Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3492 19. Wahlperiode 20.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stefan Keuter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/3270 – Entwicklung von Freigrenzen, Freibeträgen, Pausch- und Höchstbeträgen im Einkommensteuergesetz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Einkommensteuergesetz, der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung sowie in den Einkommen- und Lohnsteuer-Richtlinien sind eine Vielzahl von Freigrenzen, Freibeträgen, Pausch- und Höchstbeträgen enthalten. Diese sind teilweise seit Jahrzehnten unverändert geblieben (abgesehen von der Währungsumstellung zum 1. Januar 2002 auf den Euro). Zur Verdeutlichung sei hier auf die beiden folgenden Beispiele verwiesen: Die Grenze für die Sofortabschreibung der sog. geringwertigen Wirtschaftsgüter (§ 6 Absatz 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG) wurde 1964 von 600 DM auf 800 DM angehoben bzw. zum 1. Januar 2002 auf 410 Euro umgerechnet . Erst zum 1. Januar 2018 erfolgte eine Anhebung auf 800 Euro. Mit anderen Worten: Mehr als ein halbes Jahrhundert lang wurde die zwischenzeitlich eingetretene Preisentwicklung ausgeblendet. Ähnlich sieht es bei den Behinderten -Pauschbeträgen aus (§ 33b EStG). Diese sind seit 1975 unverändert geblieben . Zudem gibt es Aufwandspositionen, bei denen nicht nur keine Anhebung erfolgte , sondern im Gegenteil sogar Kürzungen vorgenommen wurden. Als Beispiel sei der Höchstbetrag für den Betriebsausgabenabzug von Geschenken an Geschäftsfreunde genannt (§ 4 Absatz 5 Nummer 1 EStG). Dieser lag bis 2003 bei 40 Euro und wurde zum 1. Januar 2004 auf den heute immer noch gültigen Betrag von 35 Euro herabgesetzt. Darüber hinaus enthält insbesondere das Einkommensteuergesetz Schwellenwerte , die zwar die materielle Einkommensteuerschuld nicht unmittelbar beeinflussen , die jedoch Auswirkungen auf die Erklärungspflichten der Steuerzahler haben. Hierunter fallen beispielsweise die Veranlagungsschwellen bei Arbeitnehmern (§ 46 Absätze 2 und 3 EStG) sowie die Schwellenwerte für Vorauszahlungen (§ 37 Absatz 5 EStG), für die Pflicht des Arbeitgebers zum Lohnsteuereinbehalt (§ 41a Absatz 2 EStG) und für die Pflicht des Bestellers zum Einbehalt der Bauabzugsteuer (§ 48 Absatz 2 EStG). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3492 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Andererseits wird die Höhe der sog. Umzugskostenpauschale regelmäßig stichtagsbezogen durch BMF-Schreiben neu bestimmt. Gleiches gilt für Reisekosten im Ausland. Auch hier werden die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten (wobei letztere nur bei Erstattung durch den Arbeitgeber zur Anwendung kommen) turnusmäßig zum 1. Januar eines jeden Jahres an die Preisentwicklung angepasst, selbst wenn die Differenz im Einzelfall nur einen Euro beträgt. Während der normale Steuerzahler im Regelfall also jahrzehntelang gleichbleibende oder gar herabgesetzte Freibeträge, Freigrenzen sowie Pausch- und Höchstbeträge hinnehmen muss, sieht dies bei den Abgeordneten des Deutschen Bundestages völlig anders aus. Die steuerfreie Kostenpauschale, mit der die durch die Ausübung des Mandats entstehenden Aufwendungen abgedeckt werden, wurde 2014 an den Nominallohnindex (durchschnittliche Entwicklung der Bruttomonatsverdienste der Beschäftigten) gekoppelt. Sie wird jährlich angepasst und beträgt derzeit 52 079,64 Euro p. a. In einem Aufsatz (Finanz-Rundschau 2001; S. 524 ff) schreibt Prof. Dr. Dieter Dziadkowski zur Höhe der Behinderten-Pauschbeträge: „Ein Staat, der gerne als Sozialstaat bezeichnet wird, sollte seine behinderten Mitbürger, die über eine kräftige Lobby verfügen, nicht weiterhin durch ‚heimliche‘ Steuererhöhungen mittels Einfrieren der Pauschbeträge belasten.“ 1. In welchen führenden Industrienationen (sowohl EU- als auch Drittstaaten) erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung eine Indexierung von einkommensteuerlichen Freibeträgen, Pausch- und Höchstbeträgen sowie Schwellenwerten zugunsten der Steuerzahler? Nach Kenntnis der Bundesregierung erfolgt in den Staaten Belgien, Chile, Dänemark , Finnland, Frankreich, Kanada, Niederlande, Mexiko, Schweden, Schweiz, Slowenien, Spanien, USA und Vereinigtes Königreich eine Indexierung bei den Steuertarifstufen und/oder bei verschiedenen Abzugsmöglichkeiten (Freibeträge, Steuerabzugsbeträge). 2. Ist aus Sicht der Bundesregierung der Vorbehalt der realitätsgerechten Erfassung der Wirklichkeit erfüllt, wenn Pauschbeträge, Höchstbeträge etc. seit vier Jahrzehnten und länger nicht an die Preisentwicklung angepasst werden ? 3. Schließt sich die Bundesregierung der Forderung von Prof. Dr. Ekkehart Reimer an, dass „Die einheitliche und elegante Lösung […] die Einführung eines Steuerinflationsindex [ist], der für Zeitgerechtigkeit im Steuerrecht sorgen wird und inflationsdämpfend wirkt. Er reduziert das latente Eigeninteresse des Verfassungsstaats an der Inflation, wird international Vorbildfunktion übernehmen und stärkt damit die Überzeugungskraft der Steuergesetzgebung “ (Kurzstudie „Inflationsgerechtigkeit im Einkommensteuerrecht“, erstellt im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft)? Die Fragen 2 und 3 werden im Zusammenhang beantwortet. Gegen eine automatische Anpassung (Indexierung) steuerlicher Größen bestehen von Seiten der Bundesregierung grundsätzliche Bedenken. Zum einen würde damit das Parlament einen Teil seiner Budgethoheit verlieren, zum anderen sprechen stabilitätspolitische Bedenken dagegen. Wesentlich ist dabei die Präjudizgefahr einer Ausbreitung von Indexierungsregelungen innerhalb des Steuerrechts und in andere Rechtsbereiche mit dem Risiko einer Verstärkung oder gar Förderung von Inflationstendenzen. Darüber hinaus können diskretionäre Anpassungen steuerlicher Größen grundlegenden wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Zielsetzungen besser Rechnung tragen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3492 Für den Einkommensteuertarif hat die Bundesregierung ein seit einigen Jahren bewährtes Verfahren zum Ausgleich der Effekte der kalten Progression etabliert. Gemäß Beschluss des Deutschen Bundestages vom 29. März 2012 wurde die Bundesregierung beauftragt, alle zwei Jahre einen Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs vorzulegen. Danach obliegt es dem Gesetzgeber, über eine Tarifanpassung zum Ausgleich der Effekte der kalten Progression zu entscheiden. Auf Grundlage der Ergebnisse des Ersten und Zweiten Steuerprogressionsberichts wurden zum Ausgleich der kalten Progression der vergangenen vier Jahre neben einer Erhöhung des Grundfreibetrags die übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs um die jeweiligen Inflationsraten nach rechts verschoben. Insgesamt haben in der Vergangenheit umgesetzte steuerliche Entlastungen entscheidend dazu beigetragen, dass die volkswirtschaftliche Steuerquote über die letzten fünf Jahrzehnte weitgehend stabil gehalten werden konnte. 4. Wie bewertet die Bundesregierung die oben genannte Aussage von Prof. Dr. Dieter Dziadkowski sowohl für den konkreten Sachverhalt als auch für alle vergleichbaren Aufwandspositionen der Steuerzahler? Bei den Pauschbeträgen für behinderte Menschen gemäß § 33b des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind unabhängig von der Höhe der Pauschbeträge wesentliche Verbesserungen eingetreten. Während bis einschließlich 2007 nach dem Wortlaut des § 33b Absatz 1 EStG der Steuerpflichtige bei allen behinderungsbedingten Krankheitskosten wählen musste, ob er seine Aufwendungen durch Einzelnachweise und unter Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung nach § 33 EStG geltend machen oder den Pauschbetrag nach § 33b EStG in Anspruch nehmen wollte, werden ab 2008 durch die Pauschbeträge nur noch die Aufwendungen für Hilfe, Pflege und Wäsche typisierend abgegolten. Alle Krankheitskosten können seitdem zusätzlich nach § 33 EStG geltend gemacht werden, auch wenn sie behinderungsbedingt entstanden sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333