Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 26. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3011 19. Wahlperiode 27.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Seestern-Pauly, Jens Beeck, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2642 – Sexueller Kindesmissbrauch – Maßnahmen der Bundesregierung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Einrichtung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ im März 2010 war ein wichtiger Schritt der damaligen Bundesregierung. Angesichts des Ausmaßes sexuellen Kindesmissbrauchs war neben der Einrichtung des Runden Tisches auch die Berufung des Amtes der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) ein starkes Signal, um dem Mut und dem Leid der Betroffenen Rechnung zu tragen und die Thematik in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Dennoch ist und bleibt sexueller Missbrauch von Kindern ein Tabuthema. Auch die zu begrüßende Einrichtung von Entschädigungsfonds für Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs kann nach Auffassung der Fragesteller nur ein weiterer Schritt sein. Die ein Leben lang nachwirkenden Verletzungen von Seele und Person, die mit dem Erleiden sexuellen Missbrauchs einhergehen, bedürfen verlässlicher, unbürokratischer Hilfestrukturen unabhängig von Ort und Zeit der Tat. Die Ergebnisse der Studie „Zur Arbeitssituation im Allgemeinen Sozialen Dienst der Jugendämter“ (2018) sprechen nach Auffassung der Fragesteller eine ganz klare Sprache. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Wahlperiode kündigen die Regierungsparteien an: „Gewalt jeglicher Art (auch seelische Gewalt), sexuellen Missbrauch und sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche werden wir konsequent bekämpfen . Dazu wollen wir die Forschung verbessern und die Verfahrensabläufe weiter optimieren“ (Z. 864 ff.). „Wir wollen die Stelle des/der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) einschließlich der wertvollen Arbeit des Betroffenenrats verstetigen“ (Z. 879 ff.). „Der Bund wird weiterhin seiner Verantwortung gegenüber den Betroffenen sexuellen Missbrauchs mit dem „Fonds Sexueller Missbrauch“ Rechnung tragen und darauf hinwirken, dass alle Länder ihren finanziellen Beitrag leisten“ (Z. 883). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3011 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode „Wir prüfen, wie kindliche Zeuginnen und Zeugen in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs außerhalb des Gerichtssaals durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden vernommen und diese Vernehmung in den Sitzungssaal übertragen werden kann“ (Z. 6142 ff.). Insbesondere im Hinblick auf das zum April 2019 auslaufende Amt des UBSKM gewinnt eine zeitnahe Umsetzung der Ankündigungen der Bundesregierung an großer Bedeutung für die Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs. 1. Welche konkreten Maßnahmen führt die Bundesregierung derzeit durch, um ein effektives Frühwarnsystem auf Grundlage eines kontinuierlichen Informationsaustausches zwischen Zivilgesellschaft, Jugendämtern und Gerichtsbarkeit sicherzustellen? Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung finanziell gefördert (bitte korrespondierende Titel im Bundeshaushalt angeben)? 2. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um ein effektives Frühwarnsystem auf Grundlage eines kontinuierlichen Informationsaustausches zwischen Zivilgesellschaft, Jugendämtern und Gerichtsbarkeit zukünftig sicherzustellen? Welche finanziellen Mittelaufwüchse wurden hierfür in die Haushaltsplanung der Bundesregierung eingestellt (bitte korrespondierende Titel im Bundeshaushalt angeben)? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Eine gut funktionierende Kooperation und Kommunikation zwischen den im Bereich des Kinderschutzes tätigen Professionen ist für einen wirksamen Kinderschutz von herausragender Bedeutung. Wesentliche Schritte auf dem Weg dahin wurden durch den Bundesgesetzgeber bereits mit dem Gesetz zur Stärkung eines aktiven Kinderschutzes (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG), das am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, verwirklicht. Teil des Bundeskinderschutzgesetzes ist das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG). Darin wurden u. a. Rahmenbedingungen für verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz definiert. Der Aufbau und die Weiterentwicklung verbindlicher Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz verfolgt laut § 3 KKG das Ziel, sich gegenseitig über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum zu informieren, strukturelle Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung zu klären sowie Verfahren im Kinderschutz aufeinander abzustimmen. Neben Einrichtungen und Diensten der öffentlichen und freien Jugendhilfe sollen dabei u. a. auch Familiengerichte einbezogen werden. Die Umsetzung liegt in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen (vgl. auch die Antwort zu den Fragen 4 und 5). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3011 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Studie „Zur Arbeitssituation im Allgemeinen Sozialen Dienst der Jugendämter“ (2018)? Inwiefern teilt sie die Ergebnisse der Studie, und welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, um die dortigen Empfehlungen zügig umzusetzen ? Die Studie der Hochschule Koblenz „Zur Arbeitssituation im Allgemeinen Sozialen Dienst der Jugendämter“ fand unter anderem mit der Aussage mediale Aufmerksamkeit , dass der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) angesichts der Fallzahlenbelastung personell zu schlecht ausgestattet sei und bundesweit 16 000 Stellen fehlten. Zunächst ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Personalressourcen der ASD in den letzten Jahren massiv ausgebaut wurden: Allein zwischen 2006 und 2016 haben die Kommunen die Personalressourcen der ASD fast verdoppelt . Wurden 2006 bundesweit noch rund 7 585 Vollzeitäquivalente (VZÄ) im ASD gezählt – damals noch einschließlich des Arbeitsbereichs „Förderung der Erziehung in der Familie“ –, waren es 2016 bereits 13 996 VZÄ im ASD. Dieser Ausbau steht im Zusammenhang mit wachsenden Aufgaben des ASD, unter anderem aufgrund steigender Fallzahlen bei Hilfen zur Erziehung (vgl. Fendrich, S./Pothmann, J./Tabel, A. (2018): Monitor Hilfen zur Erziehung 2018 [Online- Fassung]; veröffentlicht unter: www.hzemonitor.akjstat.tu-dortmund.de [Zugriff: 15. Juni 2018]). Grundsätzlich ist zu konstatieren, dass die Arbeitsbelastung einer ASD-Fachkraft über die Fallzahlen bei Hilfen zur Erziehung (HzE) nicht pauschal bestimmt werden kann, da manche Fälle viel mehr Arbeitsaufwand bzw. Arbeitsschritte benötigen als andere. Auch haben ASD-Mitarbeiter unterschiedliche Aufgaben, so dass keine gesicherten Aussagen darüber möglich sind, ob und zu welchen Anteilen ihrer Arbeitskraft die derzeit knapp 16 000 Personen im ASD sich mit HzE- Fällen beschäftigen. 4. Ist die personelle Ausstattung der Jugendämter nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend, um eine effektive Verzahnung von Gerichtsbarkeit , Jugendämtern und Zivilgesellschaft sicherzustellen und das Recht von Kindern auf Schutz und Entfaltung (vgl. Artikel 2 und 6 des Grundgesetzes) zu gewährleisten (bitte begründen)? 5. Sollte die personelle Ausstattung der Jugendämter nach Auffassung der Bundesregierung nicht ausreichend sein, welchen unter anderem finanziellen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung in der Aufstockung der vom Bund getragenen Aufwendungen (derzeit lediglich ca. 3 Prozent der 92 Prozent der Mittel für Jugendämter, die aus Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen zur Verfügung stehen; Quelle: Beckmann, Kathinka, et al. Berufliche Realitäten im Jugendamt: der ASD in strukturellen Zwängen . Berlin: 2018, S. 21.), und welche konkreten Schritte plant sie, um die personelle Ausstattung der Jugendämter von Seiten des Bundes zu verbessern ? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Für einen wirksamen Kinderschutz ist eine gut funktionierende Kooperation und Kommunikation zwischen den im Bereich des Kinderschutzes tätigen Akteuren essentiell. Wesentliche Schritte auf dem Weg dahin wurden bereits mit dem BKiSchG verwirklicht. Das Gesetz hat die rechtliche Grundlage dafür geschaffen , alle wichtigen Akteure im Kinderschutz – wie bspw. Jugendämter, Schulen, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3011 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Ärztinnen und Ärzte, Familienrichterinnen und Familienrichter und Polizei – in einem Kooperationsnetzwerk zusammenzuführen (vgl. auch die Antwort zu den Fragen 1 und 2). Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) beabsichtigt , im Herbst einen breiten Beteiligungsprozess zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe mit relevanten Akteuren aus Wissenschaft und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Behindertenhilfe und den Ländern und Kommunen zu starten. Im Mittelpunkt der auch im Koalitionsvertrag vereinbarten Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendhilferechts wird insbesondere auch ein besserer Kinderschutz, z. B. durch wirksamere Hilfen für Familien, Stärkung der Prävention und eine engere Kooperation der relevanten Akteure stehen. In den Prozess sollen auch Erfahrungen von Beteiligten und Betroffenen mit der Kinder- und Jugendhilfe und der Familiengerichtsbarkeit einbezogen werden. Daneben sollen auch die Fachkräfte in den Jugendämtern, bei Trägern, Pflegeeltern und die in den Familiengerichten beteiligten Professionen eingebunden werden . Insbesondere sollen ihre Erfahrungen wissenschaftlich ausgewertet werden und in den Prozess mit Blick auf systemische und strukturelle Veränderungsbedarfe einfließen. Dieser Prozess wird derzeit konzipiert. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Beteiligungsprozesses wird das BMFSFJ weitere notwendige Schritte und Verbesserungen prüfen. Die Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes hat gezeigt, dass Kooperationen und Netzwerke im Kinderschutz bereits ausgebaut und verbessert wurden. Die Evaluationsergebnisse weisen aber auch darauf hin, dass die Zusammenarbeit noch enger und intensiver werden muss. Wie dies im Einzelnen auch im Wege weiterer gesetzlicher Regelungen erreicht werden kann, wird im Rahmen des o. g. Beteiligungsprozesses diskutiert werden. 6. Welche Bundesprogramme und/oder Initiativen zur Prävention und Sensibilisierung für die Folgen sexuellen Missbrauchs gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach schulischen, zivilgesellschaftlichen sowie anderen Programmen und/oder Initiativen unter Angabe von Laufzeit und, sofern zutreffend, korrespondierendem Bundeshaushaltstitel aufschlüsseln)? Um Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren über ihr Recht auf Schutz vor sexualisierter Gewalt aufzuklären, sie zu stärken und Hilfsangebote bekannt zu machen, setzen das BMFSFJ und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die bundesweite Initiative zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs „Trau dich!“ um. Elemente der Initiative sind neben einer interaktiven Theateraufführung für Kinder Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen für Fachkräfte und Eltern. „Trau Dich!“ wird seit 2012 bis einschließlich 2018 aus Mitteln des Kinder-und Jugendplans, dem kinder- und jugendpolitischen Förderinstrument des Bundes, gefördert. Eine Fortführung der Initiative über das Jahr 2018 hinaus ist geplant. Das bundesweite Modellprojekt „BeSt – Beraten und Stärken“ (Laufzeit 2015 bis 2020) hat die nachhaltige Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jungen mit Behinderungen vor sexualisierter Gewalt in Institutionen zum Ziel. In rund 80 (teil-)stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe werden Leitungskräfte und Mitarbeitende qualifiziert, Kinderschutzkonzepte (weiter-)entwickelt und Präventionstrainings für die dort lebenden Mädchen und Jungen durchgeführt. Im Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3011 Rahmen des Projekts wurde weiterhin ein eigenes Programm zur Prävention sexualisierter Gewalt entwickelt, welches speziell auf die Bedürfnisse von Mädchen und Jungen mit Behinderungen ausgerichtet ist („Was tun gegen sexuellen Missbrauch ? Ben & Stella wissen Bescheid“). Das Projekt wird aus Mitteln des Kinder - und Jugendplans des Bundes gefördert. Die Initiative „Kein Raum für Missbrauch“ des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) hat zum Ziel, dass alle Einrichtungen und Organisationen in Deutschland wie Schulen, Kindertagesstätten, Heime, Sportvereine, Kliniken und Kirchengemeinden ebenso wie Anbieter von Kinder- und Jugendreisen Schutzkonzepte zur Prävention und Intervention einführen . Sie sollen zu Orten und Erfahrungsräumen werden, an denen Kinder und Jugendliche wirksam vor sexualisierter Gewalt geschützt sind. Die Initiative richtet sich an alle in Einrichtungen und Organisationen Tätigen und betont die Bedeutung der Leitungskräfte, damit es gelingt, Verantwortung für den Kinderschutz wahrzunehmen. Der UBKSM hat mit 26 Dachorganisationen der Zivilgesellschaft Vereinbarungen abgeschlossen, in denen diese sich dazu verpflichten, die Entwicklung von Schutzkonzepte in ihren Strukturen zu unterstützen. Seit Ende 2016 setzt der UBSKM gemeinsam mit den Kultusbehörden der Länder die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ um. Ziel ist es den Kinderschutzauftrag der Schulen zu unterstützen und in über 30 000 Schulen die größte Zahl von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu erreichen. Der UBSKM stellt eine Vielzahl von Informationsmaterialien für Fachkräfte und Eltern bereit, u.a. eine Infomappe, die alle Schulen erhalten. Kernstück der Initiative ist ein Fachportal www.schule-gegen-sexuelle-gewalt.de, auf dem sich Schulen zur Erstellung von Schutzkonzepten informieren können. Dieses Portal enthält neben einem allgemeinen Inhalt, den der UBSKM in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten erstellt hat, 16 landesspezifische Inhaltsteile, mit denen das Portal für die Zielgruppe der Schulen relevant ist. 7. Gibt es von Seiten der Bundesregierung Bestrebungen, Bundesprogramme und/oder Initiativen zur Prävention von und Sensibilisierung für die Folgen sexuellen Missbrauchs in Modellprogrammen des Bundes zu verstetigen (bitte begründen)? Die Förderung von Programmen und Initiativen zur Prävention sexualisierter Gewalt durch das BMFSFJ (vgl. Antwort zu Frage 6) erfolgt auf der Grundlage von § 83, Absatz 1 SGB VIII nach dem die fachlich zuständige oberste Bundesbehörde die Tätigkeit der Jugendhilfe anregen und fördern soll, soweit sie von überregionaler Bedeutung ist und ihrer Art nach nicht durch ein Land wirksam gefördert werden kann. Diese Aufgabe erfüllt das BMFSFJ mit dem im Jahr 1950 eingeführten Kinderund Jugendplan des Bundes (KJP - vor dem Jahr 1994 Bundesjugendplan). Der Kinder- und Jugendplan ist das zentrale Förderinstrument der Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene. Hierdurch werden die vielfältigen Leistungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe umfassend abgedeckt. Dazu gehören auch Maßnahmen zum Schutz junger Menschen vor sexualisierter Gewalt im Rahmen von Projektförderungen. Eine dauerhafte Förderung bzw. Verstetigung einzelner Programme und Initiativen ist im Rahmen des KJP bei Projektförderungen nichtvorgesehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3011 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Welche Bundesprogramme und/oder Initiativen zur Prävention von und Sensibilisierung für die Gefahr von sogenanntem Cyber-Grooming (Internet- Anbahnung) sowie der Förderung der digitalen Kompetenz von Kindern und Jugendlichen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach schulischen , zivilgesellschaftlichen sowie anderen Programmen und/oder Initiativen unter Angabe von Laufzeit und, sofern zutreffend, korrespondierendem Bundeshaushaltstitel aufschlüsseln)? Zur Förderung der Medienkompetenz wurde die Initiative „SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht“ eingerichtet. SCHAU HIN! ist ein Angebot, das sich an Eltern, Vertrauenspersonen von Kindern und Jugendlichen sowie an pädagogische Fachkräfte wendet. Die Initiative „Gutes Aufwachsen mit Medien“ fördert die Vernetzung von Angeboten, die Medienkompetenz vermitteln und bindet interessierte Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Bildung ein. Jugendschutz.net ist als gemeinsames Kompetenzzentrum von Bund und Ländern u. a. in der Präventionsarbeit gegen Cyber-Grooming beteiligt und sensibilisiert die Zivilgesellschaft durch Aufklärung für dieses Thema. Die Projekte jugend .support und Nummer gegen Kummer informieren zur Prävention von Cyber -Mobbing und Cyber-Grooming. Alle benannten Projekte sind zivilgesellschaftlicher Natur und haben eine Laufzeit bis Ende 2018 (Nummer gegen Kummer, jugend.support) bzw. 2019 (SCHAU HIN!, Gutes Aufwachsen mit Medien); eine Verlängerung ist jeweils vorgesehen. Alle Projekte sind Teil des Kinder- und Jugendplans des Bundes. 9. Auf welchen bundes- und/oder landesrechtlichen Grundlagen ist im Rahmen von Gerichtsverhandlungen und im Hinblick auf den Schutzgedanken nach Kenntnisstand der Bundesregierung bereits nach derzeitiger Regelungen eine Befragung kindlicher Zeuginnen und Zeugen außerhalb des Gerichtssaals möglich (bitte alle relevanten Gesetze und/oder Verordnungen auf Bundes- und/oder Landesebene nennen)? Nach der geltenden Rechtslage besteht gemäß § 247a StPO die Möglichkeit, kindliche Zeuginnen und Zeugen im Rahmen einer audiovisuellen Vernehmung während einer Gerichtsverhandlung außerhalb des Gerichtssaals zu vernehmen. Eine solche Vernehmung kann durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden insbesondere dann angeordnet werden, wenn die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl der Zeugin oder des Zeugen besteht, sollte sie oder er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen werden (§ 247a Absatz 1 Satz 1 StPO). Die Aussage der Zeugin oder des Zeugen wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen (§ 247a Absatz 1 Satz 3 StPO). Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, dass die Zeugin oder der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist (§ 247a Absatz 1 Satz 4 StPO). Nach § 255a Absatz 2 StPO kann u. a. in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung die Vernehmung eines Zeugen unter 18 Jahren durch die Vorführung von Bild-Ton-Aufzeichnungen seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken. Zudem kann die Aufzeichnung von Vernehmungen nach § 255a Absatz 1 i. V m. § 251 Absatz 1 StPO vorgeführt werden, wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind (Nr. 1); ferner wenn die Vorführung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/3011 lediglich einer Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Vorführung zustimmen (Nr. 2). Die Vorführung der Aufzeichnung einer richterlichen Vernehmung kann nach § 255a Absatz 1 i. V. m. § 251 Absatz 2 Nummer 3 StPO zudem eine Vernehmung in der Hauptverhandlung ersetzen, wenn der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Vorführung einverstanden sind. 10. Welche bundes- und/oder landesrechtlichen Grundlagen (bitte alle Gesetze und Verordnungen nennen) prüft die Bundesregierung, um die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigten Änderungen bei der Vernehmung kindlicher Zeuginnen und Zeugen umzusetzen? Die Bundesregierung prüft, ob in der StPO geregelt werden kann, dass kindliche Zeuginnen und Zeugen in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs auch außerhalb des Gerichtssaals durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden vernommen und diese Vernehmung in den Sitzungssaal übertragen werden kann. 11. Wie bewertet die Bundesregierung die Fristverlängerungen zur Antragstellung für Leistungen aus dem „Ergänzenden Hilfesystem institutioneller Bereich “ über den 31. August 2016 hinaus? Für das Ergänzende Hilfesystem im institutionellen Bereich (EHS) wurden seit Ende 2013 fortlaufend mit Institutionen und Bundesländern (außer Sachsen-Anhalt ) bilaterale Vereinbarungen zur Beteiligung am EHS geschlossen. Mit ihrer Beteiligung am EHS übernehmen die Institutionen und Länder im Rahmen ihrer Arbeitgeberverantwortung in Fällen von sexualisierter Gewalt im institutionellen Bereich die Bewilligung und Auszahlung von Hilfeleistungen. Die Geschäftsstelle des Fonds Sexueller Missbrauch stellt im institutionellen Bereich die Organisationsstruktur zur Verfügung. Die ursprüngliche Antragsfrist für den institutionellen Bereich war der 31. August 2016. Der Bund hat die Antragsfrist aufgehoben und übernimmt weiterhin die Verantwortung für sexualisierte Gewalt in Bundesinstitutionen. Auch dreizehn nichtstaatliche Institutionen sowie fünf Bundesländer sind diesem Beispiel gefolgt und beteiligen sich weiterhin am EHS: Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Deutsche Bischofskonferenz (DBK), Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK), Deutscher Caritasverband e. V. (DCV), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Deutscher Kinderschutzbund (DKSB), Arbeiterwohlfahrt (AWO), SOS-Kinderdorf e. V., DAK Gesundheit, Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke Bundesverband e. V., Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V. (DLRG), Internationaler Bund (IB), Sozialistische Jugend Deutschlands-Die Falken; Freie und Hansestadt Hamburg, Land Nordrhein-Westfalen, Land Berlin, Hansestadt Bremen, Land Brandenburg. Die Bundesregierung wertet die Bereitschaft von Institutionen und Ländern zur weiteren Beteiligung am EHS im Rahmen der Übernahme von Arbeitgeberverantwortung als positives und wichtiges Signal für alle Betroffenen, die sexuelle Gewalt im institutionellen Bereich erleiden mussten. Die konstante Anzahl monatlich eingehender Anträge zeigt, dass fortwährend Bedarf an ergänzenden Hilfen besteht, auch wenn die Antragszahlen im institutionellen Bereich nach wie vor im Vergleich zu denen im familiären Bereich deutlich geringer sind. Für Betroffene ist jedoch jede mögliche Hilfe mit welcher sie ihr unendliches Leid mindern oder bewältigen können, äußerst wertvoll. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3011 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, um auf eine Verlängerung der derzeit geltenden Fristen zur Antragstellung der am „Ergänzenden Hilfesystem institutioneller Bereich“ teilnehmenden Institutionen hinzuwirken? Falls nein, bitte begründen, falls ja, welche konkreten Schritte hierzu ergreift die Bundesregierung? Der Koalitionsvertrag 2018 legt fest, dass der Bund weiterhin seiner Verantwortung gegenüber den Betroffenen sexuellen Missbrauchs mit dem Fonds Sexueller Missbrauch (FSM) Rechnung tragen und darauf hinwirken wird, dass alle Länder ihren finanziellen Beitrag leisten. 13. Ist eine gesetzliche Neuregelung zur Verstetigung des Amtes des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs nach Auffassung der Bundesregierung bis zum Ende der Amtszeit des derzeit amtierenden UBSKM realistisch (falls ja, bitte die von der Bundesregierung geplanten Beratungsschritte in chronologischer Abfolge auflisten; falls nein, bitte begründen)? Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht eine Verstetigung der Stelle des UBSKM vor. 14. Wurde der Themenkomplex sexueller Kindesmissbrauch und Verstetigung des Amtes des UBSKM in der Sitzung der Chefinnen und der Chefs der Staats- und Senatskanzleien am 17. Mai 2018 in Berlin unter TOP 1.6 der Sitzung thematisiert? Wenn ja, welche relevanten Erkenntnisse waren Teil der Berichterstattung des Bundes, und wenn nein, warum nicht, und über welche Inhalte wurde stattdessen informiert? Bei der Sitzung der Chefin und der Chefs der Staats- und Senatskanzleien am 17. Mai 2018 war die Bundesregierung nicht vertreten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333