Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 3. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3246 19. Wahlperiode 05.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Torsten Herbst, Jens Beeck, Bernd Reuther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2814 – Bahnsteighöhen in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bahnsteige in Deutschland haben historisch bedingt keine einheitliche Höhe. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in der Bundesrepublik Deutschland Bahnsteighöhen von 76 cm die Regel, in der Deutschen Demokratischen Republik waren 38 cm bzw. 55 cm üblich. In den neuen Bundesländern begann man nach der Wiedervereinigung mit Wissen und in Abstimmung mit den zuständigen Gesellschaften der Deutschen Bahn AG sowie dem Eisenbahn-Bundesamt als der zuständigen Planfeststellungsbehörde damit, die Bahnsteige auf den meisten Strecken auf eine Höhe von 55 cm auszubauen. Grund hierfür war der Bestand vieler Bahnsteige mit einer Höhe von 38 cm oder weniger. So wurde die Voraussetzung geschaffen, dass alle Züge mit einer Bodenhöhe von 60 cm diese und alle weiteren Bahnsteighöhen zwischen 38 cm bis 76 cm bedienen können. Laut § 13 Absatz 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung gilt seit 1991 jedoch, dass Bahnsteige in Deutschland „in der Regel eine Höhe von 76 cm“ besitzen sollen. Ausnahmen wie jene in Ostdeutschland sind damit nur in begründeten Fällen zulässig. Um eine deutschlandweit einheitlich Höhe herbeizuführen, haben das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und die Deutsche Bahn AG im Jahr 2017 angekündigt, die Höhe von 76 cm verstärkt durchsetzen zu wollen. Der Internationale Eisenbahnverband UIC empfiehlt hingegen eine Bahnsteighöhe von 55 cm, welche in Ländern wie Frankreich, Österreich, Italien oder Tschechien umgesetzt wird. Der generelle Ausbau auf 76 cm würde jedoch in den gewachsenen Regional-Nahverkehrsnetzen Ost- und Mitteldeutschlands sowie anderer Bundesländer mit mehrheitlich 38-cm- bzw. 55-cm-Bahnsteigen über Jahrzehnte für Probleme beim barrierefreien Zugang sorgen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Bahnsteige mit der Höhe 76 cm hauptsächlich für den Schienenpersonenfernverkehr ausgelegt sind, muss aus Sicht der Fragesteller unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und der Barrierefreiheit hinterfragt werden, ob in separierten Nahverkehrsnetzen Bahnsteige sowie Wagenmaterial unter erheblichem finanziellen Aufwand ausgetauscht werden müssen. Als Folge dieser Ungewissheit über die zukünftigen Bahnsteighöhen kommt es Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3246 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode heute schon in einigen Bundesländern zu Baustopps und Investitionsverschiebungen . Sowohl der Steuerzahler als auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen werden dabei mit erheblichen Kosten belastet, mobilitätseingeschränkten Bürgerinnen und Bürgern droht der Verlust der bereits erreichten Barrierefreiheit. 1. Wie viele Bahnsteige gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland , und welche Höhe haben diese jeweils (bitte nach Bundesländern sowie Nah- und Fernverkehr aufschlüsseln)? Die DB Station&Service AG hat eine Aufschlüsselung ihrer 9 231 aktiv in Betrieb befindlichen Bahnsteige (Stand Infrastrukturkataster 30. November 2017) nach Bahnsteighöhen und Bundesländern in der nachfolgenden Tabelle dargestellt . Bahnsteige für den Halt des Fernverkehrs werden überwiegend vom Nahverkehr mitgenutzt; daher ist keine getrennte Aufschlüsselung möglich. Bundesland Bahnsteighöhen < 38 cm 38 cm 55 cm 76 cm 85 cm 96 cm 103 cm Gesamt Baden-Württemberg 241 253 381 322 7 79 1.276 Bayern 391 395 232 394 157 1.576 Berlin 0 2 6 37 118 47 210 Brandenburg 142 28 128 175 28 11 512 Bremen 1 4 22 27 Hamburg 0 1 19 61 81 Hessen 173 148 161 236 1 70 789 Mecklenburg-Vorpommern 61 42 161 18 282 Niedersachsen 59 72 157 358 1 647 Nordrhein-Westfalen 96 219 43 633 181 1.172 Rheinland-Pfalz 183 126 143 165 717 Saarland 46 8 45 20 119 Sachsen 226 96 305 26 653 Sachsen-Anhalt 97 124 212 68 501 Schleswig-Holstein 3 42 34 128 9 216 Thüringen 127 93 220 13 453 Gesamtergebnis 1.846 1.653 2.328 2.634 8 704 58 9.231 Tabelle 1: Anzahl der Bahnsteige nach Bahnsteighöhen je Bundesland (Stand: 30. November 2017) 2. Wie viele Bahnsteige in wie vielen Bahnhöfen wurden in den letzten zehn Jahren neu- bzw. umgebaut, und auf welche Höhe erfolgte der jeweilige Umbzw . Neubau? Die DB Station&Service AG hat im Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht 2017 angegeben, in durchschnittlich ca. 100 Bahnhöfen pro Jahr die Bahnsteige zu erneuern und aufzuhöhen. Im Berichtsjahr 2017 dominiert die Reisendennutzung von 76 cm und 96 cm-Bahnsteigen mit insgesamt 82,7 Prozent. Die Reisendennutzung von 55 cm-Bahnsteigen beträgt 8,5 Prozent. Hinsichtlich der Reisendennutzung kommt den 76 cm hohen Bahnsteigen gegenüber den 55 cm Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3246 hohen Bahnsteigen eine steigende Bedeutung zu. Im Zeitraum 2012 bis 2017 wird der Zuwachs der Fahrgäste, die an 76 cm hohen Bahnsteigen ein- oder aussteigen, mit 2 Prozent angegeben, während der Zuwachs an 55 cm hohen Bahnsteigen in diesen Zeitraum 1,3 Prozent beträgt. 3. Welche Anzahl und welcher Anteil von Bahnhöfen mit Fernverkehrshalt besitzt durchgängige Bahnsteighöhen von 76 cm, und welcher Anteil besitzt unterschiedliche Bahnsteighöhen für Nah- und Fernverkehrszüge? Nach Angaben DB Station&Service AG haben die bedeutenden Bahnhöfe für Fernund Nahverkehr der größten Städte und Ballungszentren überwiegend 76 cm oder für reine S-Bahnhalte 96 cm hohe Bahnsteige. Ausnahmen hiervon sind Erfurt, Dresden und Rostock. Nähere Informationen sind in einer Kartenübersicht im Internet abrufbar unter: www.deutschebahn.com/de/presse/suche_Medienpakete/ medienpaket_bahnsteighoehen-1204448. 4. Wie viele Reisezugwagen betreiben die Deutsche Bahn AG und ihre Tochterunternehmen derzeit, und welche Bahnsteighöhen können diese jeweils barrierefrei bedienen? Die DB AG hat mitgeteilt, dass die Züge der DB AG grundsätzlich für mobilitätseingeschränkte Reisende geeignet sind. Die Züge haben einen ausreichend breiten Einstieg, mehrere Rollstuhlstellplätze, die erforderlichen Bewegungsflächen und eine Universaltoilette in der Nähe der Rollstuhlstellplätze. Der Zugang zu älteren Zügen wird an vielen Bahnhöfen (55 cm und 76 cm) über sogenannte mobile Hublifte ermöglicht. Eine Übersicht über diese Bahnhöfe und deren Servicezeiten sind im Internet abrufbar unter: www.bahn.de/p/view/mdb/bahnintern/ zielgruppen_-_msc/handicap/zugangsregeln_leitfaden/mdb_240280_zugangsregeln_ bahnhofsliste_2016.pdf. Die modernen Züge der Baureihe 407 und 412 sowie die Intercity 2 haben integrierte Hublifte bzw. Rampen und sind somit unabhängig vom Bahnhof. Die Angaben zu den Reisezugwagen sind der beigefügten Anlage aufgeführt. 5. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung beim Aus- und Neubau der Bahnsteige in Deutschland? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf Frage 11 des Abgeordneten Matthias Gastel auf Plenarprotokoll 19/35 verwiesen. 6. Nach welchen Kriterien wird die im neuen Bahnsteighöhenkonzept vorgenommene Unterteilung in Haupt- und Ballungsraumnetz sowie Nebennetz mit der Folge der Zulässigkeit unterschiedlicher Bahnsteighöhen vorgenommen ? Die DB Station&Service AG hat mitgeteilt, dass das in der Weiterentwicklung des Bahnsteighöhenkonzepts verankerte „Hauptnetz“ auf die Regelbahnsteighöhen 76 cm (bzw. 96 cm für S-Bahnsysteme) nach EBO ausgelegt ist; Abweichungen – beispielsweise auf 55 cm – sind in begründeten Fällen zulässig. Das Hauptnetz ergibt sich aus dem Fern- und Ballungsnetz, das durch Verbindungsstrecken ergänzt wird, auf denen überregionaler Verkehr (z. B. ICE, IC, RE) fährt oder fahren kann. Im Übrigen finden nach wie vor Verhandlungen der DB Station &Service AG mit den Ländern und den Behindertenverbänden statt, die zu weiteren Justierungen des Bahnsteighöhenkonzepts führen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3246 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Welches Konzept verfolgen die Länder Dänemark, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Tschechien und Polen nach Kenntnis der Bundesregierung beim Aus- und Neubau der Bahnsteige? Grundlage für die Genehmigung von Neu- und Ausbaumaßnahmen sind die zum Zeitpunkt der Genehmigung geltenden rechtlichen Normen sowie die einschlägigen anerkannten Regeln der Technik. Mit der technischen Spezifikation für die Interoperabilität bezüglich „eingeschränkt mobiler Personen“ (TSI PRM) hat der europäische Gesetzgeber definiert, wie Fahrzeuge und Bahnsteige aufeinander abzustimmen sind. Dies bildet unter anderem die Grundlage für eine Inbetriebnahmegenehmigung . In den Nachbarländern Belgien, Niederlande und Polen dominieren 76 cm hohe Bahnsteige. In Dänemark, Luxemburg, Frankreich, Schweiz und Österreich werden 55 cm hohe Bahnsteige favorisiert. 8. Wie hat sich der Anteil der barrierefreien Zustiegsmöglichkeiten bei Fahrten der Deutschen Bahn AG und ihrer Tochterunternehmen in den vergangenen zehn Jahren jeweils im Schienenpersonennah- und -fernverkehr entwickelt (bitte als Anteil aller Stationshalte angeben)? Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden Informationen vor, da diese von der DB AG nicht erfasst werden. 9. Wie hoch wären nach Kenntnis der Bundesregierung die finanziellen Aufwendungen , um alle Bahnsteige in Deutschland auf eine Höhe von 76 cm umzubauen, und in welchem Zeitraum wäre ein solcher Umbau abgeschlossen ? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 11 des Abgeordneten Matthias Gastel auf Plenarprotokoll 19/35 verwiesen. 11. Welche finanziellen Mittel strebt die Bundesregierung an, jährlich bis 2025 bereitzustellen, um eine bundesweit einheitliche Bahnsteighöhe zu erreichen ? Die Verhandlungen über das Bahnsteighöhenkonzept sind noch nicht abgeschlossen , so dass die Frage nicht beantwortet werden kann. 12. Wie hoch wären nach Kenntnis der Bundesregierung die finanziellen Aufwendungen , um alle Reisezugwagen der Deutschen Bahn AG und ihrer Tochterunternehmen für eine barrierefreie Bedienung von 76-cm-Bahnsteigen zu ertüchtigen? Die Ertüchtigung für einen barrierefreien Zugang bei Bahnsteighöhe von 76 cm ist bei der alten Fahrzeugflotte nachträglich aus konstruktiven Gründen nicht möglich. Bei allen neuen Fahrzeugen, wie dem ICE 4 oder dem Intercity 2, werde auf den barrierefreien Zugang geachtet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3246 10. Welcher finanzielle Aufwand würde den Aufgabenträgern im Schienenpersonennahverkehr für eine Anpassung bzw. Neubeschaffung von Fahrzeugen zur Barrierefreiheit für 76-cm-Bahnsteige sowie zur Anpassung der jeweiligen Zuwegungen (Rampen, Aufzüge, Rolltreppen) auf die geänderte Bahnsteighöhe entstehen? 13. Welche Vereinbarungen bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen der Deutschen Bahn AG und einzelnen Bundesländern über Abweichungen von der Soll-Bahnsteighöhe von 76 cm, und was wird in der jeweiligen Vereinbarung konkret geregelt? 14. Welche Vereinbarungen über Abweichungen von der Soll-Bahnsteighöhe von 76 cm sind gegenwärtig Verhandlungsgegenstand zwischen der Deutschen Bahn AG und einzelnen Bundesländern, und was soll in der jeweiligen Vereinbarung konkret geregelt werden? Die Fragen 10, 13 und 14 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die DB Station&Service AG hat mitgeteilt, dass das Bahnsteighöhenkonzept der DB AG die fachliche Begründung für Abweichungen von den Regelhöhen der EBO darstellt. Verhandlungsgegenstand sind Ausnahmeregeln, um dem an einigen Strecken bereits erreichten Ausbaustand mit 55 cm hohen Bahnsteigen Rechnung zu tragen, sowie streckenbezogene Migrationskonzepte, um perspektivisch den Ausbau der Bahnsteige und den künftigen Einsatz passender Nahverkehrsfahrzeuge aufeinander abzustimmen. 15. Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhältnis zwischen der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung als einfachgesetzlichem technischen Regelwerk des Bundes und der grundgesetzlich verankerten Zuständigkeit der Länder für den Schienenpersonennahverkehr? Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) gilt für regelspurige Eisenbahnen und enthält Regelungen zur Infrastruktur, zu den Fahrzeugen und zum Betrieb ; sie dient der Technischen Einheitlichkeit im Eisenbahnwesen. Die Zuständigkeit der Länder zielt hingegen auf die Gestaltung des Leistungsangebots im Schienenpersonennahverkehr. 16. Ist der Bundesregierung das von den gesetzlichen Aufgabenträgern aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie vom Nordhessischen Verkehrsverbund erstellte Bahnsteighöhenkonzept Mitteldeutschland bekannt, welches zahlreiche Vorschläge für eine deutlich schnellere und kostengünstigere Herstellung der Barrierefreiheit im Schienenpersonennahverkehr Mitteldeutschlands aufzeigt? Falls ja, wie bewertet die Bundesregierung die dort aufgeführten Vorschläge ? Die Bundesregierung prüft derzeit die Vorschläge. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3246 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Anlage „Bahnsteighöhen in Deutschland“ Quelle: DB AG Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333