Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 16. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3461 19. Wahlperiode 18.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Judith Skudelny, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/3067 – Folgen des möglichen Verbots von Glyphosat V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Glyphosat ist in aller Munde. Es ist ein Breitbandherbizid, wirksam über die Blattfläche und wird universal in vielen Bereichen wie zum Beispiel der kommunalen Pflege öffentlicher Plätze und Parkanlagen, der Landwirtschaft und dem Hobbygartenbereich angewendet. Inzwischen ist das Pflanzenschutzmittel stark in Verruf geraten. Seit 1974 ist Glyphosat ein zugelassenes Breitbandherbizid , dem in den vergangenen Jahrzehnten nie ein unzumutbares Risiko für die menschliche Gesundheit, noch eine schädliche Wirkung auf Bodenlebewesen unter realistischen Feldbedingungen nachgewiesen werden konnte (www. bfr.bund.de/cm/343/loest-glyphosat-krebs-aus.pdf; DLG Merkblatt 391: Glyphosateinsatz im Ackerbau für Anbausysteme, Umwelt und Gesellschaft, www.dlg.org/fileadmin/downloads/merkblaetter/dlg-merkblatt_391.pdf). Aus diesem Grund ist es eines der am besten erforschten Pflanzenschutzmittel weltweit . Darüber hinaus ist Glyphosat im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzenschutzmitteln nicht stabil, es zerfällt binnen kürzester Zeit in Metabolite. Nachweise von Glyphosat in Lebensmitteln rühren in erster Linie von der hervorragenden Laboranalytik her, die in den vergangenen Jahren mit Meilenschritten vorangegangen ist, wodurch die Nachweisgrenze von Verbindungen immer weiter reduziert werden konnte. Glyphosat ist nach Einschätzung von Experten unabkömmlich für das Ackerbausystem der sogenannten konservierenden Bodenbearbeitung oder auch Direktsaat . Es handelt sich um ein Ackerbausystem, das alle drei Säulen der Nachhaltigkeit ökonomisch, ökologisch und sozial vereint. Bei der konservierenden Bodenbearbeitung geht es in erster Linie darum die Bodenruhe einkehren zu lassen. Der Boden wird nicht mehr mechanisch gewendet wie es mit dem Pflug der Fall ist, sondern bleibt in seinem natürlichen Aufbau erhalten. Rund 47 Prozent der Ackerfläche Deutschlands werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mittels der konservierenden Bodenbearbeitung bestellt. Wird das Verfahren der konservierenden Bodenbearbeitung weniger angewendet, steigt gleichzeitig signifikant das Risiko der Bodenerosion, mit teilweise sehr verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt (www.spiegel.de/panorama/massenkarambolage-auf-a19- sandsturm-auf-autobahn-bei-rostock-mehrere-tote-a-755908.html). Zahlreiche Untersuchungen von den verschiedensten Universitäten belegen, dass dieses Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3461 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Verfahren viele positive Einflüsse auf die bodenbiologischen, bodenphysikalischen und bodenchemischen Eigenschaften hat. Daher ist es als sehr nachhaltiges Verfahren zu bewerten. Zu den ökologischen Aspekten zählen: 1. Zunächst wird durch die Erntereste, die auf der Fläche zurückbleiben und durch die höhere Lagerungsdichte des Bodens die Erosion, also der Abtrag von fruchtbaren Bodenteilchen verhindert. Erosion kann verheerende Einträge von Stickstoff und Phosphat in Wasserwege zur Folge haben, aber auch Straßen und Bahnschienen unbefahrbar machen. 2. Der Verbleib der Erntereste dient der Humusbildung und der organischen Düngung, vor allem in vieharmen Regionen, ohne dass eine Ausbringung nötig ist, denn die Nährstoffe verrotten genau da, wo sie zuvor von der Pflanze aufgenommen wurden. Ein Abtransport der Erntereste und ein Rücktransport als Stallmist entfallen. Durch die entfallenden Überfahrten wird der Boden weniger verdichtet und somit die Bodenfruchtbarkeit erhalten. 3. Durch die Bodenruhe wird das Bodenleben gefördert. Es gibt ein signifikant höheres Vorkommen von z. B. Regenwürmern unter Direktsaatflächen als unter gepflügten Flächen. 4. Weitere Studien belegen, dass die Möglichkeit, CO2 in den Boden einzuspeichern , gerade dann gut gelingt, wenn das Verfahren der konservierenden Bodenbearbeitung angewandt wird. Nur dann können signifikant erhöhte Werte an Kohlenstoff im Boden gemessen werden. Im Hinblick auf klimaschädigende Treibhausgase wäre es aus Sicht der Fragesteller ein folgenschwerer Fehler, Glyphosat generell zu verbieten. 5. Durch weniger Überfahrten über die Fläche kommt es zu Senkungen des CO2-Ausstoßes der Zugmaschinen. Zu den ökonomischen Aspekten: 1. Darüber hinaus kann durch den Verzicht des Pflügens eine große Menge an Diesel- und Arbeitskrafteinsatz gespart werden. 2. Das Ackerbausystem der konservierenden Bodenbearbeitung hat zum Nachteil , dass die Beikrautsamen auf der Bodenoberfläche lagern und dort zur Keimung gelangen. Die Beikrautregulierung wurde seither mittels Glyphosat vorgenommen. Ohne Glyphosat wird das Anbausystem der Direktsaat weniger rentabel und wird mit all seinen Vorteilen für die Bodenfruchtbarkeit aus der Kulturlandschaft verschwinden. Die sozialen Aspekte sind schwer abzuschätzen. So werden sich doch auf jeden Fall das Leben der Landwirte und ihre Einnahmen verändern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3461 1. Welche Strategien zur Erosionsminderung gedenkt die Bundesregierung der Landwirtschaft anzuraten, wenn der Umfang der konservierenden Bodenbearbeitung reduziert wird? 2. a) Werden zusätzliche Gelder für Kommunen zur Verfügung gestellt, um mögliche Folgen von Erosionen und Erdrutschen zu beheben, die auf öffentliche Verkehrswege geschwemmt werden könnten? b) Wurden in den vergangenen Jahren Gelder von der Bundesregierung zur Beseitigung von Erosionsschäden ausgegeben, und wenn ja, wie hoch waren diese jeweils in den einzelnen Jahren? c) In welcher Höhe wurden Projekte zum präventiven Erosionsschutz von der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren unterstützt? 3. Sind Ausgleichszahlungen für betroffene Landwirte geplant, die aufgrund der erzwungenen Umstellung zurück auf die Bodenbearbeitung mit dem Pflug Erosionsereignisse auf ihren Flächen zu verzeichnen haben und daher einen Ertragsausfall erleiden? Die Fragen 1 bis 3 werden zusammenhängend wie folgt beantwortet: Nach § 17 des Bundesbodenschutzgesetzes gehört zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis insbesondere, dass Bodenabträge durch eine standortangepaßte Nutzung, insbesondere durch Berücksichtigung der Hangneigung, der Wasserund Windverhältnisse sowie der Bodenbedeckung, möglichst vermieden werden. § 5 Absatz 2 Nummer 5 des Bundesnaturschutzgesetzes sieht außerdem vor, dass auf erosionsgefährdeten Hängen ein Grünlandumbruch zu unterlassen ist. § 6 der Verordnung über die Einhaltung von Grundanforderungen und Standards im Rahmen unionsrechtlicher Vorschriften über Agrarzahlungen enthält Anforderungen zur Begrenzung der Erosion als Voraussetzung zum Erhalt von Direktzahlungen. Aufgrund des Hochwassers 2013 haben Bund und Länder gemeinsam einen Aufbauhilfefonds errichtet, dessen Mittel u. a. zur Beseitigung von Hochwasserschäden eingesetzt werden konnten. In welcher Höhe in diesem Rahmen speziell Bundesmittel zur Beseitigung von Erosionsschäden ausgegeben wurden, ist nicht bekannt . Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in den letzten Jahren keine Mittel zur Beseitigung von Erosionsschäden ausgegeben. Angaben aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) zu dieser Frage liegen nicht vor. Die Bundesregierung förderte in den letzten 10 Jahren 2008 bis 2017 Projekte zum präventiven Erosionsschutz mit insgesamt rund 7,8 Millionen Euro. 4. Welche chemischen Alternativen sieht die Bundesregierung für Glyphosat, und wie werden diese ökologisch bewertet? Ackerbaulich vollwertige und zugelassene chemische Alternativen für Glyphosat als Breitbandherbizid existieren nach Kenntnis der Bundesregierung zurzeit nicht. Breitbandherbizide haben nach Einschätzung des BMU grundsätzlich negative Auswirkungen auf die Biodiversität. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3461 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Welche Folgen erwartet die Bundesregierung bei einem Glyphosatverzicht ohne Anwendung von Alternativen auf den Ertrag von Winterweizen, Mais, Winterraps, Zückerrüben und Kartoffeln (bitte Ertragsminderung in dt/ha angeben )? Exakt ermittelte Ertragsverluste infolge der Nichtanwendung von Glyphosat-Herbiziden sind trotz aufwändiger Literaturrecherche (A. Wiese, 2018) der Bundesregierung nicht bekannt. Das Julius-Kühn-Institut (JKI) schätzt je nach Standort und Bodennutzungssystem für die Kulturen Winterweizen, Mais und Winterraps Ertragsverluste in Höhe von 0 bis 5 Prozent. Der Bericht „The cumulative agronomic and economic impact of glyphosate in Europe“ vom Februar 2017 weist anhand von Zahlen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und der Universität Göttingen für Deutschland höhere Verlustwerte bei Weizen von 7 bis 22 Prozent aus. Bei der Zuckerrübe werden Werte von 3 bis 5 Prozent und bei Kartoffeln von 1 Prozent genannt. Die vorstehenden Zahlen berücksichtigen jedoch nicht die Nutzung bestehender nichtchemischer Bewirtschaftungsweisen. 6. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kosten alternativer Verfahren (thermisch, mechanisch, chemisch) zur Unkrautbekämpfung in den vorgenannten Kulturen ein? Für die Kostenabschätzung alternativer Verfahren zur Unkrautbekämpfung existieren bisher nur wenige Untersuchungen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Kosten je nach Standortbedingungen, Bodennutzungssystem (Fruchtfolge, Bodenbearbeitung usw.) und Maschinenausstattung starken Schwankungen unterliegen . Das JKI rechnet beispielsweise beim Weizen mit Mehrkosten von 0 bis ca. 40 Euro/ha unter günstigen und mit bis zu über 100 Euro/ha unter ungünstigen betrieblichen Bedingungen. Diese Berechnungen zeigen, dass der Verzicht auf Glyphosat unter bestimmten Bedingungen (u. a. der Verfügbarkeit der notwendigen Gerätschaften in den Betrieben) ohne zusätzliche Kosten für den Betrieb möglich ist. Alternativen zu Glyphosat erfordern eine langfristige Betrachtung und Bewertung über das gesamte Anbausystem des Betriebes. Aus Sicht des BMU werden bei einer angepassten nachhaltigen Bewirtschaftungsweise, die die biologische Vielfalt erhält, mittelfristig Kosteneinsparungen erwartet. Eine umfangreiche Folgenabschätzung zum Glyphosatverzicht hat das JKI bereits im Jahr 2015 veröffentlicht (www.openagrar.de/receive/openagrar_mods_ 00018485). Darüber hinaus liegen konkrete Handlungsempfehlungen zur Glyphosatanwendung und möglichen Alternativen vor (Handlungsempfehlung der Bund-Länder-Expertengruppe zur Anwendung von Glyphosat im Ackerbau und in der Grünlandbewirtschaftung, www.openagrar.de/index.php/BerichteJKI/ article/view/7667/7086). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3461 7. Beabsichtigt die Bundesregierung durch ein Verbot von Glyphosat eine verstärkte Ab- und Auffuhr von Nährstoffen, immer einhergehend mit der Überfahrt und den damit verbundenen Bodenverdichtungen? Die Bundesregierung beabsichtigt, den Einsatz von Glyphosat mit einer systematischen Minderungsstrategie deutlich einzuschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden. Die dazu notwendigen rechtlichen Maßnahmen werden in einem EU-konformen Rahmen verankert. Die Bundesregierung sieht keinen Sachzusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von Nährstoffen und den Überfahrten. 8. Was plant die Bundesregierung für Ausgleichmaßnahmen, um die Bodenbiologie zu erhalten? Der landwirtschaftliche Betrieb soll Anbausysteme durchführen können, die die Bodenbiologie erhalten und fördern. 9. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass durch das drohende Glyphosatverbot mehr mechanische Bodenbearbeitung erfolgen wird, über die Gefährdung der Lebensräume der Wildbienen (weiterer Insekten und Bodentiere), die ihre Eiablage im Boden vornehmen, vor? Sowohl die wendende mechanische Bodenbearbeitung als auch eine Glyphosatbehandlung haben zur Folge, dass Unkräuter für einen bestimmten Zeitraum nicht mehr als Nahrung für verschiedene Insektenstadien zur Verfügung stehen. Nach aktuellem Kenntnisstand verursacht Glyphosat keine direkten Schäden bei Bienen , einschließlich bodennistender Arten. Der Bundesregierung liegen keine Daten vor, anhand derer eine höhere Schadwirkung für Wildbienen bei mechanischer Bodenbearbeitung im Vergleich zur Anwendung von Glyphosat geschlussfolgert werden kann. 10. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die verstärkte CO2-Mobilisierung infolge einer verstärkten mechanischen Bodenbearbeitung durch einen Glyphosatverzicht ein? Eine Zunahme der wendenden Bodenbearbeitung aufgrund eines Glyphosatverzichts hätte unter den Bedingungen in Deutschland keinen relevanten Einfluss auf die Bodenkohlenstoffgehalte. 11. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Mehrverbrauch an Kraftstoffen und damit die Mehremissionen von CO2 durch die Intensivierung der mechanischen Bodenbearbeitung infolge eines möglichen Verbotes von Glyphosat ein? Eine konkrete Abschätzung des Mehrverbrauchs an Kraftstoffen durch den Verzicht auf Glyphosat ist derzeit nicht möglich. 12. Wie und vor allem wo soll CO2 zukünftig gespeichert werden, wenn gepflügte Ackerböden zukünftig weniger CO2 speichern als Böden der konservierenden Bodenbearbeitung? Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3461 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Welche Ausgleichsmaßnahme wird von der Bundesregierung ergriffen, um das freiwerdende CO2 aus den Böden zu binden? Auf die Antworten zu den Fragen 10 und 12 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333