Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz vom 27. Dezember 2017 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/355 19. Wahlperiode 29.12.2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Uwe Kamann, Uwe Schulz, Joana Eleonora Cotar, Marcus Bühl und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/210 – Zu operativer Umsetzung, Straftatbeständen und Datenschutz beim „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 1. Oktober 2017 ist das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ (NetzDG) gegen massive Kritik zahlreicher Juristen, Unternehmen (u. a. Facebook), Interessenverbände (u. a. „Reporter ohne Grenzen “) betroffener Bürger in Kraft getreten. Bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag Mitte Juni 2017 hatten sogar noch acht von zehn Sachverständigen, die die Bundesregierung selbst als Experten geladen hatte, das Gesetz für verfassungswidrig erklärt (www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/heiko-maasbundestag -beschliesst-facebook-gesetz-a-1155192.html; www.bundestag.de/ dokumente/textarchiv/2017/kw25-pa-recht-rechtsdurchsetzung/510328). Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye, beklagte in seinem offenen Brief vom 1. Juni 2017 an die Bundesregierung, das geplante Gesetz gefährde die Menschenrechte (www.ohchr.org/Documents/Issues/Opinion/ Legislation/OL-DEU-1-2017.pdf). Mit dem Gesetz sollen nach Auffassung der Fragesteller Inhalte im Internet kontrolliert , gesperrt und ggf. gelöscht werden. Aus Sicht der Fragesteller besteht damit erstmals seit 1945 die Gefahr einer staatlich initiierten Zensur und damit eines Verstoßes gegen Artikel 5 des Grundgesetzes (GG). Verschiedenen Presseberichten der letzten Wochen (www.sueddeutsche.de/digital/exklusive-szmagazin -recherche-inside-facebook-1.3297138) und ebenfalls aus der Bundestagsdrucksache 18/12220 waren außerdem die Geschäftspraktiken von Unternehmen wie Arvato zu entnehmen, die als „Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung “ beauftragt werden, Inhalte im Internet zu überprüfen und ggf. zu sperren bzw. zu löschen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/355 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode I. Operative Umsetzung 1. Gibt es eine Stelle innerhalb der Bundesregierung oder ihr nachgeordneter Behörden, die verbindlich darüber entscheidet, welche sozialen Netzwerke die sogenannte Bagatellgrenze von zwei Millionen registrierten Nutzern (vgl. www.juris.de/jportal/portal/page/fpbsigesetze.psml?nid=jnachr-JUNA 170704674&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht. jsp) zu einem bestimmten Zeitpunkt überschreiten? Wenn ja, welche Stelle ist dies, und woher bezieht sie ihre Legitimation? Wenn nein, warum gibt es keine solche Stelle – angesichts des aus Sicht der Fragesteller bestehenden Klärungsbedarfs für soziale Netzwerke, ob sie den Pflichten des NetzDG unterliegen – und angesichts der Notwendigkeit zur Schaffung klarer Maßgaben für die Überwachung sozialer Netzwerke im Hinblick auf die Pflichten des NetzDG gemäß § 4 Absatz 4 Satz 1 NetzDG zuständigen Behörde? Das Bundesamt für Justiz (BfJ) wird über die maßgebliche Nutzerzahl im Rahmen von möglichen Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die Vorgaben nach §§ 2 und 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) entscheiden. Die Zuständigkeit des BfJ ergibt sich insofern aus § 4 Absatz 4 Satz 1 NetzDG. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird gemäß § 4 Absatz 4 Satz 2 NetzDG im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur allgemeine Verwaltungsgrundsätze über die Ausübung des Ermessens der Bußgeldbehörde bei der Einleitung eines Bußgeldverfahrens und bei der Bemessung der Geldbuße erlassen. Es ist beabsichtigt, in diesem Rahmen auch Hinweise zu geben, wie die Nutzerzahl in § 1 Absatz 2 NetzDG bestimmt werden kann. 2. Ist der Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt bekannt, welche Anbieter von sozialen Netzwerken den Pflichten des NetzDG unterliegen? Wenn ja, welche sind dies? Wenn nein, warum sind diese zwei Monate nach Inkrafttreten des NetzDG noch nicht ermittelt worden, und wann wird die Bundesregierung oder die zuständige nachgeordnete Behörde über diese Information verfügen? 3. Plant die Bundesregierung, die sozialen Netzwerke, die von den Pflichten der §§ 2 und 3 NetzDG nicht gemäß § 1 Absatz 2 NetzDG befreit sind, öffentlich zu benennen? Wenn ja, wann, und über welches Medium wird sie dies tun? Wird diese Information gegebenenfalls in regelmäßigen Abständen aktualisiert und wiederum veröffentlicht werden? Sollte eine regelmäßige Information der Öffentlichkeit geplant sein, in welchen Abständen wird eine solche Information erfolgen (Verfahrensmodus /Abstände bitte begründen)? Wenn nein, warum nicht? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Welche Anbieter sozialer Netzwerke den Pflichten des NetzDG unterliegen, kann im Einzelfall Gegenstand von Ermittlungen des BfJ sein, denen die Bundesregierung nicht vorgreifen kann und wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/355 4. Haben die Bundesregierung bzw. ihre nachgeordneten Behörden Kenntnis darüber, ob soziale Netzwerke, die den Verpflichtungen des NetzDG unterliegen , „Dritte“ bzw. externe Dienstleister mit der Erfüllung von Aufgaben nach dem NetzDG beauftragt haben? Wenn ja, um welche sozialen Netzwerke handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung, und welche externen Dienstleister haben diese jeweils beauftragt ? Wenn nein, warum nicht? Nach Kenntnis der Bundesregierung haben folgende Diensteanbieter externe Dritte als sogenannte Zustellungsbevollmächtigte beziehungsweise Empfangsberechtigte im Sinne von § 5 NetzDG benannt: Zustellungsbevollmächtigte: Facebook: Freshfields Bruckhaus Deringer LLP (Berlin) YouTube: Google Germany GmbH, Rechtsabteilung Google+: Google Germany GmbH, Rechtsabteilung Instagram: Freshfields Bruckhaus Deringer LLP (Berlin) Pinterest: Jana Würfel, Pinterest GmbH SoundCloud: SoundCloud Ltd., Legal Team Twitter: T. I. Kontakt GmbH Empfangsberechtigte: Twitter: T. I. Kontakt GmbH, Google LLC / Youtube LLC: Frau Rechtsanwältin Malaika Nolde, VBB Rechtsanwälte Ob es sich bei diesen Diensten um soziale Netzwerke im Sinne von § 1 NetzDG handelt, bleibt der Einschätzung des BfJ vorbehalten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/355 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Trifft es nach Auffassung der Bundesregierung zu, dass das soziale Netzwerk die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit nach § 3 Absatz 6 bis 8 NetzDG, einer anerkannten Einrichtung der „Regulierten Selbstregulierung“ übertragen kann und sich deren Entscheidung unterwerfen (§ 3 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b NetzDG) muss? Durch § 3 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b NetzDG wird das Beschwerdemanagement in Fällen des § 3 Absatz 2 Nummer 3 NetzDG für die Einbindung von anerkannten Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung geöffnet. Liegt kein Fall der offensichtlichen Rechtswidrigkeit vor, steht es den sozialen Netzwerken frei, die Entscheidung über die Entfernung oder Sperrung einer anerkannten Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung zu übertragen. Wenn die anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung den Inhalt als rechtswidrig im Sinne des NetzDG einordnet, muss das soziale Netzwerk diesen unverzüglich entfernen oder sperren. Kommt die anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung zu der Einschätzung, dass der Inhalt nicht rechtswidrig ist, so darf das soziale Netzwerk diesen nicht entfernen oder sperren. 6. Welchen Kriterien unterliegt eine Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung bezüglich der Unabhängigkeit und Sachkunde der Prüfer (§ 3 Absatz 6 Nummer 1 NetzDG), der sachgerechten Ausstattung (§ 3 Absatz 6 Nummer 2 NetzDG) und der Verfahrensordnung (§ 3 Absatz 6 Nummer 3 NetzDG)? Das BfJ hat gemäß § 3 Absatz 7 NetzDG auf Antrag zu entscheiden, ob eine Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung den Anforderungen des § 3 Absatz 6 NetzDG entspricht. Die Bundesregierung kann und wird dieser im Einzelfall zu treffenden Entscheidung nicht vorgreifen. 7. Haben die Bundesregierung bzw. ihre nachgeordneten Behörden Kenntnis darüber, ob soziale Netzwerke, die den Verpflichtungen des NetzDG unterliegen , bereits „Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung“ mit der Erfüllung von Aufgaben nach dem NetzDG beauftragt haben oder ob diese entsprechende Einrichtungen anerkennen lassen wollen? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist derzeit noch kein Antrag auf Anerkennung gestellt worden. 8. Wie und wodurch stellt die Bundesregierung sicher, dass die Mitarbeiter der sozialen Netzwerke (und/oder ggf. die Mitarbeiter der „Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung“), die den Pflichten des NetzDG zu entsprechen haben, über die Befähigung verfügen einen Inhalt verbindlich auf einen der in § 1 Absatz 3 NetzDG genannten Tatbestände zu prüfen? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/355 9. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Mitarbeiter der sozialen Netzwerke (und/oder ggf. die Mitarbeiter der „Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung“ die Entscheidungen nach § 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG zu treffen haben, die Befähigung zum Richteramt haben müssen? Wenn nein, warum nicht? Trifft es nach Auffassung der Bundesregierung zu, dass bei Entscheidungen über die Löschung oder Sperrung von Inhalten durch Private im Rahmen des NetzDG andere Qualitätsmaßstäbe anzulegen sind, als wenn über die Löschung oder Sperrung durch Gerichte entschieden würde? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 8 und 9 zusammen beantwortet . Es obliegt den Anbietern der erfassten Netzwerke, ein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Absatz 3 NetzDG vorzuhalten (siehe § 3 Absätze 1, 2 und 3 NetzDG). Dies schließt eine sachgerechte Ausstattung und Qualifikation der mit der Bearbeitung von Beschwerden befassten Mitarbeiter ein. Mängel in diesem Verfahren können auf Grundlage von § 4 Absatz 1 Nr. 2 NetzDG zu einem Ermittlungsverfahren durch das BfJ führen. Nach § 3 Absatz 4 NetzDG müssen die Leitungen sozialer Netzwerke den mit der Bearbeitung von Beschwerden beauftragten Personen regelmäßig , mindestens aber halbjährlich, deutschsprachige Schulungs- und Betreuungsangebote machen. Im Übrigen wird sich aus den erstmals für das 1. Halbjahr 2018 fälligen (§ 6 Absatz 1 NetzDG) verpflichtenden Berichten nach § 2 NetzDG detailliert ergeben, wie die entsprechenden Arbeitseinheiten bei den sozialen Netzwerken organisiert und personell ausgestattet sind und über welche fachlichen und sprachlichen Kompetenzen die befassten Mitarbeiter verfügen (§ 2 Absatz 2 Nr. 4 NetzDG). Bezüglich der Qualifikation von Mitarbeitern von (anerkannten) Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung wird auf § 3 Absatz 6 Nr. 1 NetzDG sowie die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 10. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Mitarbeiter bei den betroffenen sozialen Netzwerken (und/oder ggf. in „Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung“), die den Pflichten des NetzDG unterliegen, mit der Beachtung der Einhaltung der Pflichten gemäß des NetzDG befasst sind? 11. Ist der Bundesregierung bekannt, nach welchen Skill-Profilen und Kriterien Mitarbeiter, die zur Erfüllung der Pflichten des NetzDG bei den sozialen Netzwerken bzw. den „Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung“ eingesetzt sind, ausgewählt wurden (wenn ja, bitte nach sozialen Netzwerken und externen Dienstleistern aufschlüsseln)? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 10 und 11 werden zusammen beantwortet. Die Pflichten nach §§ 2 und 3 NetzDG sind aufgrund § 6 NetzDG erst ab 1. Januar 2018 umzusetzen, weshalb der Bundesregierung bisher (über die Angaben in der Antwort zu Frage 4 hinaus) keine Erkenntnisse über Qualifikation sowie Anzahl der Mitarbeiter, die mit der Beachtung der Einhaltung der Pflichten gemäß NetzDG befasst sind, vorliegen können. Entsprechende Zahlen werden sich zukünftig auf Grundlage der nach § 2 NetzDG zu veröffentlichenden Berichte ergeben . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/355 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bezüglich der angesprochenen Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung liegen entsprechende Zahlen nicht vor. Ein Antrag auf Anerkennung einer entsprechenden Einrichtung wurde bislang nicht gestellt. 12. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass „Whistleblower“ über belastende Zustände in den Löschzentren und „geheime Lösch-Regeln“ (www. sueddeutsche.de/digital/exklusive-sz-magazin-recherche-inside-facebook- 1.3297138) berichten? Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass „Whistleblower“ über geheime Listen rechtskonservativer Nutzer berichten, die zum digitalen Mobbing durch unberechtigte Kurzzeitsperren verwendet werden und dass Mitarbeiter bei ihrer Bewerbung gezielt nach ihrer politischen Ausrichtung befragt werden? Wenn ja, sind diese Listen bekannt, und kann durch die Bundesregierung ausgeschlossen werden, dass sie oder ihr nachfolgende Behörden in der Erstellung dieser Listen nicht beteiligt waren? Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, welche Fragen gestellt wurden und welche Konsequenzen hatten die Antworten – zum Beispiel zur Mitgliedschaft in einer Partei – bei der Auswahl der Bewerber? Wenn nein, wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass dieses in Zukunft nicht mehr vorkommt? Die Bundesregierung hat hierzu keine Erkenntnisse. 13. Ist der Bundesregierung bekannt, nach welchen Verfahren und Kriterien die sozialen Netzwerke, die den Pflichten des NetzDG unterliegen, die Rechtmäßigkeitsprüfung nach § 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG vornehmen und gegebenenfalls löschen oder sperren (wenn ja, bitte die Verfahren und Kriterien aufführen)? Die Vorgaben des § 3 NetzDG sind erst ab 1. Januar 2018 umzusetzen (§ 6 Absatz 2 NetzDG). Die Handhabung durch die Netzwerke ist daher noch nicht bekannt . 14. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob die sozialen Netzwerke, die den Pflichten des NetzDG unterliegen, Applikationen für eine automatische Erfassung mutmaßlich rechtswidriger Inhalte einsetzen, und um welche technischen Verfahren und Anwendungen es sich konkret handelt? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden entsprechende technische Lösungen durch verschiedene soziale Netzwerke eingesetzt. Beim EU-Internet Forum haben Google, Facebook und Twitter über technologische Lösungen (Algorithmen für maschinelles Lernen) berichtet (vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_IP- 17-5105_de.htm). Zudem wird die im EU-Internetforum 2016 angekündigte und im Frühjahr 2017 eingerichtete Datenbank zu bekannten terroristischen Inhalten („Hash-Datenbank“) für bekannte terroristische Videos und Bilder beziehungsweise deren Verhinderung eingesetzt (vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_ IP-17-5105_de.htm). Aufgrund § 2 Absatz 2 Nummer 1 NetzDG werden die erfassten sozialen Netzwerke verpflichtet, ab dem 1. Halbjahr 2018 über Anstrengungen zu berichten, um strafbare Handlungen auf ihren Plattformen zu unterbinden . Hierzu zählt auch der Einsatz von spezieller Software zur Erkennung illegaler Inhalte auf Plattformen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/355 15. Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit es durch das NetzDG Praxis ist, in welchem Maßstab soziale Netzwerke einzelne rechtswidrige Inhalte löschen oder sperren und Nutzer-Accounts löschen oder sperren? Wenn ja, welche Kriterien werden hierfür herangezogen, und auf welcher Rechtsgrundlage wird dabei verfahren? Die Vorgaben des § 3 NetzDG sind erst ab 1. Januar 2018 umzusetzen (§ 6 Absatz 2 NetzDG). Die Handhabung durch die Netzwerke ist daher noch nicht bekannt . Generell ergibt sich aus dem NetzDG keine Pflicht zur Sperrung oder Löschung von Nutzer-Accounts. Ziel des NetzDG ist es durch die Einführung von gesetzliche Compliance-Regeln für soziale Netzwerke, die sozialen Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden insbesondere von Nutzerinnen und Nutzer über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte anzuhalten. 16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Praxis einzelner sozialer Netzwerke, Nutzer-Accounts bei Vorliegen tatsächlicher oder vermeintlicher rechtswidriger Inhalte zu sperren (www.pro-medienmagazin.de/medien/internet/2017/ 11/03/twitter-account-des-islamkritikers-abdel-samad-gesperrt-und-wiederfreigegeben /; www.spiegel.de/netzwelt/web/twitter-blockiert-inhaltevorgeschmack -auf-netzdg-a-1153530.html)? Die Zulässigkeit der Sperrung von Nutzeraccounts richtet sich grundsätzlich nach den zwischen Nutzer und Netzwerk bestehenden vertraglichen Bedingungen. Inwiefern eine Account-Sperrung sich daraus ergebende Pflichten verletzt, ist eine Frage des Einzelfalles, deren Klärung den unabhängigen Gerichten vorbehalten ist. 17. Hat das Bundesamt für Justiz bereits eine Stelle zur Überwachung der Verfahren der sozialen Netzwerke für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte im Sinne von § 3 Absatz 5 NetzDG beauftragt oder ist dies geplant? Wenn ja, um welche Behörde/Institution handelt es sich? Wenn nein, warum wurde eine solche Behörde/Institution noch nicht beauftragt ? Plant das Bundesamt für Justiz die Beauftragung einer solchen Behörde/Institution ? Wird es sich um eine existierende Behörde/Institution/Abteilung handeln? Die Bundesregierung trägt dafür Sorge, dass das BfJ nach Verfügbarkeit der notwendigen Haushaltsmittel die in § 3 Absatz 5 genannte Stelle beauftragt. 18. Wie viele Planstellen sind innerhalb der Bundesregierung und ihrer nachgeordneten Behörden mit dem Vollzug des NetzDG betraut (bitte nach Organisationseinheit und Besoldungsgruppen aufschlüsseln)? Das für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beim BfJ eingesetzte Personal ist bisher nicht durch Planstellen unterlegt, da der Bundeshaushalt 2017 diese neue Aufgabe noch nicht berücksichtigen konnte. Das Personal wurde durch Umsetzungen , Abordnungen und entsprechende Maßnahmen gewonnen. Innerhalb der Bundesregierung sind zwei Planstellen mit dem Vollzug des NetzDG befasst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/355 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Hat die gemäß § 3 Absatz 5 NetzDG beauftragte Behörde/Institution gegebenenfalls die Befugnis, sich von den Mitarbeitern des jeweiligen sozialen Netzwerks die Bearbeitung von Einzelfällen vorführen zu lassen bzw. sind kontinuierliche operative Audits vorgesehen? Die nach § 3 Absatz 5 NetzDG beauftragte Stelle ist zur Überwachung der Verfahren nach § 3 Absatz 1 NetzDG befugt. Die beauftragte Stelle kann mit einem betroffenen sozialen Netzwerk auch Strukturen und Abläufe des Beschwerdemanagements erörtern. 20. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, dass es aufgrund der Kombination aus kurzen Löschfristen (24 Stunden bzw. 7 Tage) und hohen Bußgeldern (bis zu 5 Mio. Euro) zu einem „Overblocking“ kommen kann (https://netzpolitik.org/2017/ allzu-restriktiv-osze-warnt-vor-netzwerkdurchsetzungsgesetz/)? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung teilt diese Sorge aufgrund der konkreten Ausgestaltung des NetzDG nicht (vgl. § 3 Absatz 2 Nummer 3 NetzDG). 21. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die den Pflichten des NetzDG unterliegenden sozialen Netzwerken (und/oder ggf. „Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung“) nicht mit Artikel 5 GG kollidieren, wie es in der Anhörung zum Gesetzentwurf acht von zehn Experten, die von der Großen Koalition selbst geladen wurden, eingeschätzt hatten (www.spiegel.de/ netzwelt/netzpolitik/heiko-maas-bundestag-beschliesst-facebook-gesetz-a-1 155192.html)? Bereits der Gesetzesentwurf der Bundesregierung hat sichergestellt, dass hinreichende Sicherungsmechanismen zum Schutz von Artikel 5 Grundgesetz vorhanden waren. Im parlamentarischen Verfahren wurden weitere Schutzmechanismen hinzugefügt, unter anderem die Flexibilisierung der sogenannten Sieben-Tagesfrist in § 3 Absatz 2 Nummer 3 NetzDG und die Einführung der Möglichkeit zur Abgabe von Entscheidungen durch die Netzwerke an anerkannte Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung. Zudem wurden die Änderungsvorschläge zu § 14 Telemediengesetz (TMG) um einen explizit geregelten Richtervorbehalt ergänzt (vergleiche Bundestagsdrucksache 18/13013). 22. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass nach § 3 Nummer 5 NetzDG, die Nutzer bei der Löschung von Kommentaren bzw. Sperrung des Nutzer-Accounts über die Begründung, die zu der Sanktionsmaßnahme geführt haben, umfassend informiert werden? Das NetzDG enthält keine Vorgaben zur Sperrung von Nutzer-Accounts. Im Übrigen ist die Vorgabe zur Weiterleitung von Entscheidungen (ggfs. über die Entfernung oder Sperrung eines Inhaltes) Teil der Vorgaben zum Beschwerdemanagement , § 3 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG. Soweit ein erfasstes soziales Netzwerk die Umsetzung dieser Vorgabe nicht gewährleistet, können Tatbestände des § 4 Absatz 1 NetzDG erfüllt sein, was gegebenenfalls vom BfJ zu ermitteln ist. Darüber hinaus ist die Praxis der Weiterleitung von Entscheidungen zukünftig von den erfassten Netzwerken aufgrund § 2 Absatz 2 Nummer 7 NetzDG zu veröffentlichen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/355 23. Ist geplant, dass die Bundesregierung darauf hinwirkt, dass unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung soziale Netzwerke von der Möglichkeit des § 3 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe a NetzDG Gebrauch machen und die 7-Tage-Frist überschreiten, um dem betroffenen Nutzer Gelegenheit zur Stellungnahme geben? Wenn ja, bei welchen Fällen? Die Bundesregierung geht davon aus, dass es im eigenen Interesse der sozialen Netzwerke liegt, in geeigneten Fällen von der Möglichkeit des § 3 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe a NetzDG Gebrauch zu machen. Ob ein Nichtgebrauch dieser Möglichkeit den betroffenen Nutzer in seinen Rechten verletzt und dies gegebenenfalls Ansprüche gegenüber dem sozialen Netzwerk auslöst, richtet sich in erster Linie nach dem (vertraglichen) Innenverhältnis. Die Entscheidung hierüber ist im Einzelfall Sache der unabhängigen Gerichte. II. Straftatbestände 24. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fraktion der AfD, dass jedermann eine Beschwerde über einen rechtswidrigen Inhalt an ein soziales Netzwerk richten kann, das die Pflichten des NetzDG zu erfüllen hat? Wenn ja, kann sich demnach auch ein unbeteiligter Dritter, der nicht Verletzter eines Äußerungsdeliktes ist, bei einem sozialen Netzwerk über einen rechtswidrigen Inhalt beschweren (also zum Beispiel ein beliebiger Internetnutzer über die Beleidigung eines anderen Internetnutzers gegenüber dem Beleidigten)? Wenn ja, muss dann ein rechtswidriger Inhalt nach dem NetzDG gelöscht werden, auch wenn er strafrechtlich nicht verfolgbar ist? Wollte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit seinem Gesetzentwurf vom 14. Juni 2017 (Bundestagsdrucksache 18/12727) nach Auffassung der Bundesregierung im NetzDG eine andere Wertung als im Strafgesetzbuch vornehmen? Wenn ja, warum? Die Beschwerden, deren Umgang § 3 NetzDG regelt, können grundsätzlich von jedermann an das betroffene soziale Netzwerk gerichtet werden. Es ist nicht erforderlich , dass der Beschwerdeführer durch den beanstandeten Inhalt zugleich in eigenen Rechten verletzt beziehungsweise Verletzter einer Straftat ist. Die Vorgaben für den Umgang mit Beschwerden nach § 3 NetzDG gelten für Inhalte im Sinne von § 1 Absatz 3 NetzDG, das heißt, solche Inhalte, die einen der dort genannten Straftatbestände erfüllen und nicht gerechtfertigt sind. Im Bereich sogenannter Antragsdelikte sind allerdings Fälle denkbar, in denen trotz Verwirklichung eines Straftatbestandes mangels Strafantrag eine Strafverfolgung ausscheidet. Eine entsprechende Einschränkung der Verpflichtung zum Umgang mit Beschwerden nach § 3 NetzDG in Fällen fehlenden Strafantrages besteht nicht. Hintergrund ist, dass die Vorgaben zum Entfernen oder Sperren nach § 3 NetzDG keine Regelung der Strafverfolgung darstellen. Es geht vielmehr darum, die sozialen Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden über strafbare Inhalte anzuhalten. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen von NetzDG und Strafgesetzbuch kann es dazu kommen, dass soziale Netzwerke gemäß § 3 NetzDG zur Sperrung von strafrechtlich relevanten Inhalten angehalten sind, während eine strafrechtliche Verfolgung des Inhalteverfassers nicht in Betracht kommt, weil der Verletzte keinen Strafantrag gestellt hat (etwa weil ihm die gegen ihn gerichtete Tat noch nicht bekannt Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/355 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ist oder er aus anderen Gründen von der Stellung eines Strafantrages absieht, zum Beispiel weil es ihm vorrangig darum ging, dass der verletzende Inhalt entfernt wird und er an der Verfolgung des Täters kein weiteres Interesse hat). 25. Nach welchen Kriterien wurde bei der Erstellung des ministeriellen Gesetzentwurfs vom 14. Juni 2017 (Bundestagsdrucksache 18/12727) die Liste der in § 1 Absatz 3 NetzDG enthaltenen Straftatbestände erstellt? Die Auswahl erfolgte entsprechend der Netzrelevanz der Straftatbestände, das heißt, inwiefern diese typischerweise auch durch Inhalteverbreitung in sozialen Netzwerken verwirklicht werden. 26. Welche Beweggründe haben bei der Erstellung des ministeriellen Gesetzentwurfs vom 14. Juni 2017 (Bundestagsdrucksache 18/12727) dazu geführt, dass die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a des Strafgesetzbuchs – StGB) erfasst ist, nicht aber die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB)? Der Straftatbestand § 201a StGB ist aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz aufgenommen worden (vergleiche Bundestagsdrucksache 18/13013). III. Datenschutz 27. Wie verhält sich die Bundesregierung zur Auffassung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder, die sich in der Göttinger Erklärung vom 30. März 2017 besorgt zeigten, dass „Verantwortliche in Politik und Wirtschaft“ immer häufiger das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung „implizit oder sogar explizit in Frage“ stellten? Sieht die Bundesregierung ebenso wie die Datenschützer einen Zielkonflikt bei der informellen Selbstbestimmung, wenn die Mitarbeiter sozialer Plattformen und Mitarbeiter der Einrichtungen der „Regulierten Selbstregulierung “ die Kommunikationsinhalte ihrer Nutzer prüfen? Die Bundesregierung hat die Göttinger Erklärung „Vom Wert des Datenschutzes in der digitalen Gesellschaft“ der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder vom 30. März 2017 zur Kenntnis genommen. Die Bundesregierung stand und steht mit ihren Verfassern im Dialog. Die Bundesregierung sieht jedoch hier keinen Zielkonflikt. Denn das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und die Göttinger Erklärung haben unterschiedliche Zielsetzungen . Die Göttinger Erklärung bezieht sich auf den Schutz privater Daten und „Datensouveränität“. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz regelt, wie mit strafbaren Äußerungen umgegangen werden soll, die gerade nicht privat bleiben sollen, sondern für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Die vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz vorgesehenen und hierauf anwendbaren Regelungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten sind nach Auffassung der Bundesregierung zur Erfüllung dieser Verpflichtung datenschutzrechtlich erforderlich und angemessen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/355 28. Sind die Regelungen des NetzDG nach Auffassung der Bundesregierung vereinbar mit der Verordnung über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/58/EG in der Fassung, die die Europäische Kommission am 10. Januar 2017 vorgeschlagen hat? Der Vorschlag der Europäischen Kommission vom 10. Januar 2017 für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation enthält Vorschriften zum Grundrechtsschutz bei der Bereitstellung und Nutzung elektronischer Kommunikationsdienste und für die Verarbeitung elektronischer Kommunikationsdaten . Der Verordnungsvorschlag wird gegenwärtig in Rat und Europäischem Parlament beraten. Wenn Nutzer in sozialen Netzwerken beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen, liegt nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation in der Regel kein elektronischer Kommunikationsdienst im Sinne dieses Verordnungsentwurfes vor. Eine endgültige Bewertung kann allerdings erst vorgenommen werden, wenn der europäische Gesetzgeber die Verordnung endgültig erlassen hat. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333