Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 29. Juni 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3198 19. Wahlperiode 03.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Judith Skudelny, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2785 – Neonicotinoide und Insektenvielfalt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Obwohl man nicht genau weiß, wie groß der Wildbienenbestand in Deutschland gegenwärtig ist, gehen Untersuchungen davon aus, dass die Anzahl der Wildbienen in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Bei Wildbienen gibt es anders als bei Honigbienen nur eine Erfassung von Insektenbiomasse aus Fangschalen. Gleichzeitig ist die Anzahl der Honigbienen in Deutschland durch eine höhere Anzahl von Hobbyimkern gestiegen. Waren es im Jahr 2007 erst 620 000 Bienenstöcke so sind es im Jahr 2017 bereits 822 000 Bienenstöcke. So positiv diese Entwicklung zu bewerten ist, steigert sie auch den Druck auf die Wildbienen durch die Konkurrenz der Honigbiene um Nahrung und Lebensraum. Es kommt zu einer Nahrungsverknappung für Wildbienen und andere Insekten, die im Gegensatz zur Honigbiene nicht gewandert und damit zu der Nahrungsquelle gebracht werden. Zusätzlich verknappt das bereits im Jahr 2013 eingeführte Beizverbot von Winterrapssaatgut das Angebot von Bienenweiden. Seither ist ein Rückgang der Rapsanbaufläche um ca. 150 000 ha in Deutschland zu verzeichnen. Neonicotinoide fanden in der Rapsbeize Anwendung, um vor der kleinen Kohlfliege oder dem Rapserdfloh zu schützen. Aktuell sind am 27. April 2018 nun drei weitere Wirkstoffe (Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam) der Stoffklasse Neonicotinoide von der EU- Kommission in ihrer Freiland Nutzung verboten worden. Mit dem neuen Anwendungsverbot der Neonicotinoide, für die es keine Alternative gibt, könnte es folglich nun auch einen Rückgang der Anbaufläche von Kartoffeln, Kohl, Zierpflanzen , Äpfel, Hopfen, Pfirsich, Salat, Weinrebe und Zuckerrübe kommen. Auch bei den aktuell betreffenden Kulturen sind auffällig blühende Gehölzarten dabei, was erneut einen Verlust von Bienenweiden bedeuten könnte. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3198 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. a) Was erwartet die Bundesregierung durch das Freilandverbot von Neonicotinoiden (der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Wirkstoffe) an quantifizierbaren Auswirkungen in Bezug auf den Rückgang der Anbauflächen (bitte in Hektar für die in der Vorbemerkung der Fragesteller angegebenen Kulturen angeben) und damit auf Bienenweide? b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Ertragsverlust pro Hektar Anbaufläche der betroffenen Kulturen ein, wenn auf den Einsatz von Neonicotinoiden verzichtet wird und alternative Pflanzenschutzmaßnahmen nicht eingeleitet werden? Wie hoch ist der daraus resultierende ökonomische Schaden bei Ansatz von Durchschnittspreisen der vergangenen fünf Jahre (bitte jeweils pro Kultur aufführen)? Die Fragen 1a und 1b werden zusammenhängend wie folgt beantwortet. Die Frage der Anbauwürdigkeit einer Kultur bei Nicht-Verfügbarkeit eines bestimmten Pflanzenschutzmittels ergibt sich aus den jeweiligen Anwendungsbedingungen , dem Auftreten und der Schadwirkung des zu bekämpfenden Organismus , den verfügbaren alternativen Bekämpfungsmaßnahmen und der Vorzüglichkeit der möglichen Alternativkulturen. Ob der Anbauer dann die betreffende Kultur ersetzt, ist zudem noch von den betriebsspezifischen Bedingungen abhängig. Ein Rückgang des Anbauumfangs kann bei den betroffenen Kulturen nicht ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der Futtergrundlage für Honigbienen ist auch bei einem Rückgang der Anbauflächen der Kulturen Hopfen, Kartoffel, Kohl, Salat, Zuckerrübe und Zierpflanzen nicht mit Auswirkungen auf die Ernährungssituation der Honigbiene zu rechnen, da sie einen geringen Pollen- und Nektarwert für Honigbienen haben, keine blühende Pflanze sind, nur bei der Saatgutvermehrung zur Blüte kommen oder größtenteils unter Glas angebaut werden. Bei einem Rückgang der Anbauflächen der Kulturen Weinrebe, Apfel, Raps und Pfirsich können Auswirkungen auf die Ernährungssituation der Honigbiene nicht ausgeschlossen werden. Ein ökonomischer Schaden bei einzelnen Kulturen durch den Wegfall der neonikotinoiden Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam kann seitens der Bundesregierung nicht abgeschätzt werden. c) Um wie viel Prozent soll nach Ansicht der Bundesregierung das Insektensterben durch das Verbot von Neonicotinoiden eingedämmt werden? Aus Sicht der Bundesregierung ist es nicht möglich, eine belastbare Aussage zu treffen, um wie viel Prozent die Insektenpopulation durch das Verbot von Neonikotinoiden beeinflusst wird. d) Welche Überprüfungsmechanismen werden eingeführt, um die Regeneration der Insektenpopulation nach bundeseinheitlichen Standards zu überwachen und damit festzustellen, ob ein Erfolg der Verbote eintritt? Das von der Bundesregierung geplante „Aktionsprogramm Insektenschutz“ hat eine Weiterentwicklung der Kenntnislage zur Gefährdungssituation von Insekten, aber auch der biologischen Vielfalt insgesamt zum Ziel. Dazu soll auch der geplante Aufbau eines wissenschaftlichen Monitoringzentrums zur Biodiversität beitragen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3198 2. Wie genau plant die Bundesregierung, der entstandenen Nahrungsverknappung für die Bienenvölker entgegenzuwirken (bitte flächenbezogene Angaben zur jeweiligen Maßnahme machen und den jeweiligen Wirkungsgrad angeben )? Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Informationen darüber vor, ob das Verbot des Einsatzes bestimmter Neonikotinoide zu einer relevanten Verknappung des Nahrungsangebots für Bienenvölker führt. Zur Förderung des Nahrungsangebots für Bienenvölker wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 3. Wie plant die Bundesregierung, Bienenweiden in der Kulturlandschaft zu etablieren? In welchem Größenumfang (bitte in Hektar angeben) sollen entsprechende Projekte umgesetzt werden? Wesentlich für die nachhaltige Stabilisierung des Trachtenangebots ist neben einer erhöhten Kulturpflanzenvielfalt vor allem der Erhalt und die Wiederherstellung verlorener blütenreicher Kleinstrukturen in Teilen der Landschaft, damit die verschiedenen Bestäuberarten ganzjährig ein differenziertes Blühangebot in der Agrarlandschaft haben. Weiterhin ist die Verfügbarkeit geeigneter Nisthabitate für Wildbienen ein relevanter Faktor. Zur Förderung des Nahrungsangebots für Wild- und Honigbienen in der offenen Agrarlandschaft wurde im Jahr 2018 im Rahmen des „Greenings“ in der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik eine spezielle Variante der ökologischen Vorrangflächen eingeführt. Auf dem „für Honigpflanzen genutzten brachliegenden Land“ sollen besonders pollen- und nektarreiche Arten gefördert werden. Über die „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes “ (GAK) werden Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, unter anderem der Anbau vielfältiger Fruchtfolgen, die Anlage von Blühflächen / Blühstreifen sowie Schon- und Schutzstreifen, die Anlage und Pflege von Hecken, Knicks, Baumreihen und Feldgehölzen und die Pflege von Streuobstwiesen sowie Maßnahmen des nicht-produktiven investiven Naturschutzes, honoriert. Im GAK- Rahmenplan wurde der Vertragsnaturschutz verankert, damit auch Maßnahmen zu Schutz und Wiederherstellung von Lebensräumen und Lebensstätten für Wildund Honigbienen förderfähig sind. 4. Ist im Rahmen der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD benannten Insektenschutzstrategie ein gesondertes Wildbienenschutzprojekt geplant, da Wildbienen nicht gewandert werden und es dadurch insbesondere für die Wildbiene zur Nahrungsverknappung kommt? Das Bundesumweltministerium fördert bereits heute Projekte, die zum Schutz von Wildbienen beitragen, z. B. im „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“. Die Maßnahmen des geplanten „Aktionsprogramms Insektenschutz“ sollen auch den Wildbienen zugutekommen. Bereits jetzt wird das Bundesumweltministerium im „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ für Praxisprojekte zur Förderung von Insekten und ihrer Artenvielfalt 5 Mio. Euro im Jahr bereitstellen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3198 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Für wie groß hält die Bundesregierung den Einfluss der Gestaltung öffentlicher Flächen, die teilweise sogar als „Steinwüste“ bezeichnet werden, auf den Rückgang der Insekten (bitte in Prozent und in absoluten Zahlen angeben )? Flächen der öffentlichen Hand stellen in vielen Fällen wie z. B. bei Truppenübungsplätzen und Flächen des nationalen Naturerbes wichtige Lebensräume auch für Insekten dar. Um auf Flächen der öffentlichen Hand den Insektenschutz zu stärken, wird die Bundesregierung im Rahmen des geplanten Aktionsprogramms Insektenschutz auch Maßnahmen für diese Flächen ergreifen. Der Einfluss der öffentlichen Flächen auf den Rückgang der Insekten in Prozent oder in absoluten Zahlen ist der Bundesregierung nicht bekannt. 6. Ist bei den wissenschaftlichen Untersuchungen, die die Grundlage für das Verbot von Neonicotinoiden bilden, nach Kenntnis der Bundesregierung eine Bewertung der möglichen Verschlechterung der Insektenpopulationen durch Ersatzmaßnahmen (Änderung der Fruchtfolge, mechanische Unkrautbekämpfung , chemischer Pflanzenschutz) berücksichtigt worden? Die wissenschaftliche Aufgabe der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) war es unter anderem, die direkten Auswirkungen der Anwendung der drei Neonikotinoide Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin auf Bienen zu überprüfen. Es ging allein um die Frage, ob diese Wirkstoffe die im Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 definierten Genehmigungskriterien in Bezug auf die Umwelt erfüllen. Das Mandat der Europäischen Kommission sah keine Analyse von Ersatzmaßnahmen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333