Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 21. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2937 19. Wahlperiode 22.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Johannes Huber, Mariana Iris Harder-Kühnel, Martin Reichardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2584 – Steigerung der Geburtenrate in Deutschland mithilfe von familienpolitischen Maßnahmen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Geburtenniveau in Deutschland ist schon seit mehreren Jahrzehnten zu gering (Fruchtbarkeitsrate Stand 2016: 1,59 Kinder pro Frau), um langfristig die Bevölkerungszahl stabil zu halten oder gar zu steigern. Es werden zu wenige deutsche Kinder geboren, um eine allmähliche Alterung der Bevölkerungsstruktur in Deutschland zu vermeiden oder mit anderen Worten eine nachhaltige Bevölkerungspolitik betreiben zu können. Die Folge ist eine vergreiste Gesellschaft nach der Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/04/PD15_ 153_12421.html). Um nicht auf Zuwanderung von außen angewiesen zu sein, ist es notwendig, die Geburtenrate in Deutschland wieder auf ein in Bezug auf die Gesamtfruchtbarkeitsrate von 2,1 Geburten pro Frau als natürliche Reproduktionsrate (Eurostat: http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/ index.php/Population_statistics_at_regional_level/de) ausreichendes Niveau zu steigern. Nachhaltige Bevölkerungsentwicklung bedarf jedoch einer nachhaltigen Familienpolitik . Die Fragesteller haben diesen Umstand erkannt und wollen nun Maßnahmen in die Wege leiten, die zu einem nachhaltigen Anstieg der Geburtenrate in Deutschland unter der einheimischen Bevölkerung führt. Nur so lässt sich nach Auffassung der Fragesteller in Zukunft Wohlstand und Lebensqualität aufrechterhalten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2937 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die bisherige Anrechnung von Erziehungsleistungen auf die Rentenansprüche (sogenannte Mütterrente) positiv auf die Geburtenrate in Deutschland ausgewirkt? Wie effektiv gestaltet sich der Einfluss der Anrechnung von Erziehungsleistungen auf die Geburtenrate? Die Entscheidung einer Frau bzw. eines Paares für Kinder hängt von verschiedenen , u. a. von der jeweiligen Lebensphase beeinflussten persönlichen Überlegungen ab. Da diese zumeist in jüngeren Jahren getroffen wird, ist davon auszugehen, dass künftige Rentenanwartschaften hierbei eher eine untergeordnete Rolle spielen . 2. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung weitere statistische Auswirkungen , die auf die Anrechnung von Erziehungsleistungen auf die Rentenansprüche zurückzuführen sind? Die Gewährung der Kindererziehungszeit wirkt sich positiv auf die eigenständige Alterssicherung von Frauen aus, denen meist die Kindererziehungszeit zugeordnet wird. Im Jahr 2017 wurden im Rentenbestand rund 14 Mrd. Euro für Kindererziehungszeiten geleistet. 3. Welche anderen finanziellen Unterstützungen für Familien (Kindergeld, Kinderfreibeträge etc.) seitens des Staates wirken sich nach Kenntnis der Bundesregierung nachweislich positiv auf die Geburtenrate aus? 4. Lässt sich aus Sicht der Bundesregierung generell ein Zusammenhang zwischen familienpolitischen Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung von Familien und der Geburtenrate in Deutschland herstellen? Die Fragen 3 und 4 werden im Zusammenhang beantwortet. Die Geburtenrate ist von 1,35 im Jahre 2004 auf 1,59 Kinder pro Frau im Jahre 2016 angestiegen und Deutschland liegt damit im oberen Mittelfeld im europäischen Vergleich. Dieser Anstieg lässt sich nur schwer auf einzelne familienpolitische Maßnahmen zurückführen. Die „Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Maßnahmen und Leistungen“ aus dem Jahr 2014 hat gezeigt, dass neben einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine bedarfsgerechte und gute Infrastruktur der Kinderbetreuung auch finanzielle Familienleistungen, die Eltern verlässlich absichern, sich förderlich darauf auswirken, dass Menschen sich ihren Wunsch nach Kindern erfüllen. 5. Schafft die Staffelung beim Kindergeld in Bezug auf die Anzahl der Kinder nach Einschätzung der Bundesregierung einen positiven Anreiz, mehr Kinder zu bekommen? Wird die betreffende Staffelung als Anreiz bei Eltern wahrgenommen? Die derzeit geltende Staffelung soll die Familie insgesamt entlasten und allen Kindern gleichmäßig zugutekommen. Das vom dritten Kind an gestaffelte Kindergeld soll Mehrkindfamilien stärker fördern und dem Absinken des Pro-Kopf- Einkommens mit der Kinderzahl Rechnung tragen. Der Bundesregierung liegen jedoch keine Erkenntnisse darüber vor, inwieweit die gesteigerte Staffelung des Kindergeldes Eltern darin unterstützt, sich für ein weiteres Kind zu entscheiden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/2937 6. Wie viele Kinder sollten nach Ansicht der Bundesregierung in Deutschland in einer Familie im Schnitt geboren werden, damit ein Geburtendefizit vermieden werden kann (bei der durchschnittlichen Kinderzahl pro Familie soll der Umstand berücksichtigt sein, dass nicht alle Frauen Kinder bekommen)? 7. Ist nach Ansicht der Bundesregierung eine Drei-Kind-Familie als familienpolitischer Fixpunkt geeignet, das Geburtendefizit zu vermeiden? Die Fragen 6 und 7 werden im Zusammenhang beantwortet. Die Bundesregierung legt kein Geburtenziel fest. Ziel der Bundesregierung ist es, die Erfüllung bestehender Kinderwünsche zu ermöglichen, nicht aber die freie Wahl der Lebensform entsprechend des Selbstbestimmungsrechtes (Artikel 2 des Grundgesetzes) einzuschränken. 8. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung statistische Befragungen von Eltern , die aufzeigen, ob ein grundsätzliches Potential in der Bevölkerung für mehr Kinder vorhanden ist? a) Wenn ja, welche Faktoren werden genannt, die zu einer höheren Geburtenziffer führen würden? b) Wenn nein, was sind die Gründe dafür? Befragungen zum Kinderwunsch bzw. zur persönlichen idealen Kinderzahl weisen in den letzten Jahren in Deutschland, ebenso wie in vielen anderen europäischen Ländern, höhere Werte auf als die Zahl der realistisch erwarteten oder tatsächlichen Kinderzahl. In den Geburtsjahrgängen 1991-93 liegt die durchschnittliche persönliche ideale Kinderzahl bei Frauen und Männern zwischen 2,0 und 2,2. Ein „Potenzial für mehr Kinder“ kann aufgrund dieser Zahlen allerdings nicht angegeben werden, da die Kinderwünsche je nach Alter der Befragten z. T. noch erfüllt werden und ohnehin über den Lebenslauf nicht konstant sind. (vgl.: Dorbritz, Jürgen; Naderi, Robert (2013): Trendwende beim Kinderwunsch? Bevölkerungsforschung Aktuell 4/2013 bzw. Kuhnt, Anne-Kristin (2014): Kinderwünsche im Lebensverlauf – Analysen auf Basis des Beziehungs- und Familienpanels (pairfam). Dissertation. Rostock.). 9. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung Familien das Gefühl, im Vergleich zu Kinderlosen benachteiligt zu werden? Wenn ja, findet sich dieses Gefühl in Statistiken und Berechnungen zur finanziellen Situation von Familien in Deutschland wieder? 10. Lässt sich nach Kenntnis der Bundesregierung aus Vergleichszahlen betreffend Frage 9 eine Benachteiligung von Familien belegen, die Ursache für das geringe Geburtenniveau sein könnte? Wenn ja, steigt diese Benachteiligung mit zunehmender Kinderzahl? Die Fragen 9 und 10 werden im Zusammenhang beantwortet. Befragungen von Eltern zeigen, dass diesen staatliche Unterstützung und Förderung von Familien – finanziell wie auch bspw. über Betreuungsangebote oder der gesetzlichen Gestaltung von Rahmenbedingungen für eine gute Vereinbarkeit – als notwendig gilt. Begründet wird dies auch mit einem Nachteilsausgleich gegenüber Kinderlosen. Dafür, dass Paare sich aus einer wahrgenommenen Benachteiligung von Familien gegen Kinder entscheiden, gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung keine wissenschaftlichen Belege. Vielmehr zeigen Befragungen, dass staatliche Familienförderung hohe Wertschätzung bei den Familien wie auch Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/2937 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode in der Bevölkerung insgesamt erfährt. (vgl. BMFSFJ 2017: Monitor Familienforschung Ausgabe 38, Familien erreichen; Prognos AG 2014: Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Maßnahmen und Leistungen). 11. Welche Einbußen in Bezug auf die Rentenhöhe im Alter entstehen nach Kenntnis der Bundesregierung Erwerbstätigen, die aufgrund von Kindererziehung ganz oder teilweise aus dem Berufsleben ausscheiden verglichen mit Erwerbstätigen ohne Kinder? Wird diese Benachteiligung größer bei steigender Kinderzahl? Die Höhe der gesetzlichen Rente hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter wesentlich vom Erwerbsverhalten während der aktiven Phase. Einen besonderen Einfluss auf das Erwerbsverhalten üben u. a. die familiären Zusammenhänge aus sowie das in der Frage genannte Vorhandensein von Kindern und deren Betreuung. Nach den Ergebnissen der Studie Alterssicherung in Deutschland 2015 ist die durchschnittliche Höhe einer eigenen gesetzlichen Rente von Frauen umso niedriger, je höher die Anzahl der Kinder ist. Frauen ohne Kinder erhalten im Durchschnitt eine gesetzliche Rente in Höhe von 936 Euro, mit einem Kind sind es 752 Euro, mit zwei Kindern 667 Euro, mit drei Kindern 635 Euro und mit vier und mehr Kindern 629 Euro. Dieser statistische Zusammenhang ist jedoch durch die vorherrschende traditionelle Rollenverteilung älterer Geburtsjahrgänge geprägt. In den neuen Bundesländern, wo die Erwerbsbeteiligung von Frauen früher deutlich höher war, ist dieser Zusammenhang nur schwach ausgeprägt. Betrachtet man die Gesamteinkommen im Alter, so ist bei den Frauen in den neuen Bundesländern kein negativer statistischer Zusammenhang in Bezug auf die Kinderzahl festzustellen. 12. Reicht nach Auffassung der Bundesregierung die aktuelle „Mütterrente“ aus, um diese Benachteiligung auszugleichen? Die sogenannte „Mütterrente“ aus dem Jahr 2014 ist inhaltlich eine Ausweitung der Anrechnung der Kindererziehungszeit für vor 1992 geborene Kinder in der Rente um ein weiteres Jahr (bis dahin wurden lediglich 12 Monate an Kindererziehungszeit für die Erziehung vor 1992 geborener Kinder angerechnet). Nach dem Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode ist vorgesehen, die Kindererziehungszeit auszuweiten. Die Anrechnung weiterer Kindererziehungszeiten ist ein gerechter Kompromiss zwischen den Generationen. Lücken in den Erwerbsbiografien der betroffenen Mütter und Väter werden damit zumindest teilweise ausgeglichen. Die seinerzeit getroffene Regelung der Verlängerung der Kindererziehungszeit um ein Jahr war sachlich richtig und finanziell tragbar. Dabei wurden die Interessen der Mütter sowie die der folgenden Generationen berücksichtigt und das damals Machbare getan. Entsprechendes gilt auch für die nunmehr vorgesehene Ausweitung. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Erwerbsbiografien und die daraus resultierenden Renten von einer Vielzahl von Einflussfaktoren geprägt sind und Kindererziehung dabei sicherlich eine wichtige , aber nicht notwendigerweise die entscheidende Rolle spielt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333