Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 19. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3526 19. Wahlperiode 23.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/3236 – Kirchenasyl in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Medienberichten zufolge befinden sich derzeit mehrere hundert Menschen in Deutschland im Kirchenasyl (www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/ grundsatzurteil-zu-kirchenasyl-100.html). Ihre Anzahl ist in den vergangenen Jahren laut der „Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche“ deutlich gestiegen (www.welt.de/politik/deutschland/article144168983/Faellevon -Kirchenasyl-nehmen-um-45-Prozent-zu.html). Derzeit fordern kirchliche Flüchtlingshelfer von der bayerischen Justiz ein Ende der juristischen Verfolgung des Kirchenasyls. Dies ist einer am Samstag einstimmig verabschiedeten Erklärung der etwa 140 Teilnehmer eines Studientags für Flüchtlingsarbeit und Kirchenasyl in Nürnberg zu entnehmen. Kirchenasyl sei laut der Argumentation von Bischöfen „kein Rechtsbruch, sondern eine Möglichkeit, Härtefälle noch einmal genauer zu prüfen“ (www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/ kirchenasyl-kirchen-fordern-ende-von-ermittlungen). Daneben verweisen die Kirchen auf eine 2015 mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgestimmte Vorgehensweise (www.bamf.de/SharedDocs/Presse mitteilungen/DE/2016/20160311-011-pressemitteilung-bamf-leitung-kirchen. html). Jüngst machte der Fall eines Doppelmörders in Hamburg Schlagzeilen, der sich innerhalb des Kirchenasyls radikalisiert haben soll (www.cicero.de/ innenpolitik/hamburg-doppelmord-asylbewerber-kirchenasyl-gruene). 1. Wie viele Personen befanden sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2010 für jeweils welchen Zeitraum in Kirchenasyl (bitte nach Jahresscheiben und Bundesländern, Gebietskörperschaften, Kirchengemeinden und Konfession der asylgewährenden Kirche sowie Herkunftsland, Alter und Geschlecht der Migranten sowie Aufenthaltsgrund auflisten)? Kirchenasylfälle werden erst seit April 2015 auf Grund des Gesprächs zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Kirchen vom 24. Februar 2015 systematisch an das BAMF gemeldet. Die Anzahl der Kirchenasylmeldungen wird seit dem 1. Mai 2016 im BAMF statistisch erfasst; zuvor wurden lediglich die eingegangenen Dossiers statistisch ermittelt . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3526 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im weit überwiegenden Anteil handelt es sich um Fälle mit Dublinbezug. Im Zeitraum von Mai bis Dezember 2016 wurden dem BAMF 631 Kirchenasylfälle mit Bezug zum Dublinverfahren gemeldet, im Jahr 2017 waren es 1 561 Fälle und von Januar 2018 bis 30. Juni 2018 insgesamt 972 Fälle. Ein Fall kann jeweils mehrere Personen betreffen. Eine statistische Erfassung nach Bundesländern erfolgt seit dem 1. August 2016. Die nachfolgende Tabelle gibt die Anzahl der gemeldeten Fälle je Bundesland wieder: Bundesland 01.08 – 31.12.20161 01.07.2017 – 30.06.20182 Baden-Württemberg 8 29 Bayern 134 544 Berlin 25 215 Brandenburg 11 121 Bremen 1 35 Hamburg 44 151 Hessen 21 202 Mecklenburg-Vorpommern 12 142 Niedersachsen 30 165 Nordrhein-Westfalen 37 401 Rheinland-Pfalz 17 125 Saarland 26 53 Sachsen 8 38 Sachsen-Anhalt 12 81 Schleswig-Holstein 32 153 Thüringen 3 78 Eine Erfassung nach Gebietskörperschaften, Kirchengemeinden, Konfession der asylgewährenden Kirche, Herkunftsland, Alter, Geschlecht und Aufenthaltsort der Antragsteller findet nicht statt. 2. Welche Rechtsgrundlagen hat nach Auffassung der Bundesregierung die Gewährung von Kirchenasyl? Das BAMF prüft an Hand eines eingereichten Dossiers im Einzelfall, ob zu Gunsten des Antragstellers das sogenannte Selbsteintrittsrecht ausgeübt wird. Dieses ist in Artikel 17 Absatz 1 Dublin-III-VO normiert. Danach kann jeder Mitgliedstaat abweichend von Artikel 3 Absatz 1 Dublin-III-VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Das Selbsteintrittsrecht kann grundsätzlich in allen Verfahrensstadien, das heißt vor und nach dem Stellen 1 Abfragestand: 02.01.2018. 2 Abfragestand: 05.07.2018. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3526 eines Aufnahme-/Wiederaufnahmeersuchens, vor der Bescheiderstellung, im Rahmen der geplanten Überstellung sowie während des noch laufenden gerichtlichen Verfahrens, ausgeübt werden. 3. Welche Grundlage und welchen Inhalt hat die zwischen Vertretern der Kirchen und dem BAMF vereinbarte Handhabung von Kirchenasylfällen? Das BAMF vereinbarte mit den Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche im Februar 2015, dass in begründeten Ausnahmefällen zur Vermeidung von besonderen humanitären Härten eine zwischen den zentralen Ansprechpartnern beider Seiten gesteuerte, lösungsorientierte Einzelfallprüfung im Rahmen des rechtlich Möglichen stattfindet. Das BAMF erklärte sich bereit, anhand eines von den zentralen Ansprechpartnern der Kirchen vorgelegten und aussagekräftigen Dossiers, eine erneute Überprüfung der Fälle vorzunehmen. Die Vereinbarung sollte auch dazu dienen, die Kirchenasylfälle durch gesteuerte Eingaben zu reduzieren und die direkte und ungesteuerte Eingabe von Einzelfällen an das BAMF durch einzelne Kirchengemeinden zu vermeiden. 4. Bei wie vielen Personen lief seit dem Jahr 2014 während der Gewährung des Kirchenasyls die Überstellungsfrist ab, sodass die Bundesrepublik Deutschland zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens wurde (bitte analog Frage 1 auflisten)? Von Mai 2016 bis Ende des Jahres 2016 gab es mit Abfragestand vom 2. Januar 2018 insgesamt 527 Kirchenasylfälle, in denen kein Dossier eingereicht wurde, kein Selbsteintrittsrecht ausgeübt wurde oder in denen es zu einer sonstigen Erledigung kam. Es kann davon ausgegangen werden, dass in diesen Fällen die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wurde. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2018 waren es mit Abfragestand vom 5. Juli 2018 insgesamt 2 237 Fälle, dabei waren noch 187 Fälle in Bearbeitung. Auch hier kann davon ausgegangen werden, dass die Überstellungsfrist abgelaufen ist bzw. ablaufen wird. 5. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um einen Ablauf der Überstellungsfristen durch die Gewährung von Kirchenasyl zu vermeiden? In der letzten Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) vom 6. bis 8. Juni 2018 wurde beschlossen, dass sich das BAMF künftig in bestimmten Kirchenasylfällen auf die 18-monatige Überstellungsfrist nach Artikel 29 Absatz 2 Satz 2 Dublin-III-VO berufen wird. Auf Grundlage des Erlasses des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 3. Juli 2018 ist das Verfahren beim Kirchenasyl durch das BAMF ab dem 1. August 2018 umzustellen. Das BAMF wird sich daher auf die 18-monatige Überstellungsfrist im Sinne von Artikel 29. Absatz 2 Satz 2 Dublin-III-VO berufen, wenn kein benannter Kirchenvertreter von der Kirchengemeinde beteiligt wurde und/oder innerhalb eines Monats nach der Kirchenasylmeldung kein Dossier zur Begründung eingeht. Ebenso wird das BAMF sich auf die 18-monatige Überstellungfrist berufen, wenn die Meldung eines Kirchenasyls derart kurzfristig vor dem Ende der sechsmonatigen Überstellungsfrist erfolgt, dass eine inhaltliche Überprüfung durch das BAMF nicht mehr gewährleistet ist. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn das Dossier erst zwei Wochen oder später vor Ablauf der Überstellungsfrist eingeht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3526 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Auch wenn der Antragsteller das Kirchenasyl nach ablehnender Entscheidung des BAMF über das ihn betreffende Dossier nicht unmittelbar verlässt, wird die 18- monatige Überstellungsfrist zu Grunde gelegt. 6. In wie vielen und in welchen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung das Kirchenasyl seit dem Jahr 2014 eingeräumt (bitte nach Jahresscheiben und Bundesländern auflisten)? Das sogenannte Kirchenasyl wird von Kirchengemeinden (evangelisch, katholisch und Freikirchen) gewährt. Dem BAMF sind nur die Fälle bekannt, die ihm gemeldet wurden (siehe Antwort zu Frage 1). 7. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2014 während der Gewährung von Kirchenasyl oder anschließend straffällig (bitte gemäß Polizeilicher Kriminalstatistik auflisten)? Hierzu liegen der Bunderegierung keine Erkenntnisse vor. Der Sachverhalt des Kirchenasyls wird in der PKS nicht erfasst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333