Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 26. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3007 19. Wahlperiode 27.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Christoph Hoffmann, Karlheinz Busen, Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2627 – Umgang der Bundesregierung mit steigender Mikroplastikbelastung in deutschen Gewässern 1. Welche Daten liegen der Bundesregierung zur jährlich in Deutschland anfallenden Menge an Mikroplastik vor? Die Datenlage zur „anfallenden Menge“ von Mikroplastik ist inhomogen, da belastbare Zahlen nicht für alle Quellen vorliegen. Es kann daher keine umfassende Aussage gemacht werden, vielmehr stützt sich die Antwort auf einzeln bekannte Mengenangaben. Bei Mikrokunststoffen wird unterschieden zwischen primärem Mikrokunststoff, der Produkten (z. B. Wasch- und Reinigungsmitteln, Kosmetika, jedoch auch Textilien in Form von Chemiefasern) aus bestimmten Gründen zugegeben oder als Strahlmittel in der Oberflächenreinigung eingesetzt wird, und sekundärem Mikrokunststoff, der im Zuge der Degradation von größeren Kunststoffteilen, z. B. in den Umweltmedien und während der Nutzungsphase von Produkten (z. B. Fahrzeugreifen, Bauprodukte) entsteht. Hinsichtlich Daten zu primärem Mikrokunststoff wird auf die Studie des Umweltbundesamtes (TEXTE 63/2015) verwiesen. Hinsichtlich des auch medial als prioritär betrachteten Anwendungsbereichs der Beigabe von Mikrokunststoffpartikeln in Kosmetik wird für das Jahr 2014 eine Gesamtmenge von knapp 500 Tonnen angegeben. Hinsichtlich des sekundären Mikrokunststoffs gibt es keine verlässlichen Zahlen zu den in der Umwelt anfallenden Mengen, was vor allem am Fehlen geeigneter Untersuchungsverfahren liegt. Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 2. Welche Daten über die Belastung von deutschen Gewässern mit Mikroplastik bzw. welche Kartierungen und Ergebnisse liegen der Bundesregierung vor (bitte nach Gewässern auflisten)? Inwieweit Gewässer in Deutschland mit Mikrokunststoffen belastet sind, kann aufgrund fehlender Bewertungskonzepte sowie einer fehlenden harmonisierten oder standardisierten Analysemethodik derzeit nicht beurteilt werden. Erste Erfassungen im Wattenmeer der Nordsee weisen darauf hin, dass Mikrokunststoff Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3007 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode im Wasser, im Sediment und in Lebewesen anzutreffen ist. Erste Untersuchungen in der Ostsee legen eine weite Verbreitung von Mikrokunststoff nahe. Entsprechende Informationen für den Betrachtungsraum des Nordostatlantiks finden sich unter: www.ospar.org/documents?v=38018. 3. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Mikroplastikbelastung in deutschen Gewässern heute durchschnittlich im Vergleich zu früheren Erhebungen ? Dazu können keine Aussagen getroffen werden, da entsprechende Erhebungen nicht vorliegen. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse dazu vor, wie hoch die Belastung mit Mikroplastik in Gewässern in anderen europäischen Ländern im Vergleich zur Mikroplastikbelastung in deutschen Gewässern ist? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Welche Hauptquellen sieht die Bundesregierung für die Belastung deutscher Gewässer mit Mikroplastik, und wie hoch sind die jeweiligen Anteile an der Gesamtbelastung? Auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. Darüber hinaus gilt als eine mögliche Hauptquelle der Reifenabrieb. Die jährlich abgeriebene Menge kann nach einer Erhebung der Bundesanstalt für Straßenwesen aus dem Jahr 20101 in einer Größe von ca. 110 000 Tonnen angenommen werden. Das Umweltbundesamt (UBA) geht weiterhin der Frage nach, wie viele Kunststoffabfälle achtlos weggeworfen werden („Littering“), in der Umwelt verbleiben und damit auch in die Gewässer gelangen können. Andererseits wird ermittelt, wie viele Kunststoffprodukte in Deutschland für eine Anwendung hergestellt werden und dadurch in die Umwelt gelangen können. Beides sind potenzielle Quellen für sekundäre Mikrokunststoffe. Ergebnisse werden im Sommer 2019 vorliegen. In Bezug auf andere Quellen wird auf den derzeit laufenden Forschungsschwerpunkt des Bundesforschungsministeriums „Plastik in der Umwelt – Quellen. Senken. Lösungsansätze“ verwiesen, in dem viele der möglichen Einträge untersucht werden . 6. Bei welchen dieser Hauptquellen wären aus Sicht der Bundesregierung mögliche Gegenmaßnahmen am effizientesten (im Hinblick auf Kosten und Wirkung ) umsetzbar (bitte begründen)? Vor Maßnahmen, die absehbar Kosten verursachen, sind zunächst das Vorkommen , das Ausmaß und mögliche Wirkungen zu ermitteln. Auf die Antworten zu den Fragen 1, 2, 10 und 11 wird verwiesen. Die in der Antwort zu Frage 5 genannten Bereiche werden derzeit aktuell in den Projekten RAU2 (Reifenabrieb), Textile Mission3 (Fasern) und RUSEKU4 (Littering) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) untersucht. Auf das in der Antwort auf Frage 5 bereits genannte Forschungsprojekt des UBA wird verwiesen. 1 BASt (Hrsg.) (2010): Stoffeinträge in den Straßenseitenraum – Reifenabrieb. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Heft V 188. 2 Reifenabrieb in der Umwelt. 3 Eine Initiative gegen Mikroplastik. 4 Repräsentative Untersuchungsstrategien für ein integratives Systemverständnis von spezifischen Einträgen von Kunststoffen in die Umwelt . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3007 7. Welche Daten liegen der Bundesregierung über die in Bioabfällen und Klärschlamm befindlichen Mengen an Mikroplastik vor? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 8. Welche technischen (z. B. Klär-) Maßnahmen gegen die Belastung der Gewässer durch Mikroplastik wären denkbar, und welche davon wären nach Meinung der Bundesregierung am effizientesten (im Hinblick auf Kosten und Wirkung) umsetzbar (bitte begründen)? Verschiedene Möglichkeiten zur technischen Reduzierung der Mikroplastikbelastung werden derzeit z. B. in den BMBF-geförderten Projekten OEMP5 (verschiedene Filtrationsmöglichkeiten), EmiStop6 und REPLAWA7 (Optimierung des Plastikrückhalts in Kläranlagen) sowie PLASTRAT8 (MP-Rückhalt aus urbanen Systemen) erforscht. Daneben wäre ein Ausbau von Kapazitäten bzw. die optimierte Nutzung vorhandener Retentionsräume hilfreich, die Mischwasserüberläufe nach Starkregenereignissen aufnehmen würden. Darüber hinaus wäre eine verbesserte Behandlung von Niederschlagswasser aus der Trennkanalisation in der Lage, Mikrokunststoff beispielsweise aus Straßenabläufen, besser zurückzuhalten . 9. Welche Kosten könnten nach Einschätzung der Bundesregierung im Zuge von technischen Maßnahmen auf kommunale Klärwerke zukommen? Im Hinblick auf eine erweiterte Rückhaltung bzw. Abscheidung von Mikrokunststoffen können keine gesicherten Aussagen getroffen werden. Die Ergebnisse der in Antwort zu Frage 8 genannten Forschungsvorhaben bleiben abzuwarten. 10. Welche Maßnahmen gegen die Belastung der Gewässer durch Mikroplastik hat die Bundesregierung bereits unternommen? Die Bundesregierung hat das Thema Meeresmüll und Kunststoffe in der Umwelt schon frühzeitig erkannt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), das UBA und die Europäische Kommission haben vom 10. bis 12. April 2013 die internationale Konferenz zu Meeresmüll in Berlin (www.bmu.de/pressemitteilung/peter-altmaier-vermuellung-der-meere-stoppen/) durchgeführt. Da in den Meeren nachzuweisende Mikrokunststoffe zum größten Teil aus fragmentiertem Makrokunststoff – u. a. Kunststoffverpackungen etc. – entstanden sind, bedeutet eine erfolgreiche Reduzierung des Eintrags von Kunststoffmüll in die Meere gleichzeitig die Verhinderung von Mikrokunststoff in den Meeren. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist eine gut ausgebaute Infrastruktur zur Erfassung und Entsorgung von (Kunststoff-)Abfällen, was in Deutschland bereits der Fall ist. Die Bundes-Ressortforschungseinrichtungen (RFE) haben sich bereits im Jahr 2014 getroffen, um die Herausforderungen im Bereich Untersuchungsverfahren und Bewertung zu diskutieren. Ein zweites Treffen der beteiligten RFE ist für Ende dieses Jahres (2018) geplant. Gute Erfolge gegen das Littering speziell von Kunststoff-Einweggetränkeflaschen konnten mit deren Bepfandung erzielt werden. 5 Optimierte Materialien und Verfahren zur Entfernung von Mikroplastik im Wasserkreislauf. 6 Identifikation von industriellen Plastik-Emissionen mittels innovativer Nachweisverfahren und Technologieentwicklung zur Verhinderung des Umwelteintrags über den Abwasserpfad. 7 Reduktion des Eintrags von Plastik über das Abwasser in die aquatische Umwelt. 8 Lösungsstrategien zur Verminderung von Einträgen von urbanem Plastik in limnische Systeme. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3007 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Eine weitere europäische Konferenz zum Thema Kunststoff in Binnengewässern folgte vom 21. bis 22. Juni 2016, ebenfalls in Berlin. Aufgrund der Vielzahl offener Fragen zum Themenkomplex „Kunststoffe und Umwelt“ hat das BMBF im Oktober 2017 einen Forschungsschwerpunkt zum Thema „Plastik in der Umwelt – Quellen • Senken • Lösungsansätze“ aufgelegt und fördert mit rund 35 Mio. Euro insgesamt 18 Verbundprojekten mit mehr als 100 beteiligten Institutionen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis. Dies ist aktuell eine der größten Forschungsaktivitäten in diesem Bereich, auch im internationalen Vergleich (http://bmbf-plastik.de/home). Mit diesem Forschungsschwerpunkt soll dem aktuellen immer noch lückenhaften Kenntnisstand entgegengewirkt werden. Deutschland wirkt weiterhin intensiv an der Umsetzung der Regionalen Aktionspläne gegen Meeresmüll für den Nordostatlantik (OSPAR) und die Ostsee (HELCOM) mit. Der vom Bundesumweltministerium geleitete nationale Dialog mit der Kosmetikindustrie hat unter Einbeziehung der OSPAR-Ebene europaweite Wirkung entfaltet. Im Rahmen des „Runden Tisch Meeresmüll“ (www.muell-im-meer.de) werden unter breiter Stakeholderbeteiligung u. a. auch Möglichkeiten zur Vermeidung des Einsatzes von primären Mikroplastikpartikeln und zur Reduzierung der Emission von Mikroplastikpartikeln erarbeitet. Momentan werden gemeinsam mit Kunststoffproduzenten Maßnahmen festgelegt , um den Eintrag von Rohgranulaten (Pellets) in die Umwelt durch unsachgemäße Handhabung im Produktionsprozess zu verhindern. Beide Handlungsfelder werden auch in der aktuell auch von Deutschland gezeichneten G7 Oceans Plastics Charter adressiert. 11. Welche Maßnahmen gegen die weitere Belastung der Gewässer in Deutschland durch Mikroplastik plant die Bundesregierung? Im europäischen Rahmen werden im Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (COM (2018) 340 final vom 28. Mai 2018) eine Reihe weiterer Maßnahmenvorschläge genannt, die im Zuge der konkreten Arbeiten von der Bundesregierung unterstützt werden. Im Rahmen der Erarbeitung von Rechtsvorschriften für die Nutzung behandelten Abwassers setzt sich die Bundesregierung dafür ein, anspruchsvolle Regelungen zu etablieren , um den Eintrag von Kunststoffen in Böden und Gewässer zu minimieren. Die laufende Revision der EU-Richtlinie zu Hafenauffangeinrichtungen ist darauf gerichtet , schiffsseitige Kunststoffeinträge zu reduzieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333