Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 03. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3206 19. Wahlperiode 04.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jürgen Pohl, Marcus Bühl, Dr. Robby Schlund und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/2852 – Kinderarmut in Thüringen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bertelsmann Stiftung kommt in der Studie „Armutsmuster in Kindheit und Jugend – Längsschnittbetrachtungen von Kinderarmut“ aus dem Jahr 2017 zu dem Ergebnis, dass Kinderarmut in Deutschland oft ein Dauerzustand sei. Zudem sind der Studie zufolge rund 2 Millionen Kinder abhängig von Hartz IV (IAB: Institut für Arbeit- und Berufsforschung: Armutsmuster in Kindheit und Jugend; Längsschnittbetrachtungen von Kinderarmut; Bertelsmann Stiftung 2017). Mit einer Armutsquote von 15,9 Prozent liegt Thüringen immer noch deutlich über dem bundesdeutschen Schnitt von 14,7 Prozent und noch deutlicher über dem Schnitt der westdeutschen Bundesländer von 13,2 Prozent. Anlass zur Sorge gibt das große Gefälle innerhalb des Landes sowie das nach wie vor hohe Armutsrisiko in Ballungsgebieten sowie in ländlichen, strukturschwachen Regionen (Factsheet Thüringen: Kinder im SGB-II-Bezug; Bertelsmann -Stiftung 2016). 1. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die Armutsrisikoquote 2016 und – soweit bekannt – 2017 von Kindern allgemein, von Kindern in Paar-Familien sowie von Kindern Alleinerziehender (bitte nach Landkreisen in Thüringen aufschlüsseln)? 2. Wie bewertet die Bundesregierung diese Quoten, und wie erklärt sie (gegebenenfalls ) die erheblichen Unterschiede? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Die Armutsrisikoquote ist eine statistische Maßgröße für die Einkommensverteilung . Sie liefert keine Information über individuelle Bedürftigkeit. Ihre Höhe hängt u. a. von der zugrundeliegenden Datenbasis, der Bezugsgröße (50 Prozent, 60 Prozent oder 70 Prozent des mittleren Einkommens) und der Gewichtung der Haushaltsmitglieder bei der Bestimmung des Nettoäquivalenzeinkommens ab. Der Indikator ist insbesondere für Teilpopulationen sehr volatil und kann je nach Datenquelle unterschiedlich ausfallen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3206 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Soweit regionalisierte und nach Alter und Haushaltstyp differenzierte Daten zur Armutsrisikoquote vorhanden sind, können sie der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Es zeigt sich der bekannte Sachverhalt, dass Alleinerziehende und Familien mit drei oder mehr Kindern, die insbesondere aufgrund ihrer familiären Rahmenbedingungen besondere Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen haben, häufiger in den unteren Einkommensklassen vertreten sind. Eine weitere Aufschlüsselung nach Landkreisen ist in der amtlichen Statistik nicht vorhanden. Daten für das Jahr 2017 liegen noch nicht vor. 3. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die SGB-II-Hilfsquote für Paar-Familien mit Kindern, und wie hoch ist die Sanktionsquote in Paar- Familien mit Kindern (bitte nach Landkreisen in Thüringen aufschlüsseln)? 4. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die SGB-II-Hilfsquote für Alleinerziehenden-Familien mit Kindern, und wie hoch ist die Sanktionsquote in Alleinerziehenden-Familien (bitte nach Landkreisen in Thüringen aufschlüsseln)? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Gemäß der Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Bundesagentur für Arbeit betrug die Hilfequote für Bedarfsgemeinschaften in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für Partner mit Kind im Jahresdurchschnitt 2017 in Thüringen 6,8 Prozent und für Alleinerziehende 33,4 Prozent. Hilfequoten von Bedarfsgemeinschaften liegen nur auf Länderebene, nicht aber auf Kreisebene vor. Die Sanktionsquote für erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB), die im Bedarfsgemeinschaftstyp Partner mit Kind leben, betrug im Jahresdurchschnitt 2017 in Thüringen 2,4 Prozent, die für ELB im Bedarfsgemeinschaftstyp Alleinerziehend 2,7 Prozent. Weitere Angaben aufgeschlüsselt nach Kreisen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Armutsrisikoquote1) in Thüringen 2016 nach soziodemografischen Merkmalen in % Bundesmedian Landesmedian Insgesamt 17,2 12,0 Alter Unter 18 22,8 15,1 Haushaltstyp2) Ein(e) Erwachsene(r) mit Kind(ern) 49,6 32,6 Zwei Erwachsene und ein Kind 10,3 6,8 Zwei Erwachsene und zwei Kinder 11,4 7,3 Zwei Erwachsene und drei oder mehr Kinder 31,3 20,3 Sonstiger Haushalt mit Kind(ern) 16,7 12,0 2) Zu den Kindern zählen Personen im Alter von unter 18 Jahren ohne Lebenspartner/-in und eigene Kinder im Haushalt. Quelle: Mikrozensus Merkmal gemessen am 1) Anteil der Personen mit einem Äquivalenzeinkommen von w eniger als 60% des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptw ohnung. Das Äquivalenzeinkommen w ird auf Basis der neuen OECD-Skala berechnet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3206 5. Was wird die Bundesregierung unternehmen, um das Armutsrisiko von Kindern generell sowie insbesondere das um ein Vielfaches höhere Armutsrisiko von Alleinerziehenden und ihren Kindern zu reduzieren? Im Koalitionsvertrag wurde ein Maßnahmenpaket für mehr Kinderchancen und zur Verringerung der Kinderarmut vereinbart, das von der Bundesregierung umgesetzt wird. Danach ist vorgesehen, den Kinderzuschlag zu erhöhen, so dass er mit dem ebenfalls erhöhten Kindergeld und den Leistungen für Bildung und Teilhabe den Mindestbedarf des sächlichen Existenzminimums eines Kindes deckt. Zudem sollen der Kinderzuschlag bei steigendem Einkommen langsam auslaufen und eine sogenannte Abbruchkante vermieden werden. Damit verbleibt den Familien mehr Einkommen. Das Kindergeld wird in dieser Legislaturperiode um 25 Euro monatlich pro Kind steigen. Bei den Leistungen für Bildung und Teilhabe sollen das „Schulstarterpaket“ (Leistung für den persönlichen Schulbedarf) aufgestockt werden und die Eigenanteile zur gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Kitas und Schulen und für Schülerbeförderung entfallen. Land Thüringen und Kreise Jahresw erte 2017 Insgesamt Partner mit Kind Alleinerziehend Thüringen 3,2 2,4 2,7 Erfurt, Stadt 3,2 2,3 2,5 Gera, Stadt 3,4 1,8 2,6 Jena, Stadt 2,9 1,7 2,2 Suhl, Stadt 2,9 3,2 1,8 Weimar, Stadt 2,8 1,7 2,7 Eisenach, Stadt 3,2 2,5 2,1 Eichsfeld 1,2 0,8 1,1 Nordhausen 2,3 1,8 1,3 Wartburgkreis 2,1 1,5 2,2 Unstrut-Hainich-Kreis 3,7 2,5 3,5 Kyffhäuserkreis 2,6 2,4 2,3 Schmalkalden-Meiningen 3,4 2,6 3,9 Gotha 5,7 5,7 5,0 Sömmerda 4,2 3,7 4,0 Hildburghausen 3,3 3,5 1,9 Ilm-Kreis 3,8 2,8 3,9 Weimarer Land 3,7 3,8 2,7 Sonneberg 2,9 3,9 2,7 Saalfeld-Rudolstadt 4,2 3,1 2,9 Saale-Holzland-Kreis 2,7 1,7 1,8 Saale-Orla-Kreis 2,2 1,5 2,1 Greiz 2,6 1,7 1,7 Altenburger Land 2,0 1,2 2,0 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Sanktionsquoten Gebiet Tabelle: Sanktionsquoten von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der Bedarfsgemeinschaftstypen "Alleinerziehend" sowie "Partner mit Kind" Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3206 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Darüber hinaus ist vereinbart, Länder und Kommunen weiterhin beim Ausbau des Angebots und bei der Steigerung der Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen und dem Angebot an Kindertagespflege sowie zusätzlich bei der Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit zu unterstützen und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter zu schaffen. Denn eine gute Kinderbetreuung kann Folgen von Armutsrisiken für das Aufwachsen der Kinder ausgleichen und eröffnet den Eltern zugleich über eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf Möglichkeiten zum Einkommenserwerb. Die Einkommenserzielung der Eltern ist der nachhaltigste Schutz vor Kinderarmutsrisiken . 6. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass Familien in Thüringen 7,2 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Kinderbetreuung ausgeben, mehr als in allen anderen ostdeutschen Bundesländern (Eltern-Zoom 2018; Schwerpunkt: Elternbeteiligung bei der KiTA- Finanzierung; Bertelsmann Stiftung 2018)? Es wird darauf hingewiesen, dass laut der in der Frage genannten Befragung Thüringen das ostdeutsche Bundesland mit dem zweithöchsten (7,2 Prozent) Anteil von KiTa-Beiträgen und Zusatzgebühren am Einkommen in den ostdeutschen Bundesländern hinter Mecklenburg-Vorpommern (8,2 Prozent) ist. Die Bundesregierung zieht hieraus keine Schlussfolgerung, die einzig auf den Freistaat Thüringen zutrifft. Allerdings bekräftigen die landesspezifischen Ergebnisse der o. g. Befragung die Auffassung der Bundesregierung, dass für eine Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung an die unterschiedlichen Entwicklungsbedarfe in den Bundesländern angeknüpft werden sollte (siehe: „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“, Zwischenbericht 2016 von Bund und Ländern, S. 3). 7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass Haushalte unterhalb der Armutsrisikogrenze im Bundesdurchschnitt einen fast doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für den Kita-Beitrag ihrer Kinder aufbringen müssen wie wohlhabendere Eltern (nach Angaben der Bertelsmann Stiftung zahlen Mütter und Väter, die über weniger als 60 Prozent eines durchschnittlichen Einkommens verfügen, monatlich durchschnittlich 118 Euro und damit 10 Prozent ihres Einkommens für den Kita- Besuch, Eltern oberhalb der Armutsrisikogrenze zahlen dagegen nur rund 5 Prozent des Einkommens, im Durchschnitt 178 Euro. ebd.)? Die Bundesregierung zieht aus diesen Ergebnissen die Schlussfolgerung, dass Familien im Sozialleistungsbezug oder mit geringem Einkommen von Kostenbeiträgen für die Kindertagesbetreuung relativ gesehen besonders stark belastet sind. Elternbeiträge dürfen jedoch nicht zu einer Hürde für den Besuch einer Kita oder Tagespflege werden (siehe dazu: „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“, Zwischenbericht 2016 von Bund und Ländern, S. 11). Der Bund stellt laut Koalitionsvertrag für prioritäre Maßnahmen im Bereich Kita allein in dieser Legislaturperiode 3,5 Mrd. Euro bereit, die unter anderem für eine Entlastung der Eltern bei den Gebühren eingesetzt werden sollen. Zu den vorgesehenen Maßnahmen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333