Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 20. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2936 19. Wahlperiode 22.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Der Abgeordneten Irene Mihalic, Lisa Badum, Dr. Franziska Brantner, Luise Amtsberg, Canan Bayram, Britta Haßelmann, Katja Keul, Monika Lazar, Dr. Konstantin von Notz, Filiz Polat, Tabea Rößner, Dr. Manuela Rottmann und der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Europäische Zusammenarbeit im Katastrophenschutz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im November 2017 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag unterbreitet , wie der europäische Katastrophenschutz gestärkt werden könnte (Europäische Kommission, 23. November 2017). Im Mittelpunkt des Vorschlags steht die Ergänzung des Europäischen Katastrophenschutzpools durch eigene europäische Katastrophenschutzkapazitäten, der sogenannten rescEU. Darüber hinaus soll eine besserer Katastrophenvorsorge und -prävention in den Mitgliedstaaten erreicht werden. Die Vorschläge der Europäischen Kommission zielen vor allem darauf ab, adäquat auf zunehmende Naturkatastrophen zu reagieren, die insbesondere in Folge der Klimakrise zu erwarten sind (Europäische Kommission , 23. November 2017). Nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller ist eine verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und weiterer am europäischen Katastrophenschutzverfahren beteiligten Staaten dringend geboten. Dies würde die Länder insbesondere in die Lage versetzen, Katastrophen, die größere Landesteile oder mehrere Mitgliedstaaten betreffen, besser zu begegnen. Des Weiteren könnten gemeinsam Präventivmaßnahmen ergriffen werden, um beispielsweise einen wirksameren Hochwasserschutz zu realisieren. Die Maßnahmen der Europäischen Kommission müssen dazu allerdings so umgesetzt werden, dass sie in den vornehmlich von Freiwilligen getragenen Katastrophenschutz in Deutschland umgesetzt werden können und so tatsächlich eine ergänzende und unterstützende Wirkung entfalten können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2936 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Inwiefern können nach Einschätzung der Bundesregierung eine engere Zusammenarbeit im europäischen Katastrophenschutz und die Bildung gemeinsamer Kapazitäten bei der Bewältigung von Katastrophen und insbesondere Naturkatastrophen helfen? 2. Wie beurteilt die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Pläne, den europäischen Katastrophenschutz zu stärken und das Katastrophenschutzverfahren der Europäischen Union weiterzuentwickeln (Europäische Kommission, 23. November 2017)? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung und die in Deutschland für den Katastrophenschutz zuständigen Länder unterstützen das Anliegen der EU-Kommission, das Katastrophenschutzverfahren in Europa (Unionsverfahren) zu stärken und setzen sich bei den Verhandlungen des Vorschlags der EU-Kommission vom 23. November 2017 im Rat der EU dafür ein, das Unionsverfahren zu optimieren und effizienter auszugestalten . Gleichzeitig werden wesentliche Regelungen des Vorschlags der EU- Kommission kritisch gesehen bzw. wird erheblicher Optimierungsbedarf erkannt. Das aktuelle Unionsverfahren in seiner Fassung vom 17. Dezember 2013 (Beschluss Nr. 1313/2013/EU) hat sich nach Auffassung der Bundesregierung bewährt und hat insbesondere durch die mit der letzten Revision des Verfahrens neu geschaffene Europäische Notfallbewältigungskapazität (freiwilliger Pool von Bewältigungskapazitäten ) dazu beigetragen, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der EU zu vertiefen und zu verstärken. Zu diesem Schluss kommt auch der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht Nr. 33/2016 („Katastrophenschutzverfahren der Union: die Koordinierung der Maßnahmen zur Bewältigung von Katastrophen außerhalb der EU war weitgehend wirksam“) vom 18. Januar 2017. Auch die EU-Kommission stellt in ihrer Zwischenbewertung des Unionverfahrens für den Zeitraum 2014 bis 2016 (KOM(2017) 460) fest, dass das Katastrophenschutzverfahren auf einem guten Weg ist, seine Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund sieht die Bundesregierung aktuell keinen Bedarf für eine strukturelle Änderung und Erweiterung des Unionsverfahrens, wie es der Vorschlag der EU-Kommission insbesondere durch die Schaffung von rescEU mit EU-eigenen Bewältigungskapazitäten vorsieht. Aus Sicht der Bundesregierung und der Länder (siehe Beschluss des Bundesrates vom 2. März 2018, Bundesratsdrucksache Nr. 757/17) darf das Konzept von rescEU insbesondere nicht dazu führen, dass notwendige eigene Anstrengungen der originär verantwortlichen Mitgliedstaaten zur Schaffung eines widerstandsfähigen nationalen Katastrophenschutzsystems eingestellt oder reduziert werden. Um eine wirksame Stärkung des Katastrophenschutzsystems in Europa zu erreichen, muss ein Konzept von rescEU in seiner konkreten Ausgestaltung auf die nationalen Systeme aufbauen, diese ergänzen und die dort gesammelten Erfahrungen berücksichtigen. Diese Erfahrungen zeigen insbesondere, dass operative Entscheidungen möglichst nahe am Ort des Geschehens getroffen werden müssen, um bestehende Katastrophenlagen wirksam zu bewältigen. Aus Sicht der Bundesregierung ist daher die vorgesehene Übertragung von Einsatz- und Kommandoentscheidungen von den im Katastrophenschutz erfahrenen nationalen Katastrophenschutzbehörden auf die EU-Kommission nicht sinnvoll. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2936 Zudem weist Artikel 196 AEUV der EU im Katastrophenschutz lediglich koordinierende und ergänzende Aufgaben zur Unterstützung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu. Das für rescEU vorgeschlagene System birgt jedoch solchen Handlungsspielraum, dass die EU-Kommission mit EU-eigenen Bewältigungskapazitäten als selbständig agierende EU-Katastrophenschutzeinheit auftreten kann, was nicht mit Artikel 196 AEUV zu vereinbaren wäre. 3. Wie beurteilt die Bundessregierung die am 31. Mai 2018 vom Europäischen Parlament beschlossenen Änderungen des Vorschlags der Europäischen Kommission vom 23. November 2017 zur Stärkung des europäischen Katastrophenschutzes und zur Weiterentwicklung des Katastrophenschutzverfahrens der Europäischen Union (Europäisches Parlament, 31. Mai 2018)? 4. Wie wird sich die Bundesregierung zum Beschluss des Europäischen Parlaments zur Weiterentwicklung des Katastrophenschutzverfahrens der Europäischen Union vom 31. Mai 2018 im Ministerrat verhalten? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Zu den vom Europäischen Parlament beschlossenen Änderungen des Vorschlags der EU-Kommission hat die Bundesregierung die Prüfung und Bewertung noch nicht abgeschlossen. 5. Wie beurteilt die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Pläne, eine auf europäischer Ebene angesiedelte Reserve von Katastrophenschutzkapazitäten („rescEU“) einzurichten (Europäische Kommission, 23. November 2017)? 6. Inwiefern wird die Einrichtung von „rescEU“ durch die Bundesregierung unterstützt? Die Fragen 5 und 6 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. 7. Wie beurteilt die Bundesregierung den von der Europäischen Kommission (a. a. O.) vorgeschlagenen Aufbau von Kapazitäten zur Unterstützung von nationalen Kapazitäten in den Bereichen a) Löschflugzeuge, b) Sonderwasserpumpen, c) Ausrüstungen für Such- und Rettungsmaßnahmen und d) Feldlazaretten und medizinische Notfallteams? 8. Plant die Bundesregierung einen Auf- bzw. Ausbau von nationalen Kapazitäten in den von der Europäischen Kommission vorgebrachten Bereichen? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2936 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Inwiefern könnte eine europäische Reserve von Katastrophenschutzkapazitäten aus Sicht der Bundesregierung den nationalen Katastrophenschutz insbesondere um Schlüsselfähigkeiten, wie zum Beispiel zur Bewältigung von CBRN-Lagen (chemische, biologische, radioaktive und nukleare), ergänzen ? Die Fragen 7, 8 und 9 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung sieht die Anschaffung gemeinschaftlicher Kapazitäten wie in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 dargelegt kritisch. Dies gilt grundsätzlich auch für die von der EU-Kommission konkret vorgeschlagenen Bewältigungskapazitäten . Die für den Katastrophenschutz zuständigen Länder und der für den Zivilschutz zuständige Bund sind mit dem Ziel, den Schutz der Bevölkerung zukunftsfähig zu gestalten, in einem ständigen Austausch darüber, in welchen Bereichen Auf- und Ausbau nationaler Bewältigungskapazitäten erforderlich sind. 10. Wie lassen sich nach Ansicht der Bundesregierung eigenständige europäische Katastrophenschutzkapazitäten in nationale Kapazitäten integrieren? Die Integration von EU-eigenen Bewältigungskapazitäten in die nationalen Katastrophenschutzsysteme und deren effizienter Einsatz wird aus den in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 dargelegten Gründen als problematisch angesehen. Dabei positioniert sich die Bundesregierung nicht grundsätzlich gegen den Ausbau einer EU-Finanzierung von Katastrophenschutzressourcen, sondern setzt sich dafür ein, dass die EU-finanzierten Ressourcen in der Verfügungsgewalt der Mitgliedstaaten bleiben. Das aktuelle EU-Katastrophenschutzverfahren sieht die Möglichkeit der Ko-Finanzierung von Bewältigungskapazitäten der Mitgliedstaaten bereits vor. 11. Wie viele Fälle von grenzüberschreitender Zusammenarbeit im Katastrophenschutz , zur Bewältigung von grenzüberschreitenden Lagen, gab es in den letzten zehn Jahren in Deutschland (bitte nach Jahr, Schadensereignis sowie beteiligten Katastrophenschutzorganisationen aufschlüsseln)? 12. Wie ist die Einsatzleitung im Fall eines grenzüberschreitenden Katastrophenfalls geregelt? 13. Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit im europäischen Katastrophenschutz, und könnte diese durch den Aufbau gemeinsamer Kapazitäten verbessert werden? Die Fragen 11, 12 und 13 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bund kann wegen seiner eng beschriebenen Kompetenz zur Abwehr kriegsbedingter Gefahren hierzu keine abschließende Beurteilung abgeben. Grenzüberschreitende Einsätze der alltäglichen kommunalen Gefahrenabwehr werden bundesseitig nicht erfasst. Das Unionsverfahren wurde für Einsatzlagen innerhalb von Deutschland bisher noch nicht genutzt. Auch wenn die Bundesrepublik seit Jahrzehnten insbesondere mit allen Anrainerstaaten bilaterale Abkommen über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen und Unglücksfällen geschlossen hat, liegen die konkrete Ausführung und alle Zahlen und Angaben dazu in der Zuständigkeit der Länder. Allerdings hat die Bundesregierung im Bereich des europäischen Katastrophenschutzes positive Er- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/2936 fahrungen mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit gemacht, sowohl auf bilateraler Ebene, als auch im Rahmen des Unionverfahrens. So organisiert beispielsweise das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im zweijährigen Rhythmus eine sogenannte „Anrainertagung“, welche die Gelegenheit eröffnet , Aspekte der Kooperation zwischen Deutschland und seinen Anrainerstaaten zu diskutieren. Auch als hilfeleistender Staat innerhalb des Unionsverfahrens sind die Erfahrungen insgesamt als positiv zu werten. So hält etwa die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk mittlerweile 15 unterschiedliche Bewältigungskapazitäten für das Unionsverfahren vor. 14. Wie beurteilt die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Stärkung der Katastrophenprävention und -vorsorge (Europäische Kommission, 23. November 2017)? 15. Inwiefern könnten nach Einschätzung der Bundesregierung eine engere europäische Zusammenarbeit und ein Austausch über nationale Katastrophenprävention dabei helfen, Schwachstellen in den nationalen Katastrophenschutzstrategien zu identifizieren und entsprechende Verbesserungen zu erreichen ? a) Inwiefern könnte nach Einschätzung der Bundesregierung eine verstärkte europäische Zusammenarbeit im Hinblick auf die Klimakrise und die damit verbundene Gefahr von zunehmenden Naturkatastrophen von Bedeutung sein, und welche präventiven Maßnahmen könnten daraus abgeleitet werden? b) Inwiefern könnte nach Einschätzung der Bundesregierung eine verstärke europäische Zusammenarbeit im Hinblick auf präventive Maßnahmen im Bereich von Pandemien von Bedeutung sein, und wäre hierdurch eine Steigerung der Resilienz der Bevölkerung erreichbar? Die Fragen 14 und 15 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung begrüßt und unterstützt das Anliegen der Kommission, die Katastrophenprävention und -vorsorge in den Mitgliedstaaten zu stärken. Es wird jedoch in Frage gestellt, ob die zu diesem Zweck von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen (u. a. Ausweitung der Berichtspflichten der Mitgliedstaaten, Einführung eines ex-ante Konditionalitäts-Mechanismus) geeignet sind, die Mitgliedstaaten zu größeren und nachhaltigen Anstrengungen bei der Katastrophenprävention und -vorsorge zu motivieren. Die Bundesregierung setzt sich deshalb im Rat für Mechanismen ein, welche den Mitgliedstaaten konkrete Anreize anbieten, um in diesen wichtigen Bereichen zu investieren. Gleichzeitig dürfen die Maßnahmen nicht dazu führen, dass den MS Verpflichtungen auferlegt werden, die zu unverhältnismäßigen administrativen Verpflichtungen führen. Auch ist anzumerken, dass im Bereich der Pandemieprävention bereits einige Maßnahmen zur europäische Zusammenarbeit umgesetzt sind, z. B. durch das Europäische Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS) und eine Beteiligung von Bund und Ländern an einem europäischen Mechanismus zur gemeinsamen Beschaffung von medizinischen Gegenmaßnahmen für den Pandemiefall, insbesondere von Impfstoffen und Medikamenten für den Fall einer Influenzapandemie. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333