Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 17. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3512 19. Wahlperiode 19.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Niema Movassat, Tobias Pflüger, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/3319 – Völkerrechtliche Beurteilung der Luftangriffe seitens der USA, Frankreich und Großbritannien auf Syrien am 14. April 2018 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 14. April 2018 fanden Luftschläge der USA, Frankreichs und Großbritanniens nahe der Hauptstadt Damaskus auf eine Forschungseinrichtung der syrischen Armee und auf eine militärische Lagerstätte in der Stadt Homs statt. In diesen Gebieten wurde seitens der westlichen Verbündeten die Herstellung und Lagerung des Giftgases vermutet. Laut den drei angreifenden Staaten war dieser Luftangriff eine Reaktion auf einen angeblichen Giftgasangriff der syrischen Armee am 7. April 2018 in der Stadt Duma (Ost-Guta) gegen die Rebellengruppe der salafistischen Armee des Islams. Hierbei sollen ca. 40 Menschen gestorben sein und viele weitere schwerste Verletzungen erlitten haben. Eine Untersuchung der unabhängigen OPCW (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons/Organisation für das Verbot chemischer Waffen) ergab, dass das Chlorgas „wahrscheinlich als chemische Waffe eingesetzt worden“ sei. (www.faz.net/aktuell/politik/ausland/opcw-geht-von-einsatz-von-chlorgas-imfebruar -in-syrien-aus-15592625.html). Während die deutsche Völkerrechtsliteratur (www.juwiss.de/40-2018/; https:// verfassungsblog.de/voelkerrechtswidrigkeit-benennen-warum-die-bundesregierungihre -verbuendeten-fuer-den-syrien-luftangriff-kritisieren-sollte/) einschließlich der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (www.tagesschau.de/ ausland/syrien-angriff-gutachten-101.html) und der Presse den Militärschlag als völkerrechtswidrig einstuften, bezeichneten sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Bundesminister des Auswärtigen Heiko Maas und die Bundesministerin der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen die Angriffe im Nachhinein als „erforderlich und angemessen“ (www.spiegel.de/politik/ausland/syrienbundestags -gutachten-verurteilt-vergeltungsschlag-von-usa-und-co-a-1204004. html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3512 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Auf welche rechtliche Grundlage stützt die Bundesregierung unter Zugrundelegung des Gutachtens der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages ihre Annahme, dass der Militärschlag im Sinne des Völkerrechts „erforderlich und angemessen“ sei? a) Mit welcher Begründung weist sie die Argumente für die Völkerrechtswidrigkeit des Einsatzes zurück? b) Kann aus Sicht der Bundesregierung die „responsibilty to protect“ eine Rechtsgrundlage für die Luftangriffe sein? Die Fragen 1, 1a und 1b werden aufgrund des inneren Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 18. April 2018 ebenso wie andere wissenschaftliche Veröffentlichungen zu diesem Thema zur Kenntnis genommen, auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/2375 wird verwiesen. Vor dem Hintergrund der vorangegangen Einsätze von Chemiewaffen durch das Assad-Regime gegen die eigene Bevölkerung ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass das Vorgehen von USA, Frankreich und Großbritannien am 14. April 2018 in Anbetracht des Nichthandelns des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen auf diese schwere Völkerrechtsverletzung hin als eine gezielt und allein gegen im Zusammenhang mit dem Chemiewaffeneinsatz stehende Einrichtungen gerichtete Maßnahme erforderlich und angemessen war. 2. Inwieweit erkennt die Bundesregierung mit ihrer politischen Unterstützung des Militärschlags eine völkerrechtliche Übung an, die einen ungeschriebenen Ausnahmetatbestand zum Gewaltverbot nach Artikel 2 Nummer 4 der Charta der Vereinten Nationen bildet? Gedenkt die Bundesregierung, in den Äußerungen Großbritanniens den Versuch einer solchen Übung zu erkennen (www.gov.uk/government/publications/ syria-action-uk-government-legal-position/syria-action-uk-government-legalposition ; https://verfassungsblog.de/voelkerrechtswidrigkeit-benennenwarum -die-bundesregierung-ihre-verbuendeten-fuer-den-syrien-luftangriffkritisieren -sollte/)? Die Frage, ob es unter ganz bestimmten Umständen neben dem Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (VN) und der Autorisierung von Maßnahmen zur Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nach Kapitel VII der VN-Charta einen weiteren, ungeschriebenen Ausnahmetatbestand zum Gewaltverbot nach Artikel 2 Nummer 4 VN- Charta gibt, ist völkerrechtlich umstritten. Die britische Regierung hat sich im Zusammenhang mit dem Vorgehen vom 14. April auf die Rechtsfigur der humanitären Intervention berufen. 3. Erkennt die Bundesregierung in dem geführten Militärschlag eine Gefahr der Umgehung der rechtsförmlichen Mechanismen des Völkerrechts zur Ahndung eines Völkerrechtsbruches? Nein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3512 4. Inwieweit strebt die Bundesregierung eine Änderung der rechtsförmlichen Mechanismen zur Ahndung eines Völkerrechtsbruches an? Erachtet die Bundesregierung die Äußerungen Großbritanniens als einen solchen Versuch (https://verfassungsblog.de/voelkerrechtswidrigkeit-benennenwarum -die-bundesregierung-ihre-verbuendeten-fuer-den-syrien-luftangriffkritisieren -sollte/)? Deutschland tritt für eine Selbstbeschränkung des Vetos der ständigen Mitglieder im VN-Sicherheitsrat ein, wenn es um die Verhinderung und Ahndung derart schwerer, als Kriegsverbrechen geächteter Völkerrechtsverstöße geht. Die Bundesregierung bedauert, dass alle bisherigen Versuche im VN-Sicherheitsrat, die Situation in Syrien an den Internationalen Strafgerichtshof (dessen Statut Syrien nicht beigetreten ist) zu überweisen, erfolglos geblieben sind. Der Sicherheitsrat hatte in seiner Resolution 2118 (2013) vom 27. September 2013 beschlossen, im Falle eines erneuten Chemiewaffen-einsatzes in Syrien Maßnahmen nach Kapitel VII der VN-Charta zu verhängen. Entgegen dieser Festlegung ist es nach dem jüngsten Chemiewaffeneinsatz in Syrien jedoch aufgrund der russischen Blockadehaltung im Sicherheitsrat nicht zur Ergreifung dieser Maßnahmen durch den VN-Sicherheitsrat gekommen. Gemeinsam mit Großbritannien und anderen Staaten ist es der Bundesregierung am 27. Juni 2018 gelungen, im Rahmen der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) gegen den Widerstand von insbesondere Russland, Syrien und Iran festzustellen, dass den Experten dieser Organisation bei der Feststellung der Verantwortlichen für verbotene Chemiewaffeneinsätze eine wichtige Rolle zukommt. 5. Worin liegt nach Ansicht der Bundesregierung die Unterscheidungskraft, die Sezession der Krim als völkerrechtswidrig zu ahnden, nicht aber den Militärschlag der USA, Frankreichs und Großbritanniens? Die Umstände der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Krim durch Russland und des militärischen Vorgehens von USA, Frankreich und Großbritannien in Syrien am 14. April 2018 in Reaktion auf einen syrischen Chemiewaffeneinsatz sind nicht miteinander vergleichbar. 6. Glaubt die Bundesregierung es als legitim anzusehen, dass die USA und Frankreich die völkerrechtliche Rechtfertigung des Militärschlages auf Basis einer politisch-moralischen Legitimität anstelle einer rechtlichen Analyse vornehmen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 7. Sieht die Bundesregierung in der Reaktion der USA, Frankreichs und Großbritanniens eine Gefährdung der unabhängigen Aufklärung des mutmaßlichen Giftgasangriffes in Syrien? Nein. Die OVCW geht in Syrien mit ihrer unabhängigen und unparteiischen „Fact Finding Mission“ (FFM) Meldungen über mutmaßliche Einsätze von Chemiewaffen nach und tat dies auch im Falle des mutmaßlichen Einsatzes von Chemiewaffen am 7. April 2018 in Duma. Obwohl Russland Sicherheitsgarantien für diese FFM-Mission aussprach, geriet ein Vorausteam der Vereinten Nationen am 17. April 2018 unter Beschuss, so dass die FFM-Mission erst mit großer Verzögerung ihre Untersuchungen aufnehmen konnte. Am 6. Juli 2018 veröffentlichte die OVCW einen Zwischenbericht zum Stand der Untersuchungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3512 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Sieht die Bundesregierung im Einsatz von Giftgas das Überschreiten einer roten Linie? Wenn ja, warum ist dies nicht bereits bei systematischer Folter und Verfolgung von Teilen der Zivilbevölkerung der Fall? Die Bundesregierung hat sich nicht zu „roten Linien“ geäußert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333