Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 12. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3429 19. Wahlperiode 16.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Bettina Hoffmann, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/3065 – Auswirkungen der Amalgam-Nutzung in der Zahnmedizin auf Mensch und Umwelt V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit rund zweihundert Jahren wird Amalgam in der Zahnmedizin verwendet. Dabei handelt es sich um eine Legierung, die zu rund 50 Prozent aus Quecksilber (Hg) besteht. Im Jahr 2013 hat das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) Quecksilber als globale Bedrohung für die Gesundheit und Umwelt eingestuft. In Industrieländern gilt das Einatmen von Quecksilberdampf aus Zahnfüllungen mit Amalgam als Hauptquelle für Quecksilberexpositionen (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=LEGISSUM:l28155). Bei der Verarbeitung, dem Legen und Entfernen von Amalgamfüllungen sowie durch Feuerbestattungen, die in Deutschland am häufigsten angewendete Bestattungsart , entstehen Quecksilber-Emissionen. Bei zahnmedizinischen Behandlungen können sich die Reststoffe quecksilberhaltiger Abfälle in den Filtersieben der Amalgamabscheider anlagern. Dies stellt auch bei sachgerechter Entsorgung ein Risiko für das Ökosystem Wasser und schließlich für den Menschen dar (https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/scientific_committees/ environmental_risks/docs/scher_o_165.pdf). Durch den Eintragspfad Wasser gelangt Quecksilber in die Nahrungskette. Inwieweit Amalgamfüllungen zu gesundheitlichen Schädigungen führen, ist bislang nicht belegt. In ihrem Bericht aus dem Jahr 2015 beschreibt die von der Europäischen Kommission beauftragte Expertengruppe SCENIHR den Zusammenhang zwischen Amalgam und neurologischen sowie psychologischen und psychiatrischen Erkrankungen (https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/ scientific_committees/environmental_risks/docs/scher_o_165.pdf). Quecksilber kann bis zu 20 Jahren im Körper bleiben und sich dabei in Leber und Nieren, im Fettgewebe und im Gehirn anlagern. Es ist ein für Menschen, Ökosysteme und wild lebende Tiere hochgiftiger Stoff (https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/?uri=LEGISSUM:l28155). Bereits kleinste Mengen Quecksilber können zu Schädigungen des Nerven-, Atmungs- und Verdauungssystems führen. Insbesondere Schwangere, Säuglinge und Kinder sind hiervon gefährdet (www.bmu.de/pressemitteilung/deutschland-ist-vertragspartei-desuebereinkommens -von-minamata-ueber-quecksilber/). Eine Studie aus dem Jahr 2013 belegt, dass die Quecksilberwerte bei jedem dritten Neugeborenen in Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3429 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Europa zu hoch sind, was zu Seh- und Hörschäden, Missbildungen und geistiger Behinderung führen kann (https://ehjournal.biomedcentral.com/track/pdf/10.11 86/1476-069X-12-3). Im Januar 2013 wurde die Quecksilberverordnung der Vereinten Nationen, die sogenannte Minamata-Konvention, abschließend verhandelt. In Deutschland wurde das Übereinkommen am 15. September 2015 ratifiziert und der Text des internationalen Abkommens unverändert angenommen. Auf EU-Ebene wird die Konvention durch die Verordnung (EU) 2017/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 über Quecksilber und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nummer 1102/2008 umgesetzt. Sie gilt seit dem 1. Januar 2018 unmittelbar auch in Deutschland. In der Verordnung wird auch ein schrittweiser Verzicht („phase down“) von Dentalamalgam angestrebt. Die Europäische Kommission wird beauftragt, bis zum 30. Juni 2020 eine Machbarkeitsstudie zum langfristigen Verbot vorzulegen, die möglichst 2030 abgeschlossen sein soll. Für bestimmte Risikogruppen – Kinder unter 15 Jahren, Schwangere und Stillende – schreibt die Richtlinie bereits ab dem 1. Juli 2018 einen kompletten Verzicht auf Dentalamalgam vor, außer der Zahnarzt erachtet eine solche Behandlung aus medizinischen Gründen als erforderlich. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Wissenschaftliche Ausschuss zu neu auftretenden und neu identifizierten Gesundheitsrisiken (Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks, SCENIHR) bei der EU-Kommission hat im Jahr 2015 festgestellt, dass die Verwendung von Amalgam wie auch von anderen Zahnfüllstoffen nach gegenwärtigem medizinischem Kenntnisstand nur mit geringen Gesundheitsrisiken verbunden sei. Studien, die Nachweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Amalgamfüllungen und degenerativen Krankheiten , der Störung kognitiver Funktionen oder sonstigen unspezifischen Symptomen erbringen, gebe es nicht. Zwar könne es bei Amalgam wie auch bei anderen Zahnfüllstoffen zu allergischen Reaktionen kommen. Diese seien aber lokal begrenzt und äußerst selten. Es gebe auch keine Hinweise auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für Personen, die in Zahnarztpraxen arbeiten.1 Gleichwohl hält es die Bundesregierung sowohl aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes als auch wegen der Umweltbelastung durch Quecksilber für geboten, die Verwendung von Dentalamalgam zu minimieren. Besondere Bedeutung kommt dabei einer Verringerung der Gesamtzahl der Füllungen durch eine wirkungsvolle Kariesprävention zu. Seit dem Ende der 1980er Jahre wurden in Deutschland die Vorsorgemaßnahmen gegen Zahnerkrankungen insbesondere für Kinder und Jugendliche, in den letzten Jahren auch für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen erheblich ausgebaut. Inzwischen werden nach Angaben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), verglichen mit dem Beginn der 1990er Jahre, rund 40 Prozent weniger Füllungen gelegt (siehe dazu auch Antwort zu Frage 15). Bereits 1997 haben das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die KZBV sowie die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde (DGZMK), die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) und der Bundesverband der naturheilkundlich tätigen Zahnärzte Deutschlands (BNZ) ein Konsenspapier „Restaurationsmaterialien in der Zahnheilkunde“ veröffentlicht, in dem Zahnärztinnen und Zahnärzten empfohlen wird, bei 1 https://ec.europa.eu/health/scientific_committees/emerging/docs/scenihr_o_046.pdf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3429 schwangeren Frauen unabhängig vom Füllungsmaterial mit umfangreichen Füllungstherapien bis nach der Geburt ihres Kindes zu warten und bei der Behandlung von Kindern aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sorgfältig zu prüfen, ob eine Amalgamtherapie notwendig ist. Die Bundesregierung begrüßt, dass mit der Verordnung (EU) 2017/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 über Quecksilber (Quecksilber-Verordnung) mit der vorherigen Versorgungspraxis in Deutschland vergleichbare und auch weiterführende Vorgaben beschlossen wurden: Seit dem 1. Juli 2018 darf Dentalamalgam nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung von schwangeren und stillenden Frauen, bei der Behandlung von Milchzähnen sowie für die Behandlung von Kindern unter 15 Jahren verwendet werden, es sei denn, der Zahnarzt oder die Zahnärztin erachtet die Verwendung von Dentalamalgam bei dem jeweiligen Patienten oder der jeweiligen Patientin aus medizinischen Gründen als zwingend notwendig. Ab dem 1. Januar 2019 darf Dentalamalgam nur noch in vordosierter, verkapselter Form verwendet werden. Die Verwendung von Quecksilber in loser Form durch Zahnärztinnen oder Zahnärzte ist verboten. Ab dem 1. Januar 2019 müssen Betreiberinnen und Betreiber zahnmedizinischer Einrichtungen, in denen Dentalamalgam verwendet oder Dentalamalgamfüllungen oder solche Füllungen enthaltende Zähne entfernt werden, sicherstellen , dass sie mit Amalgamabscheidern zur Rückhaltung und Sammlung von Amalgampartikeln, einschließlich von im Wasser enthaltenen Partikeln, ausgestattet sind. Die Betreiber müssen sicherstellen, dass Amalgamabscheider , die nach dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen werden, eine Rückhaltequote von mindestens 95 Prozent der Amalgampartikel leisten. Ab dem 1. Januar 2021 gilt diese Rückhaltequote für alle in Gebrauch befindlichen Amalgamabscheider. Zahnärztinnen und Zahnärzte müssen sicherstellen, dass ihr Amalgamabfall von einer zugelassenen Abfallbewirtschaftungsanlage oder einem zugelassenen Abfallbewirtschaftungsunternehmen behandelt und gesammelt wird. Bis zum 1. Juli 2019 legt jeder Mitgliedstaat einen nationalen Plan mit den Maßnahmen vor, die er zu ergreifen beabsichtigt, um die Verwendung von Dentalamalgam schrittweise zu verringern. Die Mitgliedstaaten machen ihre Pläne im Internet öffentlich zugänglich und übermitteln sie binnen eines Monats nach ihrer Verabschiedung der EU-Kommission. Bis zum 30. Juni 2020 legt die EU-Kommission dem Europäischen Parlament eine Machbarkeitsstudie u. a. zu der Frage vor, ob es möglich ist, die Verwendung von Dentalamalgam auf lange Sicht und vorzugsweise bis 2030 schrittweise auslaufen zu lassen. Dabei sind die nationalen Maßnahmenpläne und die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer sozialen Sicherungssysteme zu beachten. 1. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die jährlichen Einträge von Quecksilber in die Umwelt? Das nationale Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister (Pollutant Release and Transfer Register, PRTR) nach der Europäischen Verordnung (EG) Nr. 166/2006 (E-PRTR-VO)2 sowie dem Gesetz zur Ausführung des Protokolls über Schadstoffreisetzungs- und -verbringungsregister vom 21. Mai 2003 sowie 2 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:033:0001:0017:DE:PDF Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3429 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 166/2006 (SchadRegProtAG)3 beziffert die Einträge von Quecksilber in die Umwelt in Deutschland im Berichtsjahr 2016 wie folgt: Freisetzung Luft [kg/Jahr] Freisetzung Wasser [kg/Jahr] Freisetzung Gesamt [kg/Jahr] Anteil Luft [%] Anteil Wasser [%] Gesamt- Anteil [%] Abfall- und Abwasserbewirtschaftung 37,2 95,12 132,32 1 81 1 Chemische Industrie 170,9 17,72 188,62 2 15 2 Energiesektor 5210,6 5210,6 76 0 76 Metallindustrie 795,3 5,31 800,61 12 4 12 Mineralverarbeitende Industrie 648,7 648,7 9 0 9 Gesamt 6862,7 118,15 6980,85 100 100 100 Kein Unternehmen berichtete über/meldete eine Freisetzung von „Quecksilber und Verbindungen (als Hg)“ in den Boden. Der Schwellenwert, oberhalb dessen berichtet werden muss, beläuft sich auf 1kg „Quecksilber und Verbindungen (als Hg)“ pro Jahr. Für das Abwasser meldeten/berichteten Unternehmen für 2016 über folgende Mengen: Verbringung- Abwasser [kg/Jahr] Gesamt- Anteil [%] Abfall- und Abwasserbewirtschaftung 5,5 0,6 Chemische Industrie 174,0 17,8 Energiesektor 8,4 0,9 Metallindustrie 791,0 80,7 Mineralverarbeitende Industrie 1,1 0,1 Gesamt 980 100 Fazit: Haupteintragspfad von Quecksilber in die Umwelt ist über die Luft mit 98 Prozent der Gesamtmenge, davon allein aus dem Energiesektor mit 76 Prozent (5210,6 kg/Jahr) aus der Verbrennung von Kohle. Von den lediglich 1,6 Prozent über das Wasser eingetragenen Mengen stammen 81 Prozent (95,12 kg/Jahr) aus der Abfall- und Abwasserbewirtschaftung. Haupteintragspfad bei der Verbringung von Quecksilber in das Abwasser ist die Metallindustrie mit 81 Prozent (791 kg/Jahr). Insgesamt sind durch Freisetzung und Verbringung somit Quecksilbereinträge von 7961 kg/Jahr in die Umwelt (Luft, Wasser, Boden und Abwasser) für das Jahr 2016 gemeldet. 3 www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/schadregprot/gesamt.pdf Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3429 2. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Haupteintragspfade von Quecksilber in die Umwelt? Quecksilber gelangt hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten und anthropogene Emissionen in die Umwelt (siehe Antwort zu Frage 1). Natürliche Prozesse wie Verwitterung, Vulkanismus, Verdunstung aus Boden und Wasser und Waldbrände stellen weitere Emissionsquellen dar. Daneben spielen auch Re-emissionen aus vorhandenen Hg-Altlasten eine Rolle. Aus der Atmosphäre gelangt Quecksilber mit dem Niederschlagswasser auf die Erdoberfläche.4 An drei norddeutschen Hintergrundmessstationen des Luftmessnetzes des Umweltbundesamtes ist die nasse Quecksilber-Deposition seit den 1990er Jahren rückläufig. So wurden zu Beginn der 1990er Jahre mit dem Niederschlagswasser noch rund 10 Millionstel Gramm Quecksilber pro Jahr auf einen Quadratmeter (µg Hg/m2a) niedergeschlagen, 2010 waren es nur noch etwa 40 Prozent davon (4 µg Hg/m2a). Nach Modellrechnungen des Internationalen Luftüberwachungsprogramms EMEP gelangten in Deutschland im Jahr 2010 5,4 Tonnen Quecksilber aus der Luft auf den Boden. Davon stammten 3,2 Tonnen Quecksilber aus direkten anthropogenen , also menschengemachten Emissionen aus der EMEP-Region (davon 2,1 Tonnen aus Deutschland). Die restlichen 2,2 Tonnen Quecksilber stammten aus natürlichen, globalen und historischen Emissionsquellen (das heißt 38 Prozent der Gesamtdeposition). Die Quecksilber-Gesamtdepositionen in Deutschland lagen im Jahr 2010 größtenteils im Bereich von 12 bis 30 µg Hg/m², die höchsten Depositionen (ca. 40 bis 44 µg Hg/m²) traten in Westdeutschland (NRW), die niedrigsten Depositionen (ca. 8 bis 12 µg Hg/m²) vorwiegend in Norddeutschland auf. Für den Zeitraum 1990 bis 2010 wurde mit dem EMEP-Modell ein Rückgang der mittleren Quecksilber -Gesamtdeposition in Deutschland um ca. 55 Prozent von 34 µg Hg/m² im Jahr 1990 auf 15 µg Hg/m² im Jahr 2010 berechnet. 3. Wie viele Tonnen Quecksilber werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland bzw. in der EU durch Dentalamalgam jährlich in Luft, Wasser und Boden abgegeben? Der Wissenschaftliche Ausschuss zu Gesundheits- und Umweltrisiken (Scientific Committee on Health and Environmental Risks – SCHER) bei der EU-Kommission stellte im Jahre 20145 fest: Emissionen von Quecksilber können bei der Aufbringung , Entfernung und Entsorgung von Dentalamalgamfüllungen auftreten. Quecksilber kann auch bei der Kremation menschlicher Überreste, die Amalgam enthalten, freigesetzt werden. Quecksilberemissionen aus Zahnarztpraxen in Europa in die Luft werden auf etwa 19 Tonnen pro Jahr geschätzt. Zu den jährlichen freigesetzten Mengen von Quecksilber in Deutschland, die in der Vergangenheit oder gegenwärtig über Dentalamalgam in die Umwelt gelangt /en, liegen der Bundesregierung keine Daten vor. 4 www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/haeufige-fragen-zuquecksilber #textpart-2 5 http://ec.europa.eu/health/scientific_committees/environmental_risks/opinions/index_en.htm Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3429 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. An wie vielen Gewässern bzw. Messstellen wird die Umweltqualitätsnorm für Quecksilber in Gewässern überschritten? Nach Feststellung des Umweltbundesamtes wird die Umweltqualitätsnorm für Quecksilber der Oberflächengewässerverordnung an allen Messstellen in Oberflächengewässern überschritten.6 5. Welche ökotoxikologischen Folgen hat Quecksilber nach Kenntnis der Bundesregierung ? Quecksilber ist ein natürlich vorkommendes, hochgiftiges Schwermetall, das unter Normalbedingungen flüssig ist; es ist persistent und reichert sich in der Umwelt an. Außerdem ist es hochmobil und verbreitet sich in Wasser, Boden und Luft über lange Strecken. Es wird von Tieren und Pflanzen aufgenommen, reichert sich vor allem in Fischen und Meerestieren an und gelangt so in die Nahrungskette. Quecksilber kann sich in der Umwelt in organisches Methylquecksilber umwandeln , das im Menschen sowohl die Plazentar- als auch die Blut-Hirn-Schranke überwindet. Es kann die geistige Entwicklung von Kindern vor der Geburt behindern . 6. Welche Schätzungen zu externen Kosten (etwa aufgrund von Schäden an Gesundheit und Umwelt) durch Quecksilber existieren nach Kenntnis der Bundesregierung? In den vergangenen Jahren sind Studien durchgeführt worden, in denen Untersuchungen zur Monetarisierung der durch anthropogene Quecksilberemissionen verursachten Gesundheitsschäden durchgeführt wurden. Sie befassen sich nicht speziell mit dem Beitrag von Freisetzungen aus Dentalamalgam. Ausgangspunkt dieser Schätzungen war meist der durch pränatale Exposition hervorgerufene neurologische Schaden bei Ungeborenen, der sich durch eine dauerhaft verminderte Intelligenz bemerkbar macht. Dieser wird als verminderte Lebensqualität (geringerer Lohn, erhöhte Gesundheitskosten) oder verminderte volkswirtschaftlich relevante Produktivität in Geldwerte umgerechnet. In Einzelfällen wird zusätzlich der gesundheitliche Schaden durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen berücksichtigt. Die methodischen Unsicherheiten dieser Schätzungen und der darin ermittelten Kosten sind jedoch erheblich. Exemplarisch zu nennen sind Giang und Selin (2016), die die Auswirkung der Umsetzung des Minamata-Übereinkommens auf die globale Weltwirtschaft und die USA mit dem Ergebnis untersuchten, dass die bis zum Jahr 2050 Geborenen mit einem geringeren Gesundheitsschaden zu rechnen hätten, der sich mit 339 Mrd. US-Dollar (Vertrauensbereich 1,4 bis 575 Mrd.) beziffern ließe (bezogen auf ihr gesamtes Leben); für die USA ergibt sich im gleichen Zeitraum ein Wert von 104 Mrd. US-Dollar (Vertrauensbereich 6 bis 171 Mrd.)7. 6 www.umweltbundesamt.de/publikationen/die-wasserrahmenrichtlinie-deutschlands-gewaesser , S. 58/59 7 Benefits of mercury controls for the United States; Giang, A. Selin, N.E.; PNAS January 12, 2016. 113 (2) 286-291; www.pnas.org/ content/113/2/286, PNAS 113, 286-291 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/3429 7. Inwieweit besteht nach Kenntnis der Bundesregierung ein Zusammenhang zwischen Quecksilberexpositionen und neurodegenerativen Erkrankungen (Parkinson, Autismus, Alzheimer-Erkrankungen, Hörschäden)? Der Bundesregierung ist aufgrund der Auskunft des Umweltbundesamtes bekannt , dass ein möglicher Zusammenhang zwischen Quecksilber-Expositionen und den in der Frage genannten Erkrankungen in der Literatur diskutiert wird. Es fehlt jedoch an validen Studiendaten, um eindeutige Zusammenhänge aufzuzeigen . 8. Inwieweit existieren derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung behördliche Warnungen vor dem Verzehr von Fisch aufgrund von Quecksilberanreicherungen ? Die Bundesländer oder das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit publizieren auf der Internetseite „Lebensmittelsicherheit: Warnungen und Information der Öffentlichkeit“ (www.lebensmittelwarnung.de) öffentliche Warnungen und Informationen im Sinne des § 40 (Information der Öffentlichkeit) des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches. In der Regel handelt es sich um Hinweise der zuständigen Behörden auf eine Information der Öffentlichkeit oder eine Rücknahme- oder Rückrufaktion durch den Lebensmittelunternehmer. Erfasst werden einschlägige Informationen über Lebensmittel und mit Lebensmitteln verwechselbare Produkte, die in den angegebenen Bundesländern auf dem Markt sind oder über das Internet verkauft werden und möglicherweise bereits an Endverbraucher abgegeben wurden. Nach Kenntnis der Bundesregierung existiert auf dieser Internetseite keine behördliche Warnung vor dem Verzehr von Fisch auf Grund von Quecksilberanreicherungen. Nicht alle Lebensmittel, die verzehrt werden, unterliegen jedoch der amtlichen Überwachung. Zu diesen Lebensmitteln, die nicht gewerbsmäßig in den Verkehr gelangen, zählen beispielsweise selbst geangelte wild lebende Flussfische. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit kommuniziert auf seiner Homepage den Verbrauchertipp „Regionale Hinweise für den Verzehr selbst geangelter Flussfische beachten“8. Ob und inwieweit die zuständigen Länderbehörden Angler und ihre Familien möglicherweise vor dem Verzehr bestimmter Flussfischarten auf Grund von Quecksilberanreicherungen aus bestimmten Flussabschnitten warnen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 9. Inwieweit liegen der Bundesregierung Kenntnisse über zu hohe Quecksilberwerte bei Neugeborenen vor? Zu Quecksilber-Belastungen von Neugeborenen liegen laut Auskunft des Umweltbundesamtes keine Daten vor. Bei dem zur Zeit laufenden Projekt zur Erprobung eines Perinatalarchivs an der Umweltprobenbank werden jedoch Proben gesammelt , die bei zukünftigen Untersuchungen hierüber Aufschluss geben können. 10. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Umsetzung der neuen Auflagen für zahnmedizinische Einrichtungen hinsichtlich Einsatz, Lagerung und Entsorgung von Amalgamfüllmaterial sowie Amalgamabfall zu prüfen? Die diesbezüglichen Vorgaben der Verordnung (EU) 2017/852 sind in Deutschland bereits weitgehend umgesetzt. Schon seit den 1990er Jahren schreibt die Abwasserverordnung (AbwV) – Anhang 50 (Zahnbehandlung) – Zahnarztpraxen 8 www.bmu.de/WS534 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3429 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode vor, ihre Abwässer über einen Amalgamabscheider mit einem Abscheidewirkungsgrad von mindestens 95 Prozent zu reinigen. Die in den Zahnarztpraxen gesammelten Abfälle aus den Amalgamabscheidern, Amalgamreste und extrahierte Zähne mit Amalgamfüllungen sind nach den abfallrechtlichen Vorschriften einer stofflichen Verwertung durch den Hersteller oder Vertreiber von Dentalamalgam bzw. einem von ihm beauftragten Vertreter zuzuführen. Seit 1993 besteht eine Norm zur Verwendung von verkapseltem Amalgam. Nicht verkapseltes Amalgam wird nur noch selten in der Versorgung eingesetzt. 11. Welche aktuellen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über mögliche gesundheitliche Risiken durch Zahnamalgam vor, insbesondere a) über gesundheitliche Folgewirkungen für Säuglinge und Kleinkinder, b) über gesundheitliche Folgewirkungen für Schwangere und andere Risikogruppen (Kranke, Alte) und c) über gesundheitliche Folgewirkungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zahnarztpraxen und Zahnarztkliniken? Im Rahmen der im Auftrag der EU-Kommission erstellten und im Jahr 2015 vorgelegten SCENIHR- Stellungnahme zur Sicherheit von Dentalamalgam und alternativen Zahnfüllungsmaterialien wurden eine Vielzahl an Quellen einschließlich von Studienberichten sowie wissenschaftlichen und medizinischen Veröffentlichungen ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass zwischen der Zahl der Amalgamfüllungen , die eine Person aufweist und dem Grad ihrer Quecksilber-Belastung ein Zusammenhang besteht und Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie das Praxispersonal vielfach überdurchschnittlich hohe Quecksilber-Belastungen aufweisen . Keine der ausgewerteten Studien konnte aber einen Zusammenhang zwischen Amalgamfüllungen und schweren Gesundheitsrisiken nachweisen. 12. Welche medizinischen Gründe sind der Bundesregierung bekannt, die eine Verwendung von Zahnamalgam bei den in Frage 11 genannten Gruppen notwendig machen? Grundsätzlich spricht für eine Verwendung von Amalgam, dass es sich um ein anerkanntes und wissenschaftlich gut untersuchtes Füllungsmaterial handelt. Seine Verarbeitung ist im Vergleich zu Kompomeren und Kompositen weniger technikintensiv und aufwändig. In Longitudinalstudien weist es eine hohe Lebensdauer auf. Für Säuglinge (von der fünften Lebenswoche bis zum ersten Geburtstag) kommt eine Verwendung von Füllungsmaterialien im Seitenzahnbereich regelhaft gar nicht in Betracht. Die ersten Milchmolaren brechen – sofern kein früher oder später Zahndurchbruch vorliegt – etwa im 14. Lebensmonat in die Mundhöhle durch. Die Notwendigkeit der Versorgung eines kariösen Defektes mittels plastischer Füllung ist demnach im Seitenzahnbereich bis zum 12. Lebensmonat so gut wie ausgeschlossen. Kleinkinder (vom zweiten bis zum sechsten Lebensjahr) haben mit dem Durchbruch der zweiten Milchmolaren etwa im 25. Lebensmonat ein vollständiges Milchgebiss. Die Indikationsstellung für die Auswahl eines Füllungsmaterials zur Versorgung von kariösen Defekten im Seitenzahnbereich hängt in dieser Altersgruppe stark von der Möglichkeit der Kooperation des Kindes in der Behandlungssituation und der damit verbundenen Möglichkeit der regelrechten Verarbeitung der Materialien ab. Die Entscheidung, welches plastische Füllungsmate- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/3429 rial oder welche Restaurationstechnik zur Anwendung kommt, ist in jedem einzelnen Fall unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Situation des Patienten zu treffen. Dies gilt sowohl für die Behandlung unter Lokalanästhesie als auch ohne Anästhesie. Die in der Altersgruppe der Kleinkinder häufig eingeschränkte Kooperationsfähigkeit in einer normalen Behandlungssituation muss bei der Indikationsstellung für das Füllungsmaterial ebenso einbezogen werden wie auch eine ggf. erforderliche Behandlung in allgemeiner Anästhesie. Ein medizinischer Grund, der die Verwendung von Dentalamalgam bei Kleinkindern notwendig machen kann, ist in der Behandlung in allgemeiner Anästhesie zu sehen. In einer retrospektiven Kohortenstudie von Amin et al. aus dem Jahr 20169 konnte eine signifikant längere Haltbarkeit von Amalgamfüllungen und konfektionierten Edelstahlkronen gegenüber Kompositrestaurationen festgestellt werden . Bei entsprechend kürzerer Haltbarkeit einer Füllungsversorgung würde eine Neuversorgung und damit ggf. eine erneute allgemeine Anästhesie schneller notwendig werden, bzw. könnte eine Neuversorgung und eine ggf. erneute allgemeine Anästhesie durch die Wahl von Amalgam als Füllungsmaterial verhindert oder verzögert werden. Auf nationaler Ebene hat sich das Bundesgesundheitsamt mit der ersten Empfehlung zu Dentalamalgam im Jahr 1987 dafür ausgesprochen, in der Schwangerschaft keine umfangreichen Sanierungsmaßnahmen mit Amalgam durchzuführen . Im Konsenspapier „Restaurationsmaterialien in der Zahnheilkunde“, in dem BMG, BfArM, BZÄK, KZBV, DGZMK, DGZ und BNZ im Jahr 1997 gemeinsame Positionen zu Amalgam und seinen Alternativen erarbeitet haben, wurde festgehalten, dass bei Schwangeren auf eine umfangreiche Füllungstherapie verzichtet werden sollte, die über eine Notfallbehandlung (z. B. Schmerzbehandlung, Füllungsverlust) hinausgeht. Zuletzt wurde in der Empfehlung des Robert-Koch- Institutes „Amalgam: Stellungnahme aus umweltmedizinischer Sicht“ aus dem Jahr 2007 ausgeführt, dass Amalgamfüllungen aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes während der Schwangerschaft nicht mehr gelegt werden sollten. Die Empfehlungen aus den Jahren 1997 und 2007 schließen jeweils den Hinweis ein, dass die Entscheidung für das Restaurationsmaterial im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Situation des Patienten gefällt werden sollte. In der Gruppe von kranken Menschen existieren für Patientinnen und Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz oder einer Allergie gegen Amalgam für die Versorgung mit plastischen Füllungen besondere Regelungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA), der Abrechnungsgrundlage für zahnärztliche Leistungen im Rahmen der GKV. Für diese beiden Krankheitsbilder waren im Jahr 1996 Ausnahmeindikationen in den BEMA aufgenommen worden, die die Versorgung mit Kompositfüllungen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ermöglichen. 9 www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27557921 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3429 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zahnarztpraxen und Zahnarztkliniken, die eine Anerkennung für eine Berufskrankheit aufgrund von Quecksilberexposition beantragen, und gibt es anerkannte Fälle von Berufskrankheiten aufgrund von Quecksilberexposition ? Bei der Meldung einer Verdachtsanzeige an die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt noch keine Angabe zum Beruf in der Berufskrankheiten-Dokumentation (BK-DOK). Daher werden hilfsweise die Verdachtsanzeigen in bereits entschiedenen Fällen angegeben, da in diesen Fällen bereits Ermittlungsverfahren durchgeführt und im Zuge dessen auch die Tätigkeiten der Versicherten erfasst worden sind. Im Zeitraum 2002 bis 2016 gab es insgesamt 25 entschiedene Fälle zu „Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen“ (BK-Nr. 1102), die Zahnärztinnen und Zahnärzte bzw. Zahnarzthelferinnen und Zahnarzthelfer betrafen. Eine Anerkennung findet sich darunter nicht. Vor 2002 kann in der BK-DOK nicht zwischen Arzthelferinnen/Arzthelfern und Zahnarzthelferinnen/Zahnarzthelfern differenziert werden, sodass hier keine gesonderten Auskünfte für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zahnarztpraxen und Zahnarztkliniken möglich sind. 14. Strebt die Bundesregierung an, dem Beispiel von Schweden, Norwegen und Dänemark zu folgen und den Einsatz von Amalgam als Zahnfüllung vollständig zu beenden, und wenn ja, bis zu welchem Datum? Laut Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2017/852 hat die Bundesregierung bis zum 1. Juni 2019 einen nationalen Plan mit den Maßnahmen vorzulegen, die sie zu ergreifen beabsichtigt, um die Verwendung von Dentalamalgam schrittweise zu verringern. Dieser nationale Plan wird derzeit vorbereitet. 15. Welchen Anteil an Zahnfüllungen machen Amalgamfüllungen nach Kenntnis der Bundesregierung heute in Deutschland aus, und wie ist die Entwicklung der letzten 20 Jahre a) bei Neuverfüllungen, und b) bei bereits ausführten Füllungen? Zur Zahl der neu gelegten Amalgamfüllungen als auch der bereits ausgeführten Füllungen (Bestandsfüllungen) liegen empirisch gestützte Daten aus dem Abrechnungsgeschehen nicht vor, da im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für eine ausreichende , zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) kein konkret zu verwendendes Material vorgeben wird, sondern allgemein von anerkannten plastischen Füllungsmaterialien die Rede ist. Generell ist über alle Füllungen hinweg in den letzten 25 Jahren ein deutlicher Rückgang der jährlich neu gelegten Füllungen zu verzeichnen. Anhand von Informationen zum Marktvolumen der verwendeten Füllungsmaterialien können Hinweise zum Anteil der gelegten Amalgamfüllungen abgeleitet werden. Der Marktanteil des Füllungsmaterials Amalgam ist zwischen 2011 und 2017 von 7,5 Prozent auf 5,3 Prozent, also um ein Drittel, zurückgegangen. Auf Basis dieses kostenmäßig bewerteten Anteils des Marktvolumens für Amalgamfüllungen kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil von Amalgamfüllungen sich im einstelligen Prozentbereich bewegt mit weiter sinkender Tendenz. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/3429 Die Entwicklung der bereits ausgeführten Amalgamfüllungen in den letzten 20 Jahren kann anhand von Daten der Deutschen Mundgesundheitsstudie DMS III aus dem Jahr 1997 und der DMS IV aus dem Jahr 2005 abgeschätzt werden. Der Anteil der Füllungen mit Amalgam betrug im Jahr 1997 rd. 58 Prozent und im Jahr 2005 43 Prozent an allen Bestandsfüllungen. Bei einer Trendfortschreibung dieser stark rückläufigen Entwicklung kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil der bereits ausgeführten Füllungen mit Amalgam derzeit unter 30 Prozent aller Bestandfüllungen beträgt und sich aufgrund des geringen Anteils der neu gelegten Amalgamfüllungen und des Erfolgs der Prävention sukzessive weiter verringern dürfte. 16. Inwieweit existieren nach Einschätzung der Bundesregierung Alternativmaterialien zum Amalgam, die dessen Einsatz überflüssig machen würden? Alternative Füllungsmaterialien sind Komposite, Kompomere und Glasionomerzemente . Komposite und Kompomere sind bei der Verarbeitung technikintensiver und aufwändiger und stellen insbesondere bei der Trockenlegung des Arbeitsgebietes im Vergleich zum Amalgam höhere Anforderungen. 17. Welche gesetzlichen Krankenkassen übernehmen nach Kenntnis der Bundesregierung vollständig die Kosten von Füllungen mit Amalgam-Alternativen ? Im sichtbaren Frontzahnbereich übernehmen Krankenkassen die Kosten für zahnfarbene Kompositfüllungen. Im Seitenzahnbereich werden die Kosten für Amalgamfüllungen übernommen. Für Patientinnen und Patienten, die aus medizinischen Gründen kein Amalgam erhalten können (absolute Kontraindikation), werden bei Seitenzähnen Kompositfüllungen gezahlt. Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine nachgewiesene Allergie auf Amalgam oder dessen Bestandteile oder eine schwere Niereninsuffizienz vorliegt. Seit dem 1. Juli 2018 dürfen infolge der Verordnung (EU) 2017/852 Amalgamfüllungen nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung von Milchzähnen, von Kindern unter 15 Jahren und von Schwangeren oder Stillenden verwendet werden , es sei denn, es liegt im konkreten Einzelfall eine medizinische Indikation dazu vor. Diesen Patientinnen und Patienten stehen somit auch Kompositfüllungen im Seitenzahnbereich als kostenfreie Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu. Eine darüber hinausgehende Übernahme von Kosten für Kompositfüllungen durch Krankenkassen ist nicht bekannt. 18. Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass die Krankenkassen für Kinder unter 15 Jahren, Schwangere und Stillende ab dem 1. Juli 2018 die Kosten für die Versorgung mit Amalgam-Alternativen übernehmen? Der Bewertungsausschuss für die zahnärztlichen Leistungen – das paritätisch mit Vertretern der KZBV und des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV) besetzte Gremium , das den BEMA erstellt und anpasst – hat mit Wirkung zum 1. Juli 2018 die Möglichkeiten zur Versorgung der angesprochenen Versichertengruppen innerhalb der gesetzlichen Versicherung zusätzlich um die nach den Ziffern 13 e, f und g des BEMA abrechenbaren Kompositfüllungen im Seitenzahnbereich erweitert , die bislang für Patientinnen und Patienten mit absoluter Amalgamkontraindikation abrechenbar waren. Diese Leistungen sind zudem um den Anwendungsfall einer mehr als dreiflächigen Füllung erweitert worden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3429 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die zusätzlichen Kosten für die Krankenkassen oder die Versicherten, wenn ausschließlich alternative Zahnfüllmaterialien zu Amalgam Anwendung finden? Der GKV-SV schätzt die zusätzlichen Kosten für die ausschließliche Anwendung von Komposit-Füllungen auf rund 1 Mrd. Euro. 20. Inwieweit stellt die Bundesregierung sicher, dass ab dem 1. Juli 2018 entsprechend den EU-Vorschriften kein Amalgam mehr bei Kindern unter 15 Jahren, Schwangeren und Stillenden eingesetzt wird? Die in Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2017/852 geregelten Vorgaben sind als unmittelbar geltendes Recht zu beachten. Hiernach besteht zwar kein absolutes , aber ein relatives Amalgamverbot. Das Material darf bei den angesprochenen Patientengruppen nicht verwendet werden; es sei denn, der behandelnde Zahnarzt kommt im Rahmen der Befunderhebung zu dem Ergebnis, dass eine Versorgung mit Amalgam aus zahnmedizinischen Gründen zwingend erforderlich ist. Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Krankenkassen sind über die geltenden Vorgaben informiert. 21. Welche Ersatzmaterialien für Füllungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung künftig bei Kindern unter 15 Jahren, Schwangeren und Stillenden eingesetzt werden? Für Kinder unter 15 Jahren, schwangere und stillende Patientinnen stehen je nach Indikation für plastische Füllungen im Seitenzahnbereich die Materialgruppen der Komposite, Kompomere und Glasionomerzemente zur Verfügung. Der Zahnarzt oder die Zahnärztin muss in jedem Fall individuell prüfen, welches Material zur Anwendung kommen soll. Die Auswahl des Materials umfasst die Prüfung, welches Material im konkreten Fall verwendet werden kann und inwieweit der Verwendung eventuell begründete Kontraindikationen entgegenstehen. Die Kriterien für die Auswahl des Füllungsmaterials sind vielfältig, es fließen ein: Größe und Lage der Restauration, Vorgaben der wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Kooperationsfähigkeit des Patienten oder der Patientin und die Notwendigkeit, das Füllungsmaterial entsprechend der Anwendungsvorgaben regelhaft verarbeiten zu können. Einschränkungen für die regelhafte Verarbeitung eines Materials können in der allgemeinen Situation des Patienten oder der Patientin begründet sein (z. B. eingeschränkte Kooperationsfähigkeit, Behandlung in allgemeiner Anästhesie ) oder in zahnmedizinischen Sonderfällen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 18 verwiesen. 22. Inwiefern fördert die Bundesregierung die Erforschung und Entwicklung von alternativen Füllmaterialien? Aktuell werden keine diesbezüglichen Forschungsvorhaben von der Bundesregierung gefördert. 23. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die EU-Kommission dabei, eine Machbarkeitsstudie hinsichtlich des langfristigen Verbots von Amalgam zu erstellen? Die EU-Kommission hat mit der Verordnung (EU) 2017/852 vom Europäischem Parlament den Auftrag erhalten, bis zum 30. Juni 2020 eine Machbarkeitsstudie zum langfristigen Verbot von Dentalamalgam, möglichst bis 2030, durchzufüh- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/3429 ren. Siehe dazu auch die Vorbemerkung der Bundesregierung. Die Bundesregierung wird die Studie zu gegebenem Zeitpunkt mit den ihr zur Verfügung stehenden Informationen unterstützen. Nach Kenntnis der Bundesregierung ist die Studie noch nicht begonnen worden. 24. Welche Fortschritte bei der Erstellung dieser Machbarkeitsstudie gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung? Es wird auf die Antwort zu Frage 23 verwiesen. 25. Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, Bürgerinnen und Bürgern einen besseren Zugang zu neutralen und evidenzbasierten Gesundheitsinformationen zu Amalgamfüllungen zu verschaffen? Da mit Amalgamfüllungen keine schwerwiegenden Gesundheitsrisiken verbunden sind, sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf über die bestehenden Beratungsangebote hinaus. So hat jeder Zahnarzt seinem Patienten oder Patientin gegenüber eine Aufklärungspflicht. Daneben bestehen in allen Bundesländern die Patientenberatungsstellen der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und Zahnärztekammern sowie das von der Bundesregierung geförderte Beratungsangebot der „Unabhängigen Patientenberatung Deutschland“ (UPD), das auch für Fragen zur zahnärztlichen Versorgung zur Verfügung steht. 26. Strebt die Bundesregierung, über die Verordnung (EU) 2017/852 hinaus, ein vollständiges Quecksilberverbot in Deutschland an, wie es beispielsweise in Schweden bereits seit 2009 der Fall ist? Es wird auf Antwort zu Frage 14 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333