Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Reaktorsicherheit vom 19. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3530 19. Wahlperiode 23.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Benjamin Strasser, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/3273 – Informationsaustausch im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) von Bund und Ländern und seine rechtlichen Grundlagen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA wurde 2004 in Berlin das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) eingerichtet , in dem Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern Erkenntnisse austauschen , um gemeinsam Terrorismus zu bekämpfen. Beteiligt sind 40 Ämter – darunter das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter, Bundespolizei, Verfassungsschutz aus Bund und Ländern, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst und Zollkriminalamt. Nach Vorbild des GTAZ arbeiten auch das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) sowie das Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) zur Beobachtung und Bewertung islamistischer Internetinhalte. Die Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière und Horst Seehofer haben bei ihren letzten Besuchen im GTAZ (Dr. Thomas de Maizière 11/2017, Horst Seehofer 04/2018) jeweils die Zusammenarbeit gelobt. Der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer betonte bei seinem Antrittsbesuch, „das GTAZ zeige, dass Bundes- und Länderbehörden optimal zusammenarbeiteten.“ (vgl. https://rp-online.de/politik/ deutschland/horst-seehofer-will-einen-qualitaetsschub-in-der-terrorabwehr_aid- 16567537). Leider stellen sich spätestens seit den Vorfällen um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und dem Attentat von Anis Amri auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 viele Fragen um die „Zusammenarbeit“ im GTAZ. Beide Fälle erwecken den Eindruck, dass man sich zwar in diesem Gremium austauscht, es danach aber nicht zu konkreten Maßnahmen oder Handlungen kommt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3530 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Auf welcher konkreten Rechtsgrundlage basiert der bisher stattfindende Informationsaustausch im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ)? Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) ist keine eigenständige Behörde, sondern stellt lediglich eine Kooperationsplattform dar. Der Austausch von Erkenntnissen und Informationen im GTAZ erfolgt zwischen den teilnehmenden Behörden daher jeweils auf Grundlage der für die betreffenden Behörden bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Übermittlung von Informationen. 2. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die bisherige Form der Arbeit des GTAZ mit dem in Deutschland geltenden Trennungsgebot vereinbar, und auf welche Aspekte stützt sie ihre Rechtsauffassung? Die Arbeit des GTAZ ist mit dem in Deutschland geltenden Trennungsgebot vereinbar . Durch Anwendung der Übermittlungsvorschriften beim Informationsaustausch im GTAZ werden die gesetzlichen Vorschriften und somit das Trennungsgebot beachtet. Das Prinzip der funktionalen, organisatorischen und kompetenziellen Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten wird durch die Zusammenarbeit im GTAZ nicht infrage gestellt. Dies gilt sowohl in organisatorischer Hinsicht, da innerhalb des GTAZ sichergestellt ist, dass Personen nicht gleichzeitig für Polizei und Nachrichtendienste tätig werden, als auch in informationeller Hinsicht, da durch das GTAZ die Trennung der Informationserhebung und -verarbeitung durch die Polizeibehörden auf der einen und die Nachrichtendienste auf der anderen Seite nicht aufgehoben wird. Im GTAZ findet keine Verschmelzung und Vermischung von Aufgaben statt, sondern vielmehr eine nach dem Trennungsgebot zulässige auf den jeweils gesetzlichen Übermittlungsvorschriften basierende Kooperation von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden. 3. Durch welche Maßnahmen stellt die Bundesregierung sicher, dass im GTAZ de facto keine gemeinsame Organisation von Polizei und Nachrichtendiensten entsteht? Die Arbeitsstruktur im GTAZ ist auf Koordination und Kooperation der Behörden bei strikter Aufgabentrennung im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten ausgelegt. Die organisatorische und informationstechnische Trennung sämtlicher am GTAZ beteiligter Behörden wird durch deren eigenständige Rechtsgrundlagen und Aufgabenzuweisungen beibehalten. Zudem trägt die organisatorische Trennung des GTAZ in eine polizeiliche und eine nachrichtendienstliche Informations - und Analysestelle (PIAS und NIAS) dem Trennungsgebot Rechnung. 4. Existieren nach Erkenntnis der Bundesregierung rechtliche oder tatsächliche Hürden beim Informationsaustausch zwischen den Behörden im GTAZ? Falls ja, welche, und wie gedenkt die Bundesregierung sie zu beheben? Im Rahmen des Informationsaustauschs gelten die Übermittlungsvorschriften der jeweiligen Behörden. Diese lassen eine Informationsübermittlung, gerade auch im Hinblick auf das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, regelmäßig nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Andere über die Übermittlungsvorschriften und deren Grenzen hinausgehende rechtliche oder tatsächliche Hürden beim Informationsaustausch zwischen den am GTAZ beteiligten Behörden bestehen nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3530 5. Welche Reformen innerhalb des GTAZ wurden seit dem Aufdecken des NSU-Trios am 4. November 2011 sowie dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 durchgeführt? Mehrere verhinderte Anschlagsvorhaben haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit von 40 deutschen Sicherheitsbehörden im GTAZ sich in vielen Fällen bewährt hat, und dass die Strukturen des GTAZ grundsätzlich funktions- und leistungsfähig sind. Gleichwohl ist aufgrund der zunehmend erhöhten Gefährdungslage zu überlegen, wie die Kooperation zwischen Bund und Ländern im GTAZ gestärkt und weiterentwickelt werden kann. In der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) wird derzeit insbesondere geprüft, wie die Zusammenarbeit und Arbeitsweise des GTAZ bei besonderen Gefährdungslagen verbessert werden kann. Seit seiner Gründung werden Arbeitsabläufe und organisatorische Aufstellung des GTAZ fortlaufend evaluiert. Als unmittelbare Reaktion auf die rechtsterroristische Mordserie des „NSU“ wurde am 16. Dezember 2011 auf Initiative des Bundesministers des Innern das „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus (GAR)“ wenige Wochen nach Aufdeckung des „NSU“ eingerichtet. Ziel war – in Anlehnung an die gewonnenen Erfahrungen mit dem GTAZ bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus – die Kooperation und Koordination der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern bei der Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität – rechts (PMK-rechts) nachhaltig zu verbessern. Infolgedessen hatte die IMK in ihrer 196. Sitzung die Einrichtung eines Gemeinsamen Extremismus - und Terrorismusabwehrzentrum der Länder und des Bundes (GETZ) in allen Phänomenbereichen für erforderlich gehalten und beschlossen. Das vormalige GAR ging im Anschluss daran als GETZ-R im GETZ auf. Im Juli 2017 wurde im GTAZ die Arbeitsgruppe „Risikomanagement“ eingerichtet . Diese Arbeitsgruppe führt personenbezogene Fallkonferenzen auf Grundlage der Ergebnisse der RADAR-iTE-Bewertung durch und sorgt für den personenorientierten Informationsaustausch mit den betroffenen Sicherheitsbehörden und weiteren Stellen. Sie ergänzt damit die sachverhaltsbezogenen Sitzung der AG „Operativer Informationsaustausch“. 6. Wie hat sich die Zahl der innerhalb des GTAZ, GETZ und GIZ bearbeiteten und besprochenen Fälle seit der Einrichtung des Gremiums entwickelt (bitte nach Jahren und Phänomenbereichen aufschlüsseln)? Der Wirkbetrieb in GTAZ und GETZ generiert sich durch turnusmäßige und anlassbezogene Arbeitsgruppen in den unterschiedlichen Phänomenbereichen. Eine statistische Darstellung von Sachverhalten unterschiedlicher Phänomenbereiche von GETZ und GTAZ kann lediglich durch Auflistung der jeweiligen Arbeitsgruppen belegt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3530 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode GTAZ: Jahr GTAZ AG Tägliche Lagebesprechung GTAZ AG Operativer Informationsaustausch Gesamt 2004 2005 254 74 328 2006 251 44 295 2007 246 91 337 2008 257 71 328 2009 252 94 346 2010 254 138 392 2011 253 93 346 2012 248 129 377 2013 247 152 399 2014 250 140 390 2015 250 220 470 2016 253 232 485 2017 251 189 440 2018* 124 78 202 * Bis einschließlich 30. Juni 2018 Fälle bzw. Sachverhalte aus dem Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK)/des Extremismus bzw. aus dem Bereich der Spionageabwehr/Proliferation wurden in insgesamt 1648 Sitzungen des GETZ behandelt, die sich wie folgt nach Jahren und Phänomenbereichen aufschlüsseln: Im GETZ-R hat man sich im Zeitraum von Dezember 2011 bis Juni 2018 in 956 Sitzungen mit Sachverhalten/Fällen aus dem Phänomenbereich PMK-rechts bzw. Rechtsextremismus befasst. Jahr GETZ-R AG Lage GETZ-R Sonstige AGen Gesamt 2011 3 1 4 2012 98 54 152 2013 97 62 159 2014 100 42 142 2015 100 45 145 2016 101 38 139 2017 99 44 143 2018* 49 23 72 * Bis einschließlich 30. Juni 2018 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3530 Im GETZ-L hat man sich im Zeitraum von November 2012 bis Juni 2018 in 385 Sitzungen mit Sachverhalten/Fällen aus dem Phänomenbereich PMK-links bzw. Linksextremismus befasst: Jahr GETZ-L AG-Lage GETZ-L Sonstige AGen Gesamt 2012 3 0 3 2013 48 17 65 2014 49 11 60 2015 47 35 82 2016 48 20 68 2017 51 24 75 2018* 25 7 32 * Bis einschließlich 30. Juni 2018 Im GETZ-A hat man sich im Zeitraum von November 2012 bis Juni 2018 in 277 Sitzungen mit Sachverhalten/Fällen aus dem Phänomenbereich PMK-Ausländerextremismus bzw. Ausländerextremismus befasst: Jahr GETZ-A AG-Lage GETZ-A Sonstige AGen Gesamt 2012 1 0 1 2013 23 30 53 2014 25 17 42 2015 25 43 68 2016 18 35 53 2017 24 15 39 2018* 13 8 21 * Bis einschließlich 30. Juni 2018 Im GETZ-SP hat man sich im Zeitraum von November 2012 bis Juni 2018 in 30 Sitzungen mit Sachverhalten/Fällen aus dem Phänomenbereich Spionageabwehr /Proliferation befasst: Jahr GETZ-SP AG-Lage GETZ-SP Sonstige AGen Gesamt 2012 0 0 0 2013 4 1 5 2014 2 1 3 2015 2 2 4 2016 1 4 5 2017 3 8 11 2018* 1 1 2 * Bis einschließlich 30. Juni 2018 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3530 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im Rahmen des Gemeinsamen Internetzentrums (GIZ) liegt die Bearbeitung von Ermittlungsfällen nicht in dessen Zuständigkeit. Die Aufgabe des GIZ besteht darin , täglich und anlassunabhängig militant-islamistische Propagandaveröffentlichungen von jihadistischen Gruppierungen und Personen in Foren, Internetseiten und Sozialen Medien zu beobachten bzw. zu analysieren. Die gewonnenen Erkenntnisse bzw. relevante Themen werden durch das GIZ in drei verschiedenen Berichtsformen mit unterschiedlichen Erscheinungszyklen ausgearbeitet. GIZ: GIZlog: 14-tägliche Erscheinung, 268 Ausgaben im Zeitraum 2007 bis 2018, GIZ-Spezial: anlassbezogen 280 Berichte im Zeitraum 2007 bis 2018, GIZ-Spezial Fokus: anlassbezogen 57 Berichte im Zeitraum 2013 bis 2018. 7. Wie wird die parlamentarische Kontrolle bei Austausch von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen innerhalb des GTAZ gewährleistet? Der Informationsaustausch der Nachrichtendienste mit den im GTAZ vertretenen Behörden erfolgt im Rahmen der jeweils einschlägigen Übermittlungsvorschriften (vergleiche Antwort zu Frage 1). Insofern können die für die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste zuständigen Gremien entsprechend ihrer Befugnisse den jeweiligen Informationsaustausch mit den im GTAZ vertretenen Behörden kontrollieren (vgl. für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes durch das Parlamentarische Kontrollgremium die §§ 4 ff. des Kontrollgremiumgesetzes ). 8. Wie wird die Kontrolle durch unabhängige Datenschutzaufsichtsbehörden beim Austausch von Informationen im GTAZ, GETZ und GIZ gewährleistet ? Die Kontrolle des Informationsaustausches im GTAZ, GETZ und GIZ wird durch unabhängige Datenaufsichtsbehörden, wie der Bundes- sowie den Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, gewährleistet. Deren Tätigkeit wird bei Besuchen der o. g. Zentren u. a. durch das BKA begleitet und unterstützt. Darüber hinausgehende Maßnahmen unabhängiger Datenaufsichtsbehörden sind nicht bekannt. 9. Hält die Bundesregierung eine gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums für notwendig und sinnvoll? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 10. Welche konkreten Reformen am GTAZ, GETZ und GIZ will die Bundesregierung in den kommenden Jahren umsetzen? Das GTAZ soll gemeinsam mit den Ländern weiterentwickelt werden, um insbesondere verbindliche Absprachen zur Bearbeitung von Einzelfällen treffen zu können. Als Empfehlung aus der im Jahr 2017 stattgefundenen Evaluation des GETZ ist eine GETZ-interne Projektgruppe eingerichtet worden, die sich mit Optimierungspotenzialen innerhalb des Wirkbetriebes des GETZ befasst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333