Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Juli 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/3542 19. Wahlperiode 24.07.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Fabio De Masi, Jörg Cezanne, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/2943 – Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise hat gravierende Defizite in der Architektur der Eurozone offenbart. Nicht erst seit Vorlage des sog. Fünf-Präsidenten -Berichts im Juni 2015 wird deshalb auf Ebene der Europäischen Union (EU) und in den Mitgliedstaaten über die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) diskutiert. Die Europäische Kommission lieferte dazu mit ihrem Weißbuch im März 2017 sowie dem zugehörigen Reflexionspapier zur Vertiefung der WWU im Mai 2017 weitere Debattenbeiträge. Die Rede zur Lage der Europäischen Union durch Präsident Jean-Claude Juncker im September 2017, die Sorbonne-Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und ein Non-Paper des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) haben der Diskussion neue Impulse verliehen. Die deutsche und französische Regierung halten zudem weiter an ihrem Plan fest, zum Juni-Gipfel gemeinsame Vorschläge zur Reform der WWU vorzulegen. In ihrem sog. Nikolauspaket hat die Europäische Kommission am 6. Dezember 2017 eine Reihe von Gesetzgebungsvorschlägen und Mitteilungen vorgelegt, die auf die Verlagerung von Kompetenzen auf die Unionsebene bzw. die Schaffung neuer Institutionen und Instrumente abzielen (http://europa.eu/rapid/pressrelease _IP-17-5005_de.htm). So sollen die 2012 außerhalb des Unionsrechts geschlossenen Verträge zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und zum Abschluss des Fiskalpakts möglichst bald in das EU-Recht überführt werden. Zudem strebt die Europäische Kommission die Einführung mehrerer neuer Haushaltsinstrumente an, darunter ein Instrument zur Anreizung von Strukturreformen , eine Konvergenzfazilität, eine Letztsicherung für die Bankenabwicklung sowie eine sog. Stabilisierungsfunktion, die u. a. aus dem zu gründenden Europäischen Währungsfonds (EWF) gespeist werden soll. Im institutionellen Bereich möchte die Europäische Kommission das Amt eines Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen schaffen, dessen Inhaber zugleich Mitglied der Europäische Kommission und Vorsitzender der Eurogruppe sein soll. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Umstritten ist derzeit unter den Mitgliedstaaten der Bankenunion, ob die bisherige Reduktion von Risiken in den Bankbilanzen ausreichend ist, um gemäß einem ECOFIN-Ratsbeschluss (ECOFIN = Rat für Wirtschaft und Finanzen) die Bankenunion mit einer Letztsicherung und Einlagensicherung zu vertiefen. Die Kapitalmarktunion zielt über eine stärkere Finanzmarktintegration auf die Erhöhung der Finanzstabilität und des Investitionsniveaus in der Union. Strittig ist unter dem Blickwinkel der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit die von der Europäischen Kommission verfolgte Zentralisierung von Entscheidungs- und Aufsichtskompetenzen. 1. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit für ein Staatsinsolvenzregime für die Mitgliedstaaten der Eurozone? Im Bereich der Weiterentwicklung des ESM setzt sich die Bundesregierung für eine Verbesserung des bestehenden Rahmens zur Förderung der Schuldentragfähigkeit ein. Wie der Meseberg-Erklärung vom 19. Juni 2018 sowie dem dem Bundestag am 19. Juni 2018 übersandten „Deutsch-französischen Fahrplan für das Euro-Währungsgebiet“ der Finanzminister entnommen werden kann, streben die Bundesregierung und Frankreich den baldigen Beginn der Arbeiten zur Einführung von Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses – CACs) in Anleihen der Mitgliedstaaten der Währungsunion an, bei denen für eine Schuldenrestrukturierung nur eine Gläubigerabstimmung erforderlich ist (so genannte CACs mit single-limb-Aggregation). Zudem könnte dem ESM die Rolle zukommen, im Falle einer erforderlichen Privatsektorbeteiligung den Dialog zwischen dem Hilfe beantragendem Mitgliedstaat und seinen Gläubigern zu erleichtern. 2. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen eines solchen Staatsinsolvenzregimes für die Risikoaufschläge auf Staatsanleihen der Mitgliedstaaten , sofern die Europäische Zentralbank aufgrund des Verbots der monetären Staatsfinanzierung Staatsschulden nicht garantiert? Die Einführung von CACs in die Bedingungen neu emittierter Staatsanleihen der Staaten der Eurozone, die eine Laufzeit von mehr als einem Jahr haben, seit dem 1. Januar 2013 führte nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht zu einer Verteuerung der Anleihen, weder bezogen auf Bundeswertpapiere noch für die Anleihen anderer Mitgliedstaaten der Eurozone. Auch bei einer Einführung von CACs mit den in der Antwort zu Frage 1 beschriebenen Regelungen zur Gläubigerabstimmung ist nicht mit substanziellen Auswirkungen auf die Risikoaufschläge von Staatsanleihen zu rechnen, auch wenn sie nicht vollkommen ausgeschlossen werden können. Die Ausfallwahrscheinlichkeit und damit die Risikoaufschläge von Staatsanleihen sind eng mit der Kreditqualität des Emittenten bzw. dessen Haushaltspolitik verknüpft. Die Verantwortung für die Höhe etwaiger Risikoaufschläge liegt somit in erster Linie in der Hand des jeweiligen Staates . 3. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko von Staatsinsolvenzen in Volkswirtschaften, die in eigener Währung verschuldet sind und deren Zentralbank als Kreditgeber der letzten Instanz fungiert? Fälle von Staateninsolvenzen außerhalb der Eurozone können ebenfalls nach wie vor nicht ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund hält die Bundesregierung den IWF, den Pariser Club und das Paris Forum für die geeigneten internationalen Foren zur Erörterung von Schuldenrestrukturierungsthemen und die dort bestehenden Verfahren für zielführend. Die Bundesregierung unterstützt außer- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/3542 dem den sogenannten vertraglichen Ansatz, der insbesondere auf eine verbreitetere Einfügung von CACs in die Bedingungen von Staatsanleihen – entsprechend der Empfehlungen des IWF – setzt. Weiterhin beteiligt sich die Bundesregierung auf internationaler Ebene vor allem im IWF und im Pariser Club konstruktiv an der Bearbeitung des Schuldenthemas. 4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Europäischen Zentralbank, wonach Zentralbanken auch negatives Eigenkapital verkraften, in eigener Währung nicht insolvent gehen können und gemäß eigener Konventionen bilanzieren können (www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpops/ecbop169.en.pdf)? Die Europäische Zentralbank ist eine unabhängige Institution, deren Aussagen für sich stehen. 5. Unterstützt die Bundesregierung die Beteiligung der Europäischen Zentralbank an Umschuldungen durch Debt Swaps wie im Falle der Republik Irland (vgl. www.reuters.com/article/us-ireland-ecb-idUSBRE91609020130207) für EU-Mitgliedstaaten wie Griechenland? Die Europäische Zentralbank ist eine unabhängige Institution, deren Maßnahmen die Bundesregierung nicht kommentiert. 6. Welche Kriterien bzw. Schwellenwerte betrachtet die Bundesregierung als sinnvoll, um die Überschuldung eines Mitgliedstaates der Eurozone zu definieren (bitte jeweils begründen)? Für die Bewertung von akuten oder mittel- und langfristigen Tragfähigkeitsrisiken sind nicht nur der Schuldenstand im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, sondern auch die Struktur der Verschuldung (z.B. Laufzeiten, Zinskosten) und die Haushaltssituation sowie der daraus resultierende (Re-) Finanzierungsbedarf, das Wachstumspotenzial und die demographische Entwicklung relevant. Die Wirtschafts - und Währungsunion und die EU insgesamt haben mit dem Stabilitätsund Wachstumspakt (SWP), der auf den Maastricht-Vertrag zurück geht, einen festen rechtlichen Rahmen, um die nationale Finanzpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten in der EU zu koordinieren und zu überwachen. Darin wurde u. a. als Obergrenze der jährlichen Neuverschuldung 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sowie als Obergrenze für den Schuldenstand 60 Prozent des BIP festgeschrieben – die sogenannten Maastricht-Referenzwerte. EU-Staaten, deren Schuldenstandsquote den Referenzwert von 60 Prozent des BIP überschreitet, müssen den Abstand zum Referenzwert jährlich im Schnitt um rund ein Zwanzigstel abbauen (sogenannte „Schuldenabbauregel“). Auch in die im Rahmen des SWPs für jedes Land festgelegten mittelfristigen Haushaltsziele und beim notwendigen Anpassungspfad in Richtung des mittelfristigen Ziels fließt die Höhe des Schuldenstands bzw. eine Überschreitung des Referenzwertes mit ein. 7. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die sektorale Verschuldung (Haushalte, nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, Kapitalgesellschaften, Staat) in den Mitgliedstaaten der Eurozone im Verhältnis zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2012 entwickelt (bitte nach Sektor, Jahr und Mitgliedstaat auflisten)? Die Europäische Kommission veröffentlicht in ihrer makroökonomischen Datenbank AMECO Daten zur Verschuldung des Staates in Prozent des BIP. Auf die nachfolgen-den Tabellen wird insoweit verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Verschuldung des Staates in Prozent des BIP (Quelle: AMECO) 2012 2013 2014 2015 2016 2017 BEL 104,3 105,5 107,0 106,1 105,9 103,1 DEU 79,8 77,5 74,7 71,0 68,2 64,1 EST 9,7 10,2 10,7 10,0 9,4 9,0 IRL 119,6 119,4 104,5 76,9 72,8 68,0 GRC 159,6 177,4 178,9 176,8 180,8 178,6 ESP 85,7 95,5 100,4 99,4 99,0 98,3 FRA 90,6 93,4 94,9 95,6 96,6 97,0 ITA 123,4 129,0 131,8 131,5 132,0 131,8 CYP 79,7 102,6 107,5 107,5 106,6 97,5 LVA 41,2 39,0 40,9 36,8 40,5 40,1 LTU 39,8 38,8 40,5 42,6 40,1 39,7 LUX 22,0 23,7 22,7 22,0 20,8 23,0 MLT 67,8 68,4 63,8 58,7 56,2 50,8 NLD 66,3 67,8 68,0 64,6 61,8 56,7 AUT 81,9 81,3 84,0 84,6 83,6 78,4 PRT 126,2 129,0 130,6 128,8 129,9 125,7 SVN 53,8 70,4 80,3 82,6 78,6 73,6 SVK 52,2 54,7 53,5 52,3 51,8 50,9 FIN 53,9 56,5 60,2 63,5 63,0 61,4 Daneben lassen sich bei Eurostat Daten zu den finanziellen Verbindlichkeiten der einzelnen Sektoren insgesamt finden (http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/ show.do?dataset=nasa_10_f_bs&lang=en). Diese sind für die meisten Mitgliedstaaten bis 2016 vorhanden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/3542 Insgesamt finanzielle Verbindlichkeiten Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften in Prozent des BIP (Quelle: Eurostat) 2012 2013 2014 2015 2016 2017 BEL 329,0 306,5 318,2 339,5 338,4 320,4 DEU 149,6 159,4 158,7 159,1 159,0 : EST 223,2 236,3 247,7 248,5 246,1 : IRL 412,1 474,7 561,1 672,0 668,6 : GRC 110,0 119,1 118,5 119,7 124,9 : ESP 215,4 221,6 215,2 213,7 210,2 205,0 FRA 207,5 218,6 227,7 233,6 235,1 : ITA 180,9 186,9 186,9 188,8 184,8 : CYP 311,5 330,3 344,3 353,1 345,0 : LVA 161,7 159,6 164,5 166,0 170,8 : LTU 121,4 120,4 118,2 126,0 127,8 : LUX 844,1 884,2 892,4 924,1 1.015,7 : MLT 206,0 195,0 185,7 178,1 184,9 : NLD 364,3 379,4 397,6 417,0 435,8 427,5 AUT 161,6 165,4 166,4 163,2 165,2 : PRT 239,4 235,4 227,7 227,0 225,8 224,7 SVN 167,4 164,2 157,1 145,6 140,0 132,9 SVK 156,7 153,7 158,8 153,8 152,2 : FIN 199,9 208,3 220,9 225,4 230,3 227,6 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Insgesamt finanzielle Verbindlichkeiten Finanzielle Kapitalgesellschaften in Prozent des BIP (Quelle: Eurostat) 2012 2013 2014 2015 2016 2017 BEL 454,8 459,7 465,6 463,8 450,1 436,5 DEU 427,4 393,0 401,2 396,5 400,1 : EST 149,6 156,2 163,4 169,1 172,6 : IRL 1.928,7 1.877,2 2.065,6 1.647,0 1.599,2 : GRC 241,7 221,7 212,1 205,1 203,6 : ESP 290,6 286,2 296,0 288,4 286,2 286,5 FRA 371,0 372,6 392,5 394,4 407,4 : ITA 244,2 239,9 243,2 246,1 247,5 : CYP 1.615,2 1.463,9 1.448,9 1.600,1 1.604,4 : LVA 159,5 153,2 171,6 179,3 187,9 : LTU 98,3 93,1 96,8 104,7 119,4 : LUX 14.886,0 15.496,4 17.528,1 19.565,3 20.012,5 : MLT 3.019,6 2.885,6 2.778,7 2.550,2 2.404,3 : NLD 1.070,4 1.073,9 1.124,3 1.132,0 1.161,2 1.130,4 AUT 329,2 318,6 313,2 304,1 291,0 : PRT 361,8 341,0 338,5 319,7 315,0 308,6 SVN 163,9 146,7 150,0 142,0 140,6 136,5 SVK 134,8 133,0 140,4 144,8 159,3 : FIN 350,3 314,7 341,0 328,7 319,3 266,7 Insgesamt finanzielle Verbindlichkeiten Private Haushalte in Prozent des BIP (Quelle: Eurostat) 2012 2013 2014 2015 2016 2017 BEL 56,0 56,9 58,9 59,7 60,4 61,1 DEU 56,3 55,4 54,1 53,3 53,1 : EST 43,2 41,3 41,0 41,7 42,8 : IRL 103,1 97,7 85,8 60,3 55,1 : GRC 75,4 74,5 70,8 68,5 65,0 : ESP 84,8 81,5 77,3 72,2 68,9 66,1 FRA 62,6 62,5 63,4 64,7 64,8 : ITA 49,1 48,7 48,0 47,0 46,7 : CYP 141,2 145,7 146,8 141,9 136,0 : LVA 35,4 31,4 27,6 25,9 25,8 : LTU 28,5 27,0 27,0 29,4 29,1 : LUX 58,9 58,4 59,1 59,3 64,3 : MLT 73,4 71,7 67,7 65,0 63,3 : NLD 126,7 123,4 117,1 114,8 112,6 109,3 AUT 52,7 51,8 51,0 51,0 51,1 : PRT 95,7 91,3 88,7 83,3 79,0 75,7 SVN 34,9 33,8 32,4 31,4 31,3 30,8 SVK 30,5 32,6 35,2 37,3 40,2 : FIN 67,3 68,2 68,6 70,3 71,4 71,9 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/3542 8. Welche Zusammenhänge bestehen nach Ansicht der Bundesregierung zwischen Leistungsbilanzüberschüssen und -defiziten und der Entwicklung der sektoralen Verschuldung? Der Leistungsbilanzsaldo entspricht per Definition der Summe der sektoralen Finanzierungsalden . Insofern schlägt sich die aggregierte Entwicklung der sektoralen Finanzierungssalden direkt in der gesamtstaatlichen Leistungsbilanz nieder. Innerhalb dieser Betrachtungsweise kann der Leistungsbilanzsaldo in die Finanzierungssalden der Sektoren Haushalte, finanzielle und nicht finanzielle Unternehmen sowie Staat untergliedert werden. Im Fall Deutschlands geht der Anstieg des Leistungsbilanzsaldos zwischen 2001 und 2015 vornehmlich mit einer relativ starken Zunahme des Finanzierungssaldos der Unternehmen, vor allem der nicht finanziellen Unternehmen, von etwa -3 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt auf +3 Prozent, in diesem Zeitraum einher. Der Anstieg des Finanzierungssaldos des Sektors Staat (von -2 Prozent auf 1 Prozent) und der privaten Haushalte (von +3 Prozent auf +5 Prozent) haben ebenfalls zu der Gesamtentwicklung beigetragen, wenn auch weniger kräftig. Der Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsüberschusses seit 2015 von 8,6 Prozent auf 7,9 Prozent ist nach sektoraler Betrachtung zum größten Teil dem Unternehmenssektor zuzurechnen (- 1 Prozentpunkt). Dieser wurde begleitet von einem Rückgang des Überschusses im Sektor private Haushalte um -0,2 Prozentpunkte, wogegen der Finanzierungsüberschuss des Sektor Staat weiter leicht zunahm ( +0,6 Prozentpunkte ). Der Wandel des Unternehmenssektors von einem Sektor der netto im Aggregat Verbindlichkeiten aufbaute zu einem Nettosparer ist keine typisch deutsche Entwicklung , sondern z. T. in sogar stärkerem Maße in anderen entwickelten Volkswirtschaften wie USA, UK, Japan, Niederlande u.a. zu beobachten gewesen. Da diese Entwicklung vor allem im Gefolge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise einsetzte, dürften Vorsichtsmotive und die geforderten Rekapitalisierungen von Banken und nichtfinanziellen Unternehmen eine wichtige Rolle gespielt haben . Die Bruttoinvestitionen des Unternehmenssektors sind seit 2011 recht stabil. Dabei ist ein Anstieg in Investitionen in immaterielle Wirtschaftsgüter zu beobachten (+30 Mrd. Euro seit 2003). Da sich immaterielle Wirtschaftsgüter weniger für klassische Bankdarlehen als Sicherheit eignen, ist der Unternehmenssektor stärker auf interne Finanzierungen angewiesen, was den Trend zur vermehrten Eigenkapitalbildung zusätzlich erklären könnte. Ebenso dürfte die Verschärfung der Bankenregulierung durch Basel II und III auch im Unternehmenssektor dazu geführt haben, die Eigenkapitalbasis zu stärken. Hinzu kommt, dass Direktinvestitionen im Ausland (FDI) in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung per Definition als Ersparnisse des Unternehmenssektors ausgewiesen werden und damit zu einer Erhöhung des sektoralen Finanzierungssaldos der Unternehmen beitragen. 9. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko neuer Schuldenkrisen in der Eurozone? Um die Stabilität des Euroraums und seiner Mitgliedstaaten zu verbessern und Risiken zu minimieren wurden auf nationaler und auf europäischer Ebene seit 2010 umfangreiche Reformen durchgeführt. Eine gemeinsame Währung in einer Gemeinschaft von Staaten wie der Europäischen Währungsunion erfordert eine enge finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung. Für die Funktionsfähigkeit der Währungsunion ist es erforderlich, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten sichergestellt und wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen entgegengewirkt wird. Dies erfolgt mit dem Ziel, das Wachstum und die Konvergenz Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode der Volkswirtschaften zu stärken. Es ist hierbei von gemeinsamem Interesse der Mitgliedstaaten, dass die jeweiligen Regierungen für gesunde und auf Dauer tragfähige öffentliche Finanzen sorgen. Die Reformen für den Euroraum umfassten insbesondere folgende Bereiche: I. Haushaltspolitische Überwachung: Der Fiskalvertrag, der Stabilitäts- und Wachstumspakt und weitere Bestimmungen sorgen dafür, dass die Mitgliedstaaten ihre öffentlichen Haushalte im Grundsatz ausgleichen müssen und damit ihre Staatsverschuldung reduzieren bzw. begrenzen. Zur Kontrolle müssen die Mitgliedstaaten unter anderem im Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters regelmäßig an die Europäische Kommission berichten. II. Wirtschaftspolitische Steuerung: Eine gemeinsame Wachstumsstrategie und ein Pakt für Wachstum und Beschäftigung sollen die Euroländer wettbewerbsfähiger machen. Das Europäische Semester und das Verfahren zur Vermeidung und Korrektur wirtschaftlicher Ungleichgewichte helfen bei der Koordinierung und Überwachung der Wirtschaftspolitik. III. Finanzmarktregulierung: Durch die Schaffung einer Bankenunion im Euroraum und flankierende solide Rahmenbedingungen wird die Stabilisierung der Finanzmärkte vertieft und der Schutz von Einlegern und Verbrauchern gestärkt . IV. Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM): Um Stabilitätskrisen schnell begegnen zu können, ist mit dem ESM ein wirkungsvoller, dauerhafter Hilfsmechanismus geschaffen worden, der an die Stelle des temporären Schutzschirms (EFSF und EFSM) getreten ist. 10. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeiten und die Notwendigkeit einer Stärkung des makroökonomischen Ungleichgewichtsverfahrens, insbesondere die Frage von Sanktionen bei einer dauerhaften Überschreitung der Obergrenzen für den Leistungsbilanzüberschuss? Die Bundesregierung hält das Makroökonomische Ungleichgewichteverfahren (MIP) insgesamt – einschließlich der möglichen Sanktionsmöglichkeiten bei übermäßigen Ungleichgewichten – grundsätzlich für ausreichend, angemessen und geeignet, um makroökonomische Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu adressieren und Regierungen dazu zu bewegen, notwendige Reformen durchzuführen. Die EU-Kommission befasst sich im Rahmen des MIP mit einer Vielzahl von makroökonomischen Ungleichgewichten und ihren Ursachen. Sie betrachtet dabei eine Vielzahl an Indikatoren und führt eine umfassende Analyse durch. Die finale Einschätzung der EU-Kommission basiert letztlich auf einer Gesamteinschätzung der ökonomischen Situation und nicht auf einer Betrachtung einzelner Indikatoren. Die Entwicklung von Leistungsbilanzsalden (Defizite oder Überschüsse ) stellt nur eine Kategorie unter anderen dar, die betrachtet wird. Aus Sicht der Bunderegierung besteht kein zusätzlicher Bedarf für eine Anpassung des MIP, um die bereits vorhandenen und verfügbaren Sanktionsmöglichkeiten für diese einzelne Ungleichgewichtekategorie (hier Entwicklung des Leistungsbilanzsaldos und speziell Überschüsse) zu verschärfen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/3542 11. Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen (u. a. von EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds ), und welche Maßnahmen zum Abbau des deutschen Leistungsbilanzüberschusses plant die Bundesregierung? Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss (2017: 8,0 Prozent am BIP) ist zwar derzeit verglichen mit anderen Staaten relativ hoch, er stellt aber kein übermäßiges Ungleichgewicht dar. Im weltweiten Vergleich hat die regionale Zusammensetzung des Leistungsbilanzsaldos einer Währungsunion nur geringe Aussagekraft, so dass sinnvollerweise nur der Leistungsbilanzsaldo der Eurozone betrachtet werden kann. Dieser betrug 2017 3,5 Prozent am BIP. Der deutschen und die europäischen Leistungsbilanzsalden sind das Ergebnis von marktbasierten Angebots- und Nachfrageentscheidungen von Unternehmen und privaten Verbrauchern auf den Weltmärkten. Sie sind überwiegend durch Faktoren begründet, die nicht oder nicht direkt durch wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen in Deutschland und Europa beeinflusst werden können. Sie spiegeln umfassende wirtschaftliche Aktivitäten von Unternehmen und Haushalten in Folge grenzüberschreitender Verflechtung von Produktion, Handel und Dienstleistungen wider. Auch Faktoren wie die demografische Entwicklung und Auslandsinvestitionen der vergangenen Jahre spielen eine wichtige Rolle. Auch vertiefende Analysen des IWF ergeben, dass Faktoren wie zum Beispiel die Industrie- und Handelsstruktur Deutschlands wie auch die demografische Entwicklung einen hohen Anteil des Überschusses erklären. Übereinstimmend sind Bundesregierung und IWF der Auffassung, dass es keine singulären deutschen Politikmaßnahmen gibt, die den Überschuss verursacht haben. Höhere private Investitionen in Deutschland und ein höheres Wirtschaftswachstum würden tendenziell zu einem Abbau des Leistungsbilanzüberschusses beitragen. Vor diesem Hintergrund sind eine solide Fiskalpolitik und wachstumsfördernde Strukturreformen weiterhin angezeigt, denn sie sind entscheidende Voraussetzungen, das Wachstum anzuregen und das Klima für private Investitionen zu verbessern. Ebenso wichtig ist jedoch auch die Verantwortung der Handelspartnerländer: Die Auswirkungen expansiver Finanz- und Wirtschaftspolitiken anderer Ländern (wie z.B. in den USA) spielen nach wie vor eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des deutschen Leistungsbilanzsaldos ebenso wie die Entwicklung des Euro-Wechselkurses und der Öl- und Energiepreise. Die Bundesregierung verfolgt eine Politik, die zur Stärkung der Wachstumskräfte auf eine höhere Wettbewerbsfähigkeit und eine dynamischere Binnenwirtschaft abzielt. So wurden die staatlichen Investitionen deutlich erhöht, die Länder und Kommunen umfangreich entlastet, ein flächendeckender, allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eingeführt und die Tarifpartnerschaft gestärkt. Besondere Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung auch, um die privaten Investitionen zu fördern und den Wettbewerb zu stärken. In dieser Legislaturperiode sind außerdem geplant: eine Erhöhung des Kindergelds, des Grundfreibetrags und Kinderfreibetrags ; eine Senkung von Beitragssätzen zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie eine Senkung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung. Außerdem ist eine Aufstockung investiver Maßnahmen geplant. Diese Maßnahmen wirken sich positiv auf die Binnennachfrage und tendenziell leicht dämpfend auf den Leistungsbilanzüberschuss aus. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die öffentliche und private Investitionsquote in den Mitgliedstaaten der Eurozone im Verhältnis zum jeweiligen BIP seit 2012 entwickelt (bitte nach Jahr und Mitgliedstaat auflisten)? Die Europäische Kommission veröffentlicht in ihrer makroökonomischen Datenbank AMECO Daten zu öffentlichen und privaten Bruttoanlageinvestitionen, aus denen sich die unten stehenden Quoten (Bruttoanlageinvestitionen in Prozent des BIP) berechnen lassen. Bruttoanlageinvestitionen Staat in Prozent des BIP (Quelle: AMECO, eigene Berechnungen) 2012 2013 2014 2015 2016 2017 BEL 2,5 2,4 2,3 2,3 2,2 2,2 DEU 2,2 2,1 2,1 2,1 2,1 2,2 EST 6,3 5,6 5,1 5,3 4,8 5,6 IRL 2,0 2,0 2,2 1,7 1,8 1,9 GRC 2,5 3,4 3,7 3,9 3,5 4,6 ESP 2,5 2,2 2,1 2,5 1,9 2,0 FRA 4,1 4,0 3,7 3,4 3,4 3,4 ITA 2,6 2,4 2,3 2,3 2,1 2,0 CYP 2,9 2,3 2,1 2,2 2,6 2,7 LVA 4,8 4,4 4,5 4,8 3,6 4,0 LTU 4,0 3,7 3,5 3,7 3,0 3,2 LUX 4,0 3,5 3,6 3,9 3,9 4,0 MLT 3,2 2,9 3,6 4,2 2,5 2,2 NLD 3,7 3,6 3,5 3,6 3,5 3,5 AUT 2,9 3,0 3,0 3,0 3,0 3,0 PRT 2,5 2,2 2,0 2,2 1,5 1,8 SVN 4,1 4,3 5,1 4,7 3,2 2,9 SVK 3,4 3,3 4,0 6,3 3,2 3,2 FIN 4,0 4,2 4,2 3,9 4,0 3,9 BEL 20,1 19,8 20,7 20,9 21,2 21,0 DEU 17,9 17,6 17,9 17,7 17,9 18,1 EST 22,3 22,2 19,3 18,3 17,5 18,1 IRL 17,7 16,7 18,6 18,6 30,0 21,6 GRC 10,1 8,7 7,9 7,6 8,2 8,1 ESP 17,3 16,5 17,1 17,3 18,1 18,6 FRA 18,4 18,1 18,1 18,2 18,6 19,0 ITA 15,8 14,8 14,5 14,7 15,0 15,5 CYP 12,2 11,8 9,6 10,8 14,8 18,4 LVA 20,5 18,8 18,1 17,4 14,6 15,9 LTU 13,4 14,7 15,4 15,9 15,9 15,7 LUX 16,2 16,0 15,4 13,4 13,2 13,0 MLT 14,9 14,6 13,8 21,3 22,1 19,1 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/3542 Bruttoanlageinvestitionen Staat in Prozent des BIP (Quelle: AMECO, eigene Berechnungen) 2012 2013 2014 2015 2016 2017 NLD 15,2 14,3 14,5 15,8 16,4 16,8 AUT 19,7 20,0 19,7 19,5 20,1 20,5 PRT 13,4 12,6 13,0 13,2 13,8 14,4 SVN 15,2 15,5 14,3 14,2 14,4 15,5 SVK 17,9 17,4 16,8 17,7 18,0 18,0 FIN 18,3 17,0 16,4 16,5 17,5 18,7 13. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Ergebnisse des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), und wie hoch schätzt die Bundesregierung den Einfluss von EFSI auf die Entwicklung der Investitionsquoten und -lücken in den Mitgliedstaaten der Eurozone? Nach Angaben der Europäischen Investitionsbank (EIB) hat der 2015 eingerichtete und 2018 verlängerte Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) bis Mitte Juni 2018 Finanzierung in Höhe 58,9 Mrd. Euro mit erwarteten Gesamtinvestitionen von 294,2 Mrd. Euro genehmigt. Die erwarteten Gesamtinvestitionen belaufen sich damit auf 93 Prozent des ursprünglichen Zielwerts von 315 Mrd. Euro an Gesamtinvestitionen und verlaufen planmäßig im Hinblick auf den nach der Verlängerung bis 2020 angestrebten Zielwert von 500 Mrd. Euro. Die Bundesregierung schätzt die Auswirkung von EFSI auf die Investitionstätigkeit vor allem in den EU-Mitgliedstaaten mit besonderem Bedarf als erheblich ein. Gerechnet nach Mio. EUR des jeweiligen BIP stehen Länder wie Griechenland , Spanien, Portugal und Bulgarien bei den EFSI mobilisierten Investitionen an der Spitze. 14. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkung öffentlich privater Partnerschaften (ÖPP) auf die öffentlichen Haushalte in den Mitgliedstaaten der Eurozone, auch mit Blick auf Kritik des Europäischen Rechnungshofes (vgl. www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/INSR18_09/INSR_PPP_DE.pdf)? Die statistische Erfassung von ÖPP-Projekten im Rahmen der europäischen Haushaltsüberwachung erfolgt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entsprechend den Vorgaben des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) 2010 sowie des Manual on Government Deficit and Debt. In diesem Kontext hängen die konkreten Auswirkungen auf die Staatshaushalte von der Ausgestaltung der ÖPP-Projekte in den einzelnen Ländern ab. Deutsche ÖPP-Projekte waren nicht Gegenstand der Prüfung des Europäischen Rechnungshofes . Dessen Empfehlungen für ÖPP-Projekte sind in Deutschland bereits weit überwiegend umgesetzt. Insbesondere hat Deutschland die erforderlichen institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen, ein umfangreiches Regelwerk zur Durchführung von ÖPP-Projekten und generell das erforderliche Knowhow zur Durchführung komplexer ÖPP-Verfahren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Befürwortet die Bundesregierung eine Risikogewichtung von Staatsanleihen im Rahmen der Eigenkapitalanforderungen an Banken? Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Forderungen gegenüber Staaten nicht risikolos sind. Diese Risiken sollten regulatorisch angemessen berücksichtigt werden. Die regulatorische Behandlung von Staatsanleihen ist daher auch einer der Aspekte, die in der ECOFIN-Roadmap von 2016 als Voraussetzung für den Beginn politischer Verhandlungen über eine europäische Einlagensicherung genannt werden (siehe auch Antwort zu Frage 20). 16. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank auf die Risikoaufschläge von Staatsanleihen sowie die Unterschiede in den privatwirtschaftlichen Finanzierungskonditionen in den Mitgliedstaaten der Eurozone? Risikoaufschläge bei Staatsanleihen und privatwirtschaftliche Finanzierungskonditionen werden von einer Reihe von Faktoren beeinflusst. Eine stabilitätsorientierte Politik in den Mitgliedstaaten ist ein wichtiger Beitrag zur langfristigen Tragfähigkeit der Finanzierungskonditionen. 17. Wie bewertet die Bundesregierung die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Einführung von sogenannten sovereign bond-backed securities (SBBS) als safe assets für die Eurozone? Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag der Europäischen Kommission zu SBBS ab. Der SBBS-Vorschlag zielt darauf ab, nationale Staatsanleihen des Euroraums zu bündeln und zu verbriefen. Dies würde mehr Komplexität, aber nicht mehr Sicherheit für die Finanzmärkte schaffen. Die Funktionsfähigkeit nationaler Staatsanleihemärkte könnte gefährdet werden und die Kosten der staatlichen Kreditaufnahme könnten steigen. Eine regulatorische Privilegierung von SBBS wäre nicht risikoadäquat. 18. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko derartiger SBBS angesichts der Korrelation der Renditen von Staatsanleihen? Die hohen Korrelationen der Renditen verhindern eine breite Risikostreuung innerhalb der Tranche und über die Tranchen hinweg. Der Absatz insbesondere der Junior-Tranchen dürfte in Krisenzeiten kollabieren, wodurch das gesamte SBBS- Produkt in Frage gestellt würde. Dadurch dürfte der Druck steigen, die Junior- Tranche zum Beispiel mit Garantien staatlich zu stützen. Die Mitgliedstaaten wären somit in Krisenzeiten einem erhöhten Finanzierungs- und Kostenrisiko ausgesetzt . 19. Wie bewertet die Bundesregierung die Fortschritte beim Abbau von Risiken im europäischen Bankensektor, besonders beim Abbau von notleidenden Krediten? Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte bei dem Abbau von Risiken im europäischen Bankensektor gemacht. Dies trifft auch auf den Abbau von notleidenden Krediten zu. Der Fortschrittsbericht der EU-Kommission über den Abbau notleidender Kredite in Europa vom 14. März 2018 (https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0133& from=DE) zeigt allerdings, dass – trotz dieser positiven Tendenz – der Bestand an notleidenden Krediten in einigen Mitgliedstaaten und Europa insgesamt noch Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/3542 immer zu hoch ist. Die Bundesregierung unterstützt den Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa, den der Ministerrat am 11. Juli 2017 verabschiedet hat. 20. Welche Fortschritte beim Abbau von Risiken im europäischen Bankensektor müssen nach Ansicht der Bundesregierung vor Einführung einer europäischen Einlagensicherung noch erzielt werden? Betrachtet die Bundesregierung die Einführung einer europäischen Einlagensicherung als notwendig zur Vollendung der Bankenunion? Die Bundesregierung hält es für wichtig, die Bankenunion zu stärken, mit dem Ziel sie zu vollenden. Im Einklang mit dem Fahrplan des ECOFIN von Juni 2016 (ECOFIN-Roadmap) können politische Verhandlungen über eine europäische Einlagensicherung (EDIS) erst beginnen, wenn ein substantieller, weitergehender Risikoabbau erfolgt ist. Die am 25. Mai 2018 im ECOFIN erreichte Vereinbarung zu den im sogenannten „Bankenpaket“ vorgesehenen Verlustabsorptionspuffern ist ein wichtiger erster Schritt. In der ECOFIN-Roadmap wurden allerdings mehrere Kategorien vereinbart , in denen ein substantieller Risikoabbau erfolgen muss. Diese sind neben dem Bankenpaket insbesondere die Mindestharmonisierung des Insolvenzrechts mit Blick auf die Reduktion von notleidenden Krediten (NPL), der Abbau von bestehenden und die Vermeidung künftiger NPL und die regulatorische Behandlung von Staatsschulden in Bankbilanzen. Vor dem Beginn politischer Verhandlungen zu EDIS müssen Fortschritte in allen genannten Bereichen erzielt werden. 21. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit von Ausnahmen bei der europäischen Einlagensicherung für Kreditinstitute, die wie die deutsche Sparkassen-Finanzgruppe, über eigene Institutssicherungssysteme verfügen ? Die Funktionsfähigkeit der Institutssicherungssysteme ist für die Bundesregierung ein wichtiger Aspekt. Konkrete Fragen der Ausgestaltung eines möglichen EDIS-Modells können nicht bewertet werden, bevor eine politische Entscheidung zur Schaffung von EDIS gefallen ist. 22. Betrachtet die Bundesregierung einen erneuten Anlauf zu einer Bankenstrukturreform zur Lösung des „too-big-to-fail“- und „too-interconnected-tofail “-Problems im europäischen Bankensektor für sinnvoll und notwendig, nachdem die Europäische Kommission ihren Verordnungsvorschlag zurückgezogen hat? Bei der Trennbankenregulierung ist Deutschland 2013 mit dem Trennbankengesetz vorangegangen, auch um die Diskussion über eine Europäische Trennbanken -verordnungen voranzubringen. Mittlerweile hat aber die Europäische Kommission nach Widerstand im Europäischen Parlament verkündet, dieses Projekt nicht weiter zu verfolgen. Auch angesichts der vielen anderen Regulierungsvorhaben und des absehbaren Endes der Amtszeit von Europäischem Parlament und der Kommission sieht die Bundesregierung derzeit keine Chance, eine Mehrheit für ein solches Vorhaben zu gewinnen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Realisierungschancen für dieses wichtige Vorhaben nach der Wahl zum Europäischen Parlament und der Bildung einer neuen Kommission verbessern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 23. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit einer gemeinsamen Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF), und wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommission, diese Aufgabe dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu übertragen ? In welcher Höhe müsste nach Ansicht der Bundesregierung eine solche Letztsicherung erfolgen? Die ECOFIN-Minister haben sich im Dezember 2013 auf die Einführung einer gemeinsamen Letztsicherung bis spätestens zum Jahr 2024 verständigt. Dies hat der ECOFIN-Rat im Fahrplan zur Vollendung der Bankenunion von Juni 2016 bestätigt. Eine gemeinsame Letztsicherung ist sinnvoll für den Fall, dass der SRF nicht oder nicht hinreichend befüllt ist und nicht rechtzeitig außerordentliche, nachträgliche Beiträge von den Banken erhoben werden können, um die Kosten einer Abwicklung zu finanzieren. Die gemeinsame Letztsicherung wird mittelfristig haushaltsneutral sein und durch außerordentliche, nachträgliche Beiträge von den Banken refinanziert. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der ESM die Funktion der gemeinsamen Letztsicherung übernehmen sollte, wenn eine Einigung über eine umfassende Reform des ESM gelingt. Die gemeinsame Letztsicherung sollte nahe der Größe des Zielvolumens des SRF (ca. 55 Mrd. Euro gemäß Schätzung im Jahr 2014) liegen und nicht darüber hinausgehen. Zum Vorschlag der Kommission zur Übertragung der Aufgabe an den ESM wird auf die Antwort zu Frage 24 verwiesen. 24. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommission , den ESM in EU-Recht zu überführen und zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) zu entwickeln? Die Diskussion über die Weiterentwicklung des ESM findet losgelöst vom Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung eines Europäischen Währungsfonds (COM(2017) 827 final) statt. Aktuell wird in einem ersten Schritt über die inhaltlichen Aspekte einer Reform bzw. Weiterentwicklung des ESM beraten (mögliche künftige Aufgaben des ESM bzw. seines Rechtsnachfolgers). Institutionelle Aspekte, insbesondere die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verankerung des ESM in den EU-Rechtsrahmen, sollen später in einem zweiten Schritt erörtert werden. Es ist derzeit offen, ob ein derart weiterentwickelter ESM als „Europäischer Währungsfonds “ bezeichnet wird. 25. Auf welcher Rechtsgrundlage soll eine Überführung des ESM in einen EWF nach Auffassung der Bundesregierung erfolgen? Die derzeitigen Überlegungen zur Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) konzentrieren sich darauf, dessen Weiterentwicklung in einem ersten Schritt durch Änderung des ESM-Vertrags umzusetzen (vgl. auch Antwort zu Frage 24). Dieser soll alle vorzusehenden Anpassungen umfassen. Eine rechtliche Übertragung des so weiterentwickelten ESM bzw. seines Rechtsnachfolgers in den EU-Rechtsrahmen würde danach in einem weiteren zweiten Schritt erfolgen. Dabei wird die Bundesregierung auf eine europa- und verfassungsrechtlich tragfähige Lösung achten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/3542 26. Befürwortet die Bundesregierung die Ausstattung eines EWF mit einer Banklizenz zur Refinanzierung über die Europäische Zentralbank? Die Bundesregierung lehnt dies ab. 27. Wie bewertet die Bundesregierung Vorschläge zur Schaffung eines Finanzministers für die Eurozone? 28. Welche Aufgabe sollte nach Auffassung der Bundesregierung ein europäischer Finanzminister im Rahmen der Haushaltsüberwachung haben? 29. Welche Stellung sollte nach Auffassung der Bundesregierung ein europäischer Finanzminister im Rahmen der Eurogruppe bzw. der EU-Kommission einnehmen? Die Fragen 27 bis 29 werden aufgrund ihrer thematischen Nähe im Zusammenhang beantwortet. Für die Bundesregierung liegt der Fokus der Diskussion zur Vertiefung der Wirtschafts - und Währungsunion auf inhaltlichen Aspekten und nicht auf institutionellen Aspekten. 30. Welche Maßnahmen strebt die Bundesregierung an, um eine verstärkte demokratische Kontrolle der Eurogruppe durch das Europäische Parlament bzw. die nationalen Parlamente zu ermöglichen? Bei den Mitgliedern der Eurogruppe handelt es sich um demokratisch legitimierte Minister der Mitgliedstaaten. Im Fall Deutschlands verfügt der Deutsche Bundestag entsprechend Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG), Integrations-verantwortungsgesetz (IntVG), Stabilisierungsmechanismusgesetz (StabMechG) und ESM-Finanzierungsgesetz über weitreichende Beteiligungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union, auch mit Blick auf die Beratungen der Eurogruppe. Diese erachtet die Bundesregierung als ausreichend. 31. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit eines Stabilisierungsfonds für die Eurozone zur Abfederung asymmetrischer Schocks? Im Rahmen der Meseberg-Erklärung vom 19. Juni 2018 schlägt die Bundesregierung zusammen mit der französischen Regierung vor, beginnend im Jahr 2021 im Rahmen der Europäischen Union einen Haushalt für die Eurozone aufzustellen, um die Wettbewerbsfähigkeit, Annäherung und Stabilisierung in der Eurozone zu fördern. Das Thema eines europäischen Stabilisierungsfonds für Arbeitslosigkeit, für den Fall schwerer Wirtschaftskrisen, ohne dass es zu Transferzahlungen kommt, soll geprüft werden. 32. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit eines Haushaltsinstruments zur Unterstützung von Strukturreformen in den Mitgliedstaaten? Strukturreformen sind wichtig für die wirtschaftliche Konvergenz und Widerstandsfähigkeit in Europa. Die Bundesregierung begrüßt daher Vorschläge zur Unterstützung von Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Strukturreformen. Dabei ist sicherzustellen, dass die Instrumente mit dem gegebenen Rechtsrahmen vereinbar sind, Fehlanreize vermeiden und die Umsetzung von Reformen nachhaltig stärken. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 33. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Konvergenzfazilität , um Nicht-Euro-Mitgliedstaaten bei der Einführung des Euros zu unterstützen ? Strukturreformen sind wichtig für die wirtschaftliche Konvergenz und Widerstandsfähigkeit in Europa, dies gilt auch für künftige Mitglieder der Eurozone. Die Bundesregierung begrüßt daher die Grundidee, Unterstützung bei der Umsetzung von Strukturreformen zu leisten. Es gilt zu vermeiden, dass ungewollte Fehlanreize geschaffen werden. Auch sollte eine Konvergenzfazilität nicht die Logik umkehren, dass ein Eurobeitritt für die Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, Pflicht und in ihrem eigenen Interesse ist. Konvergenz sollte gerade durch die Kandidaten selbst hergestellt werden (nationale Ownership). 34. Wie bewertet die Bundesregierung die derzeitigen Perspektiven für einen Eurobeitritt Bulgariens? Derzeit erfüllt Bulgarien nicht die im AEUV festgelegten Konvergenzkriterien, die für einen Eurobeitritt eingehalten werden müssen. Dies haben die EU-Kommission und die EZB in ihren jeweils am 23. Mai 2018 vorgelegten Konvergenzberichten festgestellt. So bestehen Defizite bei der Umsetzung der rechtlichen Konvergenz, die insbesondere eine Unabhängigkeit der Zentralbank beinhaltet. Auch erfüllt Bulgarien bisher nicht das Kriterium der Wechselkursstabilität, das eine mindestens zweijährige erfolgreiche Teilnahme am Wechselkursmechanismus II voraussetzt. Bulgarien erklärte in einem Schreiben des bulgarischen Finanzministers und des Gouverneurs der bulgarischen Nationalbank jüngst seine Absicht, bis Juli 2019 einen Antrag auf Beitritt zum Wechselkursmechanismus II zu stellen, nachdem bestimmte Bedingungen (insbesondere zum Beitritt zur Bankenunion ) erfüllt sind. Dieses Schreiben wurde dem Deutschen Bundestag am 3. Juli 2018 übermittelt und am 12. Juli 2018 in der Eurogruppe (erweitert um Dänemark und Bulgarien) behandelt. Die Eurogruppe (+Dänemark) begrüßte in einer Stellungnahme die Absicht Bulgariens, die notwendigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Eintritt in den WKM II zu schaffen. 35. Sieht die Bundesregierung die aktuellen Konvergenzkriterien noch als geeignet an, um über den Eurobeitritt eines Mitgliedstaates zu entscheiden? Aus Sicht der Bundesregierung sind die Erfüllung der in Artikel 140 im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) festgelegten Konvergenzkriterien sowie die darüber hinaus in Artikel 140 AEUV genannten Aspekte der Konvergenz weiterhin notwendig für den Beitritt eines EU-Mitgliedstaates zum Euroraum. 36. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle konjunkturelle Lage und Entwicklung in der Eurozone, besonders mit Blick auf den Leistungsbilanzüberschuss der Eurozone, die Entwicklung der Inflationsrate und das anhaltend niedrige Zinsniveau? Die Wirtschaftsleistung im Euroraum hat 20 Quartale in Folge zugelegt (Stand erstes Quartal 2018); 2017 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,4 Prozent und damit so stark, wie seit Beginn der globalen Finanzkrise 2008/2009 nicht mehr. Die niedrigen Zinsen tragen zu günstigen Rahmenbedingungen für die Investitionstätigkeit bei. Der Euroraum verzeichnete 2017 einen Leistungsbilanzüberschuss von 3,5 Prozent des BIP. Die konjunkturelle Entwicklung im Euroraum ist dabei nur ein Einflussfaktor unter vielen, die die Entwicklung der Leistungsbilanz beeinflussen. Andere Einflussfaktoren sind z.B. die konjunkturelle Entwicklung in der übrigen Welt und die Rohstoff- und Energieweltmarktpreise Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/3542 oder langfristig strukturell die Demographie, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter auf den Weltmärkten, die sektorale Wirtschaftsstruktur und die Nettovermögensposition des Euroraums in der übrigen Welt. Die Inflationsrate im Euroraum lag im Juni 2018 nach Schnellschätzung von Eurostat bei 2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. 37. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Europäischen Zentralbank, wonach Strukturreformen und unzureichende fiskalische Unterstützung der Geldpolitik höhere Realzinsen begünstigen bzw. das Erreichen der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank erschweren (vgl. www.ecb.europa.eu/ press/key/date/2014/html/sp141017.en.html)? Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Europäischen Zentralbank, dass die Umsetzung von Strukturreformen notwendig ist, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, strukturelle Arbeitslosigkeit zu verringern und die Produktivität und das Wachstumspotential zu steigern. Die Bundesregierung teilt ebenso die Auffassung der Europäischen Zentralbank, dass eine Aufstockung von fiskalischen Puffern , insbesondere in Mitgliedstaaten mit hohen Schuldenständen, erforderlich ist. 38. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen von Strukturreformen auf den Arbeitsmärkten und den Lohnverhandlungssystemen in den Mitgliedstaaten der Eurozone auf die Entwicklung der Inflationsrate? Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr von deflationären Tendenzen in der Eurozone bei einer erneuten konjunkturellen Abkühlung? Die Bundesregierung begrüßt Strukturreformen zur Steigerung der Widerstandsfähigkeit , der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstumspotenzials der Mitgliedstaaten . Das vorrangige Ziel der Europäischen Zentralbank ist, Preisstabilität zu gewährleisten. Die Europäische Zentralbank sieht derzeit keine Deflationsrisiken (Stand: 14. Juni 2018). Für Deutschland rechnet die Bundesregierung in ihrer Frühjahrsprognose 2018 mit einer Inflationsrate des Verbrauchpreisindex von 1,8 Prozent für 2018 und 2 Prozent für 2019. 39. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko weiterer protektionistischer Maßnahmen der US-Administration, die über die bereits angekündigten Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte hinausgehen, besonders mit Blick auf den anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands, aber auch der Eurozone insgesamt? Die US-Regierung hat eine Untersuchung zu Automobilimporten auf Grundlage von Section 232 des Trade Expansion Acts 1962 eingeleitet. Die Europäische Kommission hat zu der laufenden Untersuchung eine Stellungnahme für die EU abgegeben, in der mögliche negative Effekte von potenziellen Automobilimportzöllen auch auf die US-Wirtschaft aufgeführt werden. Die Europäische Kommission stellt fest, dass das US-Handelsdefizit sich durch weitere US-Importzölle nicht reduzieren dürfte. Die Bundesregierung und die EU werden sich weiter entschieden für offene Märkte, Einhaltung der WTO-Regeln und gegen Protektionismus aussprechen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 40. Wie bewertet die Bundesregierung potentielle Gefahren für die Finanzstabilität in der Eurozone aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsen und der Renditelage bei Banken und Versicherungen? Das niedrige Zinsniveau unterstützt die derzeit positive wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Darüber hinaus können niedrige Zinsen einerseits den Abbau von Schulden begünstigen, andererseits jedoch durch günstige Finanzierungsbedingungen auch Anreize für eine zusätzliche Schuldenaufnahme setzen und zu Fehlallokationen von Kapital und damit Produktivitätsverlusten führen. Zudem können niedrige Zinsen die Profitabilität von Finanzmarktakteuren belasten, wenn ihr operatives Einkommen in hohem Maß von Nettozinserträgen abhängt. Der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) weist in seinem Fünften Bericht an den Deutschen Bundestag (www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/ Themen/Internationales_Finanzmarkt/Finanzmarktstabilitaet/AFS/AFS_Bericht_ 2018.pdf;jsessionid=07B07D60C4969569A82CEBDE48B4BEEF?__blob= publicationFile&v=2 , siehe S. 11) zudem daraufhin, dass im Falle anhaltend niedriger Zinsen grundsätzlich mit einer Zunahme von Risiken zu rechnen ist. In diesem Fall hätten Finanzmarktteilnehmer weiter Anreize, in risikoreichere Anlagen zu investieren und ihre Verschuldung in geringerem Maße abzubauen oder gar weiter zu erhöhen. Angesichts der gegenwärtig hohen privaten und staatlichen Verschuldung würden dadurch bestehende Verwundbarkeiten verstärkt. Die EZB verweist in der aktuellen Ausgabe ihres Financial Stability Review darauf , dass sich zuletzt trotz der weiterhin niedrigen Zinsen die Rendite- bzw. Ertragslage bei Banken und Versicherern in Europa im Schnitt verbessert habe. Eine verbesserte Ertragslage von Banken und Versicherern dürfte sich grundsätzlich positiv auf die Finanzstabilität auswirken. 41. Wie bewertet die Bundesregierung Risiken für die Finanzstabilität bei einer Normalisierung der Geld- und Zinspolitik der EZB? Eine Einschätzung von Risiken für die Finanzstabilität bei einer Normalisierung der Geld- und Zinspolitik der EZB ist losgelöst von Annahmen über Zeitpunkt, Ablauf und Geschwindigkeit der Normalisierung nicht möglich. Der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) stellt im Fünften Bericht an den Deutschen Bundestag (www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/ Internationales_Finanzmarkt/Finanzmarktstabilitaet/AFS/AFS_Bericht_2018.pdf; jsessionid=07B07D60C4969569A82CEBDE48B4BEEF?__blob=publication File&v=2 , siehe S. 17) keine akuten Risiken für die inländische Finanzstabilität aus verschiedenen möglichen Zinsentwicklungen fest. Er betont aber die Notwendigkeit , die Zinsänderungsrisiken aufgrund ihres stabilitätsgefährdenden Potenzials laufend zu analysieren und aufmerksam zu verfolgen. Im Hinblick auf verschiedene Szenarien kommt der Ausschuss zu dem Schluss, dass im derzeitigen Umfeld abrupte Zinserhöhungen zu umfangreicheren Neubewertungen und entsprechenden Kursrückgängen führen könnten. Darüber hinaus könnte auf Basis der Ergebnisse einer Umfrage der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei rund 1500 kleinen und mittelgroßen Banken ein abrupter Zinsanstieg kurzfristig zu starken Gewinneinbrüchen führen. Stiegen die Zinsen dagegen kontinuierlich über alle Laufzeiten hinweg , käme es kurzfristig ebenfalls zu einem deutlichen Gewinneinbruch. Nach einigen Jahren würde sich die Gesamtrentabilität der Banken jedoch verbessern, was sich mittelfristig positiv auf die Finanzstabilität auswirken dürfte Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 19 – Drucksache 19/3542 42. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko für erneutes Ansteigen der Zinsspannen bei Staatsanleihen der Mitgliedstaaten der Eurozone? Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 43. Wie bewertet die Bundesregierung Forderungen nach einer „goldenen Investitionsregel “, wonach öffentliche Investitionen von den Maastrichter Defizitkriterien auszunehmen wären? 44. Wie bewertet die Bundesregierung Forderungen nach einer Ausnahme von Rüstungsinvestitionen von den Maastrichter Defizitkriterien sowie der Finanzierung von Dual-Use-Gütern durch die Europäische Investitionsbank (vgl. www.sueddeutsche.de/politik/europaeische-verteidigung-die-bank-spieltnicht -mit-1.3273463)? Die Fragen 43 und 44 werden aufgrund ihrer thematischen Nähe im Zusammenhang beantwortet. Die Bundesregierung sieht Bestrebungen, einzelne Ausgabenkategorien aus dem für die Überwachung relevanten Haushaltszahlen auszunehmen, kritisch. Aus Sicht der Bundesregierung ist das Ziel der Haushaltsüberwachung primär die Sicherung tragfähiger öffentlicher Haushalte. Hierfür sind insbesondere die tatsächlichen Finanzierungssalden und Schuldenstände relevant. Die Europäische Investitionsbank ist grundsätzlich in der Lage, Projekte mit Dual Use Gütern zu finanzieren, wenn der kommerzielle Zweck zentral ist und die militärische Nutzung nachrangig, wie zum Beispiel bei Forschung in Elektronik oder Materialien. 45. Wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit der Neuausrichtung als Investitionsbank von mit öffentlichen Geldern gestützten Finanzinstituten wie der Banca Monte dei Paschi di Siena mit dem EU-Beihilferecht? Konkrete Pläne zur Neuausrichtung von Kreditinstituten als Investitionsbanken in anderen Mitgliedstaaten sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die EU- Kommission ist dafür zuständig, darauf zu achten und notfalls sicherzustellen, dass geltendes europäisches Beihilferecht vollumfänglich beachtet wird. Dies gilt auch für den Umgang mit der italienischen Bank Monte dei Paschi di Siena. 46. Hält die Bundesregierung die Ausgabe von kurzfristigen Staatsschuldtiteln mit geldähnlichen Funktionen zur Begleichung von Steuerschulden und zur Abwicklung inländischer Transaktionen (Mini-BOTs) für vereinbar mit EU- Recht (vgl. www.bloomberg.com/news/articles/2018-05-21/why-mini-botsloom -big-for-investors-in-italy-assets-quicktake)? Der Bundesregierung liegt kein konkreter Vorschlag für die Einführung von sog. mini-BOTs vor. Ein hinreichend konkreter Vorschlag wäre Voraussetzung für die Prüfung, ob sog. mini-BOTs mit dem EU-Recht vereinbar wären. 47. Wie bewertet die Bundesregierung die systemischen Risiken der Förderung von Verbriefungen und einer stärker kapitalmarktorientierten Unternehmensfinanzierung ? Die EU-Kapitalmarktunion (CMU) ist ein zentrales Projekt der EU-Kommission, das darauf abzielt, die europäische Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen. Wichtig ist es, eine angemessene Balance zu finden zwischen europäischer Harmonisierung einerseits und der Wahrung bestehender effizienter Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/3542 – 20 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Märkte, von Rechts- und Aufsichtsstrukturen sowie der Finanzstabilität andererseits . In jedem Fall sind – sowohl bei bank- als auch bei kapitalmarktorientierter Unternehmensfinanzierung ein angemessenes Management der Risiken und eine effektive Aufsicht bedeutsam, um systemische Risiken adäquat zu adressieren. Das sogenannte Verbriefungspaket der Europäischen Kommission besteht aus mehreren Verordnungen. Neben der Schaffung eines Rahmens für sogenannte einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen stärkt das Verbriefungspaket den Rechtsrahmen weiter, der nach der Finanzkrise zur Bewältigung mit Verbriefungs-geschäften verbundenen Risiken geschaffen wurde. 48. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit der Regulierung von Central Counterparties? Zentrale Clearingstellen (central counterparties, CCPs) sind Infrastruktureinrichtungen , die für die Stabilität der Finanzmärkte von großer Bedeutung sind. Es ist deshalb erforderlich, sie einer strikten Regulierung zu unterwerfen. In der EU werden CCPs durch die EU-Derivateverordnung (EMIR) umfassend reguliert. Mit dem voraussichtlichen Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU im Zuge des Brexit werden CCPs mit Sitz im Vereinigten Königreich künftig außerhalb der EU angesiedelt sein und nicht mehr den Vorgaben von EMIR unterliegen . Die Europäische Kommission hat vor diesem Hintergrund am 13. Juni 2017 einen Gesetzgebungsvorschlag zur Überarbeitung von EMIR veröffentlicht (KOM (2017) 331 final), der derzeit auf Ratsebene erörtert wird. 49. Strebt die Bundesregierung weiter die Einrichtung eines nationalen Ausschusses für Produktivität an? Ja. 50. Welche Kennziffern der Produktivität (betriebliche oder gesamtwirtschaftliche ) hält die Bundesregierung bei der Befolgung einer verteilungsneutralen Lohnpolitik für ausschlagend? 51. Umfasst eine verteilungsneutrale Lohnpolitik nach Auffassung der Bundesregierung neben dem Wachstum der Produktivität auch eine Lohnentwicklung im Rahmen der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank? Die Fragen 50 und 51 werden aufgrund ihrer thematischen Nähe im Zusammenhang beantwortet. Die Bundesregierung verfolgt wegen der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie weder lohnpolitische Ziele noch strebt sie eine bestimmte Form der Lohnpolitik an. Es ist Sache der Tarifpartner zu entscheiden, welche Indikatoren sie im Rahmen des Lohnfindungsprozesses berücksichtigen. 52. Wie bewertet die Bundesregierung die Risiken von Produktivitätsausschüssen für die Tarifautonomie? Die Bundesregierung hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Mandat der nationalen Ausschüsse für Produktivität die Bereitstellung von Informationen für die Lohnfindung ausdrücklich ausklammert. Die Empfehlung des Rates der Europäischen Union (2016/C 349/01) weist explizit darauf hin, dass die einzelstaatlichen Lohnfindungspraktiken und -institutionen zu achten sind. Ihre Tätigkeiten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 21 – Drucksache 19/3542 sollen das Recht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern oder ihren jeweiligen Organisationen , nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie kollektive Maßnahmen zu ergreifen, unberührt lassen. 53. Welche Rolle sollen nach Auffassung der Bundesregierung Empfehlungen der Produktivitätsausschüsse bei der Bewilligung von fiskalischen Hilfen der EU oder anderer EU-Mitgliedstaaten haben? Das Mandat der Ausschüsse für Produktivität sieht keinen Einfluss ihrer Empfehlungen auf die Bewilligung von fiskalischen Hilfen der EU oder anderer EU-Mitgliedstaaten vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333