Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 17. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3509 19. Wahlperiode 19.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Gabelmann, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/3141 – Vermeidungsstrategien gegen Risiken durch Bluttransfusionen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bluttransfusionen, also die intravenöse Verabreichung zumeist von Erythrozytenkonzentraten (EKs), erfolgen in der Regel mit dem Ziel, Patientinnen und Patienten mit massivem Blutverlust (z. B. während Operationen bzw. nach Unfällen ) oder auch mit Blutkrankheiten wie Krebs (z. B. Leukämie) wieder ausreichend Erythrozyten für die Sauerstoffversorgung zuzuführen. In Deutschland werden dabei 4 bis 5 Millionen EKs pro Jahr verabreicht. Das ist pro Person gesehen das Mehrfache im Vergleich zu anderen europäischen Staaten (Carson JL et al. N Engl J Med 2017;377:1261-72). Viele Ärztinnen und Ärzte neigen dazu, im Zweifelsfall lieber zu transfundieren als eine Unterversorgung mit Sauerstoff aufgrund von Blutarmut zu riskieren (Norgaard A et al. Blood Transfus. 2014 Oct;12(4):509-19; von Lutterotti N. Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. November 2011; Goodnough T et al. Am J Hematol. 2015 Oct;90(10):927-33). Die Entscheidungen, ob EKs verabreicht werden, und wenn ja, wann und wie viele, treffen die Ärztinnen und Ärzte in den einzelnen Krankenhäusern. Dabei variiert die verordnete Menge je nach Krankenhaus und Region in Europa z. T. um den Faktor 10. (vgl. die von der EU-Kommission beauftragte SANGUIS- Studie: The Sanguis Study Group. Transfus Med. 1994 Dec;4(4):251-68); Gombotz H et al. Transfusion. 2007 Aug;47(8):1468-80.) Bluttransfusionen sind jedoch nicht ungefährlich, da dem möglichen und erhofften Nutzen große Gesundheitsgefahren für die Patientinnen und Patienten entgegenstehen . Transfusionszwischenfälle z. B. aufgrund einer Verwechslung von Blutkonserven sind zwar sehr selten geworden. Verbesserte Tests haben die Infektionsgefahr für Hepatitis (HBV, HCV) und das Humane Immundefizienz- Virus (HIV) minimiert. Weit gravierender scheinen jedoch nichthämatolytische Transfusionsreaktionen (NHTR) zu sein. (Delaney et al. Lancet 2016; 388: 2825–36). Darunter sind allergische Reaktionen bis zur Anaphylaxie und zudem Schädigungen der Lungen verbunden mit massiver Flüssigkeitsüberladung, die zum Lungenversagen führen kann, zu verstehen. Durch die Transfusion von EK kann es sogar zu fatalen Verklumpungen in den Blutgefäßen kommen (Chatterjee S et al. JAMA Intern Med. 2013;173(2):132-139.). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3509 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Warnungen vor den Gefahren von Bluttransfusionen und eine Aufklärung der Patientinnen und Patienten erfolgen jedoch in den meisten Kliniken zumeist nur ansatzweise. Auf den Blutbeuteln ist kein Warnhinweis angebracht; gesetzlich ist dies auch nicht vorgeschrieben. Auf Nachfrage eines Fernsehteams sieht sich das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nicht zuständig und verweist auf die Fachgesellschaften (ARD-Dokumentation „‚Böses Blut‘ – Transfusionsrisiken , Kehrtwende in der Intensivmedizin“ vom 24. November 2014; SWR-Dokumentation „Gefährliche Bluttransfusionen – Was hilft gegen das Risiko?“ vom 11. Mai 2016). Bei diesen können allerdings oftmals Interessenskonflikte bestehen. In der „ARD“-Dokumentation „‚Böses Blut‘ – Transfusionsrisiken, Kehrtwende in der Intensivmedizin“ vom 24. November 2014 werden eine Reihe von Studien aufgezählt: Laut einer Auswertung aus Philadelphia aus dem Jahr 2008 überwiegen demnach bei 42 von 45 Studien die Nachteile. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus New York kommen 2011 zu dem Ergebnis, dass bei Gabe von Bluttransfusionen die Zahl der beobachteten Lungenkomplikationen um 76 Prozent zunahmen, Wundentzündungen um 87 Prozent, Thrombosen um 77 Prozent und die Sterblichkeit um 29 Prozent. In Rhode Island wurden laut dem Fernsehbeitrag 2012 doppelt so viele Folge-Infarkte bei Transfundierten und 12 Prozent mehr Todesfolgen als bei Nicht-Transfundierten dokumentiert . Verschiedene andere Behandlungszentren haben unter Verabreichung von Blut als Spätfolge mehr neue Metastasen, häufiger Lymphdrüsenkrebs und deutlich mehr Todesfälle durch Darmkrebs festgestellt (Acheson A et al. Ann Surg 2012;256: 235–244; Cata J et al. British Journal of Anaesthesia 2013;110 (5): 690–701; Horowitz, M. et al. Nat. Rev. Clin. Oncol. 2015;12, 213–226). Das BMG wollte 2014 auch nach Kenntnis der Studien keine Einschätzung zu den Gefahren durch Bluttransfusionen geben (ARD-Dokumentation „‚Böses Blut‘ – Transfusionsrisiken, Kehrtwende in der Intensivmedizin“ vom 24. November 2014). Das Transfusionswesen wird durch das Transfusionsgesetz (TFG) geregelt. Im Detail allerdings werden die Herstellung und die Anwendung von Blutprodukten durch die Bundesärztekammer (v. a. durch den ständigen Arbeitskreis „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten [Hämotherapie]“ des Wissenschaftlichen Beirats ) gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut in Richtlinien festgeschrieben. Diese Aufgabe ist seit 1998 mit dem TFG gesetzlich übertragen. An der Erarbeitung dieser Leitlinien wie auch in der zuständigen Fachgesellschaft „Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie“ (DGTI) arbeiten Expertinnen und Experten mit, die beruflich z. T. für Blutspendedienste und Betreiber von Blutbanken arbeiten (vgl. www.bundesaerztekammer.de/aerzte/ medizin-ethik/wissenschaftlicher-beirat/arbeitskreise-und-arbeitsgruppen/ haemotherapie/). Hierdurch kann es zu Interessenskonflikten kommen, da Blutspendedienste und Betreiber von Blutbanken an einer Verringerung des Einsatzes von Bluttransfusionen aus finanzieller Sicht kaum interessiert sein können. Bemühungen von Medizinerinnen und Medizinern, medizinische Alternativen zu EK-Transfusionen zu stärken, unnötige EK-Transfusionen zu vermeiden und EK-Transfusionen nur noch dann einzusetzen, wenn sie unumgänglich benötigt werden, führten dazu, dass seit dem Jahr 2014 zahlreiche Krankenhäuser in Deutschland inzwischen ein so genanntes Patient Blood Management (PBM) betreiben (www.patientbloodmanagement.de/deutsches-netzwerk/). Dabei wird versucht, die körpereigene Blutbildung zum Beispiel bei einer bestehenden Anämie vor einer planbaren Operation mittels einer Eisenbehandlung zu optimieren , den Hämoglobin-Wert bereits vor Operationen anzuheben, eigenes Blut bei Operationen mit mittlerem bis hohem Blutverlust durch eine sogenannte Maschinelle Autotransfusion zurückzugewinnen und wiederzuzuführen sowie unnötige Blutverluste zu vermeiden. Das Ergebnis ist die Schonung der körpereigenen Ressource Blut und die Reduktion unnötiger EK-Transfusionen. Auch der Umbau von Herz-Lungen-Maschinen und die Verwendung kleinerer Blut- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3509 entnahmeröhrchen für Labortests können demnach zur Schonung von Blut führen und Transfusionen vermeiden helfen. Basierend auf den Ergebnissen einer Pilotstudie an vier deutschen Universitätsklinika und 129 719 Patienten unter Führung der Professoren Dr. Patrick Meybohm und Dr. Dr. Kai Zacharowski aus Frankfurt (Ann Surg 2016 Aug; 264(2):203-11) ist bereits seit 2016 bekannt, dass durch PBM problemlos bis zu 20 Prozent der Transfusionen eingespart werden können und damit für vitalbedrohliche Indikationen eher zur Verfügung stehen können. Seit Herbst 2017 fordern zudem zwei große wissenschaftliche Fachgesellschaften (die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie), dass erstens alle an der Behandlung Beteiligten wesentliche Aspekte von PBM unter Berücksichtigung lokaler Bedingungen umsetzen und zweitens gleichzeitig die strukturellen, administrativen und budgetären Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen geschaffen werden, um möglichst viele der Maßnahmen in Deutschland zukünftig noch besser und intensiver umzusetzen (Anästh Intensivmed 2017;85:568-571; Chirurg 2017 Oct; 88(10):867-870). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Blutprodukte, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik hergestellt und verabreicht werden, sind lebensrettende Arzneimittel. Patienten, die eine notwendige Bluttransfusion nicht erhalten, können vermeidbare schwere gesundheitliche Schäden erleiden, bis hin zum Tod. In den Ursprüngen der Bluttransfusion bestand das Hauptrisiko in Blutgruppenunverträglichkeiten . Die Erforschung und Etablierung einer leistungsfähigen Blutgruppenserologie verringerte dieses Risiko auf ein Minimum. Heutzutage besteht die größte Gefahr in blutgruppeninkompatiblen Transfusionen aufgrund von Verwechselungen. Für das Jahr 2015 wurden 58 Fehltransfusionen mit 3 Todesfällen bei ca. 5 Mio. hergestellten Blutprodukten an das zuständige Paul-Ehrlich- Institut (PEI) gemeldet. Trotz erheblicher Fortschritte in Wissenschaft und Technik wird sich ein Restrisiko bei Bluttransfusionen nie vollständig eliminieren lassen . Bis Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden vielfach Infektionserreger wie das Humane Immundefizienzvirus (HIV) oder Hepatitisviren über Blutprodukte übertragen. Durch die Entwicklung und Einführung extrem sensitiver und spezifischer Testsysteme mit kurzer Fensterphase sowie von strengen Spenderauswahlkriterien liegt das geschätzte Risiko einer Übertragung dieser Infektionserreger aktuell bei 1:20 Mio. für HIV und 1:100 Mio. für Hepatitis C-Viren (HCV). In Deutschland erfolgte die letzte HIV-Übertragung durch ein Blutprodukt im Jahr 2010, die letzte Hepatitis C-Übertragung im Jahr 2004. Die zuständigen Bundesoberbehörden und der Arbeitskreis Blut beobachten mit großer Aufmerksamkeit weltweite Meldungen und Entwicklungen bei neu auftretenden durch Blut übertragbaren Infektionserregern. Anfang dieses Jahrtausends rückte die Vermeidung von Gefahren durch nichthämolytische Transfusionsreaktionen in den Vordergrund. Zum 14. September 2000 wurde in Deutschland die Leukozytendepletion bei der Herstellung von Erythrozytenkonzentraten (EK) und Thrombozytenkonzentraten (TK) verbindlich eingeführt zur Verringerung von febrilen nicht-hämolytischen Transfusionsreaktionen , HLA-Alloimmunisierung, Immunsuppression und der Übertragung zellständiger Viren. Zum 31. August 2009 trat ein Stufenplan des zuständigen PEI zur Vermeidung von transfusionsassoziierter akuter Lungeninsuffizienz bei der Applikation von therapeutischem Plasma in Kraft. Für TK wurde dies geprüft und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3509 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode als nicht erforderlich erachtet. Im Jahr 2015 wurden jeweils pro 1 Million Einheiten 63 schwerwiegende akute allergische/anaphylaktoide Reaktionen für TK, 24 für EK und 19 für Plasma an das zuständige PEI gemeldet. Zu den am schwersten bezifferbaren möglichen Risiken von Blutprodukten gehören Langzeitfolgen von Bluttransfusionen. Bekannt sind hier bei untertransfundierten Patienten Wundheilungsstörungen mit verlängertem Klinikaufenthalt und erhöhter Infektionsgefahr aufgrund der zu geringen Sauerstoffversorgung des Gewebes . Diskutiert wird weiterhin bei regelgerecht oder übertransfundierten Patienten über kardiovaskuläre unerwünschte Ereignisse, unspezifische Infektionen und eine erhöhte Mortalität. Die Studienlage in diesem Bereich ist vielschichtig und nicht einfach zu bewerten. Oftmals sind weder die verabreichten Blutprodukte (in Deutschland seit 2001 zwingend leukozytendepletiert, nicht aber z. B. in den USA bis 2012) noch die Patientengruppen direkt miteinander vergleichbar. Ein Zusammenhang zwischen der Gabe von Blutprodukten und der Ausbildung einer Krebserkrankung konnte bislang nicht belegt werden. Die durch solche Thesen verbreitete Sorge, dass Bluttransfusionen grundsätzlich eher schadeten als nützten, beschädigt das Vertrauen der Patienten in lebensnotwendige verantwortlich verabreichte Bluttransfusionen, führt zu einer Verunsicherung von Blutspendewilligen und trägt nicht zur Steigerung der Blutspendebereitschaft bei. Blutprodukte wie Erythrozytenkonzentrate sind in Deutschland zugelassene Arzneimittel . Das Arzneimittelgesetz (AMG) macht konkrete Vorgaben zur Kennzeichnung von Blutkomponenten sowie zum Inhalt der Fachinformation und der Packungsbeilage. Der Zulassungsinhaber ist gemäß §§ 11 und 11a AMG verpflichtet , die Texte der Fachinformation und der Packungsbeilage jedes seiner zugelassenen Arzneimittel – auch nach der Zulassung – an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand anzupassen. Vor einer Operation/Therapie mit einer signifikanten Wahrscheinlichkeit einer Transfusion sind Patienten über die in diesem Zusammenhang stehenden Risiken aufzuklären. Dies ist auch in den Leitlinien der meisten Fachgesellschaften festgelegt . Mit den Blutkomponenten ist insbesondere eine „Gebrauchsinformation und Fachinformation“ auszuhändigen, die es sowohl den Patientinnen und Patienten als auch den Anwendern von Blutkomponenten erlaubt, sich über die Risiken einer Bluttransfusion zu informieren und die explizit dazu auffordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung den Ärzten, Apothekern, Angehörigen von Gesundheitsberufen oder unmittelbar der zuständigen Bundesoberbehörde zu melden. 1. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Rate an EK-Transfusionen je 1 000 Einwohner in Deutschland, wie hoch in den Niederlanden bzw. in anderen vergleichbaren europäischen Ländern, und welche Erklärung hat die Bundesregierung für potentielle Unterschiede? Nach Kenntnis der Bundesregierung beträgt die Rate der EK-Transfusionen pro 1 000 Einwohner für das Jahr 2017 in Deutschland 43,0 (berechnet aus den nach § 21 TFG an das PEI gemeldeten Zahlen). Der Bedarf an EK pro 1 000 Versicherten ist von 55,3 EK im Jahr 2009 auf 43,2 EK im Jahr 2016 gesunken (minus 22 Prozent). Bei gleichzeitigem Anstieg der stationären Behandlungsfälle ist der Verbrauch pro 1 000 Versicherten von 1 EK pro 3,7 stationären Behandlungsfällen im Jahr 2009 auf 1 EK pro 5,0 stationären Behandlungsfällen im Jahr 2016 gesunken. Das entspricht einer Reduktion von 25 Prozent. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3509 Was die anderen vergleichbaren europäischen Länder betrifft, wurden die Berichte des EDQM (www.edqm.eu/en/blood-transfusion-reports-70.html) herangezogen . Der letzte veröffentlichte Report bezieht sich auf das Jahr 2014. Danach steht Deutschland mit 51,4 EK-Transfusionen pro 1 000 Einwohner pro Jahr an erster Stelle, gefolgt von Schweden mit 46,7, Dänemark mit 44,0 und Ungarn mit 42,3 EK-Transfusionen pro 1 000 Einwohner pro Jahr. Die internationalen Daten können aber mit Deutschland nicht 1:1 verglichen werden , da sie unterschiedliche medizinische Strategien, vor allem in der Altersmedizin , nicht berücksichtigen. So wird ein Großteil des Blutbedarfs in Deutschland von Patienten über 65 Jahre für z. B. den Gelenkersatz, die Herzchirurgie oder die intensiven hämatologisch /onkologische Therapien verbraucht. Für verlässliche internationale Vergleiche sollte deshalb stets der Bedarf pro Fall erhoben und dieser altersbezogenen analysiert werden. Weitere Gründe für die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind vielschichtig und nicht genau untersucht. Eine Rolle spielen hierbei neben der klinischen Praxis auch die unterschiedlichen Versorgungsstrukturen und daraus folgende Unterschiede in der Verfügbarkeit von Blutprodukten. In Deutschland besteht eine bedarfsdeckende Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Blutprodukten . 2. Inwieweit kann die Bundesregierung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zustimmen, die angesichts der zahlenmäßig großen Unterschiede von einer Übertransfusion von allogenen Erythrozytenkonzentraten sprechen (Norgaard A et al. Blood Transfus. 2014 Oct;12(4):509-19; von Lutterotti N. Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. November 2011; Goodnough T et al. Am J Hematol. 2015 Oct;90(10):927-33; Gombotz H et al. Transfusion. 2007 Aug;47(8):1468-80)? Ob eine Übertransfusion allogener EK in Deutschland vorliegt, kann nicht allein aufgrund von Vergleichen der Anzahl transfundierter Einheiten pro 1 000 Einwohner pro Jahr mit entsprechenden Zahlen anderer europäischen Ländern geschlossen werden. Diese Zahlen hängen von einer Reihe von Parametern ab, die in den verglichenen Ländern sehr unterschiedlich sein können. Dem zuständigen PEI liegen beispielsweise keine Informationen zu den Entscheidungskriterien für eine EK-Transfusion (Diagnose, therapeutisches Konzept, geplante Operation, Prä-Transfusions-Hb-Wert, etc.) in einzelnen Kliniken vor. Die Entscheidung zur Transfusion unterliegt der Einschätzung des behandelnden Arztes. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, dass nach Ergebnissen weiterer aktueller Studien aus Deutschland, Australien, den USA und Europa durch PBM bis zu 40 Prozent aller Transfusionen problemlos eingespart werden könnten, die Patientensicherheit verbessert wird und zudem Komplikationsraten gesenkt werden könnten (Meybohm et al. Ann Surg 2016 Aug;264(2):203-11; Leahy et al. Transfusion. 2017 Jun;57(6):1347-1358; Theusinger et al. Blood Transfus. 2014 Apr;12(2):195-203; Gani F et al. Ann Surg. 2018; Oliver J et al. Transfusion. 2014 Oct;54(10 Pt 2):2617-24)? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse darüber, in welchem Rahmen Transfusionen eingespart werden könnten. Die Anwendung von Blutprodukten unterliegt in quantitativer und qualitativer Hinsicht der ärztlichen Entscheidung im Einzelfall. Dosierung und Indikation sind in den Gebrauchsinformationen und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3509 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Fachinformationen, die den Ärzten von den Blutspendeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden, enthalten. Diese basieren auf den „Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten“. Dort werden klare Empfehlungen gegeben, die den Forderungen der Befürworter der restriktiven Transfusionsregimes entsprechen. 4. Inwiefern befürwortet die Bundesregierung Bemühungen, die Zahl der erforderlichen Blutprodukte zu reduzieren, nicht nur wegen der bekannten Risiken bei der Anwendung von Fremdblutprodukten, sondern auch vor dem Hintergrund, dass die Blutprodukte überwiegend ohne Aufwandsentschädigung und mit Hilfe von ehrenamtlicher Arbeit gespendet werden? Ob die Gabe von Blutprodukten erforderlich ist, entscheidet der behandelnde Arzt unter besonderer Berücksichtigung der Patientensicherheit. Die möglichen Risiken bzw. bekannten Restrisiken der Anwendung von Blutprodukten sind dabei gegen die bekannten Risiken der Nicht-Anwendung von Blutprodukten abzuwägen . Die Bemühungen, bei schwierigen Operationen unter dem Regime des PBM komplett auf Bluttransfusionen zu verzichten, können den medizinischen Fortschritt auch für Patienten verfügbar machen, die Bluttransfusionen nicht erhalten können oder ablehnen. Die Gewährung einer Aufwandsentschädigung für eine Blutspende in Deutschland oder die Beteiligung von ehrenamtlichen Helfern bei Blutspenden hat nach hiesigen Erkenntnissen keinen Einfluss auf die Patientensicherheit oder die Risiken von Blutprodukten. 5. Wer entscheidet nach Kenntnis der Bundesregierung über die personelle Zusammensetzung des Ständigen Arbeitskreises „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie )“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer (BÄK), der die Hämotherapierichtlinien der BÄK zur Anwendung und Indikation von allogenen Erythrozytenkonzentraten verfasst, und prinzipiell eigentlich unabhängig von der Herstellung und dem Vertrieb sein sollte? Die Bundesärztekammer (BÄK) hat für die ihr gemäß TFG gesetzlich übertragenen Aufgaben bei ihrem Wissenschaftlichen Beirat zwei Ständige Arbeitskreise, den Ständigen Arbeitskreis „Richtlinie Hämotherapie“ sowie den Ständigen Arbeitskreis „Querschnitts-Leitlinien Hämotherapie“, eingerichtet. Die Zusammensetzung und fachliche Besetzung dieser Arbeitskreise erfolgt entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Aufgaben. So sind in den Ständigen Arbeitskreis „Richtlinie Hämotherapie“ neben ärztlichen Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten und beruflichen Funktionen auch Juristen und Apotheker berufen worden. Der Arbeitskreis wird begleitet von Vertretern des PEI, des Robert Koch- Instituts (RKI) sowie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Die Berufung der o. g. Ständigen Arbeitskreise erfolgt durch den Vorstand der BÄK mit Blick auf die gemäß TFG ausschließlich medizinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen. Bis auf die Vertreter der Bundesoberbehörden und des BMG erfolgt die Berufung der Experten aufgrund ihrer fachlichen Expertise ad personam. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/3509 6. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass durch die aktuelle Zusammensetzung des Ständigen Arbeitskreises „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie )“ des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK und des Arbeitskreises (AK) Blut mit einer absoluten Mehrheit von Transfusionsmedizinerinnen und Transfusionsmedizinern sowie Partnerinnen und Partnern der Blutbranche relevante Interessenskonflikte bei der Erstellung der Leitlinien zum Umgang mit Blutprodukten bestehen können, obwohl Erythrozytenkonzentrate von Nicht-Transfusionsmedizinern gegeben werden? Zum Schutz vor Interessenkonflikten sowie zur Vermeidung des Anscheins der Befangenheit führt der Wissenschaftliche Beirat der BÄK ein zweistufiges Transparenzverfahren durch (vgl. § 5a des Statuts des Wissenschaftlichen Beirats) und veröffentlicht die Zusammensetzung seiner Arbeitskreise auf den Internetseiten der BÄK. Die Lebensläufe der Arbeitskreis-Mitglieder werden dort ebenfalls veröffentlicht (www.bundesaerztekammer.de/aerzte/medizin-ethik/wissenschaftlicherbeirat /arbeitskreise-und-arbeitsgruppen/). Der Arbeitskreis Blut ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein Arbeitskreis von Sachverständigen für Blutprodukte und das Blutspende- und Transfusionswesen (§ 24 Satz 1 TFG). Dies wird durch die Berufung der Sachverständigen in enger Abstimmung mit dem Vorsitz des Arbeitskreises sichergestellt (§ 24 Satz 4 TFG). Die Vertretung unterschiedlicher Interessen ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt , da dadurch ein wissenschaftlicher Diskurs ermöglicht wird. Nach § 24 Satz 4 TFG beruft das BMG die Mitglieder des Arbeitskreises auf Vorschlag der Berufs - und Fachgesellschaften, Standesorganisationen der Ärzteschaft, der Fachverbände der pharmazeutischen Unternehmer, einschließlich der staatlichen und kommunalen Bluttransfusionsdienste, der Arbeitsgemeinschaft Plasmapherese und der Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes, überregionaler Patientenverbände , insbesondere der Hämophilieverbände, des Bundesministeriums der Verteidigung und der Länder. Die vom BMG berufenen Mitglieder des Arbeitskreises Blut sind auf der Homepage des RKI aufgeführt. Nach § 2 der Geschäftsordnung des Arbeitskreises Blut ist die Mitgliedschaft im Arbeitskreis Blut ein persönliches Ehrenamt. Bei Ausübung dieses Amtes sind die Mitglieder nur ihrem Gewissen verantwortlich und zu unparteiischer Wahrnehmung ihrer Aufgaben verpflichtet. Beratungen und Beschlussfassungen im Arbeitskreis Blut erfolgen auf der Grundlage von § 7 der Geschäftsordnung des Arbeitskreises Blut. Im Rahmen der mündlichen Erörterung wird versucht, möglichst einvernehmliche Bewertungen und Beschlüsse zu erzielen. Die Beschlussfassung erfolgt mit Mehrheit der Stimmen der berufenen Mitglieder einschließlich der leitenden Person. Es besteht die Möglichkeit, Minderheitsvoten abzugeben, die mit Zustimmung des Arbeitskreises Blut veröffentlicht werden. 7. Inwiefern kann die Bundesregierung erklären, dass die Hämotherapierichtlinie sowie die Querschnittsleitlinie der BÄK keinen Abschnitt zu potentiellen Interessenskonflikten der Autoren enthalten, und erachtet sie einen entsprechenden Abschnitt für sinnvoll? Die beruflich-sachlichen Hintergründe der Experten werden schon heute deutlich: In der „Richtlinie Hämotherapie“ sowie in den „Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten“ sind die beteiligten Einzelpersonen mit ihren Berufsbezeichnungen und Adressen der Arbeitsstelle Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3509 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode sowie jeweils mehr als 100 beteiligte und angehörte Verbände aufgeführt. Weiterführende Informationen zu den Mitgliedern der Arbeitskreise sind öffentlich auf der Homepage der BÄK verfügbar. 8. Welche Konzepte sind von Seiten der Bundesregierung geplant, um bei der Erstellung der nationalen Richt-, Quer- und Leitlinien sowie Stellungnahmen durch den vom BMG eingerichteten AK Blut sowie den Ständigen Arbeitskreis „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)“ des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK den Einfluss der Blutbranche auf die klinische Anwendung von Blutprodukten zu verringern bzw. zu stoppen? Die „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämotherapie)“ enthält im Abschnitt 4.1. folgenden Passus: „Blutzubereitungen sind nach der Arzneimittelverschreibungsverordnung verschreibungspflichtige Arzneimittel und dürfen nur auf ärztliche Anordnung abgegeben werden. Die Indikation ist streng und individuell differenziert nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik zu stellen. Gemäß § 13 Absatz 2 TFG müssen Ärzte, die eigenverantwortlich Blutprodukte anwenden, ausreichende Erfahrung in dieser Tätigkeit besitzen (s. Abschnitt 6.4.1.3.1). Auf die Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten der Bundesärztekammer in der jeweils gültigen Fassung wird hingewiesen.“ In den genannten „Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten“ der BÄK werden von dem transfundierenden Arzt weitergehende Maßnahmen gefordert, die auch in das PBM-Konzept Eingang gefunden haben. So wird im Abschnitt 1.5.1 zu den Indikationen von EK zum Beispiel ausgeführt : „Zusätzlich müssen für eine rationale Indikationsstellung die Ergebnisse klinischer Studien über den Zusammenhang zwischen Anämie, Erythrozytentransfusion und klinischem Verlauf der Krankheit mit einbezogen werden. Bei jedem Patienten mit einer akuten oder chronischen Anämie muss der Versuch unternommen werden, die Ursache der Anämie zu klären und gegebenenfalls eine kausale Therapie einzuleiten. Die Gabe von EK ist angezeigt, wenn Patienten ohne Transfusion durch eine anämische Hypoxie aller Voraussicht nach einen gesundheitlichen Schaden erleiden würden und eine andere, zumindest gleichwertige Therapie nicht möglich ist. Eine restriktive Indikationsstellung zur Erythrozytentransfusion vermindert die Exposition mit Fremdblut und geht bei den meisten Patientengruppen nicht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einher.“ Es ist nicht erkennbar, dass bei der Erstellung der o.g. Richtlinie oder Leitlinien Sachverstand und Evidenz nicht maßgeblich waren. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/3509 9. Welche Konzepte sind von Seiten der Bundesregierung geplant, die klinische Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), das PBM und den Bereich klinische Indikationsstellung wissenschaftlich neutral und unabhängig zu bewerten sowie streng von den Bereichen Herstellung, Produktion und Vertrieb zu trennen (bspw. Fokussierung des erfolgreich etablierten AK Blut sowie Ständigen Arbeitskreis „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten [Hämotherapie]“ des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK ausschließlich auf die Herstellung, Produktion und Vertrieb allogener Blutprodukte, sowie Gründung eines neuen Arbeitskreises „Patienten-Blutmanagement“ – zusammengesetzt aus Klinikerinnen und Klinikern – zur Verfassung der Leitlinien für die Anwendung und Gabe der Blutprodukte)? Die Bundesregierung sieht gegenwärtig keine Notwendigkeit zur Einrichtung eines entsprechenden Arbeitskreises. Relevante Forderungen der PBM-Strategie sind seit Jahren Bestandteil der „Richtlinie Hämotherapie“ und der „Querschnitts- Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten“ der BÄK. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 10. Welche Kriterien zur Unabhängigkeit der Arbeitskreismitglieder und zur Transparenz bei Interessenskonflikten gelten nach Kenntnis der Bundesregierung ? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 11. Wird die Bundesregierung die Zusammensetzung des Ständigen Arbeitskreises „Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)“ des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK durch eine Änderung des Transfusionsgesetzes anpassen bzw. Kriterien für die Unabhängigkeit der Mitglieder erlassen? Eine solche Änderung ist nicht geplant. 12. Welche Konzepte sind von Seiten der Bundesregierung geplant, bei der Erstellung der Leitlinien zur klinischen Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie ), des PBM sowie Alternativen zur EK-Transfusion zukünftig Patientenvertreter zu integrieren und diesen ein Mitspracherecht zu vergeben? Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Patientenvertreter werden nach Erstellung der Entwürfe der Richtlinie bzw. Querschnitts -Leitlinien Hämotherapie im Rahmen einer externen Begutachtung u. a. durch Sachverständige der betroffenen Fach- und Verkehrskreise und der zuständigen Behörden von Bund und Ländern beteiligt. Sie sind unter den in Antwort zu Frage 7 erwähnten Verbänden aufgeführt. 13. Wird sich die Bundesregierung für ein Transfusionsregister einsetzen, um potentielle Langzeitfolgen (z. B. Krebs [Acheson A et al. Ann Surg 2012;256: 235–244; Cata J et al. British Journal of Anaesthesia 2013;110 (5): 690–701; Horowitz, M. et al. Nat. Rev. Clin. Oncol. 2015;12, 213–226]) für Bundesbürger zu eruieren? Die Bundesregierung plant gegenwärtig keine Einrichtung eines Transfusionsregisters . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3509 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. In welchen Regionen Deutschlands übersteigt nach Kenntnis der Bundesregierung bereits heute der Bedarf an Fremdblutprodukten das Spenderangebot , sodass geplante Operationen aufgrund von fehlenden Blutkonserven verschoben werden müssen? Eine Abfrage unter den für den Gesundheitsbereich zuständigen Landesministerien ergab, dass zwar in einigen Bundesländern zeitweilig oder regelmäßig der Bedarf an Fremdblutprodukten das Spenderangebot übersteigt, dass aber nach dortigem Kenntnisstand geplante Operationen deswegen nicht verschoben werden mussten. Seitens der Länder wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 3 Absatz 2 TFG eine Pflicht zur Zusammenarbeit der Spendeeinrichtungen bei der Versorgung mit Blutprodukten besteht, die sich in der Praxis bewährt hat. 15. Von welcher Entwicklung des Bedarfs an Spenderblut geht die Bundesregierung aufgrund der demographischen Entwicklung für die kommenden fünf bis zehn Jahre deutschlandweit aus? Was unternimmt die Bundesregierung, um flächendeckend eine zeitnahe Versorgung mit Blutprodukten auch für die Zukunft sicherzustellen? Eine Prognose für den Bedarf an Blutprodukten zur Transfusion für die kommenden fünf bis zehn Jahre kann nicht allein über Daten zur demographischen Entwicklung der Bevölkerung erstellt werden. Es sind auch die (mögliche) Fortentwicklung von Operations- und Behandlungsmethoden sowie auch darin einfließende Effekte des PBM einzubeziehen. Gegenwärtig belegen die vorliegenden Daten eine Vollversorgung mit Blutprodukten, obwohl bereits vor Jahren vor möglichen Engpässen gewarnt worden ist. Der Arbeitskreis Blut befasst sich mit der Frage der zukünftigen Blutversorgung und erörtert die dafür erforderlichen Daten und die Möglichkeiten zu deren Generierung . Ein Antrag auf Förderung (Förderantrag gem. § 92a Absatz 2 SGB V) eines entsprechenden Forschungsprojektes zur Entwicklung eines Prognosemodells zur künftigen Entwicklung des Blutspendeaufkommens und des Verbrauchs an Blutkonserven unter Beteiligung des RKI befindet sich gegenwärtig in der Prüfung . Gemäß § 3 Absatz 4 TFG ist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) damit beauftragt, die „Aufklärung der Bevölkerung über die freiwillige und unentgeltliche Blut- und Plasmaspende“ zu fördern. Zur Ansprache der Allgemeinbevölkerung führt die BZgA die Aufklärungs- und Motivationskampagne „Einfach Leben retten! Spende Blut!“ (www.einfachlebenretten.de) durch. Primäres Ziel ist es, junge Erstspenderinnen und Erstspender (18 bis 25 Jahre) zur wiederholten und dauerhaften Blutspende zu motivieren. Nachgeordnet sollen Personen, die länger nicht gespendet haben, Impulse für die Wiederaufnahme des Blutspendens erhalten. 16. Gibt es in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung eine übergeordnete nationale Leitlinie bzw. Vorgabe zur Umsetzung der aktuellen EU- Richtlinie Patient Blood Management 2017, und wie sieht ggf. der Zeitplan dafür aus? Falls eine solche nationale Leitlinie bzw. Vorgabe nicht existiert, welche Gründe sind der Bundesregierung dafür bekannt, und wird sich die Bundesregierung für eine solche Leitlinie einsetzen? Nach Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe a des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wird der Europäische Gesetzgeber ermächtigt, Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Blut Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/3509 und Blutderivate zu erlassen. Auf dieser Grundlage wurden die Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Qualitäts - und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG sowie mehrere Durchführungsrichtlinien erlassen. Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe a AEUV enthält keine Ermächtigung für die Regulierung der Anwendung von Blutprodukten und damit auch nicht für das PBM. Bei dem von der Europäischen Kommission veröffentlichten Leitfaden „Supporting Patient Blood Management (PBM) in the EU – A Practical Implementation Guide for Hospitals” handelt es sich nicht um eine Richtlinie im Sinne des AEUV, sondern um einen rechtlich nicht verbindlichen Leitfaden. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 8 und 12 verwiesen. 17. In welchen Ländern gehört PBM nach Kenntnis der Bundesregierung bereits zum medizinischen Standard, und in welchen werden sie gestützt durch nationale Gesetze bzw. Verordnungen? Der Bundesregierung liegt keine systematische Zusammenstellung der medizinischen Standards in anderen Ländern oder weltweiter Regelungen oder nationaler Gesetze/Verordnungen zu Maßnahmen im Bereich PBM vor. 18. Was kann die Bundesregierung veranlassen, damit Patientinnen und Patienten mit einer Blutarmut vor operativen Eingriffen besser vorbereitet sowie unnötige Bluttransfusionen und alle damit verbundenen Risiken vermieden werden? Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung dazu? Die Entscheidung über die richtige Behandlungsmethode obliegt den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Die Überwachung der Berufsausübung obliegt den Ärztekammern. Diese unterstehen der Rechtsaufsicht der obersten Landesgesundheitsbehörden . Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme ist der Behandelnde bzw. die Behandelnde gesetzlich verpflichtet, die Patientin oder den Patienten über die vorgesehene therapeutische Maßnahme und gegebenenfalls auch über Behandlungsalternativen aufzuklären, wenn diese bei gleichen Erfolgschancen unterschiedliche Risiken mit sich bringen. Aufgrund dieser Aufklärung kann die Patientin oder der Patient entscheiden, ob sie oder er sich einer bestimmten Therapie unterziehen möchte (§ 630e des Bürgerlichen Gesetzbuches).  Die Bundesregierung plant über die bereits erfolgte Bekanntmachung der Richtlinie Hämotherapie (Gesamtnovelle 2017) im Bundesanzeiger am 4. Oktober 2017 (BAnz AT 6. November 2017 B5) hinaus zurzeit keine weiteren Maßnahmen . 19. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die ambulant-stationäre Zusammenarbeit bei der präoperativen Vorbereitung, insbesondere beim präoperativen Anämie-Management, zu verbessern? Soweit ein präoperatives Anämie-Management medizinisch erforderlich ist, kann dieses im Rahmen einer vorstationären Behandlung erbracht werden. Bei Verordnung von Krankenhausbehandlung kann ein Krankenhaus Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen behandeln, um die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung). Das Krankenhaus kann mit der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3509 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode vorstationären Behandlung auch niedergelassene Vertragsärztinnen und -ärzte beauftragen. Ob ein präoperatives Anämie-Management im Einzelfall medizinisch erforderlich ist, ist von dem Leistungserbringer zu beurteilen, der die vorstationäre Behandlung jeweils erbringt. Nach Auffassung der Bundesregierung besteht insoweit kein gesetzlicher Regelungsbedarf. 20. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Rechte, den Informationsgrad und die Entscheidungskompetenz von Patientinnen und Patienten bzw. deren Vertreterinnen und Vertretern beim Thema PBM und bei der Vermeidung unnötiger EK-Transfusionen zu stärken? Es wird auf die Antwort zu Frage 18 verwiesen. 21. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass der Verbrauch von Blut in den Laboren, insbesondere bei Schwerkranken, abgesenkt wird, zum Beispiel durch Vorgaben kleinerer Blutentnahmeröhrchen ? Das BMG wird dieses Thema für die nächste Sitzung des Beirats „Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen“ bei der BÄK gemäß der Richtlinie der BÄK zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (§ 9 Absatz 1 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung) im Oktober 2018 anmelden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333