Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 29. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3196 19. Wahlperiode 03.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Bauer, Dr. Gero Clemens Hocker, Frank Sitta, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2783 – Eschentriebsterben V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit 2008 können wir in Deutschland das Eschentriebsterben an Fraxinus excelsior in unseren Wäldern beobachten. Die Pilzkrankheit verbreitete sich in Europa vom Baltikum aus und wurde auch nach Deutschland eingeschleppt. Durch mangelnde Hygiene im Wald sowie durch die Gewässernähe vieler Eschen konnte sich die Krankheit rasch verbreiten. Besonders davon betroffen sind die sehr sensiblen Auwälder, feuchte Hangschuttoder Schluchtstandorte und Basaltkuppen, wo die Gewöhnliche Esche bestandsbildend auftritt. Im Verlauf weniger Jahre sterben ganze Wälder ab, die Hoffnung auf resistente Individuen schwindet langsam aber sicher. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Das Eschentriebsterben wird durch den aus Ostasien eingeschleppten Schlauchpilz Hymenoscyphus fraxineus (Synonym: Hymenoscyphus pseudoalbidus; deutsche Bezeichnung: Falsches Weißes Stängelbecherchen) mit seiner Nebenfruchtform Chalara fraxinea verursacht. Die bei uns in Europa heimische Gewöhnliche Esche zeigt eine hohe Anfälligkeit gegenüber dieser eingeschleppten Pilzkrankheit , die sich inzwischen in fast ganz Europa ausgebreitet hat. Der Pilz überwintert an abgefallenen Blattspindeln der Esche. In der folgenden Vegetations-periode bildet er dort kleine weißliche bis gelbliche Fruchtkörper (Durchmesser 0,5 bis 3 mm). Die Sporen werden durch den Wind verbreitet. Die Neuinfektion erfolgt meist über die Blätter, von dort kann der Pilz in die Triebe eindringen. Es entstehen schildförmige Rindennekrosen, Triebe und Äste sterben in der Folge ab. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann der Pilz auch über den Wurzelansatz den Stamm befallen und so Stammfußnekrosen verursachen, die holzzerstörenden Folgepilzen, wie beispielsweise Hallimasch, den Weg bereiten und letztendlich zu schwerwiegenden Stockfäulen führen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3196 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Ansicht, dass mangelnde Waldhygiene zur raschen Verbreitung des Pilzes beitrug, wird von der Bundesregierung nicht geteilt: Ein Entfernen der Blattstreu kommt im Wald, anders als in Garten- und Parkanlagen sowie bei Straßenbäumen , nicht in Frage. Ein beschleunigter Aushieb von Eschen ist waldbaulich umstritten , denn damit wird die Chance vertan, dass sich die Eschen natürlich verjüngen und die Art langfristig erhalten bleibt. Auch Artenschutzaspekte sprechen dagegen: Tierarten, die die Gewöhnliche Esche als Brut- und Nahrungshabitat nutzen, würde die Lebensgrundlage entzogen. Beispielsweise legt der Maivogel (Euphydryas maturna), eine Tagfalterart, die auf der Roten Liste und in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie steht, seine Eier an der Unterseite von Eschenblättern ab, von denen sich die Raupen ernähren. 1. Hat die Bundesregierung einen nationalen Aktionsplan bzw. eine Strategie gegen das Eschentriebsterben? Wenn nein, warum nicht? Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat einen Koordinierungskreis aus Fachleuten aus Forschungseinrichtungen des Bundes und der Länder auf den Gebieten Forstschutz, Pflanzenpathologie, Forstgenetik, Waldbau und Ertragskunde unter Federführung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) ins Leben gerufen. Er soll Forschungsvorhaben koordinieren und bündeln sowie Forschungslücken identifizieren und entsprechende Vorhaben initiieren. Auf seiner dritten Sitzung Anfang April 2018 hat der Koordinierungskreis Prioritäten identifiziert. Das BMEL hat im Rahmen des „Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe“ (FNR) im Januar 2018 einen unbefristeten Aufruf zum Erhalt der Gewöhnlichen Esche als Wirtschaftsbaumart veröffentlicht und fördert bereits seit dem Jahr 2010 entsprechende Projekte. 2. Besitzt die Bundesregierung darüber Kenntnisse, ob eine Verbreitung des Pilzes von der Forstwirtschaft aktiv unterbunden wird? Direkte Bekämpfungsmaßnahmen gegen das Eschentriebsterben sind bislang nicht bekannt. Daher kann die Forstwirtschaft die Verbreitung des Pilzes nicht aktiv unterbinden. Für ältere Bestände wird eine „hinhaltende“ Bewirtschaftung empfohlen: Befallene Eschen sollten genutzt werden, bevor das Holz entwertet ist. Hierbei ist die Arbeitssicherheit besonders zu beachten. Gesunde und gering befallene Eschen sollten hingegen möglichst lange im Bestand gehalten werden. Von Eschenpflanzungen wird derzeit abgeraten. Den Waldbesitzern wird empfohlen, vermehrt natürlich zu verjüngen. 3. Kann die Bundesregierung darüber Auskunft erteilen, wie die Forstwirtschaft künftig in den Auwäldern gemäß der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie wirtschaften soll, wenn der „Brotbaum“ der Auwälder im Verschwinden begriffen ist und größere Anteile des Bergahorns unerwünscht sind? Die konkrete Ausgestaltung der Vorgaben für die waldbauliche Praxis im Zuge der Bewirtschaftung der Staatsforsten sowie bezüglich der Beratung und Betreuung privater und kommunaler Waldbesitzer liegt bei den Ländern. Eine aktive Förderung der Gewöhnlichen Esche scheint nach derzeitigem Kenntnisstand nur bedingt möglich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3196 Bezüglich der Anteile beim Bergahorn muss nach Lebensraumtyp (LRT) unterschieden werden. So ist er bei den Weichholzauwäldern (LRT 91E0) eine der charakteristischen und damit lebensraumtypischen Baumarten. Naturschutzfachlich darf der Anteil dieser Baumart somit bei Ausfall der Esche ansteigen, sollte jedoch durch entsprechendes forstwirtschaftliches Handeln, ggf. durch Förderung anderer charakteristischer Baumarten, auf ein ökologisch vorteilhaftes Maß begrenzt werden, um die Diversität der Baumarten zu erhalten. Hierfür können z. B. Schwarzerle, Schwarzpappel und verschiedene Weidenarten in Betracht kommen . Im Fall der Hartholzauwälder (LRT 91F0) stellt der Bergahorn keine lebensraumtypische Baumart dar und sollte daher in seinem Anteil forstwirtschaftlich stärker begrenzt werden. Hier geben die bundesweit abgestimmten Bewertungsschemata entsprechende Hinweise vor. Stieleiche, Schwarzpappel, Vogelkirsche, Traubenkirsche und Ulmenarten können als typische Baumarten für eine forstwirtschaftliche Förderung in Betracht kommen. 4. Weiß die Bundesregierung, wie mit Waldbesitzern verfahren wird, die aufgrund der Empfehlungen und Förderungen der Forstverwaltungen Eschen gepflanzt haben, jetzt aber aufgrund des Eschensterbens die Bindefristen der Förderungen nicht mehr einhalten können? Soweit Waldbesitzer aufgrund von Empfehlungen und Förderungen der Forstverwaltungen der Länder Eschen gepflanzt haben und aufgrund des Eschensterbens die Zweckbindefristen nicht mehr eingehalten werden können, können entsprechende in den Verwaltungsvorschriften der Länder enthaltene Klauseln über „höhere Gewalt“ angewandt werden. Danach kann nach einer Prüfung des Einzelfalls von einer Rückforderung der Zuwendung abgesehen werden, soweit der Waldbesitzer die Nichteinhaltung der Zweckbindung nicht zu vertreten hat. Hierunter sind nach Kenntnis der Bundesregierung i. d. R. auch Ausfälle durch das Eschentriebsterben zu zählen. 5. Weiß die Bundesregierung, ob geschützte Standorte mit einer Eschenbestockung vor dem Pilz geschützt werden? Erfolgreiche aktive Bekämpfungsmaßnahmen sind nicht bekannt. Eine Behandlung mit Fungiziden wird nach gegenwärtigem Kenntnisstand als nicht sinnvoll eingestuft. Derzeit besteht eine Empfehlung, von Eschenpflanzungen abzusehen (siehe Antwort zu Frage 2), um eine Weiterverbreitung des Pilzes mit infiziertem Pflanzgut zu verhindern. In naturschutz- oder forstrechtlich ausgewiesenen Schutzgebieten, in denen die Biotoperhaltung vorrangiges Ziel ist, kann ein Verzicht auf aktives Eingreifen und das Zulassen der natürlichen Entwicklung eine Option sein. 6. Weiß die Bundesregierung, ob der günstige Erhaltungszustand naturschutzfachlich relevanter Standorte trotz des Eschentriebsterbens bestehen bleibt und ob aktiv Maßnahmen zur Erhaltung getroffen werden? Diese Frage steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Ausführungen der Antwort zu Frage 3. Gelingt es, das lebensraumtypische Arteninventar mit Blick auf die Baumschicht zu erhalten, kann der negative Effekt des Ausfalls der Esche Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3196 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ggf. auf ausreichend vielen Flächen kompensiert werden, um die betroffenen Lebensraumtypen in ihren Vorkommen zu stabilisieren. Dies gilt neben den Auwäldern auch für die Hang- und Schluchtwälder sowie die Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwälder . Der Erhaltungszustand beider Auenwald-Lebensraumtypen ist (mit Ausnahme der alpinen biogeographischen Region) deutschlandweit im FFH-Bericht 2013 als „ungünstig-schlecht“ eingestuft worden, weshalb von einem Bestehen des günstigen Erhaltungszustands in diesem Fall nicht gesprochen werden kann. Auch der Erhaltungszustand der Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwälder ist deutschlandweit im FFH-Bericht 2013 als „ungünstig-unzureichend“ bewertet worden. Es wird seitens verschiedener Institute, auch gefördert mit Bundesmitteln, an der Resistenzforschung bei der Esche gearbeitet. Angestrebt wird, resistente Varietäten zu identifizieren und diese gezielt zu fördern. Ein starkes Fortschreiten des Eschentriebsterbens würde zu Verschlechterungen der Erhaltungszustände der o. g. Lebensraumtypen führen. Eine neue Bewertung der Erhaltungszustände dieser Lebensraumtypen auf biogeographischer Ebene in Deutschland wird mit Fertigstellung des FFH-Berichts 2019 vorliegen. 7. Sind der Bundesregierung gebietsfremde Baumarten bekannt, welche die stabilisierende Funktion der Esche in den Ökosystemen Hartholzaue und Hangschuttwald übernehmen könnten? Potentielle Ersatzbaumarten werden durch die forstlichen Forschungs- und Versuchsanstalten der Länder evaluiert und in Anbauversuchen erprobt. Einige Arten , die in Europa schon länger angebaut werden, wie z. B. die Schwarznuss, können auf Auewaldstandorten eine Alternative zur Esche sein. Fremdländische Eschen haben in früheren Anbauversuchen die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt; zudem sind die südeuropäischen und manche asiatische Arten früh- und spätfrostempfindlich, während amerikanische Eschenarten z. T. ebenfalls anfällig für das Eschentriebsterben sind. Über gebietsfremde Baumarten sollte das breite Spektrum heimischer Baumarten, wie z. B. Ahornarten, Flatterulme, Hainbuche, Schwarz- und Grauerle, Stieleiche, Sommer- und Winterlinde, Vogelkirsche, Wildapfel, Wildbirne, Schwarzpappel und Weiden nicht vergessen werden. Über ihre jeweilige Anbaueignung entscheiden die konkreten Standortbedingungen. Die Länder haben hierzu Empfehlungen herausgegeben; beispielsweise werden im Merkblatt Nr. 28 der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft 33 Laubbaumartenarten hinsichtlich Standortansprüchen, Eignung und Risiken charakterisiert. 8. Weiß die Bundesregierung, ob im Zuge der Verkehrssicherung an Straßen bei der Esche als beliebtem Allee-, Park- und Straßenbaum regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden? Wird bei den Kontrollen auch der Stammfuß nach Nekrosen und der damit einhergehenden Stock- und Wurzelfäule untersucht? Der Bundesregierung liegen keine Angaben darüber vor, wie intensiv die jeweiligen Verkehrssicherungspflichtigen ihren Baumbestand auf evtl. Pilzbefall oder andere Schäden untersuchen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333