Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3282 19. Wahlperiode 06.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2282 – EU-Pass für Banken und andere Finanzdienstleister V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zugelassene Kreditinstitute sind grundsätzlich berechtigt, ihr Geschäft auch in anderen Mitgliedstaaten auszuüben. Dieses System des „EU-Passes“ für Banken und andere Finanzdienstleister ermöglicht es Unternehmen, die in einem EWR-Land zugelassen sind, mit minimalen zusätzlichen Genehmigungsanforderungen in anderen EWR-Ländern zu handeln. Die Regelungen zu diesen EU-Pässen bilden somit die Grundlage des EU-Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen. Falls das Vereinigte Königreich sowohl die Europäische Union als auch den EWR verlässt („Brexit“), würde das Vereinigte Königreich zu einem sogenannten Drittland, welches nicht mehr für den EU-Pass qualifiziert wäre. 1. Wie viele britische Banken und andere Finanzdienstleister nutzen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit EU-Pässe, um in Deutschland ihrem Geschäft nachzugehen (bitte die Pässe nach den unterschiedlichen Richtlinien aufschlüsseln)? 108 Kreditinstitute und 2 179 Finanzdienstleistungsinstitute (gemäß § 53b KWG) sowie 390 Zahlungsdienstleister (Zahlungs- und E-Geld-Institute) (gemäß §§ 26, 39 ZAG) machen aktuell Gebrauch von EU-Pässen. 18 Kreditinstitute, 19 Zahlungsdienstleister und 84 Finanzdienstleistungsinstitute sind mit einer Niederlassung in Deutschland vertreten. (Stand: 31. Dezember 2017). Aus dem Bereich der Investmentaufsicht sind insgesamt 88 Gesellschaftspässe bekannt: 6 Fondsgesellschaften nutzen einen Gesellschaftspass im Wege der grenzüberschreitenden Verwaltung nach RL 2009/65/EG (OGAW-RL). Ein Gesellschaftspass nach RL 2011/61/EU (AIFM-RL) wird über eine Zweigniederlassung in 3 Fällen, im Wege der grenzüberschreitenden Verwaltung in 79 Fällen genutzt. Manche Gesellschaften halten mehrere Gesellschaftspässe. Die Gesamtanzahl der UK-Verwaltungsgesellschaften , die Gesellschaftspässe halten, beträgt 83. Derzeit wird kein deutscher Fonds tatsächlich verwaltet, d. h., es werden allenfalls Dienstleistungen oder Nebendienstleistungen erbracht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3282 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Versicherungsbereich sind auf Grundlage der Richtlinie 2009/138/EG (Solvabilität II) im Bereich der Schaden-/Unfallversicherung 31 britische Unternehmen im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs in Deutschland tätig, 23 Unternehmen sind mit einer Niederlassung aktiv. 6 britische Unternehmen betreiben die Lebensversicherung als Dienstleister, 5 Unternehmen über eine Niederlassung. Jeweils 3 Unternehmen betreiben sowohl Geschäfte nach Art der Schaden- als auch nach Art der Lebensversicherung über eine Niederlassung bzw. im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs. Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, die in UK ansässig sind und den EU-Pass nutzen, sind mit zwei Anbietern in Deutschland aktiv. a) Wie hoch ist der Umsatz dieser Finanzdienstleister in Deutschland, im Vereinigten Königreich und insgesamt nach Kenntnis der Bundesregierung ? b) Wie viele Mitarbeiter beschäftigen diese Finanzdienstleister in Deutschland , im Vereinigten Königreich und insgesamt nach Kenntnis der Bundesregierung ? c) Wie viele Kunden haben diese Finanzdienstleister in Deutschland, im Vereinigten Königreich und insgesamt nach Kenntnis der Bundesregierung ? Die Fragen 1a bis 1c werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Hierzu liegen keine Informationen vor. d) Wie hoch war bzw. ist das ausstehende Exposure britischer Finanzdienstleister im deutschen Finanzmarkt seit 2010 bis heute? Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (www.bis.org) veröffentlicht die nachstehenden Daten zum Exposure britischer Banken gegenüber deutschen Kreditinstituten . Informationen zum Exposure gegenüber Nicht-Banken und zum Exposure von Finanzdienstleistungsinstituten (FDIs) und Zahlungs- und E-Geld-Instituten (ZAG-Institute) liegen nicht vor. Angaben in Tausend USD 0 20.000.000 40.000.000 60.000.000 80.000.000 Auslandsaktiva von KIs (UK) ggü. KIs aus DE Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3282 2. Wie viele deutsche Banken und andere Finanzdienstleiser nutzen nach Kenntnis der Bundesregierung EU-Pässe, um in dem Vereinigten Königreich ihrem Geschäft nachzugehen (bitte die Pässe nach den unterschiedlichen Richtlinien aufschlüsseln)? a) Wie hoch ist der Umsatz dieser Finanzdienstleister in Deutschland, im Vereinigten Königreich und insgesamt nach Kenntnis der Bundesregierung ? b) Wie viele Mitarbeiter beschäftigen diese Finanzdienstleister in Deutschland , im Vereinigten Königreich und insgesamt nach Kenntnis der Bundesregierung ? c) Wie viele Kunden haben diese Finanzdienstleister in Deutschland, im Vereinigten Königreich und insgesamt nach Kenntnis der Bundesregierung ? Zahlen zu allen Finanzdienstleistern liegen nicht vor; sie werden unter diesem Aspekt nicht systematisch erhoben. 13 ZAG-Institute haben nach der Zahlungsdiensterichtlinie die Inanspruchnahme des EU-Passes für das Vereinigte Königreich angezeigt. Die Daten gemäß 2a bis 2c sind von den Instituten nicht nach Ländern anzuzeigen. Nach dem Notifikationsverfahren der MiFID nutzen 19 deutsche Kreditinstitute und 8 Finanzdienstleistungsinstitute mit deutscher Erlaubnis das Recht, im Vereinigten Königreich ihre Dienstleistungen über eine dortige Niederlassung zu erbringen . Zudem nutzen die Dienstleistungsfreiheit ohne eigene Niederlassung im Vereinigten Königreich 50 Kreditinstitute und 72 Finanzdienstleistungsinstitute mit deutscher Erlaubnis (Stand: 31. Dezember 2017). Im Investmentbereich wird ein Gesellschaftspass nach RL 2009/65/EG (OGAW- RL) für eine Zweigniederlassung und eine grenzüberschreitende Verwaltung genutzt ; über einen Gesellschaftspass nach RL 2011/61/EU (AIFM-RL) verfügt eine Zweigniederlassung. Von diesen insgesamt 3 Gesellschaftspässen sind jedoch nur 2 Gesellschaften betroffen, da eine Gesellschaft über ihre Zweigniederlassung in UK berechtigt ist, sowohl OGAW als auch AIF zu verwalten. Im Bereich der Schaden-/Unfallversicherung sind 15 deutsche Erstversicherer im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs in UK tätig, 9 Unternehmen sind mit einer Niederlassung aktiv. Ein deutsches Unternehmen betreibt die Lebensversicherung über eine Niederlassung, 2 Unternehmen sind im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs im Bereich der Lebensversicherung tätig. d) Wie hoch war bzw. ist das ausstehende Exposure deutscher Finanzdienstleister im britischen Finanzmarkt seit 2010 bis heute? Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (www.bis.org) veröffentlicht Daten zum Exposure britischer Banken gegenüber deutschen Kreditinstituten. Informationen zum Exposure gegenüber Nicht-Banken und zum Exposure von Finanzdienstleistungsinstituten (FDIs) und Zahlungs- und E-Geld-Instituten (ZAG- Institute) liegen nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3282 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Angaben in Tausend USD 3. Welche regulatorischen wie ökonomischen Folgen hätte nach Auffassung der Bundesregierung ein Wegfall des EU-Passes für die britischen Finanzdienstleister und deren in der EU (insbesondere in Deutschland) ansässigen Kunden? Mit dem Wegfall des EU-Passes verlieren britische Finanzdienstleister die Erlaubnis , in der EU27 erlaubnispflichtiges Finanzdienstleistungen zu erbringen (vgl. für Deutschland bspw. den Wortlaut des § 53b KWG, § 39 ZAG, § 8 VAG). Wegen § 54 KWG, § 63 ZAG, § 308 VAG besteht in Deutschland z. T. zudem ein Strafbarkeitsrisiko. Das Ausmaß der ökonomischen Folgen eines Verlustes des EU-Passes für die britischen Finanzdienstleister und deren in der EU ansässigen Kunden hängt zum einen von den Regelungen ab, die für die Zeit nach dem Austritt UKs aus der EU getroffen werden. Zum anderen ist entscheidend, inwieweit sich sowohl Finanzdienstleister als auch Kunden auf den Austritt vorbereiten. Aussagen über konkrete ökonomische Folgen sind aufgrund dieser entscheidenden Unsicherheiten derzeit nicht möglich. 4. Wie schätzt die Bundesregierung ein, ob und inwieweit dieses Geschäft durch andere Finanzdienstleister innerhalb der Europäischen Union ersetzt werden würde? Nach Einschätzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist davon auszugehen, dass Institute, die nennenswerteres Geschäft mit EU Kunden betreiben, eine Erlaubnis für eine Tochtergesellschaft oder Drittstaatenniederlassung in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat beantragen werden , um bestehende Kundenbeziehungen fortführen zu können. Zudem ist zu erwarten , dass Mitbewerber alternative Angebote zu denen der bisherigen britischen bzw. aus UK agierenden Finanzdienstleister entwickeln. 5. Welche regulatorischen wie ökonomischen Folgen hätte nach Auffassung der Bundesregierung ein Wegfall des EU-Passes für europäische bzw. deutsche Finanzdienstleister für deren Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich und deren dort ansässige Kunden? Die regulatorischen Folgen des Brexit für eine Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich richten sich nach dem zum Austrittszeitpunkt geltenden britischen Recht. 0 50.000.000 100.000.000 150.000.000 200.000.000 Auslandsaktiva von KIs (DE) ggü. KIs aus UK Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3282 Das Ausmaß der ökonomischen Folgen eines eventuellen Verlustes des Marktzugangs für europäische bzw. deutsche Finanzdienstleister zum britischen Markt und deren in UK ansässigen Kunden hängt zum einen von den Regelungen ab, die für die Zeit nach dem Austritt UKs aus der EU getroffen werden. Zum anderen ist entscheidend, inwieweit sich sowohl Finanzdienstleister als auch Kunden auf den Austritt vorbereiten. Aussagen über konkrete ökonomische Folgen sind aufgrund dieser entscheidenden Unsicherheiten derzeit nicht möglich. 6. Wie beurteilt die Bundesregierung, ob die jeweiligen Finanzdienstleister durch die Gründung von Tochtergesellschaften bzw. Zweigstellen die negativen Folgen des Wegfallens eines EU-Passes abfangen können? Die Möglichkeiten dafür sind gegeben. In Deutschland können sowohl Tochtergesellschaften als auch Zweigstellen (siehe § 53 KWG und § 42 ZAG) bzw. Niederlassungen (siehe § 68 VAG) von Drittstaatenfinanzdienstleistern eine Erlaubnis beantragen. Eine ähnliche Rechtslage gilt in UK. Entscheidend ist, dass die betroffenen Unternehmen rechtzeitig die notwendigen Vorbereitungen treffen. Sowohl die deutschen als auch die britischen Unternehmen werden seitens der Aufsicht als auch durch die Bundesregierung kontinuierlich dazu angehalten, die notwendigen Vorbereitungen für den Brexit zu treffen. 7. Wie hoch ist der Umsatz deutscher bzw. britischer Wertpapierfirmen im jeweils anderen Markt nach Kenntnis der Bundesregierung? Hierüber liegen keine Informationen vor. 8. Welche regulatorischen wie ökonomischen Folgen hätte nach Einschätzung der Bundesregierung ein Wegfall des EU-Passes speziell a) für britische Wertpapierfirmen im deutschen Markt und Sollte der sog. EU-Pass für britische Unternehmen wegfallen, müssten diese eine gesonderte (europäische) Erlaubnis beantragen oder im Falle einer Äquivalenzentscheidung der Europäischen Kommission unter der Regelung des Artikel 46 MiFID tätig werden. Bezüglich der ökonomischen Auswirkungen eines Wegfalls des Passes für britische Unternehmen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. b) für deutsche Wertpapierfirmen im britischen Markt? Sollte der sog. EU-Pass für deutsche Unternehmen wegfallen, müssten diese eine gesonderte (britische) Erlaubnis beantragen. Bezüglich der ökonomischen Auswirkungen eines Wegfalls des Passes für britische Unternehmen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 9. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung – ggf. via Europäische Kommission –, um auch post Brexit deutschen Wertpapierfirmen den Zugang zu im Vereinigten Königreich ansässigen Finanzmarktinfrastrukturen (z. B. zu Aktien und Derivaten) und anderen Marktinfrastrukturen (z. B. zu Zentralverwahrern und Transaktionsregistern) zu ermöglichen? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass deutsche Wertpapierfirmen auch nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union (EU) Zugang zu im Vereinigten Königreich ansässigen Marktinfrastrukturen haben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3282 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Wonach würde sich der Marktzugang post Brexit für die deutschen Wertpapierfirmen bestimmen, wenn die Europäische Kommission keine Äquivalenzentscheidung träfe? Welcher Mehraufwand würde nach Kenntnis der Bundesregierung für die deutschen Firmen in diesem Fall konkret ausgelöst? Dies hängt von den Regelungen ab, die für die Zeit nach dem Austritt UKs aus der EU getroffen werden. Auf der Grundlage des bestehenden Rechts könnten deutsche Wertpapierfirmen nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU britische Marktinfrastrukturen nur noch eingeschränkt nutzen, wenn die Europäische Kommission keine Äquivalenzentscheidung für den Zugang britischer Marktinfrastrukturen zu Wertpapierfirmen mit Sitz in der EU träfe. Britische Handelsplätze für Aktien und Derivate, die einer Handelspflicht unterliegen, dürften von deutschen Wertpapierfirmen für den Handel solcher Finanzinstrumente nicht mehr genutzt werden. Clearinghäuser/CCPs mit Sitz im Vereinigten Königreich dürften keine Clearingdienstleistungen für Clearingteilnehmer und Handelsplätze mit Sitz in der EU mehr anbieten. Deutsche Wertpapierfirmen dürften CCPs mit Sitz im Vereinigten Königreich nicht mehr zur Erfüllung von Clearingpflichten gemäß der EU-Derivateverordnung (EMIR) und im Übrigen nur noch unter erschwerten Bedingungen (z. B. höhere Kapitalanforderungen für Banken) nutzen. Zentralverwahrer und Transaktionsregister mit Sitz im Vereinigten Königreich dürften ebenfalls keine Kerndienstleistungen mehr gegenüber deutschen Wertpapierfirmen erbringen. Über den potentiell entstehenden Mehraufwand liegen keine Informationen vor. 11. Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, um auch post Brexit britischen Wertpapierfirmen den Zugang zu in Deutschland ansässigen Finanzmarktinfrastrukturen (z. B. zu Aktien und Derivaten) und anderen Marktinfrastrukturen (z. B. zu Zentralverwahrern und Transaktionsregistern) zu ermöglichen ? Nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der EU bestimmt sich der Zugang von britischen Wertpapierfirmen zu Marktinfrastrukturen mit Sitz in Deutschland maßgeblich danach, ob nach dem Recht des Vereinigten Königreichs diese Marktinfrastrukturen weiterhin von Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich genutzt werden dürfen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass deutsche Marktinfrastrukturen auch nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU von dort ansässigen Unternehmen genutzt werden dürfen. 12. Welche regulatorischen wie ökonomischen Folgen hätte nach Kenntnis der Bundesregierung der Wegfall des EU-Passes für Banken wie Nichtbanken speziell a) für britische Zahlungsdienstleister im deutschen Markt und b) für deutsche Zahlungsdienstleister im britischen Markt? Auf die Antworten zu den Fragen 3 und 5 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/3282 13. Welche Auswirkungen hätte nach Ansicht der Bundesregierung der Wegfall des EU-Passes für die im Vereinigten Königreich ansässigen Clearinghäuser (CCPs) für Finanzmarktstabilität sowie für die Frage des Zugangs von EUbzw . deutschen Marktteilnehmern zu den britischen CCPs? Der Wegfall des EU-Passes für Clearinghäuser/CCPs mit Sitz im Vereinigten Königreich würde dazu führen, dass diese keine Clearingdienstleistungen für Clearingteilnehmer und Handelsplätze mit Sitz in der EU mehr anbieten dürften. EU- Marktteilnehmer dürften CCPs mit Sitz im Vereinigten Königreich nicht mehr zur Erfüllung von Clearingpflichten gemäß der EU-Derivateverordnung (EMIR) und im Übrigen nur noch unter erschwerten Bedingungen (z. B. höhere Kapitalanforderungen für Banken) nutzen. 14. Welche Verwerfungen erwartet die Bundesregierung im Hinblick a) auf die bei dem London Clearing House verrechneten Zinsswaps allgemein sowie b) auf die bei dem London Clearing House in Euro denominierten und verrechneten Zinsswaps? Das London Clearing House (LCH) verfügt über hohe Marktanteile bei der Verrechnung von auf US-Dollar und Euro lautenden außerbörslichen Zinsderivaten und bewirkt durch seine Tätigkeit eine Konzentration und zugleich eine Reduktion von Ausfallrisiken im Derivatemarkt. Sofern LCH zur Verrechnung von Zinsderivaten in den genannten Währungen von EU-Marktteilnehmern nur noch eingeschränkt genutzt werden könnte, müssten sie diese Risiken entweder verstärkt selbst tragen, was mit Risiken für die Finanzstabilität verbunden sein könnte, oder Verrechnungsmöglichkeiten bei anderen Anbietern nutzen, die über eine Zulassung bzw. Anerkennung in der EU verfügen und in der Lage wären, das derzeit bei LCH verrechnete Geschäft zu übernehmen. 15. Plant die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass das Geschäft des London Clearing House (LCH) im Hinblick auf die in Euro denominierten Zinsswaps in die Europäische Union nach Deutschland verlagert wird? Welche Gespräche wurden und werden hierzu auf Leitungs- sowie auf Arbeitsebene mit welchen Institutionen und Unternehmen mit welchem Inhalt geführt? Aufgrund der Konzentration von Ausfallrisiken in zentralen Clearingstellen/ CCPs, die im Falle von LCH durch hohe Marktanteile in wirtschaftlich bedeutsamen Derivatekategorien noch verstärkt wird, haben CCPs eine besondere Bedeutung für die Finanzstabilität. Das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU im Zuge des Brexit hätte zur Folge, dass mit LCH eine Markinfrastruktur mit zentraler Bedeutung für die EU-Finanzmärkte künftig außerhalb der EU angesiedelt und der Kontrolle durch EU-Behörden entzogen wäre. Die Europäische Kommission hat vor diesem Hintergrund am 13. Juni 2017 einen Gesetzgebungsvorschlag zur Verbesserung der Aufsicht über CCPs veröffentlicht [KOM (2017) 331 final], der systemrelevante CCPs mit Sitz außerhalb der EU den wesentlichen Anforderungen des EU-Aufsichtsrechts und der Kontrolle durch EU-Behörden unterwirft. Darüber hinaus sieht der Vorschlag vor, dass die Europäische Kommission auf gemeinsame Empfehlung der Europäischen Wertpapier - und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und der Europäischen Zentralbank (EZB) die Verlagerung des Clearings von auf Euro lautenden Finanzinstrumenten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3282 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode in die Europäische Union verlangen kann, wenn dies zum Schutz der Finanzstabilität in der EU erforderlich ist. Die Bundesregierung begrüßt, dass die Europäische Kommission einen Vorschlag vorgelegt hat, der die Handlungsfähigkeit der EU angesichts des Brexit und den Schutz der Finanzstabilität gewährleisten soll. Der Finanzplatz Frankfurt verfügt über eine ausgezeichnete Infrastruktur mit zentraler Bedeutung in Kontinentaleuropa und ist deshalb hervorragend positioniert , um Clearingdienstleistungen zu übernehmen. Die Bundesregierung setzt sich auch in dieser Hinsicht für eine weitere Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt ein. 16. Welche regulatorischen wie ökonomischen Folgen hätte nach Einschätzung der Bundesregierung ein Wegfall des EU-Passes speziell im Bereich der Regulierung von Investmentfonds a) für britische Investmentfonds im deutschen Markt und Die regulatorische Folge für britischen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW i. S. der Richtlinie 2009/65/EG) wäre, dass sie ihren EU- Pass zum Vertrieb an Kleinanleger in der EU verlieren würden. Britische OGAW würden automatisch zu einem ausländischen alternativen Investmentfonds (AIF), für deren Vertrieb in der EU die AIFM-Richtlinie 2011/61/EU gilt. Die AIFM- Richtlinie sieht keinen Pass zum Vertrieb an Kleinanleger vor. AIF dürfen aber von den Mitgliedstaaten zum Vertrieb an Kleinanleger individuell zugelassen werden. In der Bundesrepublik sind das Anzeigeverfahren und die Voraussetzungen dafür in §§ 317 ff. des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) geregelt. Werden die Voraussetzungen (z. B. eine Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden)nicht erfüllt, kann kein Vertrieb in der Bundesrepublik erfolgen. Die regulatorische Folge für britische AIF, die aufgrund des von der AIFM-Richtlinie gewährten Passes an professionelle Anleger in der Bundesrepublik vertrieben werden, wäre, dass sie ihren EU-Pass zum Vertrieb an professionelle Anleger verlieren und zu ausländischen AIF werden. Für den Vertrieb von ausländischen AIF, die von einer ausländischen Verwaltungsgesellschaft verwaltet werden, an professionelle Anleger in der Bundesrepublik gilt derzeit § 330 KAGB, wonach unter bestimmten Voraussetzungen ein Vertrieb in der Bundesrepublik erfolgen kann. b) für deutsche Investmentfonds im britischen Markt? Die entsprechenden regulatorischen Folgen richten sich nach dem zum Austrittszeitpunkt geltenden britischen Recht, zu welchem keine Kenntnisse vorliegen. Zu den möglichen ökonomischen Folgen wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 5 verwiesen. 17. Welche Folgen hätte nach Einschätzung der Bundesregierung ein Wegfall des EU-Passes im Bereich der Versicherungsaufsicht bzw. der Versicherungsregulierung ? Auf die Antworten zu den Fragen 3 und 5 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/3282 18. Für welche Übergangsregelungen zu EU-Pässen für Finanzdienstleistungen setzt sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen zum Brexit ein? Die Bundesregierung begrüßt die Einigung, die von den Verhandlungsführern Europäische Kommission und GBR über Teile des Rechtstextes des Austrittsabkommens inklusive einer Übergangszeit, erzielt worden ist. Eine solche Übergangsphase hätte zur Folge, dass europäisches Regulierungs- und Aufsichtsrecht im Bereich Finanzdienstleistungen auch für GBR bis Ende 2020 weitgehend fortgelten würde. Diese politische Vereinbarung würde erst als Teil des Austrittsvertrages nach Ratifikation durch EP und UK Parlament bindend werden. 19. Welche negativen Auswirkungen durch den Wegfall von EU-Pässen erwartet die Bundesregierung durch den Brexit für die deutsche Realwirtschaft und deren über London laufendes derivatives Abschirmungsgeschäft zur Absicherung von Risiken aus dem realwirtschaftlichen? Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Bundesregierung zum Schutz der deutschen Realwirtschaft? Das Ausmaß der ökonomischen Folgen eines Verlustes des EU-Passes britischer Unternehmen für die deutsche Realwirtschaft hängt zum einen von Regelungen zwischen der EU und GBR ab, die für die Zeit nach dem Austritt UKs aus der EU getroffen werden. Zum anderen ist auch entscheidend, inwieweit sich Finanzdienstleister als auch die Realwirtschaft auf den Austritt vorbereitet. Aussagen über konkrete ökonomische Folgen sind aufgrund dieser entscheidenden Unsicherheiten derzeit nicht möglich. 20. Hat die Bundesregierung das Ausmaß eines negativen Effektes eines sog. harten Brexits in verschiedenen Szenarien bereits berechnet bzw. Kenntnis über externe Schätzungen (insbesondere auch im Hinblick auf einen sog. Cliff Edge Effect für europäische bzw. deutsche Finanzdienstleister)? Wenn ja, wie sind die jeweiligen Folgeabschätzungen? Wenn nein, aus welchen Gründen hat die Bundesregierung davon Abstand genommen, sich mittels verschiedener Szenarien auf einen möglichen harten Brexit vorzubereiten? Sektorspezifische Szenariobetrachtungen zu einem Cliff Edge Effect sind von verschiedenen Akteuren vorgenommen worden und werden weiter verfeinert. Dabei zeigt sich, dass die jeweiligen Unternehmenssektoren von negativen Effekten eines harten Brexits unterschiedlich betroffen sind. Die Bundesregierung informiert sich fortlaufend über die national und international vorgenommenen Analysen und hat ebenfalls eigene Analysen in Auftrag gegeben (vgl. www. bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/oekonomische-effekte-eines-brexitauf -die-deutsche-wirtschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=6). In dieser Studie wird bspw. deutlich, dass der Finanzsektor in Deutschland im Falle eines harten Brexits geringfügig gewinnen könnte (mit Blick auf langfristige sektorale Wertschöpfungseffekte ), während jener des UKs Einbußen hinnehmen müsste. Das Ausmaß der ökonomischen Folgen eines Verlustes des EU-Passes für die deutsche Realwirtschaft hängt zum einen von Regelungen zwischen der EU und GBR ab, die für die Zeit nach dem Austritt UKs aus der EU getroffen werden. Zum anderen ist entscheidend, inwieweit sich die Realwirtschaft auf den Austritt vorbereitet . Aussagen über konkrete ökonomische Folgen sind aufgrund dieser entscheidenden Unsicherheiten derzeit nicht möglich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3282 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 21. Welche Abhilfemaßnahmen wären im Falle eines harten Brexits nach Ansicht der Bundesregierung rechtlich möglich, die verschiedenen ökonomischen Schäden durch den Wegfall des EU-Passes für britische und europäische Finanzdienstleister sowie deren Kunden anzubieten? Das europäische und jeweilige nationale Aufsichtsrecht bieten bereits jetzt entsprechende Lösungen für eine Verlagerung bzw. Umstrukturierung der jeweiligen Geschäftstätigkeit, um etwaige Risiken aus dem Brexit zu minimieren. So können etwa Konzerne mit Gesellschaften in mehreren Mitgliedstaaten ihr Geschäft zwischen den konzernangehörigen Unternehmen anders verteilen, es können Tochtergesellschaften und Zweigstellen neu gegründet werden. Die betroffenen Unternehmen sind aufgefordert, sich sowohl im Hinblick auf Umstrukturierungen der eigenen Geschäftstätigkeit als auch im Hinblick auf Anpassung der zivilrechtlichen Verträge vorzubereiten und auf die neue Situation einzustellen. In Bereichen, wo Gefahren für die Finanzstabilität entstehen könnten setzt sich die Bundesregierung für Maßnahmen ein, die entsprechende Risiken minimieren. 22. Wie viele Finanzdienstleister haben bis jetzt bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Anträge auf Geschäftslizenzen gestellt , um nach einen möglichen Wegfallen des EU-Passes ihr Geschäft von dem Vereinigten Königreich nach Deutschland zu verlagern? Es liegen der BaFin bisher zwölf Anträge von Wertpapierfirmen mit eindeutigem Brexit-Bezug vor. Ferner gibt es derzeit ein weiteres Antragsverfahren für ein reines Multilaterales Handelssystem (MTF). Zwei Anträge sind bereits genehmigt . Banken haben bislang elf Anträge gestellt, wovon drei beschieden sind. Versicherungsunternehmen haben bislang drei Anträge gestellt. 23. Bis wann müssen Finanzdienstleister eine entsprechende Lizenz beantragen, damit von Seiten der BaFin eine rechtzeitige Bearbeitung und Gewährleistung garantiert werden kann? Erlaubnisanträge, die von der Bankenaufsicht bearbeitet werden, werden überwiegend im Zusammenspiel mit der EZB im SSM als „Common Procedure“ behandelt . Die EZB hat dazu verlautbart, dass spätestens bis zum Ende des 2. Quartals 2018 ein entsprechender Antrag eingegangen sein sollte, um eine rechtzeitige Bearbeitung vor dem Brexit zu erreichen. Bei Erlaubnisanträgen für Zahlungsinstitute nach dem ZAG hat die BaFin gemäß § 10 Absatz 3 ZAG dem Antragsteller drei Monaten nach Eingang des Antrags oder bei Unvollständigkeit des Antrags drei Monaten nach Übermittlung aller für die Entscheidung erforderlichen Angaben mitzuteilen, ob die Erlaubnis erteilt oder versagt wird. Die tatsächliche Dauer von Antragsverfahren hängt von der Qualität der Antragsunterlagen ab, d. h. ab wann alle für die Entscheidung erforderlichen Angaben bei der BaFin vorliegen. Für die Wertpapieraufsicht gilt, dass Antragsverfahren je nach Umfang und Komplexität der Unterlagen und Informationen häufig bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Nach § 33 Absatz 4 KWG muss die BaFin nach Vorliegen eines vollständigen Antrages dem Antragsteller innerhalb von sechs Monaten mitteilen, ob eine Erlaubnis erteilt oder versagt wird. Im Hinblick auf das derzeit noch im Raum stehende Austrittsdatum 29. März 2019 müssten Interessenten daher zeitnah , spätestens bis Ende September 2018, einen Antrag auf Erlaubnis stellen, um noch rechtzeitig eine Erlaubnis zu erhalten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/3282 Für das Vertriebsanzeigeverfahren für britische Investmentfonds beträgt die Frist abhängig davon, ob an Privatanleger oder an professionelle oder semiprofessionelle Anleger vertrieben werden soll bzw. nach Art und Komplexität der Verwaltungsgesellschaft zwischen 6 Monaten und 30 Arbeitstagen nach Eingang der Antragsunterlagen. Über die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) hat die BaFin für eine OGAW-KVG innerhalb von sechs Monaten, hinsichtlich des Erlaubnisantrags für eine AIF-KVG grundsätzlich innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. Britische Versicherungsunternehmen, die beabsichtigen, in Deutschland eine Tochtergesellschaft oder Drittstaatenniederlassung zu gründen und zuzulassen, müssen damit rechnen, dass der aufsichtliche Prozess der Erlaubniserteilung in Abhängigkeit von Art, Umfang und Komplexität des beantragten Geschäftsbetriebs sowie der Qualität der Angaben und eingereichten Unterlagen rund zwölf Monate in Anspruch nimmt. Demnach sollten sich die entsprechenden britischen Versicherungsunternehmen mit Blick auf das vorgesehene Austrittsdatum zum 29. März 2019 bereits bei der BaFin gemeldet haben. 24. Plant die Bundesregierung, Banken pro-aktiv zu einer entsprechenden Lizenzbeantragung zu bewegen? Die Bundesregierung hat ein Interesse daran, den Finanzstandort Deutschland zu fördern und internationale Finanzunternehmen für eine Geschäftstätigkeit in Deutschland zu gewinnen. 25. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob sich andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union um eine Übersiedlung von Banken und anderen Finanzdienstleistern bemühen? Der Bundesregierung ist aus Gesprächen mit der Finanzwirtschaft bekannt, dass auch andere Mitgliedstaaten (z. B. Frankreich, Irland, Luxemburg) sich um die Ansiedlung von Banken und anderen Finanzdienstleistern bemühen, die Geschäft infolge des Brexit in die EU27 verlagern wollen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333