Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 3. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3254 19. Wahlperiode 05.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Leidig, Ingrid Remmers, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/2892 – Modernisierung von Stellwerken und Bahnübergängen im deutschen Schienennetz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die ursprüngliche Technologie zur Bedienung von Stellwerken im deutschen Schienennetz ist die mechanische Bedienung: Weichen und Signale werden über Hebel und Stahlseile gestellt. Noch immer gibt es eine Vielzahl solcher mechanisch bedienten Stellwerke, die bei weitem nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und teilweise über hundert Jahre alt sind. Schon seit 1894 gibt es elektromechanische Stellwerke, die einfacher zu bedienen und im Vergleich zu den mechanischen sicherer sind. Seit den 1950er Jahren gibt es komplett elektrische Gleisbildstellwerke, die auf der Basis von Relais funktionieren , und seit den späten 1970er Jahren steuern teilweise elektronische Stellwerke auf der Basis von Computertechnik den Bahnverkehr. Mit Stand 2016 gibt es insgesamt 2 776 Stellwerke im Netz der Deutschen Bahn AG, von denen 752 mechanische Stellwerke, 321 elektromechanische Stellwerke , 1 298 Drucktasten- bzw. Relaisstellwerke, 361 elektronische Stellwerke und 44 sonstige Stellwerke sind (Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht 2016, erstellt von der DB AG im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II – LuFV II im September 2017, S. 140). Es gibt seit Jahren einen Investitionsrückstau bei den Stellwerken im deutschen Schienennetz. Das Durchschnittsalter von Stellwerken in Deutschland beträgt fast 50 Jahre (Wirtschaftswoche vom 25. November 2013; Christian Schlesinger , Reinhold Böhmer: „Zu Unrecht am Pranger“; www.wiwo.de/unternehmen/ dienstleister/deutsche-bahn-chef-grube-wir-stehen-pausenlos-zu-unrecht-ampranger /9113730-all.html). Mehrere Unfälle in den letzten Jahren werfen ein Licht auf die Konsequenzen für die Sicherheit im Schienenverkehr, die veraltete und unzureichende Stellwerks - und Sicherungstechnik – meist gepaart mit menschlichem Versagen – haben kann: Beim Zusammenstoß eines Regional- und eines Güterzuges bei Hordorf am 29. Januar 2011 mit insgesamt elf Toten war die fehlende Ausstattung mit einer automatischen Zugbeeinflussung (PZB) der Grund dafür, dass der Güterzug , der Halt zeigende Signale überfahren hatte, nicht zwangsgebremst Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3254 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode wurde und das Unglück daher nicht verhindert werden konnte (Untersuchungsbericht der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes vom 14. September 2011). Der Zusammenstoß zweier Regionalzüge bei Bad Aibling am 9. Februar 2016 mit zwölf Toten hätte durch die Ausstattung des technisch veralteten Stellwerks mit einem sog. Erlaubnisempfangsmelder sehr wahrscheinlich verhindert werden können (Sauerländischer Bobachter vom 24. November 2016, 8. Lokalseite; Stefan Aschauer-Hundt: „Ich bin drei Fahrdienstleiter“ / Süddeutsche Zeitung vom 9. Februar 2017, S. 36; „Stockende Signale“). Der Zusammenstoß eines Regional- und eines Güterzugs in Aichach am 7. Mai 2018 mit zwei Toten hätte ebenfalls durch ein moderneres Stellwerk verhindert werden können. Nur das dort vorhandene rein mechanische Stellwerk ermöglichte es, beide Züge auf das gleiche Gleis im Bahnhof Aichach zu leiten (Süddeutsche Zeitung vom 12. Mai 2018, S. 44; „Fahrdienstleiter war abgelenkt“). Nach meldepflichtigen Ereignissen an Stellwerken wurden bereits mehrfach Stellwerke als sicherheitsbedenklich eingestuft, für deren Modernisierung der Bund dann kurzfristig Mittel bereitgestellt hat – so z. B. 2008/2009 für das Stellwerk in Karlstadt (Main) auf der Strecke Aschaffenburg–Würzburg, wo Hauptsignale ohne entsprechende Ansteuerung in die Haltstellung zurückgefallen waren , sodass Züge zwangsgebremst wurden (Main-Echo vom 2. Mai 2009, „Stellwerk -Defekt bremst Züge aus“). Dort wurden nach der Erstellung eines Sicherheitsberichts kurzfristig die Mittel für den Bau eines elektronischen Stellwerks freigegeben (Main-Post vom 26. November 2008, „München steuert die Signale “). Im deutschen Schienennetz gibt es mit Stand 2016 insgesamt 13 862 Bahnübergänge – mit abnehmender Tendenz. Davon sind knapp 70 Prozent (9 692) technisch gesichert, 714 davon jedoch nur durch Lichtzeichen und nicht mit Schranken . 4 170 Bahnübergänge haben überhaupt keine technische Sicherung (Infrastrukturzustands - und -entwicklungsbericht 2016, erstellt von der DB AG im Rahmen der LuFV II im September 2017, S. 138 f.). Auch an Bahnübergängen – insbesondere solchen ohne Sicherung durch Schranken – kam es in den letzten Jahren immer wieder zu folgenschweren Unfällen . Solche Unfälle kommen an technisch gesicherten Bahnübergängen sehr viel seltener vor als an ungesicherten (Bundestagsdrucksache 17/9294). 1. Welche Investitionen plant die Bundesregierung und die Deutsche Bahn AG in den nächsten Jahren für die Modernisierung von Stellwerken im deutschen Schienennetz (bitte die geplanten Investitionen, aufgegliedert nach Jahren, tabellarisch auflisten)? Eine Antwort ist innerhalb der für die Beantwortung vorgesehenen Frist nicht möglich und wird nachgereicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3254 2. Teilt die Bundesregierung die Vision des DB-Technikvorstands Ronald Pofalla für die flächendeckende Ausstattung des deutschen Schienennetzes mit ETCS (= European Train Control System; Broschüre „Digitale Schiene Deutschland“, herausgegeben von der DB AG im Januar 2018), um eine höhere Zugdichte, höhere Zuverlässigkeit sowie energiesparendes Fahren erreichen zu können? Falls ja, bis zu welchem Zeitpunkt plant die Bundesregierung diese Umrüstung , und welche Mittel in welchen Zeiträumen stellt sie dafür zur Verfügung (bitte begründen)? Falls nein, welches andere Konzept verfolgt die Bundesregierung für die Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik im deutschen Schienennetz , und wie plant sie dieses umzusetzen (bitte begründen)? Die Bundesregierung begrüßt die Aktivitäten der DB AG im Rahmen des Projektes „Digitale Schiene Deutschland“. Das Projekt enthält kurzfristig umsetzbare Innovationen, aber auch Zukunftsvisionen, die sich noch im Bereich der Forschung befinden. Die DB AG wird ermitteln, welche Aspekte des Projektes wann umgesetzt werden können, bevor eine Finanzierungsentscheidung getroffen werden kann. 3. Wie viele Stellwerke mit der Steuerung für welche Gesamt-Streckenlänge im deutschen Schienennetz funktionieren mechanisch, elektromechanisch, relaiselektrisch oder elektronisch (bitte tabellarisch nach Jahren seit 1994 auflisten)? Eine Antwort ist innerhalb der für die Beantwortung vorgesehenen Frist nicht möglich und wird nachgereicht. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/2711 verwiesen. 4. Bis zu welchem Zeitpunkt sollen nach Kenntnis der Bundesregierung alle mechanischen und elektromechanischen Stellwerke im deutschen Schienennetz – abgesehen von Museumsbahnen – durch moderne Stellwerke ersetzt sein und wie soll dies konkret umgesetzt werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Wie viele sicherheitsrelevante Ereignisse durch Probleme mit Stellwerken und/oder menschliches Versagen von Fahrdienstleitern gab es im deutschen Streckennetz in den letzten Jahren (bitte die einzelnen Ereignisse aufgelistet nach Jahren seit 1994 bis heute, getrennt nach den Stellwerkstypen mechanisch , elektromechanisch, relaiselektrisch oder elektronisch tabellarisch auflisten )? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3254 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Nach welchen dieser sicherheitsrelevanten Ereignisse wurden kurzfristig Investitionsmittel für die Modernisierung von Stellwerken bereitgestellt, und welche Beträge aus welchen Haushaltsmitteln wurden dafür jeweils verwendet (bitte die einzelnen Ereignisse sortiert nach Zeitpunkt tabellarisch auflisten )? Investitionen in die bestehende Infrastruktur – dies betrifft auch die erforderliche Modernisierung von Stellwerken – werden vom Bund im Rahmen der Leistungsund Finanzierungsvereinbarung (LuFV) finanziert. Der Einsatz dieser Bundesmittel erfolgt in Eigenverantwortung der DB AG. Die Zielerreichung der LuFV wird auf Basis von Qualitätszahlen für das gesamte Schienennetz überwacht. Eine spezielle Qualitätszahl für die Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik (LST) gibt es nicht. 7. Sind der Bundesregierung oder dem Eisenbahn-Bundesamt generelle Sicherheitsprobleme mit bestimmten Stellwerkstypen bekannt, und welche Abhilfemaßnahmen wurden und werden ggf. ergriffen (bitte mit Stellwerkstyp und genauer Problembeschreibung sowie verfolgter Abhilfemaßnahme tabellarisch auflisten)? Nein. 8. Welches Konzept verfolgen die Bundesregierung und die Deutsche Bahn AG für die kostengünstige und dennoch sichere Modernisierung der Stellwerks - und Sicherungstechnik auf Nebenstrecken? Zur Modernisierung der Sicherungstechnik sollen als Nachfolger der elektronischen Stellwerke (ESTW) die digitalen Stellwerke (DSTW) eingesetzt werden. Sowohl ESTW als aus DSTW können aus der Ferne bedient werden, sind also über eine Datenleitung mit einer Betriebszentrale (BZ) verbunden. Der Vorteil der DSTW liegt in der Reduzierung der Investitionskosten, insbesondere für Kabel und Hochbauten. Weiterhin soll das System mit Industrie-Standardkomponenten modular aufgebaut werden. 9. Ist tatsächlich inzwischen das gesamte deutsche Streckennetz mit Zugsicherungssystemen (PZB, Linienzugbeeinflussung – LZB oder ETCS) ausgerüstet ? Falls nein, welche Streckenabschnitte sind aus welchem Grund noch nicht damit ausgerüstet, und bis wann ist eine Ausrüstung mit welchen Systemen geplant (bitte die entsprechenden Streckenabschnitte tabellarisch auflisten)? Dem Eisenbahn-Bundesamt sind keine Strecken im Zuständigkeitsbereich des Bundes bekannt, die die gesetzlichen Ausrüstungsstandards für Zugsicherungssysteme (PZB, LZB oder ETCS oder Zugsicherungssysteme der Berliner S-Bahn) nach der EBO nicht erfüllen. Die Berliner S-Bahn verwendet ein äquivalentes System. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3254 10. Wie viele in deutschen Stellwerken momentan tätige Fahrdienstleiterinnen und Fahrdienstleiter sowie Hilfskräfte besitzen nach Kenntnis der Bundesregierung a) eine klassische duale Berufsausbildung (z. B. „Eisenbahner im Betriebsdienst , Fachrichtung Fahrweg“), b) eine verkürzte Funktionsausbildung (Dauer bis zu zehn Monate), c) eine sonstige Ausbildung (bitte ggf. nennen)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 11. Wie bewertet die Bundesregierung die Konsequenzen einer nach Information der Fragesteller auf vier Monate verkürzten Ausbildung von Hilfskräften in Stellwerken, und in welcher Weise ist ihrer Einschätzung nach bei solchen kurzen Ausbildungszeiten eine Sicherheit für den Bahnverkehr gewährleistet ? Die DB Netz AG bietet für berufserfahrene Umschüler im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung für einen sicheren Eisenbahnbetrieb eine sogenannte Funktionsausbildung für Fahrdienstleiter an. Sie enthält die wesentlichen fachlichen Inhalte der IHK-Berufsausbildung „Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung Fahrweg“, die für junge Schulabgänger mit Berufsschulunterricht und branchenumfassenden Zusatzthemen angereichert sind. Hinzu kommen eine strukturierte Einarbeitung und genügendes Training der Handlungssicherheit, auch weiterführend am späteren Arbeitsplatz. 12. Wie werden junge Fahrdienstleiterinnen und Fahrdienstleiter nach Kenntnis der Bundesregierung für den Einsatz auf alter Stellwerkstechnik wie mechanischen und elektromechanischen Stellwerken ausgebildet? Die Ausbildung der Fahrdienstleiter erfolgt seit vielen Jahren auf Stellwerken in „Alttechnik“, da sich hier die betrieblichen Zusammenhänge anhand der verständlichen technischen Wirkprinzipien solcher Stellwerke gut vermitteln lassen. Diese Ausbildung bildet das Fundament für komplexere Aufgaben, etwa bei den elektronischen Stellwerken mit hochgradig automatisierten Produktionsabläufen auf ausgedehnten Streckenbereichen. 13. Wie viele Fahrdienstleiterinnen und Fahrdienstleiter wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren seit 1994 jeweils neu eingestellt, wie viele gingen jeweils in Ruhestand, wie viele haben ihre Stelle gekündigt, und wie viele sind in andere Bereiche innerhalb des DB-Konzerns gewechselt (bitte nach Jahren von 1994 bis 2017 tabellarisch auflisten)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 14. Welches Konzept verfolgen die Bundesregierung und die Deutsche Bahn AG zur Erhöhung der Sicherheit an Bahnübergängen? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf Frage 5 aus Bundestagsdrucksache 18/7802 verwiesen. Darüber hinaus finanziert das Eisenbahn-Bundesamt entsprechende Forschungsvorhaben , z. B. „Optimierungspotential am BÜ“ oder unterstützt die Eisenbahnen des Bundes bei der Erprobung neuer Technologien (z. B. Systeme zur Erkennung von liegengebliebenen Straßenfahrzeugen). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3254 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Wie viele Unfälle an Bahnübergängen welcher Sicherungsart gab es im deutschen Schienennetz seit 1994 (bitte nach Jahren 1994 bis 2017 mit Unterscheidung nach Blinklicht/Lichtzeichen, Halbschranken, Vollschranken, sonstigen Bauformen sowie nicht technisch gesichert tabellarisch auflisten)? Es wird auf die Anlage verwiesen. 16. Welche Mittel werden in den nächsten Jahren für Umbauten zur Erhöhung der Sicherheit an Bahnübergängen zur Verfügung gestellt (bitte nach Jahren tabellarisch auflisten)? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 18/7802 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/3254 Anlage zu Frage 15 „Modernisierung von Stellwerken und Bahnübergängen“ Anzahl Unfälle nach Art der Sicherung Jahr Schranken Halbschranken Blinklichter Lichtzeichen Ohne technische Sicherung Gesamt 1993 25 126 129 502 782 1994 13 117 136 362 628 1995 9 106 140 348 603 1996 19 111 138 295 563 1997 14 94 106 214 428 1998 19 110 98 256 483 1999 8 120 68 17 199 412 2000 6 99 67 21 180 373 2001 14 99 52 10 153 328 2002 9 71 52 24 138 294 2003 8 80 52 15 103 258 2004 7 81 45 8 106 247 2005 8 66 41 7 109 231 2006 8 81 37 9 96 231 2007 6 89 37 5 94 231 2008 12 65 37 9 84 207 2009 5 73 30 8 87 203 2010 1 88 38 5 92 225 2011 6 65 29 10 92 202 2012 6 70 27 12 78 193 2013 9 68 17 6 51 150 2014 8 69 22 1 71 171 2015 5 62 22 3 62 154 2016 7 66 23 2 42 140 Quelle: DB AG Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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