Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und Verbraucherschutz vom 27. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3081 19. Wahlperiode 29.06.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Suding, Grigorios Aggelidis, Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2637 – Kinderehen in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Für Minderjährige stellen Eheschließungen eine Gefahr dar, da sie die Kinder in aller Regel entmündigen. Die jüngsten Fluchtbewegungen nach Deutschland haben das Phänomen der Kinderehen verstärkt. Familien fürchten sich davor, dass ihre Töchter auf der Flucht ohne einen Ehegatten schutzlos sind. Minderjährige Personen sind daher gefährdet, vor ihrer Flucht oder auf dem Fluchtweg verheiratet zu werden. Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) ist am 22. Juli 2017 in Kraft getreten. Mit dem Ziel, Minderjährige zu schützen, wurden Änderungen im Eheschließungs- und Eheaufhebungs-, Asyl- und Aufenthalts- sowie im Kinder- und Jugendhilferecht vorgenommen. Diese Änderungen legen fest, dass eine Person mindestens 18 Jahre alt sein muss, um eine Ehe einzugehen und dabei keine Ausnahmen geltend gemacht werden können. Darüber hinaus schaffen sie Klarheit für den rechtlichen Umgang mit im Ausland geschlossenen Ehen. Für die Schließung von Ehen im Inland wurde das Mindestheiratsalter von 18 Jahren für alle Personen festgelegt. Familiengerichte dürfen demnach keine Ausnahmegenehmigungen mehr ausstellen (Alte Rechtslage vgl. § 1303 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB a. F.). Das „Voraustrauungsverbot“ stellt darüber hinaus alle religiösen, traditionellen und vertragsabschließenden Handlungen unter Strafe, die einen mit der Ehe vergleichbaren Zusammenschluss bewirken (§ 11 des Personenstandsgesetzes – PStG). Dieses Verbot richtet sich an Geistliche und Sorgeberechtigte sowie an alle bei einer solchen Handlung anwesenden Personen. Das erstmalige Widersetzen wird mit einem Bußgeld von bis zu 5 000 Euro bestraft. Das wiederholte Widersetzen begründet ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (§ 54 Absatz 2 Nummer 6 des Aufenthaltsgesetzes ). Alle im Ausland geschlossenen Ehen sind unwirksam, wenn mindestens eine minderjährige Person beteiligt ist, die das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht hat. Eheschließungen, bei der mindestens eine minderjährige Person beteiligt war, diese jedoch das 16. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Eheschließung vollendet hatte, sind nicht automatisch unwirksam, können aber ebenfalls aufgehoben werden. Nicht aufgehoben werden können Eheschließungen in verschiedenen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3081 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Ausnahmefällen, bspw. wenn die Eheschließenden mittlerweile das 18. Lebensjahr erreicht haben. Die Änderungen im Kinder- und Jugendhilferecht bewirken, dass verheiratete Minderjährige, die nicht mit ihren Eltern einreisen, als unbegleitet gelten, auch wenn sie von ihrem Ehepartner begleitet werden. Dies führt zu einer vorläufigen Inobhutnahme durch das Jugendamt. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Gemäß Artikel 10 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2429), das am 22. Juli 2017 in Kraft getreten ist, ist eine Evaluierung des Gesetzes vorgesehen. Nach Absatz 1 der Vorschrift untersucht das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes die Anwendungsfälle in der Praxis in seinem Zuständigkeitsbereich. Das Bundesministerium des Innern (, für Bau und Heimat) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend trifft nach den Absätzen 2 und 3 für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich die gleiche Verpflichtung. Die betroffenen Ressorts werden ihrer Verpflichtung fristgemäß nachkommen. 1. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen trotz des in Deutschland festgelegten Mindestheiratsalters von 18 Jahren eine Ehe geschlossen wurde, in der mindestens ein Ehegatte bei der Eheschließung im Inland jünger als 18 Jahre und älter als 16 Jahre war? Wenn ja, aus welchen Gründen? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Standesämter geltendes Recht beachten und aufgrund des seit dem 22. Juli 2017 in Deutschland ausnahmslos bestehenden Mindestheiratsalters von 18 Jahren keine Ehe unter Beteiligung eines Minderjährigen bei einem Standesamt geschlossen worden ist. 2. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen mindestens ein Ehegatte bei der Eheschließung im Ausland jünger als 16 Jahre war, wie viele dieser Ehen wurden für unwirksam erklärt (bitte nach Bundesland, Alter und Geschlecht aufschlüsseln)? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und gegebenenfalls in wie vielen Fällen nach dem 21. Juli 2017 im Ausland eine Ehe unter Beteiligung einer unter 16 Jahre alten Person geschlossen worden ist. Bekannt ist lediglich, dass das Verwaltungsgericht Berlin am 30. November 2017, Aktenzeichen 5 L 550.17 V, beschlossen hat, dass eine in Syrien geschlossene Ehe zweier Syrer nach deutschem Recht unwirksam ist, wenn ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Eheschließung 14 Jahre alt war. 3. Auf welche Weise, zu welchem Zeitpunkt und von wem (z. B. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) werden Betroffene über das in Deutschland geltende Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) und die Unwirksamkeit ihrer Ehe informiert? Ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher, der nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten nach Deutschland einreist, ist grundsätzlich als unbegleitet zu betrachten, auch dann, wenn das Kind oder der Jugendliche verheiratet ist. Bei der Asylantragstellung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3081 im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird bei verheirateten Minderjährigen das zuständige Jugendamt informiert. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden vom Jugendamt (vorläufig) in Obhut genommen nach § 42a Absatz 1 bzw. § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VIII. Vom Jugendamt werden sie über das geltende Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen und die entsprechenden Rechtsfolgen aufgeklärt. 4. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen ein Ehegatte minderjährig, aber älter als 16 Jahre war, die Ehe im Ausland geschlossen wurde und im Inland vor einem Gericht behandelt wurde? a) Wie viele dieser Ehen wurden aus welchen Gründen für unwirksam erklärt ? b) Wie viele dieser Ehen wurden aus welchen Gründen für weiterhin wirksam erklärt? Über die in Fachpublikationen veröffentlichten oder erwähnten Entscheidungen hinaus liegen der Bundesregierung hierzu keine statistischen Angaben vor. Bei juris sind derzeit (Stand: 18. Juni 2018) die beiden folgenden Entscheidungen veröffentlicht: Das Amtsgericht Nordhorn hat am 11. Januar 2018, Aktenzeichen 11 F 852/17 E 1, auch unter Hinweis auf das unionsrechtlich verbürgte Recht auf Freizügigkeit entschieden, dass die zwischen einer 16-jährigen Lettin und einem Letten in Lettland wirksam geschlossenen Ehe wegen einer schweren Härte nicht aufzuheben ist. Das Amtsgericht Frankenthal hat am 15. Februar 2018, 71 F 268/17, bei der Frage nach der Aufhebung einer in Bulgarien mit einer 16-Jährigen wirksam geschlossenen Ehe darauf hingewiesen, dass im EU-Ausland wirksam geschlossene Ehen grundsätzlich anzuerkennen seien. Darüber hinaus sei die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten, da aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe für den minderjährigen Ehegatten eine schwere Härte darstellen würde. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass über die beim Bundesgerichtshof anhängige Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 12. Mai 2016, 2 UF 58/16, zur Wirksamkeit einer in Syrien geschlossenen Ehe einer 14-Jährigen bisher noch nicht entschieden wurde. 5. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen Schülerinnen und Schüler aus Deutschland während eines Ferienaufenthalts im Ausland verheiratet wurden, und in wie vielen Fällen sind diese Schülerinnen und Schüler nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt (bitte nach Bundesland, Alter und Geschlecht aufschlüsseln)? Der Bundesregierung sind hierzu keine Zahlen bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3081 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen ein asylrechtlicher Erst- oder Folgeantrag für ein minderjähriges Kind eingereicht wurde, der mit einer drohenden Eheschließung begründet wurde, und wie viele Anträge wurden trotz dieser Gefahr abgelehnt (bitte nach Bundesland, Alter und Geschlecht aufschlüsseln)? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und gegebenenfalls in wie vielen Fällen ein asylrechtlicher Erst- oder Folgeantrag für ein minderjähriges Kind gestellt wurde, der mit einer drohenden Eheschließung begründet wurde. Asylgründe werden nicht statistisch erfasst. 7. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen ein Antrag auf Abschiebungsschutz für ein minderjähriges Kind eingereicht wurde, der mit Gefahren im Herkunftsland aufgrund der Flucht vor einer Eheschließung begründet wurde, und wie viele Anträge wurden trotz dieser Gefahr abgelehnt (bitte nach Bundesland, Alter und Geschlecht aufschlüsseln)? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und gegebenenfalls in wie vielen Fällen ein entsprechender Antrag für ein minderjähriges Kind gestellt wurde, der mit Gefahren im Herkunftsland aufgrund der Flucht vor einer Eheschließung begründet wurde. Asylgründe werden nicht statistisch erfasst. 8. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das in § 11 PStG beschriebene „Voraustrauungsverbot“ eine Anzeige ermittelt wurde? In wie vielen dieser Fälle wurde ein Bußgeldbescheid erlassen, in wie vielen Fällen wurde ein Einspruch erhoben, und in wie vielen Fällen wurde ein Gerichtsverfahren durchgeführt (bitte nach Bundesländern, Geschlecht und Alter aufschlüsseln)? a) In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung Anzeige von der zuständigen Behörde erstattet, und wie oft gingen dieser Anzeige Hinweise von Beratungs- und Kriseneinrichtungen und wie oft Hinweise von Privatpersonen voraus? b) Sind der Bundesregierung weitere Institutionen oder Einrichtungen bekannt , die sich mit Hinweisen an die zuständige Behörde gewendet haben und Ermittlungen angestoßen haben? Der Bundesregierung liegen hierzu keine statistischen Angaben vor. 9. Wie viele Fälle von sogenannten Handschuhehen sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen mindestens eine minderjährige Person beteiligt war (bitte nach Bundesland, Alter und Geschlecht aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Zahlen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3081 10. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen verheiratete Minderjährige mit ihrem Ehegatten, aber ohne ihre Eltern , eingereist sind, und in wie vielen Fällen wurde der oder die Minderjährige dann vom Jugendamt in vorläufige Obhut genommen (bitte nach Bundesland , Alter und Geschlecht aufschlüsseln)? 11. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen verheiratete Minderjährige mit ihrem Ehegatten, aber ohne ihre Eltern eingereist sind, sie vom Jugendamt jedoch nicht vorläufig in Obhut genommen worden sind, und welche Gründe liegen dafür vor? Die Fragen 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. Grundsätzlich hat das Jugendamt alle ausländischen Kinder und Jugendlichen, die nicht in Begleitung eines Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen, auch wenn sie verheiratet sind (vgl. auch die Antwort zu Frage 3). Es werden keine Zahlen darüber erhoben, wie viele der minderjährigen Flüchtlinge , die in Obhut genommen werden, verheiratet sind. Der Bundesregierung liegen daher keine statistischen Angaben hierzu vor. 12. Wie viele Fälle sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) am 22. Juli 2017 bekannt, in denen Eltern mit einem verheirateten minderjährigen Kind nach Deutschland eingereist sind, und in wie vielen dieser Fälle wurde das Jugendamt informiert (bitte nach Bundesland, Alter und Geschlecht aufschlüsseln )? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Zahlen vor. 13. Wie schätzt die Bundesregierung den asylrechtlichen Umgang mit minderjährigen Personen ein, die möglicherweise oder nachweislich von einer Eheschließung bedroht oder betroffen sind? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) versucht bei Minderjährigen , die einen Asylantrag gestellt haben und möglicherweise oder nachweislich von einer Eheschließung betroffen oder bedroht sind, im Rahmen der Anhörung zu erörtern, ob es sich um eine Zwangsehe handelt. Allein die Eheschließung vor Eintritt der Volljährigkeit begründet per se noch keinen Anspruch auf Schutz nach dem Asyl- und Flüchtlingsrecht. Sofern allerdings auf Grund eines glaubhaften Vortrags von der Wahrscheinlichkeit einer Zwangsehe bzw. einer bevorstehenden Zwangsehe auszugehen ist, besteht für minderjährige Personen ggf. ein Schutzanspruch. Maßgeblich sind die Rechtslage, die Rechtsanwendung und die allgemeinen politischen Verhältnisse im jeweiligen Herkunftsland wie auch eine daraus resultierende Gefährdungslage nach einer eventuellen Rückkehr. In Betracht kommen kann ein Schutz zum Beispiel dann, wenn die Zwangsheirat im Herkunftsland als alltäglich betrachtet wird und Schutzmöglichkeiten (Polizei, Gerichte, Familienmitglieder, Zivilgesellschaft) im Herkunftsland fehlen. Im Fall einer bereits bestehenden Zwangsehe kommt es insbesondere auf die Frage an, ob bei Rückkehr die Fortsetzung der Zwangsehe unausweichlich wäre oder ob vor allem der (alleinreisenden) Ehefrau bei Rückkehr im Falle einer Trennung der Ehegatten daraus eine asylrelevante Verfolgung, ein ernsthafter Schaden oder eine ein Abschiebungsverbot auslösende menschenrechtswidrige Behandlung droht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3081 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Inwieweit unterscheidet sich der Ablauf eines Asylverfahrens, wenn bekannt wird, dass die betroffene Person minderjährig und verheiratet ist, von herkömmlichen Asylverfahren (wird z. B. geschultes Personal für Einschätzungen herangezogen)? Verheiratete minderjährige Ehepartner können wie andere Minderjährige ohne gesetzlichen Vertreter keinen Asylantrag stellen. Ein für den minderjährigen Ehepartner gestellter Asylantrag wird erst dann bearbeitet, wenn ein gesetzlicher Vertreter diesen genehmigt und er dadurch rechtswirksam wird. Die Anhörung erfolgt grundsätzlich in Anwesenheit des gesetzlichen Vertreters und aufgrund der Kinderehe und des Verdachts auf Zwangsehe in der Regel durch einen Sonderbeauftragten für unbegleitete Minderjährige oder geschlechtsspezifisch verfolgte Personen; zumindest wird ein solcher beteiligt. In einem solchen Fall sind der Ehepartner sowie die Eltern bei der Anhörung nicht anwesend. Begleitete Minderjährige werden nicht in jedem Fall selbst angehört, wenn für sie keine eigenen Asylgründe geltend gemacht werden. Bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass eine Zwangsverheiratung im Ausland droht, wird zur Prüfung einer möglicherweise asylrechtlich relevanten Gefährdung dennoch eine Anhörung der betroffenen Person durchgeführt und ggf. im Bescheid berücksichtigt . Die Entscheidung hängt vom Einzelfall ab. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 15. Wie viele Entscheider und Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung sind für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) tätig und wie werden diese Personen geschult? Derzeit sind im BAMF 2 079 Entscheiderinnen und Entscheider tätig, davon sind 113 Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifische Verfolgung. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nach europaweit einheitlichen und durch die Europäische Unterstützungsagentur (EASO) empfohlenen Maßstäben für die Durchführung von Asylverfahren aus- bzw. weitergebildet. Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifisch Verfolgte werden, außer in den Grundlagenmodulen (materielles Recht, Anhörungstechniken, Bescheiderstellung ) und den EASO-ETC-Core-Modulen (Schutzgewährung, Gesprächsführungstechniken , Beweiswürdigung), auch in dem EASO-ETC-Modul „Befragung besonders schutzbedürftiger Personen“ in Zusammenhang mit der speziellen Basisschulung für Sonderbeauftragte unterrichtet. Ergänzt werden diese Schulungen durch Supervisions-Angebote sowie Angebote zum moderierten Erfahrungsaustausch . 16. Steht den Behörden in Deutschland nach Einschätzung der Bundesregierung genug gezielt geschultes Personal für die Arbeit mit minderjährigen Personen zur Verfügung, die möglicherweise oder nachweislich von einer Eheschließung bedroht oder betroffen sind? Eine Eheschließung Minderjähriger ist nach deutschem Recht – auch in Ausnahmefällen – nicht mehr erlaubt. Minderjährige, die durch eine religiöse oder traditionelle der Eheschließung vergleichbare Handlung beziehungsweise eine im Ausland durchzuführende Eheschließung bedroht sind, können Schutz beim Jugendamt suchen. Sie haben in diesen Fällen nach § 8 Absatz 3 SGB VIII Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis der Personensorgeberechtigten. In der Regel wird das Jugendamt die Betroffenen in Obhut nehmen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/3081 Darüber hinaus stehen für von einer Zwangsverheiratung Betroffene und für Fachkräfte – auch aus Behörden – Fachberatungsstellen zur Verfügung, für die Betroffenen darüber hinaus auch spezialisierte Zufluchtsstätten. Ein Überblick für alle Länder ist unter www.zwangsheirat.de/index.php/beratung (bei Beratungsstellen vor Ort) aufgeführt. Diese Stellen sind in der Regel für die Arbeit mit Minderjährigen geschult. Außerdem können auch Mädchenhäuser und zum Teil auch Frauenhäuser minderjährige Betroffene unterstützen und Ansprechpartner für Behörden sein. Betroffene Jugendliche und Eltern können außerdem bei der „Nummer gegen Kummer “ kostenlose Beratung unter www.nummergegenkummer.de/ oder 116111 erhalten . Auch im Asylverfahren wird geschultes Personal in ausreichender Zahl eingesetzt . Der Bedarf in den asylbearbeitenden Einheiten wird regelmäßig abgefragt. Bedarfsorientiert werden neu einzusetzende Sonderbeauftragte fortlaufend geschult . 17. In welchen Fällen wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Sonderbeauftragte für geschlechterspezifische Verfolgung von Verstößen gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) informiert, von wem erfolgt diese Information, und welche Maßnahmen stehen dem Sonderbeauftragten für geschlechterspezifische Verfolgung zur Verfügung, um minderjährige Betroffene zu unterstützen? Eine Information an den Sonderbeauftragten erfolgt grundsätzlich, wenn eine Ehe aufhebbar ist (Antragsteller zum Zeitpunkt der Eheschließung 16 bis unter 18 Jahre) oder nicht wirksam geschlossen wurde (Antragsteller zum Zeitpunkt der Eheschließung unter 16 Jahre). Sonderbeauftragte werden sowohl durch die Mitarbeiter des Asylverfahrenssekretariates informiert, wenn bei der Aktenanlage Hinweise ersichtlich sind, dass es sich um eine Minderjährigenehe handelt, als auch durch den jeweiligen bearbeitenden Entscheider, wenn diese Hinweise im Rahmen der Anhörung auftreten. Ist der Ausländerbehörde (ABH) schon vor der Asylantragstellung bekannt bzw. besteht der Verdacht, dass es sich um eine Minderjährigenehe handelt, so wird zunächst die ABH tätig. Hierzu zählt u. a. die Überprüfung des Familienstandes bei der Erfassung der Asylsuchenden, ggf. die Einleitung erforderlicher Aufhebungsverfahren sowie die Dokumentation zum Familienstand. Soweit noch keine Beteiligung des Jugendamtes vorliegt, ist dieses bei vorgetragener oder vermuteter Minderjährigenehe durch den Sonderbeauftragen einzuschalten , damit ggf. eine getrennte Unterbringung sowie Vormundbestellung veranlasst werden kann. Auch wird die ABH, soweit sie noch keine Kenntnis hatte, über die Minderjährigenehe informiert, damit durch diese – in Absprache mit dem Jugendamt – weitere Schritte eingeleitet werden können, etwa die Anregung an das Familiengericht zur Anordnung einer Vormundschaft. 18. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zum Umgang von Schulen mit Schülerinnen und Schülern vor, die von einer Eheschließung bedroht oder bereits davon betroffen sind? Diese Frage betrifft Länderkompetenzen. Es liegen der Bundesregierung daher keine systematischen Erkenntnisse zum Umgang von Schulen mit Schülerinnen und Schülern vor, die von einer Eheschließung betroffen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3081 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Lehrerinnen und Lehrer sowie andere Schulbedienstete können sich an die in der Antwort zu Frage 16 näher bezeichneten Einrichtungen wenden, wenn es Hinweise auf eine drohende Zwangsverheiratung oder bestehende Minderjährigenehe gibt. 19. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, ob und wenn ja, wie Schülerinnen und Schüler an Schulen über das in Deutschland geltende Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) aufgeklärt werden? Diese Frage betrifft Länderkompetenzen. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 20. Was tut die Bundesregierung dafür, dass Ehen, die nach dem neuen Gesetz unwirksam oder aufhebbar sind, entdeckt werden, und welche weiteren Schritte leitet eine solche Entdeckung ein? a) Werden Informationen über diese Entdeckung an relevante Behörden weitergeleitet, und wenn ja, an welche Behörden? b) Werden Beratungsstellen über diese Entdeckung informiert? Und wenn ja, welche Schritte werden von den Beratungsstellen eingeleitet ? Sofern das BAMF im Zuge der Bearbeitung des Asylverfahrens als erste staatliche Stelle Kenntnis über Minderjährigenehen erlangt, werden die entsprechenden Landesbehörden (insb. ABH, Jugendamt) unverzüglich informiert. Das BAMF geht grundsätzlich davon aus, dass die für die Aufnahme der Asylsuchenden zuständigen Behörden bei deren Erfassung den Familienstand bereits überprüfen, ggf. erforderliche Aufhebungsverfahren anregen/einleiten und dass die zuständige Ausländerbehörde das BAMF über das Ergebnis in Fällen mit Asylbezug entsprechend unterrichtet. Liegt ein Fall einer aufhebbaren Ehe vor, fragt der zuständige Mitarbeiter des BAMF im Zweifel bei der zuständigen ABH nach, ob dort Erkenntnisse zu einem etwaigen Aufhebungsverfahren vorliegen, die dann berücksichtigt werden können. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 17 verwiesen. Das BAMF informiert ausschließlich die zuständigen Landesbehörden. Zum Handeln von Landesbehörden und Beratungsstellen kann die Bundesregierung keine Angaben machen. 21. Was tut die Bundesregierung dafür, um Polizei und Ordnungsbehörden über den richtigen Umgang mit diesem Tatbestand und den Betroffenen zu informieren ? Es besteht keine Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden des Bundes für die Bekämpfung von Kinderehen. Einer Information durch die Bundesregierung über den Umgang mit neuen gesetzlichen Regelungen bedarf es nicht, denn die Behörden sind an Gesetz und Recht gebunden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/3081 22. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, ob das Hilfetelefon für Frauen (08000 116 016) von Betroffenen einer Kinderehe genutzt wird, und wenn ja, wie viele Anrufe von Frauen und Mädchen gehen monatlich bei dieser Hotline ein, die Hilfe aufgrund einer drohenden oder bereits vollzogenen Eheschließung im minderjährigen Alter suchen? Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ berät ausdrücklich zur Zwangsheirat. Im Jahr 2017 wurden dazu 174 Beratungen durchgeführt, eine monatliche Erfassung ist nicht möglich. Altersangaben und Kinderehen werden nicht erfasst. 23. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine Hotline, an die sich Jungen und Männer wenden können, die von einer Eheschließung im minderjährigen Alter bedroht sind oder diese bereits vollzogen wurde? Es wird auf die Antwort zu Frage 16 verwiesen. Für Jungen, die von einer Kinderehe bedroht werden, gibt es darüber hinaus zahlreiche Anlaufstellen und Initiativen, die Beratung und Unterstützungshilfen anbieten , die bundesweite Gruppe der HEROES bietet außerdem Präventionsarbeit an. Für Männer gibt es bei drohender oder vollzogener Zwangsheirat auch Beratungs - und Anlaufstellen im Bereich Opferhilfe, Fachberatungsstellen für Familien mit Gewaltbetroffenheit. Gleichgeschlechtlich orientierte Betroffene sowie Trans- und Intersexuelle können sich bei drohender oder vollzogener Zwangsheirat an die Antidiskriminierungsstellen wenden. 24. Haben nach Kenntnis der Bundesregierung auch Familienangehörige oder Freunde von Betroffenen die Möglichkeit, sich beraten zu lassen? Neben dem Anspruch auf allgemeine Erziehungsberatung, die auch bei der Bewältigung von familienbezogenen Problemen unterstützen soll, haben personensorgeberechtigte Familienangehörige auch einen eigenen Leistungsanspruch auf Hilfe zur Erziehung, wenn das Wohl eines Kindes oder Jugendlichen gefährdet ist. Auch Freunde von Betroffenen können sich an das Jugendamt wenden. Sobald dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt werden, hat es tätig zu werden und dabei je nach Umständen des Einzelfalls die Personensorgeberechtigten, Gerichte oder auch die Polizei einzubeziehen (§ 8a SGB VIII). Personen aus dem sozialen Umfeld, wie Familienangehörige und Freunde der von Zwangsverheiratung Betroffenen, können sich ebenfalls an die übrigen in der Antwort zu Frage 16 genannten Beratungsstellen und Einrichtungen und an das in der Antwort zu Frage 22 genannte Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ wenden . 25. Wie schätzt die Bundesregierung die Hilfe für Betroffene ein, wenn es darum geht, ihnen unbürokratisch und zeitnah die Unterbringung in Krisen- und Schutzeinrichtungen zu ermöglichen? Es wird auf die Antwort zur Frage 16 verwiesen. Im Übrigen steht den Betroffenen auch das allgemeine Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen offen und kann zielführend unterstützen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3081 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 26. Wie schätzt die Bundesregierung den Erfolg des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) und dessen Umsetzung ein, wo sieht sie Defizite, und welche Maßnahmen strebt die Bundesregierung an, diese Defizite zu beheben? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Defizite im Vollzug des Gesetzes sind bislang nicht bekannt geworden. 27. Was hält die Bundesregierung von einem globalen Ehemündigkeitsalter von 18 Jahren, und was sind die Gründe für ihre Haltung? Eine zu frühe Eheschließung kann das Wohl der Minderjährigen und ihre Entwicklungschancen beeinträchtigen. Mit einem Verbot kann die Selbstbestimmung Minderjähriger gestärkt und – insbesondere den betroffenen Mädchen – der Zugang zu Bildung und Ausbildung erleichtert werden. Beides sind Schlüssel zu Integration und gesellschaftlicher Teilhabe. Da nationale Maßnahmen allein bei derart globalen Problemen nicht ausreichen, hat der Deutsche Bundestag zeitgleich mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen in einer Entschließung die Bundesregierung aufgefordert, sich auch auf internationaler Ebene für die Bekämpfung von Kinderehen einzusetzen und im Rahmen internationaler Organisationen darauf hinzuwirken, dass das Ehemündigkeitsalter weltweit angehoben und Kinderehen rechtlich geächtet werden. Die Bundesregierung kommt dieser Aufforderung aus den oben genannten Gründen nach. 28. Findet eine Evaluation des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen statt? Wenn ja, über welche Zeitspanne findet die Evaluation statt? Wenn nein, plant die Bundesregierung, die Wirksamkeit des Gesetzes zukünftig zu evaluieren? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 29. Sieht die Bundesregierung konkreten Handlungsbedarf, um mögliche Defizite in der praktischen Anwendung des Gesetzes abzustellen? Wenn ja, welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung dazu? Auf die Antwort zur Frage 26 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333