht öffentlich ausgeschrieben. Es erhalten derzeit ausschließlich die Kandidaten einen Zugang zu einem hohen öffentlichen Richteramt, die von bestimmten Ministern der einzelnen Bundesländer (16) und von bestimmten vom Bundestag gewählten Vertretern (16) vorgeschlagen werden (Richterwahlausschuss). Nach Artikel 95 Absatz 2 GG entscheidet über die Berufung der Bundesrichter der für das jeweilige Sachgebiet zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss, der aus den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestag gewählt werden. Einfachgesetzliche Regelung wird dies ins § 10 Richterwahlgesetz ausgeführt. Artikel 95 Absatz 2 GG beschränkt damit die Personengewalt der Bundesminister, aber nicht das Grundrecht jedes Deutschen auf „gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“. Das Spezialgrundrecht des Artikel 33 Absatz 2 GG auf Chancengleichheit bindet, genau wie das allgemeine Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 3 Absatz 1 GG), Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (vgl. Artikel 1 Absatz 3 GG). Dr. Frank Schweizer-Nürnberg, Chefredakteur der Zeitschrift „Mittelstand“, kritisierte diese Art der Richterernennung in der Ausgabe Mi 05/15 vom 2. März 2015 („Werden Bundesrichter verfassungswidrig gewählt?“). Ebenso beklagt der SPIEGEL in 25/2015 S. 53 („Richter gegen Richter“) und der Deutsche Richterbund in Haufe Online vom 3. August 2017 („Alle reden über Polen: Wie werden in Deutschland die Richter ausgewählt?), einen zunehmenden Einfluss der Exekutive auf die Justiz. Auch international steht die deutsche Bundesrichter-Berufung in der Kritik. So ist der Zeitung DIE WELT vom 25. Januar 2018 (www. welt.de/politik/ausland/article172830294/Mateusz-Morawiecki-Polen-findetsein -Justizsystem-unabhaengiger-als-das-deutsche.html) zu entnehmen, dass Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki das polnische Justizsystem für unabhängiger hält als das deutsche; als Beispiel nennt er den Richterwahlausschuss : „Da sitzen nur Politiker drin. Deutschland steht nicht im Einklang mit den Vorschlägen der Venedig-Kommission des Europarats. Das polnische System erfüllt diese Kriterien deutlich besser. Dort sind 15 von 25 Ausschussmitgliedern Richter“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2931 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Am 5. Juli 2018 wählt der Richterwahlausschuss des Deutschen Bundestags erneut Personen in hohe öffentliche Richterämter, ohne dass zuvor eine öffentliche Stellenausschreibung stattgefunden hat. 1. Nach welchen Kriterien schlagen die Vertreter des Richterwahlausschusses die zur Wahl stehenden Personen vor? Das Wahlvorschlagsrecht steht allen Mitgliedern des Richterwahlausschusses zu. Jedes Mitglied ist in dieser Frage frei. Grundsätzlich können in das Amt einer Bundesrichterin oder eines Bundesrichters nur Personen berufen werden, die die Voraussetzungen von §§ 9 und 10 des Deutschen Richtergesetzes erfüllen und ein Mindestalter von 35 Jahren haben (§ 125 Absatz 2 Gerichtsverfassungsgesetz, § 42 Absatz 2 Arbeitsgerichtsgesetz, § 15 Absatz 3 Verwaltungsgerichtsordnung, § 14 Absatz 2 Finanzgerichtsordnung , § 38 Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz und der Bundesminister für Arbeit und Soziales schlagen die von ihnen benannten Kandidatinnen und Kandidaten nach den Kriterien Eignung, Leistung und Befähigung vor. 2. Werden bei der Auswahl der zur Wahl stehenden Personen die in der Verfassung festgeschriebenen Gleichbehandlungsgrundsätze gemäß Artikel 3 Absatz 3 S. 2 GG in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 3 GG in ausreichender Form beachtet, insbesondere hinsichtlich dessen, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf? Ja. 3. Konnten sich die zur Wahl stehenden Personen vorab bei den Abgeordneten bewerben? Ja. Es steht jedem potentiellen Kandidaten frei, sich frühzeitig unmittelbar an vorschlagsberechtigte Mitglieder des Richterwahlausschusses zu wenden. 4. Wie werden potentiell geeignete Personen über die Wahl der Bundesrichterstellen (ihr passives Wahlrecht) in Kenntnis gesetzt? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz informiert die Öffentlichkeit regelmäßig und zeitnah zum Start des Verfahrens über die Wahl von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern durch eine Pressemitteilung, die unter anderem auf seiner Homepage veröffentlicht wird. Dies erfolgt unter Angabe der jeweiligen Anzahl der zu wählenden Richte-rinnen und Richter bei den fünf obersten Bundesgerichten (Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof , Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht). Ferner wird zugleich über den Kreis der Vorschlagsberechtigten und die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses informiert. 5. Aus welchem Grund gibt es kein (transparentes) Bundesrichter-Bewerbungsverfahren ? Die Frage unterstellt, dass es kein transparentes Bewerbungsverfahren für Bundesrichterinnen und Bundesrichter gebe. Diese Ansicht teilt die Bundesregierung nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2931 Wie in den Antworten zu den Fragen 3 und 4 ausgeführt, haben alle passiv Wahlberechtigten die Möglichkeit, sich an vorschlagberechtigte Mitglieder des Richterwahlausschusses zu wenden. 6. Verstößt nach Ansicht der Bundesregierung die derzeitige Praxis der Ernennung der Bundesrichter gemäß § 10 Richterwahlgesetz gegen den höherrangigen Artikel 33 Absatz 2 GG? Nein. 7. Wenn nein, wie ist die faktische Einschränkung des Artikel 33 Absatz 2 GG, nämlich die ohne Ausschreibung erfolgten Bewerbervorschläge, aus Sicht der Bundesregierung zu rechtfertigen? Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) verlangt keine Ausschreibung öffentlicher Stellen, sondern lässt das Verfahren, mittels dessen der materielle Grundsatz der Bestenauslese umgesetzt wird, offen (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Oktober 1978 – 6 P 6.78 –, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 56, 324 ff., und vom 25. September 2014 – 1 WB 7.14 –, juris, Rdnr. 17 m. w. Nachw.). Das Bundesverfassungsgericht hat das geltende Verfahren zur Wahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Rahmen seiner Entscheidung vom 20. September 2016 (2 BvR 2453/15 – Entscheidungen Bundesverfassungsgericht (BVerf GE) 143, 22) überprüft und nicht beanstandet. Es hat in dieser Entscheidung näher ausgeführt, dass Artikel 95 Absatz 2 GG ein aus zwei Akteuren (Bundesminister und Wahlausschuss) bestehendes System ebenso vorgibt wie die Wahl im Berufungsausschuss. Danach ist die Berufung von Richterinnen und Richtern an den obersten Gerichtshöfen des Bundes zwar an Artikel 33 Absatz 2 GG zu messen , aber das durch Artikel 95 Absatz 2 GG vorgegebene Wahlverfahren bedingt Modifikationen gegenüber rein exekutivischen Auswahl- und Beförderungsentscheidungen (BVerfGE 143, 22, LS 1). 8. Welchen Einfluss hat nach Ansicht der Bundesregierung die Exekutive der Länder, vertreten durch die jeweilig zuständigen Landesminister, bei den Vorschlägen und Wahlen? Die für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministerinnen und Minister der Länder sind Mitglieder kraft Amtes des Richterwahlausschusses, vgl. Artikel 95 Absatz 2 GG und § 3 Richterwahlgesetz. Als Mitglieder des Richterwahlausschusses sind sie berechtigt Wahlvorschläge einzubringen, § 10 Richterwahlgesetz, und an der Wahl teilzunehmen. 9. Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung die Ungleichbehandlung zwischen dem Bewerbungsverfahren für Richter an Gerichten, die nicht Bundesgerichte sind, und dem Ernennungsverfahren von Bundesrichtern gerechtfertigt werden? Der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt in seinem Zuständigkeitsbereich und steht unterschiedlichen Bundes- und Landesregelungen deshalb nicht entgegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2931 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Aus welchem Grund werden deutsche Richterstellen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte öffentlich ausgeschrieben (Aufruf des Bundesministeriums der Justiz im Jahr 2009 auf https://ssl.bmj.de/enid), Bundesrichterstellen jedoch nicht? Die Fragestellung unterstellt, dass die Wahl zur Besetzung freier Stellen an obersten Gerichtshöfen des Bundes nicht öffentlich bekannt gemacht wird. Dies ist unzutreffend (auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen). Gleichermaßen informiert die Bundesregierung öffentlich über anstehende Wahlen zur Besetzung der deutschen Richterstelle am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Bundesregierung obliegt es, nach Artikel 22 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates eine Liste von drei Kandidatinnen oder Kandidaten zur Wahl vorzulegen. Die Wahl der Richterin oder des Richters erfolgt durch die Parlamentarische Versammlung des Europarates. Die öffentliche Ausschreibung der Bewerbung für die Kandidatenliste entspricht den Vorgaben der Parlamentarischen Versammlung. 11. Plant die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative, wonach Bundesrichterstellen , wie alle anderen Richterstellen, in einem transparenten, fairen Ausschreibungs - und Bewerbungsverfahren mit erkennbaren Bewerbungsfristen vergeben werden? Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, das durch das Grundgesetz und das Richterwahl-gesetz vorgegebene Verfahren zu ändern. Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 12. Wenn nein, was spricht aus Sicht der Bundesregierung gegen die Einführung eines einheitlichen Bewerbungsverfahrens, anhand dessen die persönliche und fachliche Eignung der Kandidaten festgestellt werden könnte? Auf die Antworten zu Frage 7 und 11 wird verwiesen. Die fachliche und persönliche Eignung der Kandidatinnen und Kandidaten zu überprüfen, ist nach geltendem Recht Aufgabe des Richterwahlausschusses (§ 11 Richterwahlgesetz). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333