Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 6. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3357 19. Wahlperiode 10.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/2957 – Großeinsätze der Polizei in Flüchtlingsunterkünften V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den letzten Monaten kam es zu einer Vielzahl bundesweit bekannt gewordener Großeinsätze der Polizei in Flüchtlingsunterkünften. Am 3. Mai 2018 stürmten bewaffnete und maskierte Spezialeinheiten der Polizei die Landeserstaufnahmeeinrichtung im baden-württembergischen Ellwangen. Die Beamtinnen und Beamten fesselten die Bewohnerinnen und Bewohner, durchsuchten Kleidung und Räumlichkeiten, beschlagnahmten Bargeld und leiteten Ermittlungsverfahren ein. Mehrere Geflüchtete wurden verletzt, einige davon, weil sie aus Panik aus dem Fenster sprangen (https://refugees4refugees.wordpress.com/ 2018/05/09/was-ist-in-ellwangen-passiert-ein-statement-von-den-gefluchtetenin -ellwangen). Ein ähnlicher Großeinsatz der Polizei hatte sich bereits am 14. März 2018 in der Aufnahmeeinrichtung in Donauwörth ereignet. 30 Personen wurden festgenommen, zudem griff die Polizei nach Angaben der Geflüchteten 300 Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkunft mit Schlagstöcken sowie bei geschlossenen Fenstern mit Pfefferspray an (https://solidarityandresistance. noblogs.org/post/2018/05/24/freiheit-fur-die-gefluchteten-in-donauworthellwangen -und-uberall-freedw32/). Beide Einsätze wurden damit gerechtfertigt , dass zuvor eine Abschiebung am Widerstand der Geflüchteten gescheitert sei. Die Betroffenen selbst verstehen die Einsätze auch als Einschüchterungsversuch : Sie hätten sich zuvor getroffen, um Protest gegen die schlechten Bedingungen in den Lagern und ihre prekäre Aufenthaltssituation zu organisieren. Die Angriffe der Polizei seien auch ein Signal, dass Widerstand gegen Entrechtung nicht geduldet werde (ebd.). Am 14. Mai 2018 waren rund 300 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in der Flüchtlingsunterkunft im bayerischen Deggendorf im Einsatz, um Abschiebungen mit Gewalt durchzusetzen. Dabei wurde eine hochschwangere Frau in Abschiebehaft genommen, die gemäß der Dublin-Verordnung nach Italien überstellt werden sollte. Sie wehrte sich jedoch erfolgreich gegen ihre Abschiebung und kann nun in Deutschland bleiben (www.taz.de/!5506778/). Zu einem weiteren Großeinsatz kam es am 6. Juni 2018 im bayerischen Waldkraiburg . Geflüchtete sollen laut Medienberichten dagegen protestiert haben, dass der Leiter der Einrichtung und Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts Kühl- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3357 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode schränke entfernten, die den Bewohnerinnen und Bewohnern zuvor zur Verfügung gestellt worden waren. Nach Angaben der Polizei kam es danach zu „Tumulten “ (www.br.de/nachrichten/oberbayern/inhalt/weitere-festnahmen-nachrandalen -in-waldkraiburger-fluechtlingsunterkunft-100.html). Die Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkunft sprechen hingegen von einem massiven Pfeffersprayeinsatz der Polizei (www.sueddeutsche.de/bayern/waldkraiburgexplosion -der-wut-1.4006039). Laut „SÜDDEUTSCHER ZEITUNG“ waren in der Unterkunft in Waldkraiburg am 6. Juni 2018 auch Beamte der Bundespolizei im Einsatz (ebd.). Schon im letzten Jahr wurde immer wieder über Großeinsätze der Polizei in den sogenannten Transitzentren in Bamberg und Manching berichtet (www.augsburgerallgemeine .de/neuburg/Kritik-an-den-Zustaenden-in-Manching-id43538156.html, www.sueddeutsche.de/leben/fluechtlingsunterkuenfte-wenn-security-leuteangst -verbreiten-1.3499799). Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert in einer Pressemitteilung vom 9. Juni 2018, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der bayerischen Unterkünfte durch die Bedingungen der Unterbringung (räumliche Enge, schlechtes Kantinenessen , Arbeitsverbote, fehlende Sozialberatung) bewusst unter Stress gesetzt würden, was schnell zu Konflikten führe. Inzwischen werde regelmäßig eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei geschickt, um die so entstehenden Auseinandersetzungen zu unterdrücken. Die Fragestellerinnen und Fragesteller schließen sich der Kritik des Flüchtlingsrats an. Darüber hinaus vermuten sie, dass durch die martialischen Polizeieinsätze gezielt Bilder von angeblich kriminellen und gewalttätigen Flüchtlingen produziert werden, um einen noch restriktiveren Kurs in der Flüchtlingspolitik und insbesondere die geplanten „Anker “-Zentren zu rechtfertigen. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung weist darauf hin, dass sich das aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) folgende Frageund Informationsrecht des Deutschen Bundestages, seiner Abgeordneten und Fraktionen gegenüber der Bundesregierung hinsichtlich der Unterstützungseinsätze der Bundespolizei nach Artikel 35 Absatz 2 Satz 1 GG nur auf Umstände bezieht, die nach der im Grundgesetz angelegten und im Bundespolizeigesetz näher geregelten Verteilung der Zuständigkeiten in den Verantwortungsbereich des Bundes fallen. Die Zuständigkeit für die allgemeinpolizeilichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt bei den Polizeien der Länder. Zu Maßnahmen, die in den alleinigen Verantwortungsbereich der zuständigen Behörden eines Landes fallen, äußert sich die Bundesregierung nicht. 1. Wie viele Angehörige der Bundespolizei waren am 6. Juni 2018 in Waldkraiburg im Einsatz? Die Bundespolizei hat insgesamt 72 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte der Polizei des Freistaates Bayern unterstellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3357 2. Auf wessen Unterstützungsersuchen kam es zu dem Einsatz der Bundespolizei , wie wurde dieses begründet, worin bestand der genaue Auftrag der Bundespolizei, und welche Tätigkeiten nahm sie konkret wahr? Die Einsatzkräfte der Bundespolizei wurden aufgrund eines Ersuchens der Landespolizei des Freistaates Bayern eingesetzt. Begründet wurde die Anforderung mit einem zusätzlichen Bedarf an Einsatzkräften, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Flüchtlingsunterkunft aufrechtzuerhalten. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 3. Welche Hilfsmittel, wie Pfefferspray, Schlagstöcke, Diensthunde o. Ä., wurden durch die Bundespolizei am 6. Juni 2018 in Waldkraiburg mitgeführt, und inwiefern wurden diese eingesetzt? Die Einsatzkräfte führten ihre persönlichen Führungs- und Einsatzmittel gem. Ausstattungsnachweis für die Bundespolizei mit. Diensthunde hat die Bundespolizei nicht mitgeführt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 4. Hat die Bundespolizei während des in Rede stehenden Einsatzes Personenkontrollen vorgenommen, und falls ja, wie viele Personen hat sie aus welchen Gründen kontrolliert? Welche Verstöße wurden dabei gegebenenfalls festgestellt? Die Einsatzkräfte der Bundespolizei waren der Polizei des Freistaates Bayern unterstellt . Die Maßnahmen sind daher der Polizei des Freistaates Bayern zuzuordnen . Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 5. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung während des in Rede stehenden Polizeieinsatzes in Waldkraiburg Personen verletzt (bitte die genauen Gründe darlegen)? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden während der Einsatzmaßnahmen 3 Polizeivollzugsbeamte der Bundespolizei leicht verletzt, blieben aber weiterhin dienstfähig. Darüber hinaus liegen zu weiteren laut Medienberichten verletzten Personen keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 6. Welche weiteren Polizeieinsätze in Flüchtlingsunterkünften unter Beteiligung der Bundespolizei gab es in den Jahren 2016, 2017 und im bisherigen Jahr 2018 (bitte nach Ort und Datum aufschlüsseln und auch angeben, wie viele Einsatzkräfte der Bundespolizei beteiligt waren, welche Hilfsmittel eingesetzt wurden, ob Personen verletzt wurden, und was der Anlass des Einsatzes war)? Unterstützungsleistungen des polizeilichen Einzeldienstes, welche im Rahmen der täglichen Aufgabenwahrnehmung ad-hoc für andere Behörden erfolgen, werden durch die Bundespolizei statistisch nicht erfasst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3357 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Wie viele Bundespolizeiangehörige waren am 12. Februar 2018 am Bahnhof in Donauwörth im Einsatz, um die Ausreise von rund 150 Geflüchteten aus Gambia nach Italien zu unterbinden (www.augsburger-allgemeine.de/ donauwoerth/Abgelehnte-Asylbewerber-sorgten-fuer-Bahnhofssperrungid 44192661.html)? Die Bundespolizei hat zur bahnpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Eisenbahn des Bundes nach § 3 des Bundespolizeigesetzes 27 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte eingesetzt. 8. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung dazu, inwiefern die Unterbringung einer großen Zahl von Geflüchteten in Massenunterkünften, wie es die Einrichtung sogenannter Anker-Zentren mit sich bringen würde, gewalttätiges Verhalten und Konflikte provoziert, wie dies vom Bayerischen Flüchtlingsrat (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) und auch von der Gewerkschaft der Polizei befürchtet wird (www.taz.de/!5498854/)? Könnte die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen oder in Kleingruppen aus Sicht der Bundesregierung kriminalpräventiv wirken? Die Bundesregierung nimmt die Stellungnahmen des Bayerischen Flüchtlingsrats und der Gewerkschaft der Polizei zur Kenntnis, macht sie sich aber nicht zu eigen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung und die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3d der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/3564 verwiesen. 9. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung dazu, inwieweit die Einrichtung von sogenannten Anker-Zentren zu regelmäßigen Ersuchen an die Bundespolizei führen könnte? Der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung zur Ausgestaltung der AnkER-Zentren ist noch nicht abgeschlossen. Verantwortlich für die Anforderung der Bundespolizei ist die Behörde des Landes , die für die Durchführung der polizeilichen Maßnahmen an sich zuständig ist. Das zuständige Land muss dabei die Erforderlichkeit für eine Unterstützung prüfen . Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 10. Inwiefern werden die Fragen 8 und 9 bisher mit den Ländern besprochen? Zur Einführung der AnkER-Zentren gab es bereits auf verschiedenen Ebenen Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Länder. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333