Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Dezember 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/323 19. Wahlperiode 27.12.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Cornelia Möhring, Lorenz Gösta Beutin, Christine Buchholz, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/162 – Ansprengversuche und Beschuss der Fregatte Karlsruhe V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Juli 2017 wurde bekannt, dass die Bundeswehr im Rahmen der Wehrforschung im ersten Halbjahr 2018 im Sperrgebiet Schönhagen bei Damp/Ostsee Ansprengversuche und einen Beschuss der ausgedienten Fregatte Karlsruhe plant (Kieler Nachrichten vom 22. Juli 2017). Bei Ansprengversuchen werden Sprengladungen unterschiedlicher Größenordnungen in der Nähe der Bordwand gezündet, um anhand von Messungen Aussagen über die Schockresistenz von Schiffen in Abhängigkeit der Ladungsgröße treffen zu können. Durch die bei Sprengungen auftretenden Schockwellen sind Meerestiere stark gefährdet. Durch abrupte Scherkräfte in Geweben kommt es zum Zerreißen von Lungen, Schwimmblasen, Darmwänden sowie zum Verschieben von Gehörknöchelchen . Darüber hinaus sind schwere Blutungen in Gehirn oder Ohren sowie Fettembolien, ausgelöst durch abrupte Blutdrucksteigerung durch äußere Einwirkung, dokumentiert (Koschinski, Sven, Marine Technology Society Journal Volume 45 Number 6, 2011)2011). Insbesondere Meeressäugetiere, Fische und schwimmende oder tauchende Seevögel sind in Abhängigkeit von der Ladungsgröße bis in mehrere Kilometer Entfernung einem erheblichen Verletzungs - oder Tötungsrisko ausgesetzt. Viele dieser Arten genießen jedoch einen besonderen Schutz gemäß FFH- oder Vogelschutzrichtline der Europäischen Union. Darüber hinaus fordert die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, damit die europäischen Meeresgewässer bis zum Jahr 2020 einen guten Umweltzustand erreichen . Der Deskriptor 11 sagt aus: „Die Einleitung von Energie, einschließlich Unterwasserlärm, bewegt sich in einem Rahmen, der sich nicht nachteilig auf die Meeresumwelt auswirkt“ (vgl. Anhang 1 der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt)). Deutschland hat entsprechend ein Umweltziel für die Ostsee festgeschrieben, um die Meeresorganismen vor anthropogenen Energieeinträgen zu bewahren (www.meeresschutz.info/msrl. html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/323 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. In welchem genauen Zeitraum sind jeweils die Ansprengversuche an der ausgemusterten Fregatte Karlsruhe, bzw. die Beschüsse aus der Luft und Beschüsse unter Wasser geplant? Die Versuche sind im zweiten Quartal 2018 und ab Spätsommer 2018 (ggf. bis Januar 2019) geplant. Eine genaue Terminierung ergibt sich nach den jeweils vorliegenden Erkenntnissen von Schon- und Schutzzeiten (vgl. Antwort zu Frage 2) und wird entsprechend ausgeplant. Ein Beschuss unter Wasser ist nicht geplant. 2. In welchen Zeiträumen kommen nach Kenntnis der Bundesregierung im Seegebiet bei Schönhagen Meeressäugetiere, geschützte Seevogelarten oder geschützte Fischarten vor? In welchem Zeitraum haben hier kommerziell genutzte Fischarten sensible Zeiten (z. B. Laichzeit, inklusive Vorlaicher-Ansammlungen)? Grundsätzlich kann das Vorkommen von Meeressäugetieren, geschützten Seevogelarten oder geschützten Fischarten im vorliegenden Gebiet nicht ausgeschlossen werden. Der Schweinswal kommt zum Beispiel ganzjährig im Gebiet vor und hat seine störungssensiblen Zeiten in der westlichen Ostsee vom 1. Juni bis 30. September. Die Vorkommen aller nach Fauna-Flora-Habitat (FFH)- und Vogelschutzrichtlinie geschützten Meeressäugetiere, Seevogelarten und Fischarten, sind dem „Nationalen Bericht nach Artikel 17 FFH-Richtlinie in Deutschland 2013“ (www.bfn.de/themen/natura-2000/berichte-monitoring/nationaler-ffhbericht .html) und dem nationalen Vogelschutzbericht 2013 (www.bfn.de/ themen/natura-2000/berichte-monitoring/nationaler-vogelschutzbericht/2013.html) zu entnehmen. Im Küstenmeer sind die Länder für den Vollzug von Naturschutzaufgaben zuständig . 3. Welche Minderungsmaßnahmen sind genau geplant, um während der Versuche nachteilige Auswirkungen auf die unter Frage 2 aufgeführten Artengruppen zu vermeiden? Neben Beachtung der Schon- und Schutzzeiten sind folgende Minderungsmaßnahmen vorgesehen: Beobachtung des Seegebietes, optische und akustische Aufklärungen sowie Vergrämungsmaßnahmen. 4. Ist eine gezielte Nachsuche auf verletzte oder getötete Meeressäugetiere vorgesehen ? In welcher Form ist das für die Untersuchung von Totfunden von Meeressäugetieren zuständige Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (Tierärztliche Hochschule Hannover) eingebunden? Nach einer Sprengung wird das Versuchsgebiet abgesucht. Bei dem Totfund eines Meeressäugetiers wird die Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen der Bundeswehr, Maritime Technologie und Forschung (Wehrtechnische Dienststelle/WTD 71) das für Meeressäugetiere zuständige Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung in Büsum informieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/323 5. Wie viele Sprengladungen mit welchen Ladungsgewichten sollen bei den Ansprengversuchen eingesetzt werden und mit welchem Sprengstoff (bitte bei Angaben zur Ladungsgröße als TNT-Äquivalent angeben)? Auf die „VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestufte Anlage wird verwiesen.* Die Einstufung erfolgt, da die dort angeführten Daten in Verbindung mit den späteren Ergebnissen der Versuche Schlüsse auf die Verwundbarkeit der Kampfschiffe ermöglichen können und ihre Veröffentlichung somit nachteilig für die Bundesrepublik Deutschland wäre. 6. Mit welchen Geschossen soll die Fregatte beschossen werden (bitte mit Angabe von Zahl und Kaliber sowie dem Hinweis, ob aus der Luft oder unter Wasser)? Wie ist der Kenntnisstand bezüglich einer Schockwellenausbildung im Wasser durch Munitionskörper, die zum Beschuss verwendet werden? Auf die „VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestufte Anlage wird verwiesen.* Zur Begründung der Einstufung wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen . Die Beschussversuche werden so angelegt, dass kein Projektil ins Wasser geschossen wird. Die Effekte der Stoßwellenausbreitung im Wasser sind bekannt, hier jedoch nicht relevant. 7. Welche Zahl und welche Arten panzerbrechender Munition kommen zum Einsatz? Werden uranhaltige Projektile verwendet? Es werden keine uranhaltigen Projektile verwendet. Auf die „VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestufte Anlage wird verwiesen.* Zur Begründung der Einstufung wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 8. Welche Firmen sind an der Erprobung/Wehrforschung am Projekt ex-Karlsruhe beteiligt? An dem Projekt sind im Hinblick auf Messung und Simulation das Unternehmen Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG) sowie die Niederländische Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (niederländisch : Nederlandse Organisatie voor toegepast-natuurwetenschappelijk onderzoek – TNO) beteiligt. * Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/323 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Wie ist sichergestellt, dass mögliche Umweltschäden durch die Bundeswehr bzw. die beteiligten Firmen vermieden werden? Wie wird die Grundsatzweisung für den Umweltschutz der Bundeswehr sichergestellt ? Welches Ergebnis hatte die Umweltverträglichkeitsprüfung a) in Bezug auf die Auswirkungen der Schockwellen, b) in Bezug auf die durch die Munition in die Meeresumwelt und die Nahrungskette eingetragenen Schadstoffe? Die Beantwortung der Fragen erfolgt im Zusammenhang. Das Schiff wird auf die jeweiligen Versuche vorbereitet (u. a. Entsorgung von Gefahrstoffen, Verschließen sämtlicher Außenhautdurchbrüche). Daneben werden Sprengungen nur in den in der Antwort zu Frage 1 genannten Zeiträumen vorgenommen und die in der Antwort zu Frage 3 angegebenen Maßnahmen durchgeführt. Da die Minimierung der Auswirkungen von Sprengungen bei der Festlegung der Zeiträume, in denen Sprengungen zulässig sind, sichergestellt wurde, werden für die Sprengungen im einzelnen keine Untersuchungen hinsichtlich der Fragen 9a und 9b durchgeführt. 10. Wie wird sichergestellt, dass die Schutz- und Erhaltungsziele der dem Sperrgebiet Schönhagen naheliegenden Natura-2000-Schutzgebiete (DE 1423- 394 und DE 1326-301) sowie die zwischen beiden Schutzgebieten befindliche Uferschwalbenkolonie nicht beeinträchtigt werden und dem geltenden Verschlechterungsverbot Rechnung getragen wird? Alle Maßnahmen sind auf das Sperrgebiet beschränkt. Eine Prüfung aller Maßnahmen auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen der Gebiete ist nach §34 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vor ihrer Zulassung oder Durchführung verpflichtend, wenn sie geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen . 11. Welche staatlichen und privaten Institutionen der Umweltüberwachung sind eingebunden? Wie ist die Haftung im Falle eines Umweltschadens geregelt? Die öffentlich-rechtliche Aufsicht der Bundeswehr (Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr – BAIUDBw) ist beteiligt. Im Falle eines Schadens haftet die Bundesrepublik Deutschland. 12. Ist ein öffentlicher Dialogprozess über die möglichen Auswirkungen des Vorhabens und ihre Vermeidung in die Wege geleitet? Welche Institutionen sind beteiligt? Im Falle eines nicht öffentlichen Dialogs: Welche Behörden wurden von der Planung unterrichtet, welche Behörden wurden in die Planung einbezogen? Von der Planung des Vorhabens, dass zur Verbesserung des Schutzes von Personal und Ausrüstung der Bundeswehr durchgeführt wird, sind die öffentlich-rechtliche Aufsicht (BAIUDBw), das Marinekommando, das Bundesamt für Ausrüstung , Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) mit WTD 71 sowie verschiedene Wasser- und Schifffahrtsämter unterrichtet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/323 13. Welche weiteren Kampagnen von Ansprengversuchen hat die Bundeswehr in den vergangenen sechs Jahren durchgeführt und in welchen Gebieten (bitte auch Nennung der Gebiete in anderen NATO-Ländern)? In welchen Zeiträumen sind für welche Gebiete zukünftig weitere Ansprengversuche geplant? Die Bundeswehr hat 2011 in Norwegen die Ansprengung einer Fregatte nördlich von Stavanger messtechnisch unterstützt. Im Sperrgebiet Schönhagen hat die Bundeswehr in den letzten sechs Jahren folgende Kampagnen durchgeführt: 2011 Ansprengung ex Uboot U25 2012/13 Vergleichssprengung Torpedogefechtskopf 2014 Sprengung für Splash Spotting 2015 Ansprengung Polyurethan Small Waterplane Area Twin Hull (PU Swath) 2016 Ansprengung Mehrzweckboot klein, Ansprengung Uboot U212, Vergleichssprengung Torpedogefechtskopf Zukünftig sind im Sperrgebiet Schönhagen geplant: 2017 Gasblasenversuche t (bis 15. Dezember), aufgrund von schlechtem Wetter bislang aber nicht durchgeführt 2018-2019 Ansprengung ex Fregatte F122 Ansprengung Fregatte F125 weitere Gasblasenversuche 14. Welche finanziellen oder ggf. anderweitigen Kompensationen sind für wirtschaftlich Betroffene (etwa Fischer, Tourismus) vorgesehen? Es werden keine wirtschaftlichen Schäden erwartet. 15. In welchem Umfang und mit welchem Ergebnis wurde vorab geprüft, ob die Auswertung von Ansprengversuchen verbündeter Partner ebenfalls Antworten resp. verwertbare Ergebnisse auf die Fragestellungen der geplanten Versuchskampagne an der „Karlsruhe“ liefern könnten? Durch regelmäßige Kontakte und regelmäßigen Informationsaustausch mit verbündeten Partnern ist bekannt, dass keine vergleichbaren Versuche durchgeführt wurden. 16. Welche Anstrengungen werden unternommen, um z. B. durch numerische Modellierung und Simulationsrechnungen in Zukunft auf Ansprengversuche verzichten zu können? Die Bundeswehr investiert erhebliche Mittel zur Entwicklung von Simulationen, um die Anzahl der erforderlichen Ansprengversuche zu minimieren. Die Ansprengung der Fregatte Karlsruhe dient der Validierung der Simulationsdaten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333