Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 26. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3014 19. Wahlperiode 27.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Buschmann, Stefan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2638 – Modernisierung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das anwaltliche Gesellschaftsrecht erfährt von mehreren Seiten Reformanstöße. Insgesamt zeichnet sich ab, dass das anwaltliche Gesellschaftsrecht eine Modernisierung braucht, um den Anforderungen einer sich verändernden Welt gerecht zu werden. Die Bundesrechtsanwaltskammer schlug eine Reform dahingehend vor, europäische Freizügigkeit zu gewährleisten, indem die §§ 59a, 59c der Bundesrechtsanwaltordnung (BRAO) für europäische Rechtsanwälte, europäische Berufsausübungsgesellschaften sowie nichtanwaltliche Rechtsdienstleister aus Mitgliedstaaten der EU geöffnet werden sollen (Stellungnahme Nr. 15/2018). Durch eine Zulassung der Rechtsform der Kommanditgesellschaft als Berufsausübungsgesellschaft für Rechtsanwälte und Sozietätsfähige würde die Freizügigkeit für alle in der EU tätigen Berufsausübungsgesellschaften gewährleistet . Prof. Dr. Matthias Kilian verweist zudem auf drei Dissertationen, die sich ebenfalls für Reformansätze aussprechen (Fundstelle: AnwBl 2018, 293). Weitergehende Thesen zur Erneuerung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts werden derzeit im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins von Prof. Dr. Martin Henssler erarbeitet und im September als Gutachten vorgestellt („DAV-Diskussionsvorschlag von Prof. Martin Henssler zum anwaltlichen Gesellschaftsrecht “). Darüber hinaus hat sich der Deutsche Anwaltverein dafür ausgesprochen, die gesetzlichen Vorgaben für die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen mit anderen Berufsgruppen zu überarbeiten (Stellungnahme Nr. 58/2017) und in diesem Zusammenhang den § 59a BRAO zu öffnen und eine interprofessionelle Zusammenarbeit in weiten und nachgefragten Teilen zu ermöglichen. Reformbedarf besteht auch wegen zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Kein Mehrheitserfordernis für Anwälte in Anwalts-GmbH, AnwBl 2014, 270; Partnerschaft mit Arzt und Apotheker , AnwBl 2016, 261), von denen letztere den § 59a Absatz 1 BRAO für verfassungswidrig erklärte. Dafür spricht sich auch die EU-Kommission wiederholt und mit Nachdruck in ihrer Mitteilung zum Ausbau des Binnenmarktes vom 28. Oktober 2015 und dem Länderbericht vom 22. Februar 2017 aus. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3014 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Sind der Bundesregierung die Reformvorschläge des beruflichen Gesellschaftsrechts , die die Bundesrechtsanwaltskammer auf der 154. Hauptversammlung vorgeschlagen hat, bekannt? Ja. 2. Sollen die Berufspflichten der BRAO weiterhin nur an dem einzelnen Berufsträger anknüpfen, oder sollte es nicht auch eine Ausweitung auf die Berufsausübungsgesellschaft geben? Nach Auffassung der Bundesregierung sollte für alle anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften an dem Prinzip der personalen Verantwortung der einzelnen Berufsträgerinnen und Berufsträger festgehalten werden. Ob und in welchem Umfang daneben Berufsausübungsgesellschaften selbst Träger von Berufspflichten und Adressat berufsrechtlicher Sanktionen sein sollen und ob eine berufsrechtliche Zulassung und eine Kammermitgliedschaft von Berufsausübungsgesellschaften begründet werden sollen, wird geprüft. Maßstab muss sein, ob entsprechende Regelungen erforderlich sind, um Schutz- und Sanktionslücken zu vermeiden. 3. Hat die Bundesregierung sich zu den Reformvorschlägen des beruflichen Gesellschaftsrechts, die die Bundesrechtsanwaltskammer auf der 154. Hauptversammlung vorgeschlagen hat, eine Meinung gebildet? Wenn ja, welche? Die Bundesregierung teilt grundsätzlich die Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer , dass im Recht der Berufsausübungsgesellschaften Reformbedarf besteht. 4. Strebt die Bundesregierung an, die Vorschläge der Bundesrechtsanwaltskammer zur Öffnung der §§ 59a, 59c BRAO für europäische Rechtsanwälte, europäische Berufsausübungsgesellschaften sowie nichtanwaltliche Rechtsdienstleister aus den Mitgliedstaaten der EU umsetzen? Wenn ja, wie? Europäische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und Berufsausübungsgesellschaften sowie nichtanwaltliche Rechtsdienstleisterinnen und Rechtsdienstleister aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union können bereits nach geltendem Recht in Deutschland tätig sein. Ob es im Einzelfall Beschränkungen gibt, die aufgehoben oder geändert werden können, und ob und welche weiteren Regelungen erforderlich sind, um die Einhaltung des Berufsrechts sicherzustellen, wird die Bundesregierung prüfen. 5. Wie steht die Bundesregierung zu rechtsformneutralen Bestimmungen zu Berufsausübungsgesellschaften mit Regelungen zu Begrifflichkeit, Anwendbarkeit auf ausländische Rechtsformen, zu Mitteilungspflichten bei Gründung, zur Postulationsfähigkeit und zur sinngemäßen Anwendung auf den Einzelanwalt zugeschnittener Berufspflichten? Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, in der Bundesrechtsanwaltsordnung rechtsformneutral soweit wie möglich einheitliche Regelungen für alle – auch ausländische – Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3014 6. Welche Meinung vertritt die Bunderegierung zu der Idee, den handelsrechtlichen Kaufmannsbegriff (nach dem Vorbild der Reform des österreichischen Unternehmensgesetzbuchs) abzuschaffen und durch einen verbraucherrechtlichen Unternehmerbegriff zu ersetzen? Die Bundesregierung sieht keinen Bedarf, den im Handelsgesetzbuch verankerten , seit der Handelsrechtsreform 1998 grundsätzlich alle Gewerbetreibenden erfassenden Kaufmannsbegriff aufzugeben. 7. Zieht die Bundesregierung die Einführung eines verbraucherrechtlichen Unternehmerbegriffes in Betracht? Die Bundesregierung zieht gegenwärtig keine Änderungen der §§ 13, 14 BGB in Betracht. 8. Wann will die Bundesregierung über die Zulässigkeit der Beteiligung von Rechtsanwaltsgesellschaften an anderen Gesellschaften und Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung entscheiden? Ob und unter welchen Voraussetzungen neben den aktiv in der Berufsausübungsgesellschaft tätigen Angehörigen der sozietätsfähigen Berufe auch andere Personen oder Gesellschaften Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft sein können, wird die Bundesregierung prüfen. 9. Welche Anforderungen an eine Beteiligungsgesellschaft sollen gestellt werden ? Genügen die Anforderungen der §§ 59c ff. BRAO? Gegen eine Beteiligung von Gesellschaften an Berufsausübungsgesellschaften bestehen dann keine grundsätzlichen Bedenken, wenn die Beteiligungsgesellschaft und der Verbund insgesamt die berufsrechtlichen Anforderungen an Berufsausübungsgesellschaften erfüllen und wenn Transparenz gewährleistet ist. Welche Anforderungen im Einzelnen erforderlich sind, um die Einhaltung der Berufspflichten zu sichern, wird die Bundesregierung prüfen. 10. Wie steht die Bundesregierung zur Erstreckung einiger Vorschriften der BRAO, insbesondere soweit sie die Beteiligung von Fremdbesitz betreffen, auf alle Berufsausübungsgesellschaften? Es sollen soweit wie möglich einheitliche berufsrechtliche Regelungen für alle Berufsausübungsgesellschaften gelten (vgl. Antwort zu Frage 5). 11. Wie steht die Bundesregierung dazu, statt des bisherigen Verbotes, sich kapitalmäßig an einer Anwaltsgesellschaft zu beteiligen, eine regulierte Minderheitenbeteiligung von Kapitalinvestoren über eine stille Gesellschaft zuzulassen ? An dem Verbot von reinen Kapitalbeteiligungen an Berufsausübungsgesellschaften soll zur Sicherung der Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft grundsätzlich festgehalten werden. Ob das Verbot in begrenzten Fällen, z. B. eines nicht mehr aktiven Berufsangehörigen, gelockert werden kann, wenn die Unabhängigkeit und Einhaltung der Berufspflichten gewährleistet werden können, soll geprüft werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3014 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Ist der Bundesregierung die Stellungnahme Nr. 58/2017 des Deutschen Anwaltvereins zur Erweiterung der interprofessionellen Zusammenarbeit bekannt ? Wenn ja, wie bewertet sie sie? Der Diskussionsvorschlag des Deutschen Anwaltvereins ist der Bundesregierung bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 13. Welche Pläne hat die Bundesregierung zur Umsetzung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts (1 BvL 6/13 vom 12. Januar 2016 und 1 BvR 2998/11 vom 14. Januar 2014), in denen es die teilweise Verfassungswidrigkeit des § 59a BRAO festgestellt hat? Warum ist seitdem noch keine Anpassung erfolgt? Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu den Mehrheitserfordernissen in der Anwalts-GmbH betraf nur die Zusammenarbeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit Patentanwältinnen und Patentanwälten. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur gemeinschaftlichen Berufsausübung betraf allein die anwaltliche Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten bzw. Apothekerinnen und Apothekern in einer Partnerschaftsgesellschaft. Angesichts der begrenzten Reichweite der Entscheidungen und der lediglich partiellen Feststellung der Verfassungswidrigkeit der §§ 59a, 59e und 59f BRAO muss näher geprüft und erörtert werden, welche grundsätzlichen Folgerungen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gezogen werden sollen. 14. Wie begründet die Bundesregierung die unveränderte Aufrechterhaltung des § 59a BRAO im Hinblick auf die weitere interprofessionelle Zusammenarbeit trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Januar 2016? Es wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 15. Hat sich die Bundesregierung eine Meinung zu der Kritik der EU-Kommission (Mitteilung „Den Binnenmarkt weiter ausbauen: mehr Chancen für die Menschen und die Unternehmen“, 28. Oktober 2015) an der Aufrechterhaltung der beschränkten Zusammenarbeitsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Berufen gebildet? Wenn ja, welche? Nach Artikel 25 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG dürfen multidisziplinäre Tätigkeiten nur beschränkt werden, um die Einhaltung von Standesregelungen sicherzustellen und soweit dies nötig ist, um die Unabhängigkeit von Berufen zu gewährleisten. Nach der Dienstleistungsrichtlinie und nach der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, beschränkende Regelungen zu überprüfen, insbesondere ob Regulierungen gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Die bestehenden Beschränkungen für eine multidisziplinäre Zusammenarbeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sollen im Rahmen der Neuregelung des Rechts der Berufsausübungsgesellschaften überprüft werden (vgl. Antwort zu Frage 13). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3014 16. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die restriktiven Zulassungsanforderungen und Einschränkungen im Bereich interprofessioneller Zusammenarbeit den Interessen der Rechtssuchenden zuwider laufen? Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss zur Verfassungswidrigkeit des Verbots der gemeinschaftlichen Berufsausübung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit Ärztinnen und Ärzten bzw. Apothekerinnen und Apothekern darauf hingewiesen, dass die zunehmende Komplexität moderner Lebens - und Wirtschaftsverhältnisse dazu führe, dass Rechtsfragen oft nicht ohne professionellen Sachverstand aus anderen Berufen ausreichend beantwortet werden könnten und die Nachfrage nach kombinierten interprofessionellen Dienstleistungen wachse. Für eine qualifizierte Beratung und Vertretung der Rechtsuchenden könne es daher entscheidend sein, anwaltliche Hilfe in spezialisierten Bereichen anzubieten und sich mit Angehörigen hierfür geeigneter Berufe zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen (BVerfG, 1 BvL 6/13 vom 12. Januar 2016, Rn. 68). Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung. Sie ist deshalb der Auffassung, dass eine Erweiterung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe den Interessen der Rechtsuchenden dient. 17. Wie steht die Bundesregierung zu einer begrenzten Aufhebung des Verbots interprofessioneller Zusammenarbeit für die in § 203 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 StGB benannten Berufe, Architekten und Ingenieure, zertifizierte Mediatoren im Sinne des § 5 Absatz 2 des Mediationsgesetzes, beratende Volks- und Betriebswirte und hauptberufliche Sachverständige? Der mit der Frage angesprochene Kreis für eine mögliche Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe entspricht dem in Frage 12 genannten Vorschlag des Deutschen Anwaltvereins (Stellungnahme Nr. 58/2017). Der Vorschlag wird in die weiteren Prüfungen einbezogen werden (vgl. Antwort zu Frage 13). 18. Strebt die Bundesregierung eine abgestimmte Anpassung der Berufsgesetze der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer an? Die Bundesregierung wird prüfen, ob und welche Anpassungen auch im Berufsrecht der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung angezeigt erscheinen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333