Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3353 19. Wahlperiode 10.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/2299 – Zinszusatzreserve für Lebensversicherer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Lebensversicherer übernehmen zu Vertragsbeginn langfristige Garantien. 2011 hat der Gesetzgeber die Zinszusatzreserve mit der Intention geschaffen, diese Garantien auch angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen zu sichern. Die Zinszusatzreserve ist zu bilden, wenn der Referenzzins (gebildet aus den Euro-Zinsswaps der letzten zehn Jahre) den höchsten Rechnungszins (der Mindestzins, um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen) im Bestand unterschreitet. Kumuliert lag die Höhe der Zinszusatzreserve 2017 bei rund 59,5 Mrd. Euro. (Bundestagsdrucksache 19/1514). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 3. Mai 2018 ihren Jahresbericht 2017 vorgestellt. Im Hinblick auf die Lebensversicherer stellt die BaFin fest, dass eine wachsende Zahl von Lebensversicherern von der Substanz lebe. Diese könnten die erforderliche Dotierung der Deckungsrückstellung und damit auch der Zinszusatzreserve – die die Unternehmen gerade stärken soll – nicht mehr ohne Weiteres aus den laufenden Kapitalerträgen bedienen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Auflösung von stillen Reserven ist nach Ansicht der BaFin nur bis zu einem gewissen Grad akzeptabel . Auch im Bereich der Pensionskassen hat der Rechnungszins eine wesentliche Bedeutung für die dauernde Erfüllbarkeit der zugesagten Leistungen. Regelmäßig wird überprüft, ob die künftig erzielbare Nettoverzinsung mit hinreichender Sicherheit den Rechnungszins erreicht oder übersteigt. Übersteigt der Rechnungszins hingegen die erwarteten Erträge, kann im Hinblick auf das Altgeschäft eine Erhöhung der Deckungsrückstellung und im Hinblick auf das Neugeschäft eine Absenkung des Rechnungszinses erforderlich sein. Für aufsichtsbehördlich genehmigte Tarife der Pensionskassen gilt die Deckungsrückstellungsverordnung (DeckRV) und insbesondere § 5 der DeckRV nicht. Die genehmigungspflichtigen Tarife der Pensionskassen werden in Abstimmung mit der BaFin festgelegt, die eine dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen gewährleisten sollen. Gleichwohl ist die Bildung einer Zinszusatzreserve nach der beschriebenen Methodik der DeckRV auch bei einer regulierten Pensionskasse bzw. bei aufsichtsbehördlich genehmigten Tarifen möglich. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3353 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im ihrem Jahresbericht 2017 konstatiert die BaFin, rund ein Drittel der bundesweit 137 Pensionskassen müssten aktuell wegen schlechter Ertragslage infolge des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes intensiv beaufsichtigt werden. Der Exekutivdirektor für Versicherungs- und Pensionsaufsicht bei der BaFin Dr. Frank Grund bewertet die Lage der Pensionskassen als „heute noch ernster als vor zwei Jahren“. Ohne zusätzliches Kapital werden einige Pensionskassen nicht mehr ihre vollen Leistungen erbringen können. Zudem hält der Jahresbericht 2017 fest, dass die Ergebnisse des jüngsten EIOPA-Stresstests (EIOPA = Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung ) bestätigt haben, dass das niedrige Zinsniveau die Pensionskassen besonders belaste. Und dies obwohl die Pensionskassen laut BaFin frühzeitig Maßnahmen ergriffen haben, um ihre Risikotragfähigkeit zu erhalten. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat das Bundesministerium der Finanzen gebeten, „die Auswirkungen des Lebensversicherungsreformgesetzes zum Stichtag 1. Januar 2018 zu evaluieren und darüber im Laufe des Jahres 2018 zu berichten.“ Im Zuge der Evaluation soll auch überprüft werden, ob die Zinszusatzreserve anzupassen ist (Bundestagsdrucksachen 18/2016 und 18/13596). In der 7. Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 25. April 2018 erklärte das Bundesministerium der Finanzen, für den Abschluss der Evaluation noch keinen konkreten Termin benennen zu können. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Ein lang anhaltendes Niedrigzinsumfeld könnte sich mittel- bis langfristig auf die Fähigkeit von Lebensversicherungsunternehmen und Pensionskassen auswirken, die den Versicherten zugesagten Zinsgarantien zu erbringen. Die Bundesregierung hat deshalb bereits im Jahr 2011 die Zinszusatzreserve eingeführt und im Jahr 2014 mit dem Lebensversicherungsreformgesetz ein umfassendes Maßnahmenpaket initiiert, um die Regulierung an die Erfordernisse im Niedrigzinsumfeld anzupassen. Diese Maßnahmen gelten teilweise auch für Pensionskassen. Speziell im Bereich der Pensionskassen hat die Bundesregierung mit dem Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2417) dafür gesorgt, dass Sonderzahlungen der Arbeitgeber an die Pensionskasse bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht lohn- und einkommenssteuerpflichtig sind. Mit der im zweiten Halbjahr 2018 bevorstehenden Umsetzung der überarbeiteten europäischen Richtlinie (EU) 2016/2341 über die Tätigkeit und die Beaufsichtigung Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung werden insbesondere die Anforderungen an das Risikomanagement zusätzlich gestärkt werden. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat das Bundesministerium der Finanzen gebeten, die Auswirkungen des Lebensversicherungsreformgesetzes zum Stichtag 1. Januar 2018 zu evaluieren und darüber im Laufe des Jahres 2018 zu berichten. Das Bundesministerium der Finanzen hat den Evaluierungsbericht an den Finanzausschuss übersandt und am 28. Juni 2018 veröffentlicht (www. bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Finanzmarktpolitik/2018- 06-28_Evaluierungsbericht-zum-Lebensversicherungsreformgesetz.pdf?__blob= publicationFile&v=1). Der Evaluierungsbericht geht auch auf die Zinszusatzreserve ein und kommt zu dem Ergebnis, dass die Berechnungsvorschrift angepasst werden soll. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3353 Bestandteil des Evaluierungsberichts sind die Eckpunkte zu einem Maßnahmenpaket , mit dem die Regulierung im Niedrigzinsumfeld weiterentwickelt werden soll. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen zählt die Änderung der Vorschriften zur Zinszusatzreserve. Die Umsetzung der Maßnahmen wird im zweiten Halbjahr 2018 angestoßen. In Bezug auf die Vorbemerkung der Fragesteller weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Zinszusatzreserve darauf gerichtet ist, Vermögen zu binden, um die garantierten Leistungen aus den Versicherungsverträgen abzusichern. Sie wirkt damit einem Substanzverlust entgegen. 1. Sieht die Bundesregierung aufgrund der Feststellungen der BaFin im Jahresbericht 2017 eine höhere Handlungsnotwendigkeit im Hinblick auf die negativen Auswirkungen eines anhaltenden Niedrigzinsumfeldes auf Lebensversicherer , Pensionskassen sowie Pensionsfonds? 2. Bis wann plant die Bundesregierung, den Evaluationsbericht zu den Auswirkungen des Lebensversicherungsreformgesetzes dem Deutschen Bundestag vorzulegen? 3. Welche grundsätzlichen Erkenntnisse hat die Bundesregierung bis dato bereits im Rahmen der Evaluierung im Hinblick auf die Zinszusatzreserve erlangt ? 4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der Deckungsrückstellungen sowie der Zinszusatzreserve bei den Versicherern seit 2011? Die Fragen 1 bis 4 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 5. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, wie viele Bewertungsreserven von den Lebensversicherungsunternehmen in den Jahren 2007 bis 2017 aufgelöst wurden? Und sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung dieser Auflösungsbeträge und der Höhe der Zuführungen zur Zinszusatzreserve ? Und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung? 6. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse oder Schätzungen vor, wie viele Bewertungsreserven die Lebensversicherer im Jahr 2018 voraussichtlich auflösen werden müssen, um im Falle einer unveränderten Regelung die Zuführungen zur Zinszusatzreserve finanzieren und gleichzeitig Rohverluste vermeiden zu können? Haben die Bundesregierung oder ihr nachgeordnete Behörden hierzu Szenarioanalysen vorgenommen, wie sich eine Fortführung des aktuellen Niedrigzinsumfeldes auf die Deckungsrückstellungen sowie die Zinszusatzreserve auswirken könnte, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3353 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Für den Fall, dass der Bundesregierung dafür keine Schätzungen vorliegen, teilt sie die Auffassung, dass die Lebensversicherungsunternehmen im Jahr 2018 voraussichtlich mehr Bewertungsreserven auflösen müssen als im Jahr 2017? Die Fragen 5 bis 7 werden zusammen beantwortet. Der folgenden Tabelle können die Erträge aus dem Abgang von Kapitalanlagen in Mrd. Euro (realisierte Bewertungsreserven) seit dem Jahr 2007 entnommen werden. Jahr Erträge aus dem Abgang von Kapitalanlagen (Mrd. Euro) 2007 3,8 2008 4,0 2009 3,4 2010 2,7 2011 4,5 2012 5,0 2013 6,6 2014 6,4 2015 10,0 2016 10,3 2017 10,4 Die Realisierung von Bewertungsreserven ist in der Lebensversicherung branchenweit üblich, beispielsweise zum Ausgleich von Ertragsschwankungen. Mit dem Aufbau der Zinszusatzreserve haben auch die Auflösungen von Bewertungsreserven zugenommen. Ob Bewertungsreserven zur Finanzierung der Zinszusatzreserve oder aus anderen Gründen aufgelöst wurden, lässt sich grundsätzlich nicht abgrenzen. Im Jahr 2018 würden die Lebensversicherer nach Analysen der BaFin etwa 14,5 Mrd. Euro Bewertungsreserven realisieren, wenn die Rahmenbedingungen unverändert blieben. Bei Fortführung des aktuellen Niedrigzinsumfelds soll die Zinszusatzreserve weiter in kleineren Schritten aufgebaut werden. Zu Einzelheiten wird auf die Darstellung im Evaluierungsbericht (s. Vorbemerkung der Bundesregierung) verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3353 8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Auflösung von Bewertungsreserven , die allein deshalb vorgenommen wird, weil sie zum Zwecke der Finanzierung der Zinszusatzreserve erforderlich ist, im Allgemeinen zu einer finanziellen Schwächung der Lebensversicherer führt und damit nicht im Interesse der Lebensversicherungskunden sein könnte? a) Teilt die Bundesregierung die anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts 2017 von der BaFin geäußerte Ansicht, dass Korrekturen bei der Zinszusatzreserve erforderlich sind? Und sieht die Bundesregierung an dieser Stelle einen akuten Handlungsbedarf ? b) Wenn ja, hält es die Bundesregierung vor diesem Hintergrund für angebracht , dass die Anpassung der Regelungen zur Zinszusatzreserve zur Vermeidung von Nachteilen für die Lebensversicherungskunden möglichst umgehend – jedenfalls frühzeitig in 2018 – erfolgen sollte? Welche Maßnahmen sind hierbei seitens der Bundesregierung geplant? Wie kann die Bundesregierung dabei sicherstellen, dass Garantieleistungen (auch bei anhaltend niedrigen Zinsen) definitiv gewährt werden können ? c) Und hält die Bundesregierung eine Neuregelung der Zinszusatzreserve für so vordringlich, dass sie diese aus der Evaluierung der Maßnahmen des Lebensversicherungsreformgesetzes herauslöst und dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages umgehend Vorschläge für ihre Neuregelung zur Diskussion vorlegt? d) Wenn nein, aus welchen Gründen weicht die Ansicht der Bundesregierung von der Bewertung der BaFin ab, so dass kein Änderungsbedarf bei der Zinszusatzreserve gesehen wird? Bei welchen Umständen würde die Bundesregierung einen akuten Handlungsbedarf bei der Zinszusatzreserve annehmen? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 9. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass rund ein Drittel der Pensionskassen von der BaFin „intensiv beaufsichtigt“ werden? Welche Gefahren sieht die Bundesregierung hierbei für die betriebliche Altersversorgung ? 10. Welche Schlüsse wird die Bundesregierung aus der Feststellung der BaFin ziehen, dass sich die Pensionsfonds mit den möglichen mittel- und langfristigen Auswirkungen einer noch länger anhaltenden Niedrigzinsphase auseinandersetzen sollten? Die Fragen 9 und 10 werden zusammen beantwortet. Das Niedrigzinsumfeld betrifft grundsätzlich auch Pensionskassen und Pensionsfonds . Die BaFin hat die Aufsicht im Niedrigzinsumfeld weiter entwickelt und zunehmend intensiviert, u. a. durch die Durchführung mehrjähriger Prognoserechnungen . Die intensivierte Aufsicht adressiert die Herausforderungen aus dem Niedrigzinsumfeld und ist Bestandteil einer wirksamen vorausschauenden Aufsicht . Die Pensionskassen müssen ihrerseits alle erforderlichen Maßnahmen für ihre wirtschaftliche Solidität ergreifen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3353 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Aus welchen Gründen greift die Zinszusatzreserve derzeit nicht für sämtliche Pensionskassen bzw. nicht für sämtliche von Pensionskassen angebotenen Tarife? Und plant die Bundesregierung daran festzuhalten, den § 5 DeckRV nur für nicht genehmigungspflichtige Tarife von Pensionskassen bzw. auf nicht regulierte Pensionskassen anzuwenden? Die Berechnung der Rückstellungen für Tarife, die die Aufsichtsbehörde genehmigt hat, richtet sich nach dem von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan . Die Zinszusatzreserve wird bei genehmigungspflichtigen Tarifen in diesem Geschäftsplan adressiert. 12. Sind seitens der Bundesregierung Maßnahmen geplant, um auf die von der BaFin geschilderte Lage bei den Pensionskassen zu reagieren? Und wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant, und wie kann die Bundesregierung dabei auch künftig sicherstellen, dass im Falle von Garantieleistungen diese (auch bei anhaltend niedrigen Zinsen) definitiv gewährt werden können? 13. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko, dass es im Zusammenhang mit einer ausbleibenden Anpassung der Zinszusatzreserve bzw. einer Fortführung des Niedrigzinsumfeldes zur Anwendung von Zahlungsverboten bzw. Leistungskürzungen nach § 314 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kommen könnte, und wie kann die Bundesregierung den Eintritt solcher Verbote bzw. Kürzungen ausschließen? Die Fragen 12 und 13 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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